Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300738/16/BMa/Be

Linz, 13.04.2007

 

 

 

Erkenntnis

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der S P, gegen den Bescheid des Bürgermeisters von Steyr vom 18. Mai 2006, Zl. Vet-23/05, wegen Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. März 2007 zu Recht erkannt:

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.                  Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.:§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002

zu  II.: §§ 66 Abs.1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als verantwortliche Hundehalterin zu vertreten, dass

1.       sie am 3.2.2005 gegen 19.30 Uhr in 4400 Steyr, nächst dem Hause – und somit an einem öffentlichen Ort im Stadtgebiet Steyr – den in Ihrer Obhut befindlichen Hund (Farbe: hellbraun) nicht an der Leine geführt haben und nicht mit einem Maulkorb geführt haben. Da Hunde an öffentlichen Orten im Ortsgebiet an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden müssen, stellt dies eine Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes dar.

2.       sie ihren Hund (Doggenmischling, braunes Kurzhaar) nicht derart beaufsichtigten, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, sodass dieser Hund am 3.2.2005 gegen 19.30 Uhr in 4400 Steyr, nächst dem Haus xx, Hrn. Mag. Ain Z ansprang und dieser dadurch gefährdet wurde. Da Hunde in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren und zu führen sind, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, stellt oa. Tatbestand eine Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes dar."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde die Rechtsvorschriften

ad 1.  § 6 Abs.1 iVm § 15 Abs.1 Z.5 und Abs.2 Oö. Hundehaltegesetz, LGBl.Nr. 147/2002, und

ad 2.   § 3 Abs.2 Z.1 iVm § 15 Abs.1 Z.2 und Abs.2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 als verletzt und verhängte wegen diesen Verwaltungsübertretungen jeweils auf der Grundlage des § 15 Abs.2 leg.cit. eine Geldstrafe von ad 1. 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Stunden) und ad 2. 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 16 Stunden). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 15 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens begründend aus, die Beschuldigte sei Hundehalterin im Sinne des § 1 Abs.2 Z.2 des Oö. Hundehaltegesetzes. Hinsichtlich des Verschuldens genüge gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung gehöre zum Tatbestand weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr, weshalb es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handle. Bei Ungehorsamsdelikten belaste der Gesetzgeber den Täter schon durch den objektiven Tatbestand und präsumiere die Schuld, so lange der Beschuldigte nicht das Gegenteil glaubhaft mache. Im konkreten Fall habe zumindest Fahrlässigkeit angenommen werden müssen. Die Übertretungen der Bestimmungen des Oö. Hundehaltegesetzes seien aufgrund der Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr als auch aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen.

Abschließend wurden die Strafbemessungsgründe angeführt.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Berufungswerberin durch Hinterlegung am 26. Mai 2006 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 7. Juni 2006, die am selben Tag zur Post gegeben wurde. Der Strafbescheid wurde in seinem gesamten Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger und unvollständiger Tatsachenfeststellung und Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens angefochten.

2. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Aus der Aktenlage im Zusammenhang mit dem von der Staatsanwaltschaft Steyr beigeschafften und verlesenen Akt wegen des Verdachtes des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung (Hundebiss), 17 PAZ 256/05a, und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2007 ergibt sich folgender wesentlicher Sachverhalt:

 

Am 3. Februar 2005, gegen 19.30 Uhr, ließ S P den in ihrer Obhut befindlichen Hund "N" aus ihrem Auto springen. Dieser Hund, der einen nur aus Nylonriemchen bestehenden Maulkorb trug, hat Mag. A Z angebellt und ist zum Wohnhaus der S P gelaufen, wo ihn bereits die Tochter der Berufungswerberin erwartete.

Als die Rechtsmittelwerberin ihren eigenen Hund, den Doggenmischling "A", aus dem Auto springen ließ, hat sich dieser samt der Leine losgerissen, ist auf Mag. Z mit nachschleifender Leine zugelaufen, an diesem empor gesprungen und hat ihn im Gesichts- und Halsbereich verletzt. Der Hund "A" wurde vor diesem Vorfall immer ordnungsgemäß verwahrt und an der Leine gehalten. Auch am 3. Februar 2005 war er beim Herausspringen aus dem Auto angeleint, hat sich jedoch mit dieser der Hundehalterin entrissen.

S P konnte nicht damit rechnen, dass sich der Doggenmischling, den sie bereits seit fünf Jahren gehalten hatte, plötzlich losreißen und einem Passanten Verletzungen zufügen würde.

 

3.2. Beweiswürdigend ist hinsichtlich des Tragens eines Maulkorbes durch den kleineren Hund "N" den übereinstimmenden Angaben der Berufungswerberin und ihrer als Zeugin aussagenden Tochter zu folgen, wonach der Hund einen Maulkorb aus Plastikriemchen getragen habe, der nur verhindert habe, dass der Hund das Maul zur Gänze öffnen konnte, er habe aber sehr wohl damit bellen können. Der diesbezüglichen Aussage des Mag. Z wird in diesem Punkt nicht gefolgt, weil es nachvollziehbar ist, dass er sich aufgrund des Emporspringens des größeren Hundes in einem Schockzustand befunden hat und den unscheinbaren Maulkorb des kleineren Hundes nicht wahrgenommen hat. Zwar hat Mag. Z angegeben, der kleinere Hund habe ihn aggressiv angebellt, dies widerspricht aber nicht der Aussage der Berufungswerberin, weil diese angegeben hatte, dass der Maulkorb von einer derartigen Beschaffenheit war, dass der Hund mit dem lediglich aus zwei Plastikriemchen bestehenden Maulkorb auch bellen habe können (Seite 3 der Verhandlungsschrift vom 16. März 2007).

 

Hinsichtlich der Feststellung, der größere Hund, Doggenmischling "A", habe seine Leine lose nachgeschleift, als er zu Mag. Z gelaufen sei, der Hund habe ihn angesprungen und ihm Verletzungen zugefügt, ist den Angaben des Mag. Z vor der belangten Behörde zu folgen. Die diesbezüglich jener des Mag. Z widersprechenden Aussagen der Berufungswerberin vom 4. Februar 2005, wonach diese angegeben hatte, sie habe den Hund zwar an der Leine gehabt, aber nicht zurückhalten können, und jene in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2007, sie habe den großen Hund an die Anhängekupplung gehängt, um ihn dort von ihrem Mann abholen zu lassen, der Hund sei die ganze Zeit über an der Anhängekupplung angehängt gewesen und habe Mag. Z nur deshalb anspringen können, weil dieser so nahe ans Auto gekommen sei, werden als Schutzbehauptung qualifiziert. Denn diese Aussagen der Berufungswerberin sind in sich widersprüchlich und deshalb nicht glaubwürdig.

Von der Zeugin S P, der Tochter der Berufungswerberin, wurden diesbezüglich keine der Wahrheitsfindung dienlichen Angaben gemacht. Diese gab lediglich an, sie habe den Vorfall mit Mag. Z nicht gesehen.  

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 3 Abs.2 Z.1 Oö. Hundehaltegesetz, LGBl.Nr. 147/2002 idF LGBl.Nr. 124/2006 (im Folgenden: Oö. Hundehaltegesetz 2002), ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass  Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden.

Nach § 15 Abs.1 Z.2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einen Hund entgegen der Bestimmung des § 3 Abs.1 und 2 hält.

 

Gemäß § 6 Abs.1 leg.cit. müssen Hunde an öffentlichen Orten im Ortsgebiet an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden. Wer gegen die Leinenpflicht oder Maulkorbpflicht gemäß § 6 Abs.1 oder 2 verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung (§ 15 Abs.1 Z.5).

 

Gemäß § 15 Abs.2 leg.cit. sind Verwaltungsübertretungen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro zu bestrafen.

 

3.3.2. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, konnte nicht erwiesen werden, dass der kleine Hund "N" am 3. Februar 2005 gegen 19.30 Uhr keinen Maulkorb getragen hat. Weil die Beschuldigte die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu Spruchpunkt 1 nicht begangen hat, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z.2 einzustellen.

 

3.3.3. Dadurch, dass der Doggenmischling "A" sich samt seiner Leine losreißen und Mag. Z anspringen konnte, wurde er von der Berufungswerberin nicht in einer Weise verwahrt oder geführt, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden. Der Hund "A" sprang sogar an Mag. Z empor und verletzte ihn im Gesichts- und Halsbereich.

Dadurch hat die Berufungswerberin das Tatbild des § 3 Abs.2 Z.1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 erfüllt.

 

3.3.4. Schon die grammatikalische Konstruktion im ersten Satz des § 3 Abs.2 Oö. Hundehaltegesetz durch Hauptsatz und Konsekutiv – oder Folgesatz – zeigt, dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nicht einfach um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG mit Beweislastumkehr handelt, sondern um ein Erfolgsdelikt, bei dem die mangelnde Beaufsichtigung, Verwahrung oder Führung zu einer in der Außenwelt erkennbaren Gefährdung geführt haben muss.

Im konkreten Fall ist der Erfolg, die Gefährdung von Personen, durch die Verletzung des Mag. Z im Gesichts- und Halsbereich eingetreten.

Die belangte Strafbehörde vermeinte in diesem Fall rechtsirrig, sich zur Begründung des Verschuldens bei dem vorzitierten Erfolgsdelikt auf § 5 Abs.1 VStG berufen zu können. Es war auch nicht etwa Sache der Berufungswerberin sich zu entlasten, sondern an der Strafbehörde wäre es gelegen, den subjektiven Tatbestand nachzuweisen und entsprechende Feststellungen zu treffen.

 

Das ergänzende Beweisverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat hat diesbezüglich ergeben, dass S P den Doggenmischling "A" schon fünf Jahre gehalten hat, ohne dass eine Gefährdung von Personen oder Sachen durch diesen Hund aufgetreten wäre. Dafür spricht auch, dass sie den Hund vor Verlassen des Hauses konsequent an die Leine gehängt hat und dieser beim Vorfall am 3. Februar 2005 angeleint war. Das Losreißen des Hundes mitsamt seiner Leine war für die Berufungswerberin, weil der Hund vor diesem Vorfall eine derartige Verhaltensweise nicht gezeigt hatte, nicht vorhersehbar.

Auch das gegen die Hundeführerin wegen § 88 Abs.1 StGB geführte Strafverfahren wurde am 1. März 2005 gemäß § 90 Abs.1 StPO von der Staatsanwaltschaft Steyr zurückgelegt, weil es sich um den ersten Biss des Hundes gehandelt habe, welcher nicht vorhersehbar gewesen sei.

Der Berufungswerberin kann daher nicht einmal Fahrlässigkeit in Zusammenhang mit dem Führen oder Verwahren des Hundes vorgeworfen werden.

Das Verwaltungsstrafverfahren zu Spruchpunkt 2 war daher gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG einzustellen, weil die subjektive Tatseite der der Beschuldigten zur Last gelegten Tat nicht erwiesen werden kann.

 

4. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

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