Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400883/4/SR/Ri

Linz, 06.06.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des V K, geb. am, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G und Mag. U N-K, Rechtsanwälte in L, G, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab dem 10. Mai 2007 als rechtswidrig erklärt.  

II.                  Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 673,80 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabegebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 7. März 2007 schlepperunterstützt und in einem Lkw versteckt illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Die illegale Einreise wurde vom Schlepper organisiert und die Kosten (7.000,-- Euro) vom Bf bezahlt.   

 

Am 7. März 2007 brachte der Bf beim BAA-EAST-West persönlich den Asylantrag ein. Im Anschluss an die Antragsstellung wurde dem Bf die Grundversorgung in der Bundesbetreuungsstelle Thalham gewährt (Entlassung aus der Betreuungsstelle mit Schubhaftverhängung am 10. Mai 2007).  

 

Gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau wies sich der Bf mit seinem türkischen Personalausweis aus. Einen türkischen Reisepass hat der Bf laut eigenen Angaben nie beantragt.

 

Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau fand am 9 März 2007 statt. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Bf an, dass er von der Polizei und religiösen Personen unterdrückt worden sei. Im Falle der Rückkehr könnte er festgenommen und von Fundamentalisten umgebracht werden. 

 

1.2. Eintragungen in der DGA der Asylwerberinformation (AI) unter der Zahl 07 02.435 (auszugsweise):

*          EEV am 14032007 Kurzmitteilung Dublin Sachverhalt (Bulgarien/Griechenland/Rumänien) an Dublin i. H.

§ 28 Mitteilung i. d. NS w. vom AW am 14032007 pers. übernommen.

Dokumente w. am 14032007 pers. v. AW übernommen.

Akt geht am 15032007 an A11/Dublin

*          Urgenzschreiben an Rumänien am 07.05.07 via DubliNET überm.

*          Antwortschreiben RU am 070507 via DublinNET eingel.

RU hat am 270307 angebl. geantwortet.

- Visadaten vorhanden.

KV vorbereiten.

*          KV mit RO am 08052007 vorber.

*          Aufnahmeersuchen an RO gestellt

*          Mitteilung gem. § 29AsylG per Fax an BH VB am 090507 übern.

*          Zustimmung von Rumänien am 11.05.07 via DubliNET eingel.

 

1.3. Mit FAX vom 9. Mai 2007 sandte das BAA-EAST-West der belangten Behörde eine "Mitteilung gem § 29 Abs. 3 AsylG". Abgesehen davon, dass auf dem Formblatt lediglich der Stempelaufdruck "08. Mai 2007" angebracht worden ist, lässt sich die beabsichtigte Vorgangsweise des Bundesasylamtes mangels entsprechender Markierungen auf dem Formblatt nicht erkennen.

 

1.4. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 10. Mai 2007,       Zl. Sich40-1464-2007, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Linz eingeliefert. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde vom Bf persönlich übernommen.

 

In der ausführlichen Sachverhaltsfeststellung wies die belangte Behörde auf die Informationsersuchen des Bundesasylamtes vom 15. März 2007, die positive Antwort Rumäniens vom 7. Mai 2007 und das am 8. Mai 2007 eingeleitete Konsultationsverfahren mit Rumänien hin.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf sowohl die Einreise als auch den Aufenthalt in Rumänien und das Vorliegen eines mit einem Visum für Rumänien versehenen Reisedokumentes verschwiegen habe. Mit dieser Vorgangsweise habe der Bf ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erschleichen und ein inhaltliches Asylverfahren in Rumänien zu verhindern versucht. Nach umfassenden Ausführungen zu den Beweggründen des Bf kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass der Bf ein Asylbegehren in Österreich nur eingebracht habe, um sich ein Aufenthaltsrecht und Versorgungsleistungen zu erschleichen um einer Abschiebung zu entgehen. Da er völlig mittellos sei, seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne und ihm nur vorübergehend eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen worden sei, hätte anstellte der Schubhaft kein gelinderes Mittel angewendet werden können. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem Abtauchen in die Illegalität – dem österreichischen Staat finanziell weiter zur Last fallen könnte. Nach Abwägung der angeführten Tatsachen sei der konkrete Sicherungsbedarf zu bejahen und die Schubhaft anstellte gelinderer Mittel zu verhängen gewesen.

 

1.5. Bei der am 18. Mai 2007 im PAZ Linz aufgenommenen Niederschrift bestritt der Bf den Vorhalt, dass er ein Visum von Rumänien erhalten habe und blieb bei seinem bisherigen Vorbringen.

 

1.6. Im Zuge der ergänzenden niederschriftlichen Befragung im BAA-EAST-West bestritt der der Bf den Vorhalt, dass er den türkischen Reisepass mit der Nummer T 624236, versehen mit einem rumänischen Visum, gültig vom 3.2.2007 bis 2.3.2007 besessen habe und am 4. Februar 2007 mit dem Flugzeug in Rumänien (Flughafen Otopeni) eingereist sei.

 

1.7. Mit Fax vom 21. Mai 2007, AZ 07 02.435, teilte das BAA-EAST-West der belangten Behörde mit, dass "der Bescheid des Bundesasylamtes gem. § 5 AsylG mit 21.05.2007 erlassen" worden sei.

 

Laut Eintragung in der AI/DGA hat der Bf den angeführten Bescheid des Bundesasylamtes am 21. Mai 2007 persönlich übernommen. Neben der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wurde die Ausweisung des Bf nach Rumänien verfügt. Entsprechend der Aktenlage wurde der Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

 

In der unter Punkt 1.8. dargestellten Schubhaftbeschwerde hat der Bf ausgeführt, dass er mit 31. Mai 2007 Berufung gegen den Bescheid des BAA zu AZ 07 02.4335-EAST-WEST eingebracht und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt habe.

 

1.8. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2007, eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 1. Juni 2007, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Haftbeschwerde gem. § 82 FPG 2005" und stellte den Antrag, dass dieser "die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im PAZ Linz seit 10.05.2007 aufgrund des angeführten Schubhaft-Bescheides der belangten Behörde vom 10.05.2007 feststellen" möge. Weiters wurde der verzeichnete Aufwandersatz begehrt.

 

Nach ausführlicher Sachverhaltsdarstellung brachte der Bf vor, dass er zeitgleich mit der Beschwerdeerhebung Berufung gegen den angeführten Bescheid des BAA erhoben habe. 

 

In der Sache führte der Bf nach rechtlichen Überlegungen zur Zulässigkeit der Schubhaft und der Anwendung gelinderer Mittel aus, dass die Schubhaftverhängung von vornherein unzulässig sei, wenn keine Gründe vorliegen würden, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass sich der Betroffene dem Verfahren entziehen werde.

 

In Österreich habe der Bf eine Schwester. Im Asylverfahren habe er sie nicht erwähnt, da er gefürchtet hatte, sie könnte durch seine illegale Einreise in Österreich von den österreichischen Behörden belangt werden. Seiner Schwester, ihrem Ehegatten und den gemeinsamen Kindern sei die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden und im Falle seiner Entlassung aus der Schubhaft und der Durchführung des Asylverfahrens in Österreich würden diese für seinen Unterhalt, Unterkunft, Krankenversicherung und die Kosten etwaiger behördlicher Zwangsmaßnahmen aufkommen. Eine Kopie der entsprechenden Haftungserklärung wurde der Beschwerde beigelegt. Das Original habe er der Berufung an den UBAS beigelegt.

 

Da seine Schwester und ihre Familie für seinen Unterhalt, Unterkunft und seine Krankenversicherung aufkommen würden, würde er auch in Hinkunft nicht dem österreichischen Staat zur Last fallen. Ungeachtet dessen, dass er sich seiner Abschiebung nicht durch Untertauchen entziehen würde, gehe auch aus den angeführten Gründen die Annahme der Fremdenpolizei ins Leere, dass er nach seiner Entlassung aus der Schubhaft den Unterhalt auf illegale Art und Weise bestreiten würde.

 

Der Annahme der belangten Behörde, dass er sofort wieder illegal Grenzen überschreiten oder sich illegal im Bundesgebiet aufhalten würde, sobald man ihm mitteile, dass Rumänien für die Prüfung seines Asylverfahrens zuständig sei, könne nicht gefolgt werden. Da er aber im Zuge seiner Anhaltung erkennungsdienstlich behandelt worden sei, würde ihm aufgrund von EURODAC die illegale Überschreitung der österreichischen Grenzen nichts nützen, da bei Stellung eines Asylantrages in einem der EU-Staaten sofort seine Fingerabdrücke abgeglichen und er in der Folge nach Österreich abgeschoben würde.  

 

Trotzdem er sich während des gesamten bisherigen Verhaltens strikt an die ihm erteilten Weisungen gehalten und sich im Sinne des § 12 Abs. 2 AsylG nicht aus dem Gebiet der ihn versorgenden Bezirksverwaltungsbehörde entfernt habe, sei er am 19.  05. 2007 (richtig am 10.05.2007) in Schubhaft genommen worden.

 

Wenn die belangte Behörde schon annehme, dass Maßnahmen zur Sicherung seiner Abschiebung nach Rumänien notwendig seien – obwohl seinem bisherigen Verhalten nicht zu entnehmen sei, dass er sich seiner Abschiebung entziehen werden, dann hätte sie gelindere Mittel anordnen müssen.

 

Die Verhängung der Schubhaft sei im konkreten Fall unverhältnismäßig und daher rechtswidrig.  

 

2. Mit Schreiben vom 1. Juni 2007 hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt per E-Mail übermittelt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den Verwaltungsakt, der in Form eines E-Mails übermittelt worden ist,  festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird derzeit im PAZ Linz für die belangte Behörde in Schubhaft angehalten.

 

Seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.    

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

 

4.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Asylwerber. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Nach dem maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

 

4.3.1. Im vorliegenden Fall hat das BAA-EAST-West sowohl der belangten Behörde (bei dieser eingelangt am 9. Mai 2007)  als auch dem Bf (persönlich übernommen am 10. Mai 2007) eine "Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG" zukommen lassen. Mangels entsprechender Markierungen am Formblatt kann die Führung eines Konsultationsverfahrens mit Rumänien nur erahnt werden. Dem Zusatz für die Fremdenpolizei ist zu entnehmen, dass "die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 AsylG auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gilt".    

 

Diese "Mitteilung" verkörpert jedoch noch keinen das Verfahren abschließenden Bescheid, sondern bloß eine – vorläufige, in eine bestimmte Richtung deutende Rechtsmeinung dieser Behörde zum Ausdruck bringende – Verfahrensanordnung (so explizit § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG).

 

Der Bf ist daher (zumindest bis dato) als Asylwerber i.S.d. § 1 Z. 1 GVG-B zu qualifizieren, sodass ihm – weil sich aus dem von der belangten Behörde per e‑mail übermittelten Akt für einen Ausnahmefall des § 3 Abs. 1 GVG-B keine nachprüfbaren Anhaltspunkte ergeben – ex lege ein Anspruch auf Versorgung nach § 2 Abs. 1 GVG-B zukommt.

 

4.3.2. Davon ausgehend, dass die angeführte "Mitteilung" die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens nach den Bestimmungen des AsylG 2005 dokumentiert, hätte die belangte Behörde – bei Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfes - die Anordnung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG stützen können.

 

Die von der belangten Behörde vorgebrachten Argumente haben in scheinbar ähnlich gelagerten Fallkonstellationen einen konkreten Sicherungsbedarf begründet. Der gegenständliche Fall ist aber in wesentlichen Punkten anders gelagert.

 

Unstrittig steht fest, dass der Bf während des gesamten Asylverfahrens (d.h. weder in der Erstbefragung noch bei weiteren niederschriftlichen Einvernahmen) keine Angaben zum Fluchtweg gemacht und somit in den Augen der belangten Behörde diesen bewusst verschleiert hat um in den Genuss einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung und zu einer inhaltlichen Asylentscheidung in Österreich zu gelangen. Während dieses Zeitraumes hat die belangte Behörde keinen konkreten Bedarf zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung gesehen.

 

Im Anschluss an die Asylantragsstellung wurde der Bf vom 7. März 2007 bis zur Schubhaftverhängung am 10. Mai 2007 in einer Betreuungseinrichtung des Bundes untergebracht. In dieser Einrichtung hat der Bf kein auffälliges Verhalten gezeigt und ist den an ihn gerichteten Ladungen fristgerecht nachgekommen. Den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde folgend hat der Bf ein "Visum für Rumänien erhalten" und ist über Rumänien und in der Folge unbekannte Staaten in Österreich illegal eingereist. Obwohl der Bf seinen Fluchtweg nach Österreich gegenüber den Asyl- und Fremdenbehörden verschwiegen hat, musste er bereits seit dem 14. März 2007 damit rechnen, dass die Anfrage in Rumänien positiv verlaufen wird, sein Fluchtweg nachvollzogen werden kann und ein Konsultationsverfahren mit Rumänien eingeleitet werden wird (Eintragung in der AI zu AZ 07 02.435 DGA Seite 2: "EEV am 14032007 dgft. Dol. D. Kurt; 5 Seiten KURZMITTEILUNG DUBLIN Sachverhalt `Bulgarien/Griechenland/Rumänien´ an Dublin i. H. § 28 MITTEILUNG i. d. NS w. vom AW am 14032007 pers. übernommen").

 

Der Bf  ist trotz Kenntnis des laufenden Informationsersuchens an Rumänien und des für ihn zu erwartenden nachteiligen Ermittlungsergebnisses in der Betreuungseinrichtung verblieben, hat keinerlei Anstalten unternommen, die darauf hinweisen würden, dass er sich dem Verfahren entziehen werde und  ist den an ihn gerichteten behördlichen Ladungen fristgerecht nachgekommen.

 

Im Hinblick auf das dokumentierte Verhalten des Bf und der Sachverhaltskenntnis der belangten Behörde hat das eingelangte Ermittlungsergebnis ("Visadaten in Rumänien vorhanden") den zu beurteilenden Sachverhalt nicht in dem Ausmaß geändert, dass die belangte Behörde nunmehr von einem konkreten Sicherheitsbedarf ausgehen konnte. Diesbezüglich ist auch auf die zutreffenden Ausführungen in der Beschwerdeschrift (siehe III. Punkte 3 bis 5) zu verweisen.   

 

4.3.3. Selbst wenn man aufgrund des einlangenden Ermittlungsergebnisses den Sicherheitsbedarf bejahen sollte, hätten jedenfalls gelindere Mittel i.S.d. § 77 FPG angeordnet werden müssen (vgl. dazu VwGH vom 8. September 2005, 2005/21/0301).

 

Die seit dem 7. März 2007 bis zur Schubhaftverhängung bestehende Unterbringung in der Betreuungsstelle Thalham, das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes im Sinne des § 3 GVG-B 2005 (siehe Vorlageakt), das fristgerechte Nachkommen aller behördlichen Ersuchen und das bisherige Wohlverhalten des Bf hätte die belangte Behörde zu der Annahme veranlassen müssen, dass der Zweck der Schubhaft sehr wohl durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könnte.

 

Da, wie oben dargelegt, auf die Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (vgl. auch Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, Wien 2005, 19 ff), könnte bei der vorliegenden Fallkonstellation das Fehlen der notwendigen Mittel für den Lebensunterhalt nicht zur Schubhaftbegründung in Sinne der Ausführungen der belangten Behörde herangezogen werden. 

 

4.4. Mangels eines Sicherungsbedarfes war aus den dargelegten Gründen der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Gebühren: 13,00 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.  

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 38,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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