Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-161790/2/Sch/Hu

Linz, 07.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn M H, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. V und Dr. G, vom 7.11.2006 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 24.10.2006, Zl. VerkR96-675-2006,   zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4  AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Bescheid vom  24.10.2006,  VerkR96-675-2006, den Einspruch des Herrn M H, P, C, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H V, Dr. G G, S, L, gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 8.6.2006, VerkR96-675-2006, gemäß § 49 Abs.1 VStG als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.2ff VStG).

 

 

3. Der von der Erstbehörde vorgelegte Verfahrensakt stellt sich chronologisch folgendermaßen dar:

Nach Einlangen der Polizeianzeige wegen einer Übertretung des KFG 1967 durch den nunmehrigen Berufungswerber hat die Erstbehörde diesem bescheidmäßig aufgetragen, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides einen Zustellbevollmächtigten mit Sitz oder Hauptwohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich namhaft zu machen. Begründet wurde die Verfügung damit, dass sich der Berufungswerber nicht nur vorübergehend im Ausland aufhalte (§ 10 Zustellgesetz).

 

Der Berufungswerber wurde u.e. darauf hingewiesen, dass im Falle des Unterbleibens der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten alle weiteren Schriftstücke in diesem Verfahren ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zugestellt würden.

 

Dieser Bescheid ist laut Postrückschein dem Berufungswerber am 22.5.2006 zugestellt worden und somit – er wurde nicht in Berufung gezogen – mit Ablauf des 6.6.2006 in Rechtskraft erwachsen.

 

Im Verfahrensakt findet sich ein Aktenvermerk vom 8.6.2006, unterfertigt von der zuständigen Sachbearbeiterin der Behörde, wonach die Kanzlei Dr. V sich fernmündlich nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist im gegenständlichen Verfahren erkundigt habe. Die Bearbeiterin hat demnach mitgeteilt, „dass diese am 6.6.2006 abgelaufen ist“. Mit selbem Tag hat Rechtsanwalt Dr. V der Behörde schriftlich mitgeteilt, dass er Zustellbevollmächtigter im gegenständlichen Verfahren sei. Diese Eingabe ist bei der Behörde am 9.6.2006 eingelangt.

 

Während dessen hat die Erstbehörde eine Strafverfügung, datiert mit 8.6.2006, verfasst und am selben Tag gemäß § 23 Abs.1 Zustellgesetz ohne vorherigen Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

 

In der oben erwähnten Eingabe des Rechtsvertreters des Berufungswerbers war auch ein Antrag auf Akteneinsicht enthalten, dem die Erstbehörde entsprochen hat. Zu diesem Zweck wurde der Aktenvorgang mit Schreiben vom 13.6.2006 der Bundespolizeidirektion Linz übermittelt. Zur Akteneinsicht selbst kam es aufgrund einer längeren Verweildauer des Aktes bei der Rechtshilfebehörde erst am 8.9.2006.

 

Am 11.9.2006 (Poststempel) wurde Einspruch gegen die oben erwähnte Strafverfügung erhoben.

Dieser Einspruch wurde von der Erstbehörde nach Wahrung des Rechtes auf  Parteiengehör als verspätet eingebracht zurückgewiesen, zumal ihrer Ansicht nach die Strafverfügung rechtswirksam am 8.6.2006 durch Hinterlegung bei der Behörde zugestellt wurde und sohin die Einspruchsfrist am 23.6.2006 abgelaufen sei.

 

Schon in der Stellungnahme vom 27.9.2006 verweist der Rechtsvertreter des Berufungswerbers darauf, dass von der Existenz der Strafverfügung erst bei der Akteneinsichtnahme am 8.9.2006 Kenntnis erlangt werden konnte. In dem erwähnten Telefonat mit der Sachbearbeiterin der Erstbehörde vom 8.6.2006 sei dem Rechtsvertreter versichert worden, dass noch keine Strafverfügung erlassen worden sei. In dem Telefonat sei von seiner Seite auch noch bekannt gegeben worden, dass er Zustellbevollmächtigter für den Beschuldigten in Österreich sei.

 

In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid wird im Wesentlichen dieses Vorbringen wiederholt.

 

4. Hiezu wird seitens des Oö. Verwaltungssenates Folgendes ausgeführt:

Es kann kein Zweifel bestehen, dass seitens der Erstbehörde grundsätzlich nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen den Bescheid betreffend Auftrag zur Bestellung eines Zustellbevollmächtigten die Zustellung des folgenden Strafbescheides bzw. allfälliger sonstiger Verfügungen durch Hinterlegung bei der Behörde ohne Zustellversuche hätte veranlasst werden dürfen. Im vorliegenden Fall besteht allerdings ein sehr enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Mitteilung über die Bestellung eines Zustellbevollmächtigten und Hinterlegung der Strafverfügung, sodass diesem Umstand besonderes Augenmerk zu widmen ist. Die Berufungsbehörde setzt bei der Würdigung dieser Vorgänge zum einen voraus, dass bei dem oben angeführten Telefonat vom 8.6.2006 jedenfalls vom Ablauf der Rechtsmittelfrist betreffend Aufforderungsbescheid (ident mit der Benennungsfrist) die Rede war. Damit war der Rechtsvertreter des Berufungswerbers – wer auch immer  für ihn dieses Telefonat geführt hat – von diesem Umstand jedenfalls in Kenntnis. Eine bescheidkonforme (fristgerechte) Nennung eines Zustellbevoll­mächtigten konnte daher nicht mehr erfolgen. Die Berufungsbehörde geht zum anderen aber auch davon aus, dass in dem Telefonat schon die Rede davon war, dass Rechtsanwalt Dr. V als Zustellbevollmächtigter für den nunmehrigen Berufungswerber agieren würde. Dies begründet sich darin, dass die diesbezüglichen Ausführungen in den Schriftsätzen des Genannten glaubwürdig und schlüssig sind. Auch spricht der Aktenvermerk der Sachbearbeiterin vom 8.6.2006 nicht dagegen, wo nur vom Ablauf der Rechtsmittelfrist betreffend den obigen Bescheid die Rede ist. Ob über eine Strafverfügung gesprochen wurde, geht aus dem Aktenvermerk nicht hervor, sohin steht er nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass seitens der Kanzlei Dr. V in diese Richtung schon nachgefragt wurde. Somit wird zusammenfassend davon ausgegangen, dass die Behörde bereits am Tag der Hinterlegung der Strafverfügung in Kenntnis davon war, dass ein Zustellbevollmächtigter namhaft gemacht wird, wenngleich außerhalb der bescheidmäßig angeordneten Frist. Am nächsten Tag ist der Behörde dieser Umstand auch noch schriftlich zur Kenntnis gebracht worden.

 

Selbst wenn man den Inhalt dieses Telefonates hinsichtlich Strafverfügung im Detail außer Acht lässt, stellt sich die Frage, ob die Hinterlegung der Strafverfügung am 8.6.2006 – mag sie nach der genauen Uhrzeit vor oder nach dem Telefonat erfolgt sein, was sich ohnedies wohl nicht klären lässt –die Wirkung einer Zustellung entfaltet hat oder ob eine Mitteilung über die Bestellung eines Zustellbevollmächtigten auch außerhalb der bescheidmäßig gesetzten Frist noch rechtswirksam ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass gemäß § 10 Zustellgesetz im Falle einer nicht fristgerechten Entsprechung des Auftrages die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen werden kann. Für den Regelfall, wenn also die Frist ungenützt verstreicht und die Behörde dann das Schriftstück hinterlegt, ist hiemit die Zustellung bewirkt. Damit ist andererseits aber nicht ausgesagt, dass bei Bestellung eines Zustellbevollmächtigten außerhalb der Frist und vorgesehener zeitgleicher Hinterlegung des behördlichen Schriftstückes das Bevollmächtigungsverhältnis völlig ignoriert werden dürfte. In Bezug auf den Begriff "zeitgleich" kann es nur darauf ankommen, ob ein und derselbe Tag vorlag, nicht aber auf bestimmte Uhrzeiten dieses Tages (die in der Regel, wie auch hier, ohnehin nicht dokumentiert sind). Wird einer Behörde derart ein Vertreter gemäß § 10 AVG bekannt gegeben, so geht nach Ansicht der Berufungsbehörde dieser Umstand der Rechtsfolge des § 10 Zustellgesetz vor. Der Parteiwille auf Bestellung eines Vertreters und damit auch eines Zustellbevollmächtigten hat demnach Vorrang gegenüber der Rechtswirkung eines rechtskräftigen Aufforderungsbescheides gemäß § 10 Zustellgesetz, solange der Zeitpunkt der Hinterlegung des Schriftstückes nicht schon zweifelsfrei vor der Kenntnisnahme der Vertreterbestellung durch die Behörde gelegen ist.

 

Als Folge der obigen Ausführungen ergibt sich sohin, dass die Hinterlegung der Strafverfügung am 8.6.2006 nicht die Wirkung einer Zustellung hatte. Es ist daher auch kein Strafbescheid existent, der mit einem Rechtsmittel bekämpft werden könnte. Auch eine Zurückweisung eines unbeschadet dessen erhobenen Einspruches kommt somit nicht in Betracht. Der angefochtene Bescheid war daher zu beheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

S c h ö n

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum