Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-110742/4/Kl/Pe

Linz, 10.05.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn V G, vertreten durch Rechtsanwälte L H G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 6.11.2006, VerkGe96-47/2-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch zu lauten hat:

       „Sie sind als handelsrechtlicher Geschäftsführer die für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortliche Person der G I E T GmbH und sind Verwaltungsstrafen gemäß § 9 Abs.1 VStG somit gegen Sie zu verhängen.

       Die G I E T GmbH hat mit dem Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (D) eine gewerbsmäßige Güterbeförderung (Transport von Gemüse und Paprika) von Antalya/Türkei durch Österreich nach Hamburg/Deutschland mit einer ihr als Verkehrsunternehmen erteilten Gemeinschaftslizenz durchgeführt. Der Transport wurde dabei durch den türkischen Fahrer O S ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt. Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist gemäß § 7 GütbefG außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt und Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 sind. Sie haben somit eine Beförderung gemäß §§ 7 bis 9 GütbefG ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchgeführt, da der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt. Dies wurde bei der Kontrolle des Fahrzeuges am: 27.5.2006 um: 16.45 Uhr an folgendem Ort: A8, Innkreisautobahn, Parkplatz Osternach, Strkm. 62.000, Fahrtrichtung Suben, Gemeinde Ort i.I., festgestellt.

       Sie haben daher § 23 Abs.1 Z3 und Abs.3 sowie § 7 Abs.1 Z1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 – GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 idF. BGBl. I. Nr. 23/2006 sowie iVm. Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF. der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 verletzt.

       Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

       Geldstrafe von 1.453 Euro, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen gemäß § 23 Abs.1 Einleitung iVm. Abs.4 2. Satz GütbefG“.

       Hinsichtlich des Kostenbeitrages wird das Straferkenntnis bestätigt.

 

II.     Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 290,60 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 6.11.2006, VerkGe96-47/1-2006, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8 und Abs.3 und 4 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und  Art.6 Abs.1, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer die für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortliche Person der G I E T GmbH sei und seien Verwaltungsstrafen gemäß § 9 Abs.1 VStG somit gegen ihn zu verhängen.

Die G I E T GmbH hat mit dem Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (D) eine gewerbsmäßige Güterbeförderung (Transport von Gemüse und Paprika) von Antalya/Türkei durch Österreich nach Hamburg/Deutschland mit einer ihr als Verkehrsunternehmen erteilten Gemeinschaftslizenz durchgeführt und für diesen Transport den türkischen Staatsangehörigen O S als Fahrer verwendet, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde. Dies wurde bei der Kontrolle des Fahrzeuges am: 27.5.2006 um: 16.45 Uhr an folgendem Ort: A 8, Innkreisautobahn, Parkplatz Osternach, Strkm. 62.000, Fahrtrichtung Suben, Gemeinde Ort i.I. festgestellt. Der grenzüberschreitende gewerbliche Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehörtiger eines Drittstaats ist – mit einer Fahrerbescheinigung, die der Verkehrsunternehmer dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt. Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und in dieser die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass der Berufungswerber Geschäftsführer gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer C G in der Firma G GmbH in ist. Der Berufungswerber trage ausschließlich die Verantwortung für den technischen Bereich, also für alles, was im Zusammenhang mit den Lkw´s der Firma steht. Hiezu gehört auch die Frage, ob und inwieweit Fahrerbescheinigungen auf den Lkw´s mitzuführen sind. Es wurde eine Fotokopie einer Vereinbarung vorgelegt. Im Übrigen werden in erlaubter Weise in Deutschland zugelassene Lkw´s mit türkischen Fahrern eingesetzt, die bei einer Firma in der Türkei ordnungsgemäß angestellt und sozialversichert sind. Diese Art Zusammenarbeit zwischen diesen Firmen ist rechtmäßig. Das Bundessozialgericht hat die Frage, ob den in der Türkei angestellten Fahrern verwehrt werden kann, auf in Deutschland zugelassene Lkw zu fahren, dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt und hat dieser mit Urteil vom 21.10.2003, C-317/01 und C-369/01, entschieden, dass es den Mitgliedern der Europäischen Union verboten ist, neue innerstaatliche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs ab dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Assoziationsabkommens und der hierzu ergangenen Zusatzprotokolle vorzunehmen. Es dürfen daher in der Türkei ansässige und ordnungsgemäß sozialversicherte Fahrer auf in Deutschland zugelassene Lkw´s im grenzüberschreitenden Verkehr tätig sein. Diese Fahrer bedürfen einer Fahrerbescheinigung nicht, weil nach Art.1 Abs.2 der VO (EWG) 881/92 die Verordnung bei Beförderungen aus dem Mitgliedstaat zu einem Drittland und umgekehrt erst Anwendung findet, sobald das hiefür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittland abgeschlossen ist. Ein solches Abkommen existiert bislang nicht. Die Verordnung findet daher keine Anwendung. Es werden daher lediglich rechtswidrig für türkische Fahrer im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr im Einzelfall ohne Rechtsgrundlage von deutschen Behörden Fahrerbescheinigungen erteilt. Dies wird unterschiedlich im gesamten Bundesgebiet gehandhabt. Zutreffend ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes Hamburg sowie der Stadt Hamburg, welche neuerdings kontaktiert wurde und an ihrer Rechtsauffassung festhält, dass Fahrerbescheinigungen für in der Türkei ansässige Fahrer im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr zwischen der EU aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht erteilt werden können und nicht erforderlich sind.

 

3. Mit Bescheid vom 22.11.2006, VerkGe96-47/2-2006, (Berufungsvorentscheidung) wurde der Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 6.11.2006 dahingehend abgeändert, dass eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z3 und Abs.3 und 4 sowie § 7 Abs.1 Z1 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4 erster Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vorgeworfen wurde.

Dagegen wurde rechtzeitig ein Vorlageantrag eingebracht und in diesem ergänzend ausgeführt, dass nunmehr eine aktuelle Bescheinigung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 30.11.2006 vorgelegt wird, dass für in der Türkei ansässige Fahrer nach der aktuellen europarechtlichen Gesetzeslage Fahrerbescheinigungen nicht zu erteilen sind. Da der Berufungswerber weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat, kann eine Strafe nicht verhängt werden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Weiters wurden Schreiben des Berufungswerbers an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie in Wien sowie das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in Bonn unter Vortrag der Rechtssituation des Berufungswerbers sowie eine Ergänzung des Berufungswerbers dahingehend, dass die Bestimmung über die Fahrerbescheinigungen gegen höherrangiges Recht verstoße, soweit nicht ausdrücklich die türkischen Firmen und Lkw-Fahrer im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr zwischen der EU und dem Nahen Osten ausgenommen wurden, vorgelegt. Weiters wurde auf das Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und der EU sowie Art.41 des Zusatzprotokolles vom 23.11.1970 hingewiesen. Im Jahr 1972 waren keine Fahrerbescheinigungen erforderlich und stellt daher die spätere Einführung dieser Erfordernisse eine Behinderung der bisherigen Ausübung der Dienstleistung dar und verstößt damit eindeutig gegen das höherrangige Assoziationsabkommen nebst Zusatzprotokoll.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Der Sachverhalt geht klar aus dem vorgelegten Strafakt hervor und wurde vom Berufungswerber weder in erster noch in zweiter Instanz bestritten. Der Sachverhalt kann daher als erwiesen der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Da sich die Berufung nur gegen die rechtliche Beurteilung richtet und eine Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde, kann von einer Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG abgesehen werden.

 

Danach ist erwiesen, dass der Berufungswerber über eine gültige Gemeinschaftslizenz verfügt und diese auch für den gegenständlichen gewerblichen Gütertransport von Antalya nach Hamburg am 27.5.2006 verwendet wurde und bei der Kontrolle vorgewiesen wurde. Der Transport wurde durch einen Lenker mit türkischer Staatsangehörigkeit, Herrn O S, durchgeführt. Eine Fahrerbescheinigung lag für den türkischen Staatsangehörigen nicht vor. Der Berufungswerber vertrat auch im gesamten Verfahren die Ansicht, dass eine Fahrerbescheinigung nicht erforderlich sei.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr.23/2006, ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr.881/92 sind.

 

Gemäß § 23 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, diese Verordnung geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 (kurz: EU-VO genannt), unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 EU-VO wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

Gemäß § 9 Abs.1 GütbefG 1995 hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs.1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 und Abs.4 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von mindestens 1.453 Euro bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

3.             Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt,

8.      nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

5.2. Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes wurde der gewerbliche Gütertransport unter Verwendung einer gültigen Gemeinschaftslizenz – eine gültige beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz wurde mitgeführt und vorgewiesen – durchgeführt, allerdings wurde die Fahrt durch einen türkischen Staatsangehörigen als Lenker vorgenommen und bestand eine Fahrerbescheinigung für diesen Lenker nicht. Es wurde daher der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt, weil nach den obzitierten Bestimmungen bei Verwendung eines Fahrers, welcher Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt. Hingegen setzt die Pflicht des Mitführens einer Fahrerbescheinigung voraus, dass eine Fahrerbescheinigung vorhanden ist. Mangels Existenz einer Fahrerbescheinigung ist auch ein Mitführen denkunmöglich. Es liegt daher nicht eine Verletzung des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG, sondern eine Übertretung nach § 23 Abs.1 Z3 GütbefG vor. Eine entsprechende Verfolgungshandlung hat die belangte Behörde noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gesetzt, sodass eine Berichtigung des Spruches vorgenommen werden konnte.

 

Diese Übertretung hat der Berufungswerber aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung gehört zu den Ungehorsamsdelikten und reicht daher fahrlässige Tatbegehung, die vermutet wird, aus für eine Strafbarkeit. Eine Entlastung ist dem Berufungswerber hingegen nicht gelungen. Wie der Berufungswerber in seiner Ergänzung selbst ausführt, liegen zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn vor und muss er aus Anhaltungen seiner Lenker Kenntnis haben, dass eine Fahrerbescheinigung erforderlich ist. Im Übrigen ist ihm die Erforderlichkeit auch bekannt und hat er ein entsprechendes Ansuchen an die Freie und Hansestadt Hamburg gerichtet. Aus seinen zahlreichen grenzüberschreitenden Fahrten muss er Kenntnis über die Vorgangsweise der EU‑Länder haben und hätte er entsprechende rechtliche Schritte, nötigenfalls auch Rechtsmittel in Deutschland zur Ausstellung einer Fahrerbescheinigung ergreifen müssen. Dass er solches angestrebt hat, wird von ihm nicht behauptet. Es hat der Berufungswerber daher zu verantworten, dass ein gewerblicher Gütertransport über die Grenze durch einen türkischen Lenker ohne Fahrerbescheinigung vorgenommen wurde.

 

5.3. Zur Verantwortlichkeit des Berufungswerbers ist hingegen auf § 9 Abs.1 VStG hinzuweisen, wonach für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personengesellschaften zu welchen auch eine GmbH zählt, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Für eine GmbH ist der handelsrechtliche Geschäftsführer nach außen vertretungsbefugtes Organ und daher gemäß der zitierten Vorschrift verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Sind mehrere Organe neben einander bestellt, so ist jedes für sich verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Es können daher mehrere bestellte handelsrechtliche Geschäftsführer gleichzeitig zur Verantwortung gezogen werden. Allerdings muss hinsichtlich jedes Beschuldigten auch ein Verschulden vorliegen. Ein Verschulden war nach obigen Ausführungen gegeben.

 

5.4. Wenn hingegen der Berufungswerber vorbringt, dass ihm die Beschaffung einer Fahrerbescheinigung gar nicht möglich sei, weil die deutsche Behörde, nämlich die Freie und Hansestadt Hamburg, die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung verweigert, so sind ihm folgende Erwägungen entgegenzuhalten:

Das Schreiben der Freien und Hansestadt Hamburg vom 20.10.2004 geht einerseits davon aus, dass es sich um eine Beförderung zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland handelt und nach Art.1 Abs.2 der VO (EWG) 881/92 diese Verordnung bei Beförderungen aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland und umgekehrt dann Anwendung findet, sobald das hiefür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittland geschlossen ist, zwischen der EG und der Türkei als Drittland aber bisher kein Abkommen existiert. Es gelten daher die Vorschriften über die Gemeinschaftslizenz und die Fahrerbescheinigung nicht. Andererseits geht die deutsche Behörde davon aus, dass für den Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei nach wie vor eine CEMT-Genehmigung erforderlich ist. Weder die Gesamtresolution des Ministerrates der europäischen Verkehrsministerkonferenz zum Straßengüterverkehr noch das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße sehen eine Fahrerbescheinigung vor. Es bedarf daher der Einsatz türkischer Fahrer im gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen der Türkei und Deutschland und umgekehrt keiner Fahrerbescheinigung. Schließlich wurde auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hamburg vom 15.8.2003 hingewiesen. Auch diese Entscheidung stützt sich darauf, dass ein Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem Drittstaat noch nicht geschlossen wurde und daher die EU‑VO nicht zur Anwendung kommt.

 

Soweit von den deutschen Stellen von der Verwendung einer CEMT-Genehmigung ausgegangen wird, so ist diesen Ausführungen entgegenzuhalten, dass bei dem vorgeworfenen gewerblichen Gütertransport am 27.5.2006 eine CEMT-Genehmigung nicht verwendet und nicht vorgelegt wurde, sondern der Transport sich ausschließlich auf eine gültige Gemeinschaftslizenz stützt. Es geht daher das Argument ins Leere, dass bei Verwendung einer CEMT-Genehmigung eine Fahrerbescheinigung nicht erforderlich sei.

Es unterliegt daher gemäß Art.3 Abs.1 der EU-VO der grenzüberschreitende Verkehr auf dem Gebiet der europäischen Gemeinschaft einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung. Eine gültige Gemeinschaftslizenz lag beim gegenständlichen Transport unzweifelhaft auch vor, allerdings ist zusätzlich zur Gemeinschaftslizenz bei Verwendung von Fahrern, die Staatsangehörige von Drittstaaten sind, eine Fahrerbescheinigung von Unternehmen zu erwirken und dem Fahrer zur Verfügung zu stellen, welcher diese Fahrerbescheinigung dann auch mitzuführen und vorzuweisen hat (vgl. Erwägung 3 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Zweck der Fahrerbescheinigung ist, dass nachgeprüft werden kann, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind bzw. rechtmäßig dem für die Beförderung verantwortlichen Verkehrsunternehmer zur Verfügung gestellt werden (Erwägung 2 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Dem Erwägungsgrund 4 der zitierten Verordnung ist aber auch eindeutig zu entnehmen, dass die Verordnung nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft über die Freizügigkeit, den Wohnsitz und den Zugang einer Tätigkeit als Beschäftigter berührt. Im Sinn des letztgenannten Erwägungsgrundes ist daher die Bestimmung des Art.3 Abs.3 der EU-VO weder in dem Sinne zu lesen, dass Staatsangehörige eines Drittlandes nur rechtmäßig beschäftigt in Deutschland sein müssen, noch dass überhaupt eine Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis oder dgl. Voraussetzung für eine Fahrerbescheinigung ist. Es ist nämlich der zitierten Bestimmung einerseits auch eine zweite Alternative zu entnehmen, nämlich dass Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, „rechtmäßig eingesetzt und als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden“. Diesfalls werden die ausländischen Fahrer nicht „rechtmäßig beschäftigt“ sondern „rechtmäßig eingesetzt“, nämlich unter dem Aspekt, dass alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates erfüllt sind. Wird demnach von einem Güterbeförderungsunternehmen mit dem Sitz in Deutschland ein Vertrag mit einem türkischen Unternehmen geschlossen, wonach dieses türkische Unternehmen die Leistung der Fahrer anbietet und das deutsche Unternehmen diese Leistung in Anspruch nimmt, so ist die zweite Alternative von Art.3 Abs.3 der EU-VO heranzuziehen, nämlich dass „Fahrer rechtmäßig eingesetzt werden, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind“. Diese dürfen aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie den Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie gegebenenfalls Tarifverträgen des Mitgliedstaates, also konkret Deutschlands genügen. Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass jedenfalls eine Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis und dgl. vorliegen muss, vielmehr ist ein Entsprechen nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates auch darin zu erblicken, dass z.B. andere Vorschriften erfüllt sind, die den geordneten Arbeitsmarkt regeln, wie z.B. auch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Türkei samt Zusatzprotokoll. Liegt daher eine den Vorschriften des Assoziationsabkommens samt Zusatzprotokoll entsprechende Beschäftigung eines türkischen Staatsangehörigen bzw. Dienstleistung eines türkischen Staatsangehörigen vor, so stellt dies einen rechtmäßigen Einsatz dar, der die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung zur Folge haben muss.

Nach der Auffassung des Oö. Verwaltungssenates wäre es daher im Sinne der bereits ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (vgl. C-317/01 und C‑369/01) durchaus möglich, dass ein türksicher Lenker, der bei einem türkischen Unternehmen beschäftigt ist, die Leistung aber für ein deutsches Güterbeförderungsunternehmen für in Deutschland zugelassene Lkw erbringt und unter den gegebenen Voraussetzungen keine Arbeitserlaubnis braucht, dann ebenfalls nach den deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften „rechtmäßig eingesetzt“ wird. Die entsprechende Bestimmung des Art.3 Abs.3 EU-VO lässt eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation zu, dass auch neben den Vorschriften über die Arbeitserlaubnis sowie über die Arbeitnehmerüberlassung auch weitere Vorschriften darunter zu subsumieren sind. Neben einer rechtmäßigen Beschäftigung durch einen deutschen Arbeitgeber und einer rechtmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht, wäre daher jede weitere dem Gesetz entsprechende Erwerbstätigkeit eines Fahrers, der Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, mit Fahrerbescheinigung zu bescheinigen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Fahrerbescheinigung eine Arbeitsbewilligung ersetzt, und sie ist auch nicht mit einer solchen gleichzuhalten.

Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers stellt daher die Fahrerbescheinigung keine unzulässige Einführung einer neuen innerstaatlichen Beschränkung dar, sondern ist die Fahrerbescheinigung lediglich ein Nachweispapier zur Kontrolle, wie z.B. Begleitpapiere, Zulassungsschein usw. Dies bedeutet, dass die die Fahrerbescheinigung ausstellenden Behörden das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Arbeitsverhältnisses oder aber auch das Vorhandensein der Voraussetzungen nach dem Assoziationsabkommen (und damit Bewilligungsfreiheit und die Erfüllung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates) zu überprüfen haben und bei Vorliegen die Fahrerbescheinigung auszustellen zu haben. Die Fahrerbescheinigung selbst hat aber nur deklarative Wirkung, niemals eine konstitutive Wirkung. Dies bedeutet, dass über das Recht zur Erwerbstätigkeit nicht mittels der Fahrerbescheinigung abgesprochen wird, das heißt, dass eine ausgestellte Fahrerbescheinigung nicht eine Arbeitserlaubnis ersetzt und umgekehrt auch die Nichtausstellung einer Fahrerbescheinigung nicht eine bestehende Arbeitserlaubnis entzieht.

 

Nicht hingegen wird die Rechtsauffassung im Beschluss des Verwaltungsgerichtes Hamburg vom 15.8.2003 und im Schreiben der Freien und Hansestadt Hamburg vom 20.10.2004 geteilt, dass die genannte EU-Verordnung überhaupt nicht für einen Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei zur Anwendung kommt. Dies widerspricht ausdrücklich der Bestimmung des Art.2 zweiter Gedankenstrich zweiter Untergedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 881/92. Die Regelung des Art.1 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 betrifft hingegen nur die im Mitgliedstaat, in dem die Be- oder Entladung stattfindet, zurückgelegten Wegstrecken, also für Wegstrecken die auf dem Bundesgebiet Deutschlands zurückgelegt wurden. Für die Durchfahrt durch Österreich ist diese Regelung nicht anwendbar, weil in Österreich weder eine Be- noch eine Entladung erfolgt.

Im Grunde dieser Ausführungen ist daher auch die durch die Freie und Hansestadt Hamburg im Schreiben vom 30.11.2006 geäußerte Rechtsansicht unrichtig, dass der Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei eine nicht lizenzpflichtige Güterbeförderung im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr zwischen Deutschland und einem Drittstaat ist und für diesen Verkehr keine Gemeinschaftslizenz benötigt wird. Dies widerspricht offensichtlich dem Art.3 Abs.1 iVm Art.2 der EU-VO.

 

Darüber hinaus wird aber auf die Bestimmung des Art.9 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 484/2002 hingewiesen, wonach Mitgliedstaaten garantieren, dass jeder Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde, durch die ihm eine Fahrerbescheinigung verweigert wird, Rechtsmittel einlegen kann. Es ist daher zumutbar, dass der Berufungswerber einen Rechtszug in Anspruch nimmt und ausschöpft.

 

5.5. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro bei einem durchschnittlichen Vermögen in Form eines Einfamilienhauses zur Hälfte und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Diesen Ausführungen wurde auch in der Berufung nichts entgegengesetzt und wurden keine bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden Umstände vorgebracht. Die belangte Behörde hat auf den besonderen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung und auf das Verschulden hingewiesen, insbesondere ist darauf Bedacht zu nehmen, dass mangels einer Fahrerbescheinigung eine Kontrollmöglichkeit grenzüberschreitender Transporte eingeschränkt wird. Es wurde gegen den Berufungswerber die Mindeststrafe verhängt. Angesichts des Unrechts- und Schuldgehaltes der Tat ist diese gerechtfertigt und war zu bestätigen. Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungswerbers nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Fahrerbescheinigung, Assoziationsabkommen, Anwendbarkeit der Gemeinschaftslizenz

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 17.12.2007, Zl.: 2007/03-104-9

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum