Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150564/19/Re/Hue

Linz, 14.06.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger nach der am 5. Juni 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des Ing. H-J N, L, G, vertreten durch Dr. R W, Rechtsabteilung des OÖAMTC, 4021 Linz, Wankmüllerhofstr. 58, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. März 2007, Zl. BauR96-150-2005/Je, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.       Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.  

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.:  § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs. 1 VStG.

Zu II.:  §§ 64 ff VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt, weil er als Lenker des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen  zu vertreten habe, dass er am 8. Dezember 2004 um 8.13 Uhr die maut­pflichtige A1 bei km 171.500, Raststation Ansfelden, Fahrtrichtung Wien, Gemeinde Ansfelden, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Am Kfz sei eine abgelaufene Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung wird der Tatvorwurf bestritten. Die Begründung des angefochtenen Bescheides beschränke sich praktisch ausschließlich auf die Angaben des Meldungslegers, die – wie seit vielen Jahren gewohnt – ohne lange Überprüfung für schlüssig und in sich widerspruchsfrei erklärt würden. In der Anzeige werde nicht dargetan, wie viele Tage die Vignette abgelaufen gewesen sei; eine zumindest in den Augen des Bw nicht unwesentliche Feststellung. Mit der Stellungnahme vom 6. Mai 2005 sei der belangten Behörde ein Foto übermittelt worden, welche eine Lochung der Vignette des Bw mit 12. Oktober 2004 zeige. Darauf habe die Erstbehörde erst mehr als ein Jahr später mit der Forderung reagiert, der Bw möge ein Foto vom gesamten Kfz samt Kennzeichen und der beanstandeten Vignette übermitteln. Abgesehen davon, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig gewesen sei, drei Vignetten am Fahrzeug zu führen, sei das Kfz inzwischen auch verkauft worden. Die vom Bw angebotenen Beweise (Foto, Kaufbeleg) seien von der belangten Behörde einfach abgetan bzw. nicht einmal mit einer Erwähnung gewürdigt worden. Besonders verwerflich sei, dass dem Antrag auf Vernehmung zweier namentlich genannter Zeugen nicht stattgegeben worden sei, welche nach Vorfinden des Ersatzmautangebotes die Vignette genau in Augenschein genommen und dabei eindeutig und zweifelsfrei die Lochung "12. Oktober 2004" festgestellt hätten.

 

Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 8. Dezember 2004 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz lediglich eine abgelaufene Mautvignette aufgeklebt gewesen.

 

Nach Strafverfügung vom 22. März 2005 brachte der Bw am 2. April 2005 vor, dass zur Tatzeit auf dem Kfz eine noch 4 Tage gültige 2-Monatsvignette mit der Lochung "12. Oktober 2004" ordnungsgemäß angebracht gewesen sei. Zwei namentlich genannte Zeugen könnten dies bestätigen, da diese gemeinsam mit dem Bw nach der Beanstandung zum Kfz zurückgekehrt seien. Wegen der ungerechtfertigten Beanstandung sei die Vignette zur allfälligen Beweisführung auch noch auf dem Fahrzeug belassen worden. Abschließend legte der Bw seine Einkommens-, Familien- und Vermögenssituation dar.

Als Kopie ist eine Rechnung der ÖSAG vom 12. Oktober 2004 über den Kauf einer 2-Monats-Vignette angeschlossen.

 

Einer zusätzlichen ASFINAG-Stellungnahme vom 13. April 2005 sind im Wesentlichen die Angaben der Anzeige und die Rechtslage wiedergegeben.  

 

Dazu legt der Bw am 6. Mai 2005 als zusätzliches Beweismittel eine Fotoaufnahme vor, welche das Datum "6. Mai 2005" trägt und auf einer Windschutzscheibe eine aufgeklebte 2-Monatsvignette mit der Lochung "12. Oktober 2004" zeigt.

 

Mittels Schreiben vom 11. Mai 2006 forderte die belangte Behörde den Bw auf, eine Fotoaufnahme vom gesamten Kfz samt Kennzeichen und beanstandeter Vignette vorzulegen.

Einem Aktenvermerk der Erstbehörde vom 8. Juni 2006 ist zu entnehmen, dass das Fahrzeug bereits verkauft worden sei.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erhoben, dass zur Tatzeit zwei Kfz (mit Wechselkennzeichen) auf den Bw zugelassen waren und diese am 21. Dezember 2005 bzw. am 12. Juli 2005 abgemeldet worden sind.

Laut telefonischer Auskunft des Bw wurde das gegenständliche Kfz an einen namentlich genannten deutschen Autohändler verkauft.

 

Der als Zeuge für die öffentliche mündliche Verhandlung geladene Ing. K D N teilte mittels Schreiben vom 9. Mai 2007 mit, dass er am Verhandlungstag verhindert sei und brachte Folgendes vor:

"Ich war am 8. Dezember 2004 mit meinem Bruder H-J N und meinem Nachbarn G P Langlaufen auf der Tauplitzalm. Wir sind mit meinem Auto gefahren. Meinen Nachbarn hab ich von zu Hause abgeholt, meinen Bruder haben wir auf der Autobahnraststätte Ansfelden Fahrtrichtung Wien getroffen, dort hat er sein Auto (Mercedes dunkel violett mit Linzer Kennzeichen) abgestellt und ist in mein Auto umgestiegen. Als wir dann am Abend wieder zu seinem Auto gekommen sind hat er mit großer Verwunderung die Verständigung wegen angeblich abgelaufener Vignette vorgefunden. Natürlich haben mein Nachbar und ich daraufhin die Zweimonatsvignette begutachtet und auch wir waren verwundert weil diese noch gültig war. Ich kann mich deshalb gut darin erinnern, weil wir das aufgrund der zu dieser Jahres- u. Tageszeit herrschenden Dunkelheit mit meiner damals nagelneuen Stirnlampe gemacht haben."

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Verhandlungsleiter zunächst festgestellt, dass der Meldungsleger ohne Angabe von Gründen trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung nicht erschienen ist.

 

Der Bw brachte zunächst vor, dass er sich an den Tattag erinnern könne. Er habe mit seinem Bruder und Herrn P vereinbart, auf der Tauplitz Langzulaufen, wobei sie sich bei der Raststation Ansfelden in Fahrtrichtung Wien glaublich zwischen 7.00 und 8.00 Uhr getroffen hätten. Herr P sei mit dem Bruder des Bw gekommen. Der Bw habe sein Kfz dort abgestellt und sei in das Fahrzeug seines Bruders umgestiegen. Sie seien erst am späten Nachmittag zur Raststation zurückgekommen, als es bereits finster gewesen sei. Der Bw habe das Ersatzmautangebot vorgefunden. Daraufhin hätten alle drei Personen die Lochung nochmals kontrolliert und festgestellt, dass die Lochung "12. Oktober 2004" noch zu erkennen gewesen sei. Der Bruder des Bw habe auch eine Lampe, glaublich eine Stirnlampe, dabei gehabt. Der Bw legte das Ersatzmautangebot vor.

 

Eine Kopie des Ersatzmautangebotes wurde zum Akt genommen. Auf diesem ist (abweichend von der Anzeige) als Tatzeit 9.13 Uhr angegeben.  

 

Der als Zeuge einvernommene G P sagte aus, dass am Tattag eine Fahrt auf die Tauplitz zum Langlaufen geplant gewesen sei. Mit dem Bw habe man sich glaublich zwischen 8.00 und 9.00 Uhr "beim R" bei der Autobahnauffahrt Ansfelden getroffen und sei daraufhin mit dem Bw im Fahrzeug des Bruders des Bw auf die Tauplitz gefahren, wobei man am späten Nachmittag wieder zum Parkplatz zurückgekommen sei. Dort habe dann der Bw seine Ski umgeladen und das Ersatzmautangebot entdeckt. Daraufhin hätten der Zeuge, der Bw und Ing. K D N die Vignette begutachtet und für gültig befunden. Die genaue Lochung der Vignette sei nicht mehr erinnerlich.

 

Der Verhandlungsleiter verlas im Anschluss die schriftliche Stellungnahme von Ing. K D N vom 9. Mai 2007.

 

Abschließend brachte der Bw vor, dass sich durch das Beweisverfahren sein Vorbringen bestätigt habe. Ein ASFINAG-Vertreter sei nicht erschienen, ein Verschulden sei dem Bw nicht nachzuweisen.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die aufgeklebte Vignette zum Zeitpunkt der Beanstandung bereits abgelaufen und damit ungültig war.

 

Da der Meldungsleger trotz ordnungsgemäßer Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen ist, konnte er zu seinen Feststellungen und Beobachtungen nicht befragt werden. Dessen Feststellungen in der Anzeige über die abgelaufene Gültigkeit der Vignette steht die ebenfalls glaubwürdige Aussage des Zeugen P gegenüber, wonach dieser die beanstandete Vignette besichtigt und für gültig befunden hat. Bestätigt wird diese Aussage zusätzlich durch die schriftliche Stellungnahme von Ing. K D N vom 9. Mai 2007. Im Hinblick darauf, dass weder durch die Angaben in der Anzeige noch durch weitere Beweismittel (z.B. Foto) geklärt werden konnte, wann die beanstandete Vignette abgelaufen gewesen sein soll bzw. ob diese am Tattag noch gültig gewesen ist, kann ein Irrtum des Meldungslegers nicht völlig ausgeschlossen und somit die Deliktsverwirklichung durch den Bw nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass das Ersatzmautangebot einen von der Anzeige und somit vom Tatvorwurf unterschiedlichen Tatzeitpunkt angibt. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit und eines geordneten Gesetzesvollzugs ist davon auszugehen, dass – um Doppelbestrafungen ausschließen zu können –  die Uhrzeit im Hinblick auf § 44a VStG als wesentliches Tatbestandselement anzusehen ist. Da jedoch der durch die Uhrzeit definierte Tatvorwurf (sowohl im Spruch der verfolgungsverjährungsunterbrechenden Strafverfügung als auch des angefochtenen Bescheides) wesentlich vom Zeitpunkt der Kontrolle durch den Meldungsleger abweicht, liegt eine rechtzeitige Verfolgungshandlung (mit korrekter Uhrzeit) nicht vor und war auch deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

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