Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550340/6/Kü/Rd/Hu

Linz, 16.05.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über den Antrag der H P Gesellschaft mbH, W, vertreten durch B K P Rechtsanwälte GmbH, B, W, vom 14.5.2007 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Oö. Gesundheits- und Spitals AG betreffend das Vorhaben "Beschaffungsvorhaben im Bereich IT-Service Management, Zl. EKKO-EDV/IT-Service-813.054", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Oö. Gesundheits- und Spitals AG die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  14. Juli 2007, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 14.5.2007 hat die H P GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens sowie einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Fortführung des Vergabeverfahrens, in eventu die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung und die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von  2.400 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass es sich gegenständlich um ein zweistufiges Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung im Oberschwellenbereich handelt. In der ersten Stufe waren Teilnahmeanträge zu legen, in der zweiten Stufe waren die Bieter zur Angebotslegung aufgefordert worden und haben  diese in der Folge am Hearing teilgenommen und Angebote abgegeben. Schließlich kam es zu Verhandlungen zwischen Auftraggeberin und den Bietern. Die Antragstellerin habe rechtzeitig ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt.

 

Mit Schreiben der vergebenden Stelle vom 21.3.2007 sei die Antragstellerin zur Verhandlung für den 16.4.2007 im LKH Kirchdorf eingeladen worden. Die Einladung habe keine Hinweise auf den Inhalt des Verhandlungstermins, insbesondere keine Vorankündigung einer gewünschten Präsentation enthalten.

Am angekündigten Verhandlungstermin haben Vertreter der Antragstellerin und der Auftraggeberin teilgenommen. Der erste Teil der Verhandlung habe sich als Fragerunde zwischen Auftraggeberin und Antragstellerin dargestellt. Im Anschluss daran hätte die angebotene Softwarelösung "HP Service-Center 6.2.1." vorgeführt werden sollen. Die Antragstellerin sei nicht davon ausgegangen, dass eine Präsentation am gleichen Tag stattfinden sollte. Es sei jedoch angeboten worden, die Version "HP Service-Center 6.2.", die in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit mit der angebotenen Version "HP Service-Center 6.2.1." völlig übereinstimme, zu präsentieren. Nach Unterbrechung der Verhandlung seitens der Auftraggeberin sei von der Antragstellerin angeboten worden, doch die angebotene Version "HP Service-Center 6.2.1." zu präsentieren, da diese mittlerweile auf dem mitgebrachten Notebook lokalisiert und geöffnet werden konnte. Dieser Vorschlag sei von der Auftraggeberin abgelehnt und mitgeteilt worden, dass die Antragstellerin vom Verfahren auszuschließen sei. Mit dieser Vorgangsweise sei die Antragstellerin nicht einverstanden gewesen und habe das Verhandlungsprotokoll ausschließlich zwecks Teilnahmebestätigung unterfertigt. Die Auftraggeberin habe die Verhandlung vor dem in der Einladung vorgesehenen Ende geschlossen.

Mit E-Mail vom 19.4.2007 habe die Antragstellerin neuerlich festgehalten, dass sie in der anberaumten Verhandlungszeit bereit gewesen wäre und auch weiterhin jederzeit bereit sei, die angebotene Software vorzuführen.

 

Mit Schreiben vom 30.4.2007 habe die vergebende Stelle der Antragstellerin bekannt gegeben, dass das Angebot ausgeschieden würde, weil die angebotene Software "HP Service-Center 6.2.1." nicht hätte vorgeführt werden können.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss sowie zum drohenden Schaden führte die Antragstellerin aus, dass sie ein großes Interesse an der Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung habe, zumal sie bei vergabekonformer Bieterbehandlung und bei Nichtausscheiden ihres Angebots eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten. Der Schaden werde mit mindestens 300.000 Euro beziffert.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf eine vergaberechtskonforme Bestbieterermittlung sowie in dem Recht nur aus den im Gesetz vorgesehenen Gründen ausgeschieden zu werden, sohin ganz allgemein und im Recht auf eine vergaberechtskonforme Durchführung des Vergabeverfahrens verletzt.

 

Als Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit wurde von der Antragstellerin angeführt, dass keine Mitteilung im Vorhinein seitens der Auftraggeberin, der vergebenden Stelle bzw. der mit der Durchführung beauftragten D C GmbH erfolgt sei, dass beabsichtigt sei, die Präsentation im Zuge des Verhandlungstermins am 16.4.2007 abzuhalten.

Aufgrund der durchaus üblichen Praxis Verhandlungsrunden in mehreren Verhandlungsterminen durchzuführen und der nicht erfolgten Ankündigung der Präsentation für den Verhandlungstermin am 16.4.2007 durch die Auftraggeberin, habe ein redlicher Erklärungsempfänger davon ausgehen können, dass an diesem Verhandlungstermin noch keine Präsentation stattfinden würde.

 

Trotz der Tatsache, dass die Antragstellerin aufgrund der fehlenden Mitteilung der Auftraggeberin nicht damit rechnen hätte können, die geforderte Präsentation am 16.4.2007 abzuhalten, sei sie spontan bereit gewesen, dies dennoch zu tun. Von der Antragstellerin sei angeboten worden, anstelle der Version "HP Service-Center 6.2.1." die Version "HP Service-Center 6.2", die im Übrigen hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit ident mit der  angebotenen sei, zu präsentieren. Dies sei von der Auftraggeberin abgelehnt worden und habe sich diese für 25 Minuten zur Beratung zurückgezogen. Nach dieser Unterbrechung sei es der Antragstellerin nunmehr möglich gewesen, auf dem mitgebrachten Notebook die Version 6.2.1. zu identifizieren und zu öffnen, weshalb der Auftraggeberin angeboten worden sei, nun die Präsentation durchzuführen, zumal zu dem Zeitpunkt (Verhandlungsende war mit 17.00 Uhr festgelegt) noch 90 Minuten zur Verfügung gestanden hätten. Darüber hinaus habe die Antragstellerin auch noch angeboten, die Präsentation an einem der nächsten Tage nachzuholen. Beides sei von der Auftraggeberin abgelehnt worden.

 

Die Begründung der Ausscheidensentscheidung entspreche daher nicht den Tatsachen. Die Antragstellerin sei willens und in der Lage gewesen, die Software bei diesem Verhandlungstermin 90 Minuten vor dem Ende der anberaumten Verhandlungszeit zu präsentieren. Die Auftraggeberin habe selbst diesen Verhandlungstermin frühzeitig abgebrochen und daher durch ihre Entscheidung, die Präsentation durch die Antragstellerin  verhindert bzw nicht zugelassen. Dass daher bei diesem Verhandlungstermin keine Präsentation erfolgt sei, sei der Auftraggeberin und nicht der Antragstellerin  zuzurechnen. Es liege vielmehr an der Auftraggeberin, eine entsprechende Präsentationsmöglichkeit einzuräumen und damit ein diskriminierungsfreies Vergabeverfahren zu gewährleisten.

Die Ausscheidensentscheidung sei daher unbegründet und auch gesetzwidrig.

 

Lediglich sicherheitshalber und in eventu werde noch vorgebracht, dass, selbst wenn man entgegen den oa dargestellten Ausführungen davon ausgehen sollte -  was ausdrücklich bestritten werde – der Mangel der fehlenden Präsentation am 16.4.2007 der Antragstellerin zuzurechnen wäre, würde es sich jedenfalls um einen behebbaren Mangel handeln. Ein solches Angebot dürfe nicht sofort ausgeschieden werden, vielmehr müsse zuerst die Möglichkeit einer Verbesserung gegeben werden. Die Auftraggeberin habe jedoch bislang keinen Verbesserungsversuch zugelassen. Nach der Rechtsprechung des VwGH, des BVA und der Vergabekontrollbehörden in den Ländern sei ein Mangel nur dann nicht behebbar, wenn dies nach Angebotsöffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen könnte.

Für die Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln komme es darauf an, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde. Eine materielle Besserstellung eines Bieters durch die Möglichkeit einer Verbesserung eines Mangels liege etwa dann vor, wenn die Möglichkeit eingeräumt werde, eine angebotene Gewährleistungsfrist zu verlängern, nicht aber wenn nachträglich die firmenmäßige Fertigung eines ohnehin rechtsgültig unterfertigten Angebots ermöglicht würde – hier handle es sich nur um eine formale Änderung.

Im vorliegenden Fall liege keine materielle Besserstellung der Antragstellerin vor, wenn ihr die Möglichkeit eingeräumt würde, die Präsentation nachzuholen. Die angebotene Software "HP Service-Center 6.2.1." sei zum Zeitpunkt des Verhandlungstermins am 16.4.2007 bereits am Markt verfügbar gewesen. Die Antragstellerin könne daher aus der Möglichkeit, in einem weiteren Verhandlungstermin die Präsentation "nachzuholen", keinen materiellen Wettbewerbsvorteil erzielen. Umgekehrt könne die Wettbewerbsstellung anderer Bieter durch die Einräumung einer weiteren Präsentationsmöglichkeit an die Antragstellerin nicht beeinträchtigt sein. Erst recht sei von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin einen Wettbewerbsvorteil gehabt hätte, wenn ihr die Auftraggeberin, wie es eine diskriminierungsfreie Vorgangsweise geboten hätte, die Präsentation während der anberaumten Verhandlungszeit ermöglicht hätte. Dies gelte aber auch für nachfolgende Präsentationstermine.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin im Wesentlichen auf die Ausführungen im Hauptantrag. So würde der Schaden mit mindestens 300.000 Euro beziffert. Dieser Betrag ergebe sich daraus, dass die Antragstellerin bei Nichtausscheidung ihres Angebots eine reale Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten. Vom Auftragswert wären Kosten der Antragstellerin abzuziehen. Darüber hinaus seien der Antragstellerin Kosten erwachsen, die sie im Vertrauen auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens getätigt habe. Aufgrund der oa Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung der vergebenden Stelle betreffend das Angebot der Antragstellerin, insbesondere durch Verletzung des Grundsatzes der Bietergleichbehandlung und der dadurch resultierenden Wettbewerbsnachteile für die Antragstellerin drohe dieser ein Schaden, da ihr bei Fortlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag rechtswidrig nicht erteilt werden würde. Aber auch unabhängig von einer möglichen Zuschlagserteilung entstehe der Antragstellerin bei Fortlauf des Vergabeverfahrens ein Nachteil, da die übrigen Bieter im Zuge weiterer Verhandlungen ihre Angebote entsprechend abändern könnten, dies der Antragstellerin aber verwehrt bliebe. Schon aus Gründen der Bietergleichbehandlung sei der Auftraggeberin aufzutragen, das Vergabeverfahren vorläufig nicht fortzuführen. Das Interesse der Antragstellerin zur Wahrung ihrer oa angeführten Rechte erscheine jedenfalls unstrittig höher als jenes der Auftraggeberin an der Weiterführung des Vergabeverfahrens.         

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Oö. Gesundheits- und Spitals AG als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Mit Eingabe vom 15.5.2007 teilte die Auftraggeberin mit, gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Einwände zu haben. Außerdem sei im gegenständlichen Vergabeverfahren noch kein Zuschlag erteilt worden.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die Oö. Gesundheits- und Spitals AG ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 1 Abs.1 Oö. VergRSG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsver­fahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des geschätzten Auftragswertes des ausgeschriebenen Leistung sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.2 Oö. VergRSG können mit der einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin bis zur Entscheidung über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin selbst hat schriftlich mitgeteilt, dass gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Bedenken bestehen.

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Maßnahme abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die von der Antragstellerin beantragte Maßnahme der Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens würde bedeuten, dass von der Auftraggeberin während des Nachprüfungsverfahrens keine weiteren Schritte im gegenständlichen Vergabeverfahren geführt werden könnten. Dem stehen sicherlich die Interessen der Auftraggeberin und der übrigen Bieter entgegen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der von der Antragstellerin begehrte vorläufige Rechtschutz auch dadurch erreicht werden kann, dass der Auftraggeberin die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung untersagt wird. Auch durch diese Maßnahme ist die Rechtsposition der Antragstellerin gewahrt, da nach einer allfälligen aufhebenden Entscheidung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat im Nachprüfungsverfahren die Antragstellerin wiederum in das Vergabeverfahren eintritt und von der Auftraggeberin entsprechende Verhandlungen zu führen sind. Damit erscheint die Rechtsposition der Antragstellerin gewahrt und erleidet diese durch die Vorschreibung des gelinderen Mittels der Untersagung der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung keine Nachteile. Aus diesem Grund war der Auftraggeberin nicht die Fortführung des Vergabeverfahrens zur Gänze zu untersagen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagsentscheidung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­entscheidung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

   

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt 

 

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