Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150454/12/Lg/Hue/Ga

Linz, 29.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung der M S, D-87 K, K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, 48 G, R, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 23. Mai 2006, Zl. BauR96-557-2005/Je,  betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verspätung der Einbringung eines Einspruches gegen die Strafverfügung vom 27. September 2005, Zl. BauR96-557-2005/Je, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. (§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG).

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Bw vom 18. November 2005 um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "im Hinblick auf die Möglichkeit zur Einbringung eines Einspruches" gegen die Strafverfügung vom 27. September 2005, Zl. BauR96-557-2005/Je, abgewiesen.

 

Begründend wird auf § 71 AVG i.V.m. § 24 VStG hingewiesen, wonach gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

Durch Erhebungen bei der Deutschen Post sei festgestellt worden, dass am 4. Oktober 2005 eine Verständigung der Hinterlegung des Schriftstückes hinterlassen worden sei, da die Berufungswerberin (Bw) nicht angetroffen worden sei. Die Bw habe angegeben, als Kraftfahrerin viel unterwegs und nur unregelmäßig an der Wohnadresse anzutreffen zu sein. In diesem Fall habe die Bw selbst dafür Sorge zu tragen, dass eine entsprechende Hinterlegungsanzeige zur Kenntnis gelange bzw. diese Hinterlegungsanzeige nicht mit Werbematerial entsorgt werde. Insbesondere sei es der Bw zuzumuten, durch organisatorische Maßnahmen die Kenntnisnahme solcher Hinterlegungsanzeigen sicherzustellen. Aufgrund der Auf­zeichnungen im Datensystem der Deutschen Post bestehe kein Grund, die ordnungs­gemäße Hinterlegung in Frage zu stellen. Bei Nichtbehebung der gegen­ständlichen Strafverfügung komme im konkreten Fall die Zustellfiktion zum Tragen. Die Strafverfügung sei am 4. Oktober 2005 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden und am 18. Oktober 2005 in Rechtskraft erwachsen. Es sei der Bw nicht gelungen, das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses glaubhaft zu machen.

 

2. In der Berufung wird vorgebracht, dass die Bw als Berufskraftfahrerin stetig im Ausland unterwegs sei. Nach deutscher Rechtslage bestehe im Fall der Niederlegung eines Schriftstückes von einer österreichischen Behörde, welches im unmittelbaren Postverkehr versandt worden sei, keine Zustellfiktion. Demnach gelte ein eingeschriebener Brief als nicht zugestellt. Dadurch könne die gegenständliche Strafverfügung vom 27. September 2005 mangels Zustellung bis dato auch keine Rechtswirksamkeit entfalten. Aus diesem Grund hätte der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Fehlens der Voraus­setzungen gem. § 71 Abs. 1 AVG richtigerweise zurückgewiesen werden müssen.

 

Beantragt wird zunächst die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abänderung des Spruches dahingehend, dass der Wiederein­setzungs­antrag zurückgewiesen wird.

 

Die Strafverfügung vom 27. September 2005 möge an den Rechtsvertreter der Bw zugestellt werden, um eine Einspruchserhebung veranlassen zu können.

Die Bw sei glaublich im Jahr 2005 von Mautaufsichtsorganen beamtshandelt worden. Dabei seien ihr Verwaltungsstraftatbestände nach dem Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) vorgeworfen worden. Da für die Bw nicht schlüssig nachvollzogen werden hätte können, welches Delikt ihr angelastet werde, sei zur Überprüfung der Angelegenheit um Anzeigeerstattung gebeten worden. Seit dieser Zeit habe die Bw keinerlei Zustellungen von Behördenseite erhalten. Lediglich mit 11. November 2005 sei erstmalig über das Finanzamt K als Rechtshilfeinstitution eine Vollstreckungsankündigung übermittelt worden. Dieser Vollstreckungsankündigung sei zu entnehmen, dass wegen einer Strafverfügung – welcher der Bw aber niemals zugegangen sei – ein Betrag über 400 Euro zur Zahlung gefordert werde. Die Bw sei als Kraftfahrerin sehr viel unterwegs und nur unregelmäßig an der Abgabestelle anzutreffen. Die gegenständliche Strafverfügung müsse demnach entweder auf dem Postwege in Verstoß geraten oder allenfalls mit vielen Werbebroschüren usw. weggeworfen worden sein. Bei Kenntnis dieser Strafverfügung hätte die Bw sofort entsprechende rechtliche Schritte eingeleitet. Aus diesem Grund sei ersichtlich, dass gegenständlich ein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis vorliege.

 

Beantragt wird deshalb des Weiteren die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Nachholung des Rechtsmittels, in eventu die Erhebung einer Berufung gegen die Strafverfügung vom 27. September 2005 wegen eines nichtigen Zustellvorganges. Auch möge die Bw im Rechtshilfeweg vor der zuständigen Rechtshilfebehörde in Deutschland zum Beweis dafür einvernommen werden, dass die niemals Kenntnis von der gegenständlichen Strafverfügung erlangt habe.

 

Beantragt wird zusätzlich die ersatzlose Behebung der Strafverfügung vom 27. September 2005, in eventu die ersatzlose Beseitigung der Rechts­kraft/Vollstreck­bar­keit dieser Strafverfügung.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Die Bw wurde mittels Strafverfügung vom 27. September 2005, Zl. BauR96-557-2005/Je, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 bestraft. Die Zustellung erfolgte mittels Niederlegung durch die Deutsche Post am 4. Oktober 2005. Das Schriftstück wurde mit dem Vermerk "nicht abgeholt" am 15. Oktober 2005 an die belangte Behörde retourniert.

 

Der erstbehördliche Akt setzt fort mit einem Vollstreckungsauftrag an das Finanzamt K. Daraufhin erfolgte am 21. November 2005 seitens des Vertreters der Bw an das Finanzamt K der Antrag um Aussetzung der Bescheidvoll­streckung bis zum rechtskräftigen Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens und brachte bei der belangten Behörde einen Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen selben Inhalts wie die später eingebrachte Berufung ein. Als Beilage ist eine Kopie der Vollstreckungsankündigung des Finanzamtes K an die Bw über 400 Euro angeschlossen.  

 

Auf Anfrage teilte die Deutsche Post der belangten Behörde am 11. Mai 2006 mit, dass sich nicht mehr klären lasse, "ob tatsächlich ein Verschulden des Zustellers vorliegt, weil er keine Benachrichtigung zur Abholung Ihrer Sendung zurückgelassen hat. Es werden keine schriftlichen Nachweise darüber geführt. Laut unserem Datensystem wurde am 04.10.2005 ein Zustellversuch unternommen. Da der Empfänger nicht angetroffen wurde, erfolgte die Benachrichtigung."

Als Beilage ist in Kopie ein EDV-Ausdruck angeschlossen, welchem zu entnehmen ist, dass am 4. Oktober 2005 eine Benachrichtigung des Empfängers stattgefunden habe.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Bescheid und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

Einer Stellungnahme der Deutschen Post vom 30. September 2006 an den Unabhängigen Verwaltungssenat ist zu entnehmen, dass durch das IT-gestützte Nachforschungssystem festgestellt hätte werden können, dass am 4. Oktober 2005 versucht worden sei, die Sendung zuzustellen. Da der Empfänger nicht angetroffen worden sei, sei er benachrichtigt worden. Es werde von einer ordnungsgemäßen Benachrichtigung des Empfängers ausgegangen.

 

Am 11. Oktober 2006 teilte der Vertreter der Bw mit, dass die Bw zwischen dem 2. Oktober 2005 und dem 7. Oktober 2005 bei der Hochzeit ihres Bruders in B aufhältig gewesen sei.

 

Am 6. März 2007 wurde dem Vertreter des Bw eine Kopie des Aktes übermittelt. Dazu erfolgte keine Stellungnahme.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Zunächst ist die Frage der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages zu prüfen. Diese setzt gemäß § 71 Abs. 1 AVG ein Fristversäumnis voraus, diese wiederum die Wirksamkeit der Zustellung (hier: der gegenständlichen Strafverfügung). Der Antragsteller stellt die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages selbst in Frage, indem er die Wirksamkeit der Zustellung in Zweifel zieht.

 

Gemäß § 48 Abs. 2 VStG sind Strafverfügungen zu eigenen Handen zuzustellen.

 

Die Abgabestelle des Bw liegt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Art der Zustellung richtet sich ebenso wie die Wirkung der Zustellung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nach den Bestimmungen des österreichischen Zustellgesetzes, sondern es ist dies nach deutschem Recht zu beurteilen (vgl. etwa VwGH 2000/03/0320 vom 29.1.2003).

 

Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl.Nr. 1990/526, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt. Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.

 

Ob eine Versendung mit roter Rückscheinkarte des Weltpostvereines durchgeführt wurde bzw. ob diese die Vermerke "Eigenhändig" und "Rückschein" aufgewiesen hat, ist gegenständlich nicht nachprüfbar, da eine solche Rückscheinkarte im erstbehördlichen Verwaltungsakt nicht (mehr) enthalten ist.

 

Gemäß § 9 der deutschen Postdienstverordnung, dBGBl. 1994 Teil I, werden gewöhnliche Briefsendungen durch Einlegen in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen zugestellt. Ist die Zustellung nach Satz 1 wegen der Art oder des Umfangs dieser Briefsendung nicht möglich und wird ein nach § 8 Abs.1 und 2 Berechtigter nicht angetroffen, sind gewöhnliche Briefsendungen den in Absatz 2 genannten Ersatz­empfängern zu übergeben. Sofern keine der in Absatz 2 genannten Personen ange­troffen wird, können gewöhnliche Briefsendungen Haus- oder Wohnungsnachbarn als weiteren Ersatzempfängern übergeben werden.

 

Gemäß § 9 Abs.2 leg.cit. können eingeschriebene Briefsendungen Ersatz­empfängern übergeben werden, sofern keiner der nach § 8 Abs.1 und 2 Berechtigten angetroffen wird. Ersatzempfänger für eingeschriebene Briefsendungen sind

1. Angehörige der nach § 8 Abs.1 und 2 Berechtigten,

2. in der Wohnung oder im Geschäft des Empfängers angestellte Personen,

3. der Inhaber oder Vermieter der in der Anschrift angegebenen Wohnung.

 

Art. 10 Abs. 1 vorgenannten Vertrages ist dahingehend zu verstehen, dass die Versendung "Eigenhändig" zulässig aber nicht geboten ist. Es ist daher davon auszugehen, dass eine eigenhändige Zustellung (wie sie im gegenständlichen Fall zwingend vorgeschrieben ist) im direkten Postweg nicht mit Sicherheit bewirkt werden kann, sondern nur dann, wenn der Empfänger zufällig selbst den Brief übernimmt, da nach der hier maßgeblichen deutschen Rechtslage (Postdienstverordnung) trotz des Vermerkes "Eigenhändig" an Ersatzempfänger zugestellt werden darf.

 

§ 181 (Ersatzzustellung durch Niederlegung) dZPO lautet:

"(1) Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 oder § 180 nicht ausführbar, kann das zuzustellende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden. Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, ist das zuzustellende Schriftstück am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen. Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zustelle vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(2) Das niedergelegte Schriftstück ist drei Monate zur Abholung bereitzuhalten. Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Absender zurückzusenden." 

 

Nach Rechtsmeinung des deutschen Innenministeriums ist die im Deutschen Verwaltungszustellungsgesetz vorgesehene Regelung für die Wirkung der Niederlegung (die der Hinterlegung nach den österreichischen zustellrechtlichen Vorschriften entspricht) nur für Schriftstücke deutscher Behörden anwendbar. Da gem. Art. 3 des Vertrages die Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet wird, ergibt sich, dass für Schriftstücke österreichischer Behörden die Wirkung der Niederlegung nicht eintreten kann. Nur wenn eine deutsche Behörde die Zustellung des österreichischen Schriftstückes auf deren Ersuchen veranlasst, kann die Niederlegung Zustellwirkung entfalten.

Dies hat zur Folge, dass Schriftstücke österreichischer Verwaltungsbehörden, die aufgrund des Art. 10 Abs. 1 des Vertrages im direkten Postweg zugestellt werden (als eingeschriebener Brief der Versendungsform "Rückschein", auch mit "Eigenhändig"), in Deutschland zwar nach den einschlägigen Vorschriften auf dem Postamt niedergelegt (hinterlegt) werden, wenn der Empfänger beim Zustellversuch nicht angetroffen wird. Wenn der Empfänger das niedergelegte Schriftstück auf dem Postamt aber nicht abholt, kommt dieser Form der Niederlegung nicht die Wirkung einer Zustellung zu!

 

Dies bedeutet, dass gegenständlich die Nichtabholung der Strafverfügung durch die Bw bzw. die Rücksendung des Schriftstückes an die Erstbehörde eine (eigenhändige) Zustellung (bzw. Niederlegung) durch die zuständige deutsche Behörde erforderlich gemacht hätte. Da dies jedoch nicht erfolgt ist, ist von einer nicht erfolgten Zustellung der Strafverfügung (durch Bereithalten des Schriftstückes bei der deutschen Post) auszugehen, weshalb dadurch auch keine Rechtsmittelfrist ausgelöst werden bzw. kein Fristversäumnis eintreten konnte. Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag vom 18. November 2005 war deshalb unzulässig. Die Tatsache, dass der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag von der Behörde aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes zurückzuweisen gewesen wäre anstatt ihn abzuweisen, bildet für die Bw keinen Rechtsnachteil (vgl. VwGH 97/06/0056 v. 2.7.98).

 

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

 

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