Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280816/39/Wim/Ps

Linz, 04.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn Ing. A K, vertreten durch B , Z Rechtsanwälte GmbH, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 8. Februar 2005, Zl. Ge96-134-2003-Hw, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutz­gesetzes (ASchG), nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 16. Jänner und 8. März 2007 zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II.    Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 400 Euro (das sind 20 % der verhängten Strafe) zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 130 Abs.1 Z16 iVm § 35 Abs.1 Z5 ASchG eine Geldstrafe von 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen, verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm Folgendes vorgeworfen:

 

Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlichter gem. § 9 Abs. 1 VStG der P F C S GmbH, persönlich haftende Gesellschafterin der Arbeitgeberin P F C S GmbH & Co KG mit Sitz in H, Geschäftsanschrift H, L, in der Arbeitsstätte in H, L, folgende Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu vertreten:

Die Werkzeugmaschine FIDIA DIGIT 218, in der Halle Werkzeugbau-Instandhaltung wurde durch den Arbeitnehmer S R, geb., am 22. 8. 2003 benutzt, obwohl der Verriegelungsschalter der Schutztür zum Bearbeitungsraum funktionsunfähig war.

Dies stellt eine Übertretung des § 35 Abs. 1 Ziffer 5 ASchG dar, wonach Arbeitsmittel nicht benützt werden dürfen, wenn die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind.“

 

2.1.   Dagegen wurde vom Berufungswerber fristgerecht Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass die Erstinstanz den Tatvorwurf nicht ausreichend konkretisiert habe, da das rechtmäßige Alternativverhalten des Berufungswerbers im Spruch nicht angeführt worden sei und auch sonstige Tatbestandsmerkmale des § 35 Abs.1 Z5 ASchG im Spruch fehlen würden bzw. nicht mit der entsprechenden Klarheit zum Ausdruck gebracht worden seien.

 

Weiters sei die Erstinstanz zu Unrecht von einer nichtfunktionsfähigen Schutz- und Sicherheitseinrichtung ausgegangen, da der Verriegelungsschalter der Schutzstör grundsätzlich funktionsfähig gewesen sei und nur überbrückt wurde.

 

Überdies sei die Erstinstanz Beweisanträgen nicht nachgekommen und hätte zum Teil eine nicht korrekte Zeugeneinvernahme durchgeführt.

 

Bezüglich des Berufungswerbers liege mangelndes Verschulden vor, da dieser alle Vorkehrungen getroffen habe, um den entsprechenden Arbeitsunfall zu verhindern und ihm der Sicherheitsmangel nicht erkennbar war und auch nicht erkennbar sein musste.

 

2.2.   Dieser Berufung wurde durch Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates VwSen-280818/2/Ga/Da vom 20. April 2005 stattgegeben. Auf Grund einer Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Jänner 2006, Zl. 2005/02/01558-6, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat daher das Berufungsverfahren im Sinne dieser Entscheidung fortgeführt.

 

 

3.1.   Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurde Beweis erhoben durch Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 16. Jänner und 8. März 2007 mit Einvernahmen der Zeugen Ing. K P vom Arbeitsinspektorat Linz, des durch den Arbeitsunfall verletzten R S, des Leiters der Instandhaltung bzw. mechanischen Werkstätte der Firma P E S, des Leiters der Produktentwicklung G W und schließlich des Berufungswerbers.

 

3.2.   In den öffentlichen mündlichen Verhandlungen wurde noch ein Antrag auf Einholung eines maschinenbautechnischen Gutachtens zur Frage der Funktions­fähigkeit des Verriegelungsschalters eingebracht.

Zusätzlich wurde noch vorgebracht, dass der § 35 ASchG nur gesetzlich vorgesehene Sicherheitsvorrichtungen erfasse und dies im gegenständlichen Tatvorwurf nicht ausgeführt worden sei.

 

3.3.   Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Berufungswerber hat zum Unfallszeitpunkt die Werkzeugmaschine Fidia Digit 218 bedient. Dabei handelt es sich um eine computergesteuerte Fräsmaschine, die im Betrieb seit dem Jahr 2001 installiert ist. Diese Maschine ist mit einem Verriegelungsschalter im unteren Bereich der Tür ausgestattet in der Fm, dass an der Schiebetür ein Bolzen angebracht ist, der bei deren Schließen in diesem Schalter einen Kontakt auslöst und damit das Anfahren der Werkzeugspindel ermöglicht. Dieser Bolzen, der eigentlich an der Tür angebracht sein sollte, wurde bereits im Zuge der Montage und Inbetriebnahme dieser Werkzeugmaschine direkt in den Schalter hineingesteckt und hat somit einen dauerhaften Kontakt und ein Anlaufen der Werkzeugspindel auch ohne geschlossene Schiebetür ermöglicht.

 

Der Berufungswerber wurde, wie im Spruch angeführt, zum Unfallszeitpunkt bei noch offener Schiebetür durch sich lösende Teile der angelaufenen Spindel im Brustbereich verletzt.

 

Vom Hersteller wurde zum Nachweis der sicherheitsgerechten und normkonFmen Bauweise der Werkzeugmaschine eine EU-KonFmitätserklärung abgegeben. Die Installierung der Maschine erfolgte laut einer vorgelegten Checkliste. Anlässlich der Inbetriebnahme ist es zu einer Funktionsüberprüfung gekommen. In der Bedienungsanleitung des Herstellers ist ausdrücklich angeführt, dass diese einzuhalten ist und Maschinen und Aggregate bei Beschädigungen oder funktionslosen Sicherheits- und Schutzvorrichtungen nicht benützt werden dürfen. Die mit der Werkzeugmaschine betrauten Mitarbeiter einschließlich des Verletzten, der gelernter Werkzeugmacher ist und die Werkmeisterausbildung absolviert hat, wurden in die Verwendung der Schutzvorrichtungen und die Maschine eingewiesen. Es existierte zum Unfallszeitpunkt eine ausführliche Infomappe in welcher eine Sicherheitsfibel enthalten war. Teil dieser Infomappe ist eine Verpflichtungserklärung des Arbeitnehmers, die ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen einzuhalten. Beim verletzten Arbeitnehmer wurde eine interne Schulung durchgeführt. Die Maschine wurde laufend gewartet. Im Betrieb existierten eine Sicherheitsfachkraft und Sicherheitsvertrauenspersonen.

 

Ausdrückliche sicherheitstechnische Überprüfungen der Werkzeugmaschine fanden nicht statt. Die Funktionslosigkeit des Verriegelungsschalters war zumindest dem verletzten Arbeitnehmer und dem Leiter der Instandhaltung bekannt.

 

3.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt, den vorgelegten Schriftstücken und aus den Aussagen der Zeugen, vor allem der Herren S und S. Beide haben übereinstimmend ausgesagt, dass dieser Sicherheitsschalter bei der Verriegelungstür seit Inbetriebnahme der Werkzeugmaschine bereits überbrückt war. Die übrigen einvernommenen Zeugen haben diese Tatsache nicht in Abrede gestellt, sondern allesamt nur angegeben, dass sie von diesem Umstand keine Kenntnis hatten. Da der betroffene Arbeiter als Maschinenführer sowie der Leiter der Instandhaltung diejenigen Personen sind, die am unmittelbarsten mit der Werkzeugmaschine zu tun hatten, erscheinen deren Aussagen diesbezüglich für den Unabhängigen Verwaltungssenat als glaubwürdig. Auch die erfolgte Verletzung konnte nur bei offener Schiebetür und laufender Spindel passieren.

 

Die Einholung eines maschinenbautechnischen Gutachtens war nicht erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt auch bezüglich des Zustandes des Verriegelungsschalters nicht in Zweifel steht. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat keine Bedenken dahingehend, dass der Schalter an und für sich funktioniert hat aber auch nicht dahingehend, dass er überbrückt wurde. Die Frage ob er damit funktionsfähig oder funktionsunfähig war, ist keine technische Angelegenheit sondern rechtlich auslegungsbedürftig.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.   Zu den anwendbaren Gesetzesbestimmungen kann zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis und die dortige Darstellung verwiesen werden.

 

Gemäß § 35 Abs.1 Z5 ASchG haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsmittel nicht benutzt werden, wenn die Schutz- oder Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind.

Durch das Überbrücken des Sicherungsschalters wurde dieser inaktiviert und hat daher im Ergebnis zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls seine Funktion nicht erfüllt, das heißt er hat ein Anlaufen der Spindel bei offener Schiebetür nicht verhindert. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ist lediglich diese Tatsache maßgeblich und kann er Differenzierungen nach einer Wortauslegung des Berufungswerbers über eine grundlegende Funktionsfähigkeit des Schalters und einem bloßen Außerfunktionssetzen nicht folgen.

Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung ist es eindeutig zu verhindern, dass Maschinen ohne solche nicht aktiven Sicherungseinrichtungen verwendet werden. Die Frage, ob es sich dabei um eine gesetzlich vorgeschriebene Sicherheits­einrichtung handeln muss, wie das vom Berufungswerber angeführt bzw. durch die Vorlage einer zivilgerichtlichen Entscheidung zu belegen versucht wurde, ist im gegenständlichen Verwaltungsverfahren nicht unmittelbar relevant.

§ 24 Arbeitsmittelverordnung trifft im Einzelnen Regelungen für programmgesteuerte Arbeitsmittel und den Aufenthalt in Gefahrenbereichen. Es ist dafür zu sorgen, dass ArbeitnehmerInnen nicht durch bewegliche Teile gefährdet werden.

Überdies legt auch § 25 Abs.5 erster Satz der Arbeitsmittelverordnung fest, dass dafür zu sorgen ist, dass die Angaben der Hersteller für die ordnungsgemäße Verwendung von Werkzeugen für Bearbeitungsmaschinen, wie Sägen, Bohrer, Fräser oder Schleifscheiben eingehalten werden. Der Hersteller verlangt die Bedienung nur bei geschlossener Schiebetür.

 

Dass der Tatvorwurf als solcher ausreichend konkretisiert im Sinne des § 44a VStG war, wurde bereits durch das in dieser Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 2005/02/0158-6, vom 17.1.2006 vom Grunde her bestätigt. Darin wurde ausgeführt, dass im konkreten Tatvorwurf mitenthalten ist, dass der Arbeitgeber keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt hat, die Benutzung dieser Maschine durch Arbeitnehmer trotz funktionsunfähiger Schutztür zu verhindern; er also im Sinne des Einleitungssatzes des § 35 Abs.1 ASchG nicht dafür gesorgt habe, dass das Verbot des § 35 Abs.1 Z5 ASchG befolgt werde. Konkrete Umstände für vom Arbeitgeber dazu zu setzende Maßnahmen sind nicht wesentlicher Spruchinhalt.

 

Allfällige Verfahrensmängel wurden durch das umfassende Ermittlungsverfahren des Unabhängigen Verwaltungssenates in jedem Fall saniert. So wurden sämtliche vom Berufungswerber angeführten Zeugen direkt vom Unabhängigen Verwaltungssenat einvernommen.

 

4.2.   Zum Verschulden des Berufungswerbers ist auszuführen, dass gemäß § 5 Abs.1 VStG fahrlässiges Verhalten ausreicht, welches dann ohne Weiteres anzunehmen ist, wenn der Berufungswerber nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Zu den vom Berufungswerber in der Berufung angeführten Unterlagen und zum beschriebenen Kontrollsystem ist auszuführen, dass sicherheitstechnische Überprüfungen der Werkzeugmaschine nicht vorgenommen wurden und auch diesbezüglich vom Berufungswerber selbst zugestanden wurde, dass es darüber keine Protokolle gibt. Bloße Wartungsprotokolle vermögen sicherheitstechnischen Anforderungen nicht genügen.

Den vorhandenen Anweisungen, Regelungen und der Organisationsstruktur bestehend aus Sicherheitsvertrauensperson und Sicherheitsbeauftragten ist entgegen zu halten, dass doch diese Werkzeugmaschine über mehrere Jahre offensichtlich ohne diese Schutzvorrichtung betrieben werden konnte, obwohl gerade das Feststellen dieses sicherheitstechnischen Mangels ohne großen Aufwand möglich gewesen wäre, auch wenn der Verriegelungsschalter als solches durch eine Blende verbaut war. So hätte man nur bei offener Verriegelungstür versuchen müssen, die Maschine zu starten, um das Nichtfunktionieren des Sicherungsschalters feststellen zu können.

 

Alleine die lang andauernde sicherheitswidrige Verwendung dieser Fräsmaschine und deren Nichtbehebung sind schon ausreichende Umstände, die für ein nicht effizientes Kontrollsystem sprechen. So reicht es nicht aus, bloß eine Vielzahl von Regelungen vorzusehen, sondern ist es auch notwendig für eine ausreichende Kontrolle dieser Vorschriften zu sorgen. Dies wurde im konkreten Fall offenbar unterlassen und muss der Berufungswerber deshalb auch in subjektiver Hinsicht gegen sich gelten lassen. Auch ein Abschieben der Verantwortung für sicherheitsrelevante Aspekte auf die tätigen Arbeitnehmer durch diverse Anordnungen und Verpflichtungserklärungen wirkt nicht schuldbefreiend.

 

4.3.   Zur Strafbemessung hat die Erstinstanz zutreffenderweise die Unbescholtenheit des Berufungswerbers als mildernd gewertet. Sie hat auch zu Recht dem Umstand, dass es zu einem schweren Arbeitsunfall kam, bei der Bemessung der Strafe beträchtliches Gewicht zugemessen, sodass bei einem Strafrahmen zwischen 290 und 14.530 Euro die verhängte Geldstrafe mit nicht einmal 14 % der Höchststrafe keinesfalls als überhöht anzusehen ist.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

5. Der verhängte Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren St sich auf die im Spruch angeführten Rechtsgrundlagen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  Wimmer

 

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