Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162093/2/Fra/RSt

Linz, 30.04.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn M B, O, 48 T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 15. Jänner 2007, VerkR96-8644-2005, betreffend Übertretung des § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 u. 45 Abs.1 Z2 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 27.4.2005 um 18.34 Uhr in der Gemeinde G, B, W bei km 25, Höhe Ortschaft K, Fahrtrichtung V, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen VB, Personenkraftwagen M1, Volkswagen P, silbergrau, auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "ÜBERHOLEN VERBOTEN" gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil im angefochtenen Straferkenntnis weder eine primäre noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Auf Grundlage des dem UVS vorliegenden Verfahrens seitens der belangten Behörde, wird zunächst als unstrittig festgestellt, dass der Bw zu der im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Örtlichkeit und zur angeführten Zeit den in Rede stehenden PKW gelenkt hat. Laut Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. Dezember 2002, VerkR01-2086-3-2002, wurde von km 25 bis km 25 in Fahrtrichtung S gemäß § 52 lit.a Z4a StVO 1960 ein "ÜBERHOLEN VERBOTEN" verordnet. Nach Z1 dieser Verordnung ist dieses Verbot gemäß dem Verbotszeichen nach § 52 lit.a Z4a StVO 1960 bei km 25 und bei km 25 mit der Zusatztafel "100 Meter" nach § 54 Abs.5 lit.a StVO 1960 weiters bei km 25 mit dem Verkehrszeichen nach § 52 lit.a Z11 kundzumachen.

 

Laut Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22. Juli 2005, VerkR01-1656-2005, wird nach Z1 gemäß § 43 Abs.1 lit.b Z1 u. 2 StVO 1960 für die B, W, folgende Verkehrsbeschränkung verordnet: "Überholen verboten" nach § 52 lit.a Z4a StVO 1960 von km 250,627 bis km 251,332 in Fahrtrichtung S. Z1 der Verordnung vom 9.12.2002, VerkR01-2086-3-2002, wird dadurch abgeändert und fällt auch die Vorankündigung des Überholverbotes mit der Zusatztafel "100 Meter" bei km 25 weg.

 

Es ist sohin festzustellen, dass an der Tatörtlichkeit zur Tatzeit ein "ÜBERHOLEN VERBOTEN" verordnet war, wobei diese Verkehrsbeschränkung bei km 25 durch ein Verkehrszeichen gemäß § 52 lit.a Z4a StVO 1960 kundgemacht war. Weiters war eine Zusatztafel mit der Aufschrift "nach 100 Meter" angebracht.

 

Dazu ist in rechtlicher Hinsicht Folgendes festzustellen:

 

Gemäß § 54 Abs.5 lit.a StVO 1960 kann zwar eine Zusatztafel mit der Aufschrift "100 Meter" angebracht werden und wäre laut oa. Verordnung auch anzubringen gewesen. Eine Zusatztafel mit der Aufschrift "nach 100 Meter" ist in der StVO 1960 nicht vorgesehen und war die gegenständliche Verkehrsbeschränkung auch laut oa. Verordnung nicht kundzumachen.

 

Gemäß Art. 89 Abs.1 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze, Verordnungen und Staatsverträge, soweit in diesem Artikel nichts anderes bestimmt wird, den Gerichten nicht zu.

 

Art. 89 Abs.1 B-VG regelt demnach, wie weit Gerichte (gemäß Art. 129a Abs.3 B-VG gilt Art. 89 B-VG sinngemäß auch für den UVS) befugt sind, die Gültigkeit der von ihnen anzuwendenden Regelungen zu überprüfen. Gerichte können Verordnungen beim Verfassungsgerichtshof nur dann anfechten, wenn sie diese in einem anhängigen Verfahren anzuwenden hätten, das heißt, wenn die Verordnung präjudiziell ist; gleiches gilt für die amtswegige Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof. Voraussetzung eines amtswegigen Prüfungsverfahrens oder eines Antrages eines Gerichtes oder eines UVS ("konkrete Normprüfung") ist also die Präjudizialität der zu prüfenden Bestimmung. Darunter versteht man, dass der Verfassungsgerichtshof selbst oder das Gericht bzw. der UVS bei der Lösung einer Rechtsfrage die fragliche Norm (Verordnung) anzuwenden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die fragliche Norm bzw. Verordnung nicht gehörig kundgemacht wurde. Die Präjudizialität hat das antragstellende Gericht bzw. der UVS selbst zu beurteilen.

 

Hat ein Gericht hingegen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer kundgemachten Verordnung, hat das Verfahren zu unterbrechen und einen entsprechenden Antrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Ist die Verordnung allerdings nicht ordnungsgemäß kundgemacht, sind Gerichte an sie nicht gebunden (Art. 89 Abs.1 B-VG); sie ist außer Acht zu lassen, ohne dass ein Antrag an den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt. Daraus ist zu schließen, dass ein Gericht eine Verordnung dann als nicht existent zu betrachten hat, wenn eine gehörige, das heißt gesetzmäßige Kundmachung fehlt; in einem solchen Fall liegt eine Norm nicht vor (absolute Nichtigkeit). Diese Rechtsauffassung wird auch vom Verfassungsgerichtshof in seiner aktuellen Rechtssprechung und von einem Teil der Lehre vertreten (vgl. VfGH im Erkenntnis VfSlg14.457/1996 und im Beschluss VfSlg 14.425/1996 hinsichtlich der Zulässigkeit von Verordnungsprüfungsanträgen).

 

Diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wurde vom Verwaltungsgerichtshof vollinhaltlich nachvollzogen und wird seitdem vom Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob eine Verordnung gehörig (= gesetzmäßig) kundgemacht wurde, als Gericht iSd Art. 89 Abs.1 B-VG selbst überprüft (vgl. VwGH vom 18.5.2004, Zl. 2002/17/0271 uva.).

 

Auf Grundlage obiger Ausführungen und in Bindung an die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist sohin festzustellen, dass der UVS berechtigt und verpflichtet ist, die gehörige (= gesetzmäßige) Kundmachung von Verordnungen zu überprüfen.

 

Wie bereits oben angeführt, ist die Zusatztafel "nach 100 Meter" in der StVO 1960 nicht vorgesehen. Da diese dennoch unter dem Zeichen "ÜBERHOLEN VERBOTEN" gemäß § 52 lit.a Z4a StVO 1960 zur Tatzeit angebracht war, resultiert daraus eine nicht gehörige (= nicht gesetzmäßige) Kundmachung, weshalb das verordnete Überholverbot nicht rechtswirksam geworden ist.

 

Das Strafverfahren gegen den Bw war daher unter Anwendung des § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. F r a g n e r

 

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