Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230473/2/Br

Linz, 20.10.1995

VwSen-230473/2/Br Linz, am 20. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn F B, F, vertreten durch Dr. B W, Rechtsanwalt, B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried, vom 7. August 1995, Zl. Sich96-140-1995-Stö, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 u. 2 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen daher sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried hat mit dem Straferkenntnis vom 7. August 1995, Zl.:

Sich96-140-1995-Stö, wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 15 Abs. 1 Z2 und Abs.3 Z2 iVm § 82 Abs.1 Z4 FrG eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er sich seit 28.12.1994 bis zum 7.8.1994 (Datum des Straferkenntnisses) ohne gültige Aufenthaltsbewilligung bzw. ohne gültigen Sichtvermerk unbefugt und somit rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich, und zwar an der Adresse F, aufgehalten habe.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß der Berufungswerber ab dem Beginn des Tatzeitraumes nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung gewesen sei. Diese sei ihm nicht mehr erteilt worden, weil er einmal wegen der Übertretung des Paßgesetzes und dreimal wegen Übertretung des KFG bestraft worden sei. Vom BG R sei er wegen falscher Beweisaussage nach § 289 StGB verurteilt worden. Der anhängigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden. Unter Zitierung der einschlägigen fremdengesetzlichen Bestimmung sei der Aufenhalt des Berufungswerbers im Bundesgebiet somit illegal und bedürfe es wegen des vom Berufungswerber begangenen Verhaltens, welches einem geordneten Fremdenwesen entgegenstehe, einer entsprechenden Bestrafung.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung.

2.1. Er macht im Ergebnis eine unrichtige rechtliche Beurteilung des ihm vorgeworfenen Sachverhaltes geltend und vermeint, daß von einer Strafe abgesehen werden hätte können. Er habe sich mehrfach bei den verschiedenen jugoslawischen Konsulaten in Österreich um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht gehabt. Man hätte ihm aber nur ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Als Kosovoalbaner sei es ihm nicht zumutbar gewesen in der serbischen Armee seinen Wehrdienst zu leisten und möglicherweise im Bosnienkrieg zu kämpfen. Die Sicherheitsdirektion habe bislang noch nicht über die Zulässigkeit seiner Abschiebung entschieden, ebenfalls nicht der Verwaltungsgerichtshof über die Bescheidbeschwerde gegen seinen abgewiesenen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Berufung richtet sich bloß gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung und es wurde auch lediglich eine Strafe unter 3.000 S verhängt, so daß mangels eines diesbezüglichen gesonderten Antrages, von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte (§ 51e Abs.1 und 2 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl.

Sich96-140-1995. Daraus ergibt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt.

5. Wie sich aus der Aktenlage und dem Berufungsvorbringen ergibt, war der Berufungswerber offenbar nachhaltig bemüht und ist es offensichtlich noch immer seinen weiteren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren. Gegenwärtig ist er noch im Besitz einer bis zum 18.11.1996 gültigen Arbeitserlaubnis und er geht einer Beschäftigung nach. Seine Aufenhaltsberechtigung war mit 21. September 1994, welche schließlich bis zum 27. Dezember 1994 verlängert wurde, abgelaufen. Die Sicherheitsdirektion hat bislang über die Zulässigkeit der Abschiebung noch nicht entschieden. Auch über die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung steht die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes noch aus.

5.1. Somit ist mit gutem Grund davon auszugehen, daß der Berufungswerber eine Rückkehr in seine ehemalige Heimat in der Befürchtung zu den bis jedenfalls 7. August 1995 (Datum des angefochtenen Straferkenntnisses) in seiner Heimat anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen eingezogen zu werden, zu vermeiden sucht. Die diesbezüglichen Angaben des Berufungswerbers erscheinen den Denkgesetzen entsprechend logisch. Es bedarf wohl keiner umfassenderen Erörterung, daß eine Bestrebung sich von einem Krieg fernzuhalten ein wohl schwerwiegendes persönliches Motiv für einen Verbleib in Österreich - welcher hier in der Ausschöpfung sämtlicher rechtlicher Möglichkeiten und dem Abwarten dieser Sachausgänge in Österreich zum Ausdruck kommt - ist.

5.1.1. Wie für jedermann aus den Berichterstattungen der Medien als notorisch bekannt gelten kann, herrscht in der Heimat des Berufungswerbers Krieg. Ferner ist genauso evident, daß es bei diesem Krieg zu unmenschlichen Aggressionshandlungen auf sämtlichen Seiten der kriegsführenden Parteien kommt bzw. gekommen ist.

5.2. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.2.1. Dem Berufungswerber wird daher im Ergebnis dahingehend gefolgt, daß es ihm angesichts der bekannten politischen Situation im ehemaligen Jugoslawien auf der Schuldebene nicht vorgeworfen werden kann, nicht in seine ehemalige Heimat zurückzukehren, weil eben berechtigte Befürchtungen bestanden dort in kriegerische Handlungen verwickelt zu werden. Jede andere Sicht würde eine Verkennung zutiefst humanistische Neigungen oder die Verleugnung der dortigen politischen Zustände bedeuten.

5.2.2. Die Erstbehörde trifft keine inhaltlichen Ausführungen zur Frage der Schuld. Sie vermeint wohl, daß nur ein leichtes Verschulden vorläge.

5.2.3. Nach § 6 VStG ist eine Tat dann nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt, oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Da auch im Verwaltungsstrafrecht nur ein schuldhaftes Verhalten strafbar ist (VwGH 13.5.1987, 85/18/0067); SCHULDAUSSCHLIESZUNGSGRÜNDE (vgl Leukauf - Steininger 4 StGB RN 6) bewirken, daß die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung - wie hier - im Rahmen des Strafverfahrens nicht vorwerfbar ist; es mangelt hier daher an der (strafbegründenden) Schuld. Aus der in ständiger h.

Rechtsprechung vertretenen Sicht, begründet die Befürchtung von kriegerischen Ereignissen, deren Dimension in der Auswirkung auf Menschen hier nicht weiter erörtert werden braucht, einen Zustand, welcher im Hinblick auf einen rechtswidrigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet, zumindest bis zur Ausschöpfung sämtlicher rechtlicher Möglichkeiten, insbesondere aber ein Abwarten der diesbezüglichen Sachausgänge nicht als Schuld vorzuwerfen ist (vgl. unter vielen VwSen - 230455, v. 3.8.1995).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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