Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300737/2/WEI/Ps

Linz, 08.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Ü K, geb., B, E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 24. April 2006, Zl. Pol 96-30-2005/WIM, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Jugendschutzgesetz 2001 – Oö. JSchG 2001 (LGBl Nr. 93/2001, zuletzt geändert mit LGBL Nr. 90/2005) zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.                   Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis hat die belangte Strafbehörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben als Erwachsener vor dem 15. April 2005 an die Jugendlichen unter 16 Jahren M S, geb., M S, geb. und E S, geb. gesetzwidrig Handyvideofilme, konkret Gewaltvideos mit dem Inhalt 'Köpfung von Geiseln', welche dabei auf deren Handy-Telefone gespeichert wurden, zugespielt und haben diese somit an Jugendliche unter 16 Jahren weitergegeben bzw. zugänglich gemacht, obwohl Ihnen die Weitergabe von jugendgefährdenden Datenträgern  bzw. Handyvideofilmen mit dem Inhalt krimineller Handlungen menschenverachtender Brutalität bzw. der Verherrlichung von Gewaltdarstellungen gesetzlich verboten ist.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 12 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Z. 1 Oö. Jugendschutzgesetz, LGBl. Nr. 93/2001 i.d.g.F."

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde "gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 Oö. Jugendschutzgesetz, LGBl. 93/ 2001 i.d.g.F." gegen den Bw eine Geldstrafe von 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 12 Abs 2 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 10 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das nach dem aktenkundigen Rückschein (RSa-Brief) am 31. Mai 2006 für den Bw nach zwei erfolglosen Zustellversuchen beim Postpartner E hinterlegt und zur Abholung bereit gehalten wurde, richtet sich die rechtzeitig am 13. Juni 2006 zur Post gegebene Berufung vom 9. Juni 2006, die am 14. Juni 2006 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung strebt sinngemäß die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens an. Sie lautet:

 

"Berufung gegen die Straferkenntnis Aktenzeichen Pol 96-30-2005/WIM

 

Als Berufungsgründe führe ich folgendes an:

 

Aus der Zeugenaussage des H S geht nur hervor, dass das Gewaltvideo nicht von diesem verschickt wurde. Es geht aber keineswegs hervor, dass das Gewaltvideo von mir abgeschickt wurde.

Der Direktor W F macht in seiner Zeugenaussage auch keine Angaben, die meine Person direkt betreffen, sondern er bezieht seine Zeugenaussage aus einem Gespräch mit den drei S-Brüdern.

Diese geben bei ihrer Einvernahme eindeutig an, das Gewaltvideo nicht von mir zu haben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

K Ü"

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit Anzeige des Gendarmerieposten Lambach vom 28. April 2005, Zl. E1/763/05, wird berichtet, dass Herr F, der Direktor der Hauptschule S, am 15. April 2005 die Mitteilung machte, dass vor einigen Tagen Gewaltvideos in der Schule aufgetaucht seien. Diese waren auf Handyvideos gespeichert, welche drei Schülern in der Moschee in W zugespielt worden wären. Der Hauptschuldirektor habe die sofortige Löschung der Videos veranlasst und ein absolutes Handyverbot erlassen (Hinweis auf Aktenvermerke des Schulleiters vom 13. und 14. April 2005).

 

Aus diesen Aktenvermerken, die nicht im Original sondern als bloßer Ausdruck ohne Unterschrift der Anzeige angeschlossen sind, geht hervor, dass der Schüler M D in der Schule die auf seinem Handyvideo festgehaltene Köpfung von Geiseln anderen Schülern zeigte. Bei einer Befragung gab er, an die Gewaltvideos von M S erhalten zu haben. Laut Aktenvermerk vom 14. April 2005 sei im Zuge der Befragungen herausgekommen, dass die drei S Brüder (E, M und M) die Videos von einem H (K) in der Moschee in W und von einem U K (E) zugeschickt bekamen. Diese hätten die Videos Mitschülern gezeigt, wobei ca 40 Knaben und Mädchen der 2. bis 4. Klasse sich diese anschauten.

 

Beamte der Gendarmerie Lambach führten sofort nach der Anzeige ein Gespräch mit dem Hauptschuldirektor, der die Aktenvermerke übergab und weitere Daten bekannt gab. Er hatte den Bezirksschulinspektor und die Jugendwohlfahrt Lambach bereits informiert. Als Tatort hätte der Direktor die Moschee in W eruiert und als Verteiler der Videos hätten die Schüler einen H aus K und einen U K aus E angegeben.

 

2.2. Die belangte Behörde erließ gegen den Bw die Strafverfügung vom 12. Mai 2005, gegen die er den rechtzeitigen Einspruch vom 29. Juni 2005 einbrachte. Er bestritt die Tatbegehung und legte ein undatiertes, von ihm selbst und den drei S Brüdern unterfertigtes Schreiben bei, dessen Inhalt wie folgt lautet:

 

"Ich M S bestätige das ich dieses gewaltige Video von H S aus M auf meinem Handy gesendet habe. Genaue Adresse dieses Jungen ist mir nicht bekannt. Mein Bruder E S hat den falschen Namen eingesagt, weil er nicht genau wusste wer es war, er hatte es mit der Nervösität zu tun. Außerdem hatten wir diesen Fehler in der Schule korregiert, dass das nicht Ü sondern H war. Trotzdem bekam Ü K einen Schreiben von der Bezirkshauptmannschaft Wels, mit beiliegendem Zahlschein. Ü K ist unschuldig und weis gar nichts über dieses Video. Wir M, E und M S bestätigen als Zeugen, dass uns nicht Ü K dieses Video gegeben hat."

 

2.3. Die belangte Behörde hat in der Folge die Brüder S in Gegenwart ihres Vaters H S und ferner den M D am 2. Jänner 2006 als Zeugen einvernommen. Die aufgenommen Niederschriften vom 2. Jänner 2006 genügen leider nicht ganz den Förmlichkeiten des § 14 Abs 2 AVG, weil sie den Leiter der Amtshandlung nicht ausdrücklich bezeichnen und auch die Zeit (Beginn und Ende) der Amtshandlung nicht anführen.

 

M D, geb., gab bei der Vernehmung an, dass er das Gewaltvideo von einem der drei S Brüder erhalten habe. Er habe es in der Schule niemandem gezeigt und wisse nicht, von wem die S Brüder das Video erhalten haben. Zu Hause habe sein Bruder das Video gleich gelöscht.

 

M S, geb., gab an, dass er das Gewaltvideo von einem gewissen H aus K, Nachname unbekannt, neben der Moschee erhalten hätte. Er habe es in der Hauptschule einigen Freunden gezeigt. Er gäbe wahrheitsgemäß an, dass er das Video vom Bw, den er seit 10 Jahren persönlich kenne, nicht hatte. Diese Aussage stammte von seinem Bruder E S. Sonst hätte er nichts weiter anzugeben.

 

Der Zwillingsbruder M S, geb., erklärte, dass er zum Schuldirektor und zu zwei Lehrerinnen gesagt hätte, das Gewaltvideo stamme von einem gewissen H aus K, dessen Familiennamen er nicht kenne. Wie ihm seine Mutter gesagt hätte, handle sich dabei um H S aus M. Er gebe wahrheitsgemäß nochmals an, dass er das Video nicht vom Bw hatte. Er hätte nichts weiter anzugeben.

 

E S, geb., gab zu Protokoll, dass er dem Schuldirektor und zwei Lehrerinnen gesagt hätte, dass das Gewaltvideo von seinem Bekannten Ü stamme. Er hätte dies aber nicht genau gewusst. Seine Brüder hätten ihm später gesagt, dass sie das Video von einem gewissen H aus K erhalten hätten.

 

2.4. Am 3. Jänner 2006 vernahm die belangte Behörde den Schuldirektor W F. Dieser verwies auf seine der Anzeige beiliegenden Aktenvermerke, in denen er die Aussagen der drei S Brüder und des M D festgehalten habe. Bei ihrer ersten Vernehmung sagten die drei Brüder aus, dass sie die Videos von Ü K und H in der Moschee in W bekommen hätten. Ende Juni 2005 wäre Ü K in Begleitung von fünf jungen Burschen in der Schule erschienen und hätte die Zurücknahme der Anzeige verlangt. Der Zeuge erklärte ihm, dass er nur die Aussagen der beteiligten Schüler an die zuständigen Behörden weitergeleitet habe.

 

Über Rechtshilfeersuchen der belangten Behörde vernahm die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems am 9. März 2006 den H S, geb., B, M, als Zeugen. Dieser bestritt gleich zu Beginn der Vernehmung, auf sein Handy jemals ein Gewaltvideo bekommen zu haben. Er habe mit Sicherheit keiner Person ein solches Video geschickt. Die drei S Brüder kenne er schon seit 4 bis 5 Jahren von der Moschee in W her. Diese befinde sich einen halben Kilometer von der M in W entfernt. Den Bw, den er nur mit Vornamen kannte, habe er vor 4 bis 5 Jahren in R, wo seine Schwester wohne, über Y C, den Bruder eines Freundes, kennengelernt. Weil er sich mit der Zeugenvernehmung nicht auskannte, hätte er sich die Telefonnummer besorgt und den Bw angerufen. Dieser hätte ihm mitgeteilt, dass es um ein Gewaltvideo ginge und die S Brüder seinen Namen genannt hätten. Der Bw hätte gesagt, dass er mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt habe und der Zeuge sollte nur die Wahrheit sagen, dann würde es schon passen. Daraufhin hätte er sich die Telefonnummer des E besorgt und diesen telefonisch gefragt, warum er seinen Namen angegeben habe. Er teilte dem Zeugen mit, dass es seine kleineren Brüder gewesen wären. Daraufhin hätte er einen der Brüder, welchen wüsste er leider nicht mehr, erreicht und dieser hätte bestätigt, seinen Namen angegeben zu haben. Der Zeuge hätte ihm gesagt, nie ein Gewaltvideo weiter gegeben zu haben. Er meinte dann, er habe geglaubt, es vom Zeugen bekommen zu haben, wäre sich aber anscheinend nicht sicher gewesen.

 

Auch wiederholt befragt, verneinte der Zeuge jemals ein Gewaltvideo auf sein Handy bekommen zu haben. Als er vor einem Jahr in den polytechnischen Lehrgang in K ging, hätte er schon mitbekommen, dass es solche Gewaltvideos gibt. Sie hätten ihm von einem Russen und Tschetschenen erzählt, wobei jemandem mit einem Kriegsmesser der Kopf abgeschnitten worden wäre. Er hätte das damals gar nicht glauben können. Die Burschen hätten zu ihm gesagt, wenn er es nicht glaube, könne er es im Internet nachschauen. Einen Namen, wer das Video gesehen hatte, könnte er nicht angeben

 

2.5. Die belangte Behörde erließ dann das angefochtene Straferkenntnis vom 24. April 2006, in dem die angelastete Verwaltungsübertretung auf Grund der Anzeige der Gendarmerie Lambach vom 28. April 2005 und des Verfahrensergebnisses als erwiesen angesehen wird.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung (Straferkenntnis, Seite 5) meinte die belangte Behörde keine Veranlassung zu haben, die unter Wahrheitspflicht gemachten Aussagen der Zeugen H S und des Schuldirektors W F in Zweifel zu ziehen. Eine falsche Zeugenaussage unterläge der gerichtlichen Strafbarkeit. Deshalb gelange die Strafbehörde nach freier Überzeugung zu der Erkenntnis, dass der Bw die ihm angelastete Verwaltungsübertretung vorsätzlich begangen habe. Nach der Aussage des Schuldirektors hätten die drei Brüder S bei ihrer ersten Vernehmung unabhängig voneinander ausgesagt, dass sie Videos vom Bw und H in der Moschee bekamen. Im Lichte der Zeugenaussage des H S, der "offensichtlich" mit dieser Sache nichts zu tun hätte, erscheine die Vorsprache des Bw beim Schuldirektor Ende Juni 2005, um diesen zur Zurücknahme der Anzeige zu bewegen, symptomatisch. Ebenso verhalte es sich mit den Bestätigungen der drei jugendlichen Brüder S, wonach es nicht der Bw sondern H gewesen wäre und sie "diesen Fehler in der Schule korregiert" haben. Auch auf Ausführungen der Marktgemeinde zum auffälligen Verhalten der Brüder und ihrer Begleitperson bei einer Vernehmung im Rechtshilfeweg wird verwiesen.

 

Der Bw habe Anstrengungen unternommen, die Erstaussagen der Brüder S vor der Schuldirektion zumindest zu relativieren. In der Gesamtschau belaste sich der Bw durch sein Verhalten selbst.

 

2.6. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchsicht des vorgelegten Verwaltungsstrafakts und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 12 Abs 1 Oö. JSchG 2001 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, und ist mit Geldstrafe bis zu 7.000 Euro und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer als Erwachsener

 

1.        gegen die Sorgfaltspflichten des § 4 Abs 1 oder 2 verstößt,

2.        den für ein Unternehmen, eine Veranstaltung oder eine Liegenschaft gemäß § 4 Abs 3 vorgeschriebenen Auflagen, Vorkehrungen und Kontrollverpflichtungen oder sonstigen Jugendschutzbestimmungen zuwiderhandlet,

3.        entgegen dem Verbot des § 8 Abs 2 an Jugendliche alkoholische Getränke oder Tabakwaren, welche diese nicht erwerben und konsumieren dürfen (§ 8 Abs 1) abgibt,

4.        gegen ein Verbot des § 9 Abs 1 verstößt,

5.        es unterlässt, Vorkehrungen gemäß § 9 Abs 3 zu treffen,

6.        gegen ein Verbot des § 9 Abs 4 verstößt.

 

Gemäß § 4 Abs 2 Oö. JSchG 2001 dürfen Erwachsene Jugendlichen die Übertretung der Jugendschutzbestimmungen nicht ermöglichen oder erleichtern. Sie haben sich so zu verhalten, dass Jugendliche in ihrer körperlichen, geistigen, sittlichen, seelischen und sozialen Entwicklung nicht geschädigt werden. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass den in ihrem Einflussbereich befindlichen Jugendlichen keine jugendgefährdenden Informationen, Unterhaltungen, Darbietungen oder Darstellungen, insbesondere über elektronische Medien zugänglich werden.

 

Gemäß § 9 Abs 1 Oö. JSchG 2001 dürfen Inhalte von Medien und Datenträgern sowie Gegenstände und Dienstleistungen, die Jugendliche in ihrer Entwicklung gefährden können, diesen nicht angeboten, vorgeführt, an diese weitergegeben oder sonst zugänglich gemacht werden. Eine Gefährdung ist insbesondere anzunehmen, wenn sie

 

1.        kriminelle Handlungen von menschenverachtender Brutalität oder Gewaltdarstellungen verherrlichen oder

2.        Menschen wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer Behinderung diskriminieren oder

3.        pornographische Darstellungen beinhalten.

 

4.2. In der Sache besteht zunächst kein Zweifel, dass ein Gewaltvideo, das die Köpfung von Geiseln zeigt, als eine kriminelle Handlung von menschenverachtender Brutalität iSd § 9 Abs 1 Z 1 Oö. JSchG 2001 anzusehen ist. Solche Inhalte von Medien und Datenträgern dürfen Jugendlichen nicht angeboten, vorgeführt, an diese weitergegeben oder sonst zugänglich gemacht werden.

 

Im vorliegenden Fall bestehen aber Zweifel in der Tatfrage. Die belangte Strafbehörde geht davon aus, dass der Bw den jugendlichen Brüdern S Gewaltvideos auf ein Handy bzw Mobiltelefon überspielt und damit weitergegeben habe. In ihrer Beweiswürdigung nimmt die Strafbehörde Bezug auf die zeugenschaftlichen Angaben des Schuldirektors F und des H S, den Bericht der Marktgemeinde Stadl-Paura und die Interventionen des Bw. Grundsätzlich steht auch für das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenats außer Frage, dass sich der Verdacht gegen den Bw, die angelastete Verwaltungsübertretung begangen zu haben, als begründet erweist. Er wurde schon in den Aktenvermerken des Schuldirektors als Täter genannt und hat sich durch seine Intervention Ende Juni 2005 beim Schuldirektor mit dem Anliegen, dieser möge die Anzeige zurücknehmen, nicht weniger verdächtig gemacht. Im Einspruch vom 29. Juni 2005 legte er dann Bestätigungen der Brüder S vor, wonach nicht er, sondern H S aus M "dieses gewaltige Video" dem M S gesendet habe.

 

Es trifft sicherlich zu, dass der Bw Anstrengungen unternahm, die Erstaussagen der S Brüder zu relativieren. Allerdings hat er damit allein noch keine unzulässige Verteidigungsstrategie gewählt. Die belangte Behörde geht wohl unausgesprochen davon aus, der Bw habe die Brüder S in seinem Sinne beeinflusst. Deshalb will die Strafbehörde offenbar den Zeugenaussagen der Brüder S, die ebenfalls unter Wahrheitspflicht und Strafbarkeitssanktion abgelegt wurden, keine Bedeutung beimessen. Eine Strafanzeige wegen falscher Zeugenaussage wurde allerdings inkonsequenter Weise nicht erstattet.

 

Der unabhängige Verwaltungssenat kann auf Grund der Aktenlage auch nicht nachvollziehen, wie die belangte Behörde zur Annahme gelangte, dass H S mit der Sache offensichtlich nichts zu tun hätte. Dieser hat zwar in seiner Zeugenaussage unter Wahrheitspflicht erklärt, noch nie ein Gewaltvideo auf seinem Handy gehabt und verschickt zu haben. Eine förmliche Zeugenaussage haben allerdings auch die Brüder S abgelegt. H S hat eingeräumt, dass er die Brüder S von der Moschee in W her kenne und dort auch verkehre. Er hatte demnach durchaus Gelegenheit zur Tatbegehung. Als er von der Zeugenladung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf erfuhr, ließ es ihm offenbar auch keine Ruhe und er suchte den Kontakt zu den beteiligten Personen, um etwas über den Stand der Angelegenheit zu erfahren und sich orientieren zu können. Dabei sprach er nach eigenen Angaben nicht nur mit dem Bw, sondern auch mit E S und einem der Zwillingsbrüder S, der sich über die Weitergabe des Gewaltvideos anscheinend gar nicht sicher gewesen wäre. Man kann durchaus in Frage stellen, ob ein unbefangener Zeuge, der sich nichts zu Schulden kommen hat lassen, eine solche investigative Vorgangsweise gewählt hätte. Auf jeden Fall konnte der Zeuge nach den erhaltenen vagen Rückmeldungen seine Aussage mit gewisser Erleichterung machen, zumal er davon ausgehen konnte, dass keine eindeutigen Beweise gegen ihn vorliegen.

 

In der Anzeige des Gendarmeriepostens Lambach vom 28. April 2005 und in den unpräzisen Aktenvermerken des Schuldirektors der Hauptschule S ist von Gewaltvideos in der Mehrzahl die Rede, ohne dass dieser Umstand jemals aktenkundig im gesamten Verfahren genau abgeklärt hätte werden können. Nach dem Aktenvermerk vom 14. April 2005 wären diese Videos den drei Brüdern S "von einem H (K) in der Moschee in W und von einem U K (E)" zugeschickt worden, was immer das genau heißen mag. Für den Schuldirektor war offenbar nur wichtig, dass die Videos unverzüglich gelöscht werden (vgl Aktenvermerk vom 13.04.2005 über die vom Bezirksschulinspektor verfügte Vorgangsweise). An einer Sicherstellung des Datenmaterials, die wohl auch weitere Rückschlüsse ermöglicht hätte, waren die Schulbehörden nicht interessiert. Auch die Gendarmerie Lambach hat es von Anfang an verabsäumt, differenzierte Erhebungen zu führen und die Brüder S sowie Ü K getrennt zu vernehmen und darüber Niederschriften aufzunehmen. Damit sind aber wichtige Ermittlungs- und Beweissicherungsschritte unterlassen worden, die eine wirkliche Aufklärung des Falles möglich und wahrscheinlich gemacht hätten. Wegen dieser mangelnden Sorgfalt von Beginn an war die belangte Behörde auf mittelbare Zeugen wie den Schuldirektor, der eigentlich gar keine Anzeige nach dem Oö. Jugendschutzgesetz anstrebte, weil er bereits selbst Maßnahmen getroffen hatte (vgl dazu Gendarmerieanzeige vom 28.04.2005, Zl. E1/763/05), und auf die einige Monate später erfolgten Einvernahmen der Brüder S (Niederschriften vom 02.01.2006) und des ebenfalls verdächtigen Zeugen H S (Niederschrift vom 09.03.2006) angewiesen. Dabei handelte es sich naturgemäß um schlechte, weil nicht mehr zuverlässige Beweismittel.

 

Faktum ist weiter, dass der Zeuge H S im Aktenvermerk des Schuldirektors vom 14. April 2005 sogar primär als Täter – als "H (K)" bezeichnet – und der Bw erst in zweiter Linie als Täter erwähnt wird. Im Zuge der Befragungen zu den Gewaltvideos sei laut Aktenvermerk herausgekommen, dass die drei Brüder S diese Videos zugeschickt bekamen. Wer welches der Videos wann und von wem überspielt bekam und an welche Schüler weitergab, blieb offen und lässt sich heute nicht mehr aufklären. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats dürfen in einem den rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Strafverfahren Beweislücken nicht zum Nachteil des Beschuldigten durch eine würdigende "Gesamtschau des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens" (vgl Straferkenntnis, Seite 6) als belastende Momente gewertet werden. Vielmehr kann nach der Aktenlage nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bw der Täter der angelasteten Verwaltungsübertretung war, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist. Dass begründete Zweifel vorliegen, steht nach der dargestellten Aktenlage für den Oö. Verwaltungssenat fest. Ein einwandfreier Schuldbeweis ist im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nicht erbracht worden, auch wenn der Bw durchaus begründet verdächtig war.

 

4.3. Der Vollständigkeit halber und zur Klarstellung weist der Oö. Verwaltungssenat darauf hin, dass das Rechtshilfeersuchen der belangten Behörde vom 5. Juli 2005 an die Marktgemeinde Stadl-Paura zur förmlichen Zeugeneinvernahme der Brüder S rechtswidrig und deshalb unzulässig war. Die Verpflichtung der Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden zur wechselseitigen Hilfeleistung "im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches" ergibt sich zwar schon unmittelbar aus Art 22 B-VG. Damit soll eine ökonomische Vollziehung ermöglicht werden, ohne das bestehende Kompetenzsystem zu beseitigen. Nach herrschender Ansicht ist davon auszugehen, dass die im § 55 Abs 1 AVG angesprochenen Verwaltungsorgane nur jene Beweisaufnahmen durchführen dürfen, zu denen sowohl sie als auch die ersuchende Behörde zuständig sind. Das ersuchte Organ muss der Art nach befugt sein (vgl mwN Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht [1998] Rz 425 insb Fn 148; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht [2002] Rz 414; Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar § 55 Rz 5; Hauer/Leukauf, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsverfahrens6 [2003] Anm 3 zu § 55 AVG; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 [2000] Rz 581 sprechen von abstrakter Kompetenz des ersuchten und konkreter des ersuchenden Organs).

 

Weder die Marktgemeinde Stadl-Paura noch der Bürgermeister dieser Gemeinde ist zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren der Art nach befugt. Lediglich Bürgermeister von Statutarstädten, denen auch die Funktion einer Bezirksverwaltungsbehörde zukommt, können auch Strafbehörden sein. In Ermangelung einer abstrakten Zuständigkeit erscheint es daher grundsätzlich unzulässig, die förmliche Einvernahme von Zeugen im Verwaltungsstrafverfahren durch Gemeindeorgane, die insofern auch sonst nicht einschlägig tätig sind, im Wege der Amtshilfe durchführen zu lassen.

 

Abgesehen davon, dass die in Gegenwart einer Tante (Vertrauensperson wurde in den Niederschriften nicht einmal festgehalten) durchgeführte Einvernahme der Brüder S am 26. Juli 2005 durch ein Gemeindeorgan von Stadl-Paura ohnehin kein über die Einspruchsangaben hinausgehendes Ergebnis brachte, ist die Verwertung solcher unzulässiger Zeugenvernehmungen fragwürdig. In rechtsstaatlicher Hinsicht problematisch ist dabei vor allem auch die außer Protokoll erfolgte Schilderung von persönlichen Eindrücken des Vernehmungsorgans im Erledigungsschreiben vom 26. Juli 2005. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds sollte sich die Strafbehörde grundsätzlich selbst einen unmittelbaren Eindruck von Zeugen verschaffen, um die Glaubwürdigkeit zuverlässig beurteilen zu können. Nur außerhalb ihres Amtsprengels muss sie Zeugen durch andere geschulte Verwaltungsstrafbehörden vernehmen lassen.

 

Aus den angeführten Gründen misst der unabhängige Verwaltungssenat den Einvernahmen vor dem Marktgemeindeamt Stadl-Paura keine besondere Bedeutung bei.

 

5. Im Ergebnis war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen, weil die Täterschaft des Bw nicht mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen werden konnte.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

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