Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400877/7/BMa/Ri

Linz, 03.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des Q K, geb. am, serbischer Staatsangehöriger, vom 27. April 2007 (eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 30. April 2007), vertreten durch Mag. Dr. I W, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Polizeidirektor in Wels zu Recht erkannt:

 

I.                    Der Beschwerde wird Folge gegeben. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft derzeit nicht vorliegen. Die weitere Anhaltung in dieser wird für rechtswidrig erklärt.

II.                  Der Antrag auf umgehende Enthaftung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat wird zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs.1 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungswesent­lichen Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) hält sich seit 5. Dezember 2006 im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, ohne im Besitz eines gültigen Reisepasses oder eines Aufenthaltstitels zu sein. Bei seinem illegalen Aufenthalt in Österreich im Jahr 2004 stellte er einen 3. Asylantrag, gegen dessen Zurückweisung er berufen hatte, sodass ihm bis zur Zurückziehung der Berufung am 26. April 2007, 10.30 Uhr, die Rechtsstellung eines Asylwerbers zugekommen war.

Seit 29. März 2007 ist er gemeinsam mit Frau M G polizeilich an einem Wohnsitz in, polizeilich gemeldet. Am 31. März 2007 ehelichte er diese österreichische Staatsbürgerin.  

 

Aus einem Schreiben der Caritas der Diözese Linz, Flüchtlings- und MigrantInnenhife, vom 12. April 2007 an die Bundespolizeidirektion Wels geht hervor, dass Q K sich entschieden habe, in seine Heimat zurückzukehren. Da sein Reisepass abgelaufen sei, werde ersucht, ein Reisedokument auszustellen.

Gemäß Mitteilung des Bundesministerium für Inneres – Ref. III/5/b vom 23. April 2007, GZ: 7.183.541/1-III/5/b/07 würden die Heim- bzw. Weiterreisekosten für Q K übernommen werden – vorbehaltlich der Bestätigung über die erfolgte Ausreise und Übermittlung einer Kopie des Reisedokumentes.

Dem Akt angeschlossen ist auch eine Buchungsbestätigung für Herrn Q K vom 24. April 2007 für einen Flug ab Linz am 3. Mai 2007.

 

Aus der niederschriftlichen Vernehmung vom 26. April 2007 geht hervor, dass nach telefonischer Rücksprache mit dem BMI die Übernahme der Kosten zurückgezogen worden ist und K die Ausreise selbst zu finanzieren hat.

 

1.2. Im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme wurde die Schubhaft am 26. April 2007, 10:50 Uhr, zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§§ 53, 54 FPG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z1 FPG, da er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze und er kein Aufenthaltsrecht habe. Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des bzw. der fremdenpolizeilichen Verfahren sei notwendig gewesen, da zu befürchten gewesen sei, dass er sich den weiteren fremdenrechtlichen Verfahren bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werde. Die Verhängung der Schubhaft sei im Hinblick auf das zu erreichende Ziel angemessen und verhältnismäßig.

 

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG sei nicht in Betracht gekommen, da die Behörde keinen Grund zur Annahme gehabt habe, dass der Zweck der Schubhaft auch durch dessen Anwendung erreicht werden könne, da K über keinen Reisepass, keinen Aufenthaltstitel und offensichtlich auch über kein Barvermögen verfüge.

 

1.3. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vom 30. April 2007 in der BPD Wels gab der Beschwerdeführer in Ergänzung zu dem bereits festgestellten Sachverhalt an, nach durchgeführter Verehelichung sei er einer Ladung der Fremdenpolizei nicht nachgekommen und habe telefonisch gemeldet, dass er krank sei. Diese Erkrankung sei nicht durch einen ärztlichen Befund dokumentiert. Daraufhin habe er sich bei der Caritas zur freiwilligen Rückkehr gemeldet. Das BMI habe keine Kenntnis gehabt, in welcher aufenthaltsrechtlichen Situation er gewesen sei, und auch nicht über seine Verehelichung Bescheid gewusst. Nach Bekanntgabe dieser Tatsachen an das BMI sei die Vereinbarung zurückgezogen und auch die Caritas und die Fremdenpolizei darüber verständigt worden.

Darüber hinaus wurde festgehalten, der Beschwerdeführer habe angegeben, für die Fremdenpolizei bedeute dies, dass er schon mit einem fixen Plan wieder illegal nach Österreich gekommen sei, um über diese Machenschaft nach einer erfolgten freiwilligen Ausreise sich bei der zuständigen Botschaft um Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu bemühen. Er sei offensichtlich nicht gewillt, die österreichischen Rechtsnormen zu achten und versuche auf Umwegen zu einem legalen  Aufenthaltstitel zu kommen.

Es seien daher noch weitere Erhebungen durchzuführen und die Schubhaft werde zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ausgedehnt und er verbleibe weiterhin in Schubhaft. Sein Verhalten zeige eindeutig, dass er unter Missachtung vieler Rechtsnormen eine mögliche Wiedereinreise erzwingen wolle und gefährde durch sein Verhalten jedenfalls die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Die Bundespolizeidirektion Wels beabsichtige daher die Erlassung eines für die Dauer von 5 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes.

Diese Niederschrift wurde vom Beschwerdeführer nicht unterzeichnet, die Unterschrift wurde verweigert.

 

1.4. Am 27. April 2007 erhob der Rechtsmittelwerber eine Beschwerde gemäß § 82 Abs.1 FPG durch seine rechtsfreundliche Vertretung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, er habe einen Asylantrag in Österreich gestellt und am 31. März 2007 die Österreicherin M C G geehelicht. Weil einem Asylwerber kein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt werden könne, habe er seinen Asylantrag nach Verehelichung zurückgezogen, um Österreich verlassen zu können und vom Heimatland aus gemäß § 21 NAG einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen. Eine andere Vorgangsweise sei nach dem NAG nicht möglich. Die Reisekosten seien durch das Bundesministerium für Inneres gezahlt worden, sodass er einen Ausreisetermin für 3. Mai 2007 gehabt habe. Als er bei der Bundespolizeidirektion Wels vorgesprochen habe, um eine Ausreisebestätigung zu erhalten, sei er in Schubhaft genommen worden, da sein Asylverfahren (durch die Zurückziehung seiner Berufung) rechtskräftig abgeschlossen worden sei.

Die Behörde habe es bei Schubhaftverhängung unterlassen, die Anwendung gelinderer Mittel zu prüfen, und demnach ein unzureichendes Ermittlungsverfahren geführt. Darüber hinaus habe die Behörde es unterlassen zu berücksichtigen, dass er Österreich freiwillig zu einem bereits festgelegten Termin verlassen möchte und ihm die Kosten vom Bundesministerium für Inneres gezahlt würden. Die weitere Anhaltung in Schubhaft sei daher rechtswidrig und unverhältnismäßig.

Abschließend wurde der Antrag gestellt, festzustellen, dass „die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegend sind, mit der Maßgabe, dass er umgehend enthaftet werde“.

Ein Kostenbegehren wurde nicht gestellt.

 

1.5. Die entscheidungsrelevanten Aktenteile aus dem fremdenpolizeilichen Akt der Bundespolizeidirektion Wels wurden mit FAX vom 2. Mai 2007 dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt. Ergänzend wurde mittels telefonischer Rücksprache bei der Bundespolizeidirektion Wels – Fremdenpolizei festgestellt, dass ein Schubhaftbescheid zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (wie auf Seite 2 der Niederschrift vom 30. April 2007 angeführt) noch nicht ergangen ist. Ebensowenig gibt es einen fremdenpolizeilichen Akt, in dem ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung dokumentiert ist.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt und den vom Unabhängigen Verwaltungssenat getätigten ergänzenden Erhebungen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2006, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.      wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.      wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.      wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 26. April 2007 in Schubhaft, damit ist er zur Einbringung der Schubhaftbeschwerde legitimiert.

 

Als Beschwerdepunkt ist gem. der vorzitierten Gesetzesstelle unter Berücksichtigung des Beschwerdebegehrens nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

3.2. Für die Durchführung einer Enthaftung ist der Unabhängige Verwaltungssenat mangels gesetzlich zugewiesener Kompetenz nicht zuständig.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Im konkreten Fall wurde die Schubhaft verhängt, weil sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, weil er weder im Besitze eines gültigen Reisepasses noch eines Aufenthaltstitels ist und dies einen Ausweisungstatbestand gemäß § 53 Abs. 1 FPG darstellt. Die illegale Einreise hat nach Ansicht der belangten Behörde offensichtlich nur dazu gedient, eine österreichische Staatsbürgerin zu heiraten, um in weiterer Folge einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen. Es wurde im Schubhaftbescheid zwar angeführt, dass die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG nicht in Betracht kommen würde, eine Begründung hiefür wurde jedoch ebenso wenig wie die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sowie die Erreichbarkeit des Schubhaftzieles dargelegt.

 

Die im vorgelegten fremdenpolizeilichen Akt enthaltenen Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin geben keinen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lebenssituation des Beschwerdeführers. Aus dem Akt ist zu seinen persönlichen Verhältnissen nur ersichtlich, dass er einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehegattin in W hat und er bei seiner Vernehmung am 26. April 2007 keine Strafe bezahlen konnte, weil er kein Bargeld mitgeführt hatte.

Eine beabsichtigte Ausweisung allein oder eine beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigt noch nicht die Verhängung der Schubhaft.

Vielmehr hätte die belangte Behörde darlegen müssen, worauf sie die Annahme stützt, der Beschwerdeführer habe erkennen lassen, dass er nicht gewillt sei, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Überdies hat sie nicht berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer offenbar freiwillig zur Bundespolizeidirektion Wels begeben hatte, um Dokumente für seine Ausreise zu erhalten, weil er von seinem Heimatland aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Österreich stellen wollte. Damit gab er zu erkennen, dass eine Ausreise aus dem Bundesgebiet gerade in seinem Interesse liegt, und sei es auch nur zur Erlangung einer Genehmigung nach dem NAG.

Die zur alten Rechtslage (FrG 1997) ergangene Judikatur (siehe z.B. 95/02/0117 oder 2005/21/0301) zum konkreten Sicherungsbedarf bei Verhängung einer Schubhaft ist auch auf die Rechtslage nach dem FPG anwendbar, weil die Schubhaft auch nach der dzt. geltenden Rechtslage nur zu Sicherungszwecken zu verhängen ist.

Im vorliegenden Fall ist aber ein Sicherungsbedarf des Beschwerdeführers nicht erkennbar.

Die belangte Behörde hat auch die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, der an einer Adresse gemeinsam mit seiner Ehegattin polizeilich angemeldet ist, nicht geprüft, sondern ist nur davon ausgegangen, dass er offensichtlich über kein Barvermögen verfüge. 

 

Nach Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hätte die belangte Behörde bei Verhängung der Schubhaft auch auf die konkrete familiäre Situation des Beschwerdeführers eingehen müssen. Bloß allgemeine Annahmen genügen nach ständiger Judikatur nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen.

 

Diese Mängel konnten auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht behoben werden, weil sich aus dem vorgelegten Akt für die (Prognose-) Entscheidung der belangten Behörde, die auf den Sachverhalt im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung abstellt, keine Anhaltspunkte ergeben.

Auch wurden von der belangten Behörde keine fremdenpolizeilichen Akte zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder zur Erlassung einer Ausweisung bis zu den ergänzenden Erhebungen durch den Unabhängigen Verwaltungssenat am 2. Mai 2007 gesetzt.

 

Der Bescheid, der der derzeit noch andauernden Anhaltung in Schubhaft zugrunde liegt, erweist sich damit als rechtswidrig, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

 

3.4. Ergänzend wird jedoch festgehalten, dass gemäß § 80 Abs. 1 FPG die Behörde verpflichtet ist, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 darf die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für die Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Im konkreten Fall sind keine Akte der Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, ersichtlich, aus denen hervorgeht, dass Schritte unternommen wurden, die den Schubhaftgrund, die Durchführung eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung rechtfertigen würden.

 

4. Weil im konkreten Fall vom Beschwerdeführer kein Kostenbegehren gestellt wurde, ist darüber auch nicht abzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

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