Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521648/6/Br/Ps

Linz, 20.06.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R K, geb., L, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz  vom 13. März 2007, AZ: 1371/2006, wegen Entzuges der für die Klasse "B" erteilten Lenkberechtigung und der Anordnung einer Nachschulung, zu Recht:

 

Die Berufung wird sowohl hinsichtlich des Entzuges als auch der Anordnung einer Nachschulung als unbegründet abgewiesen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und damit auch die sofortige Ablieferungspflicht des Führerscheins wird als rechtswidrig festgestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und § 67d Abs.1 und § 64 Abs.2 AVG iVm § 7 Abs.3 Z4, § 24 Abs.3 Z2 iVm § 26 Abs.3 und § 29 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber die ihm von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, am 9.6.2006, unter Zahl 06202059, für die Klasse "B" erteilte Lenkberechtigung, wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung entzogen.

Gleichzeitig wurde die Absolvierung einer Nachschulung für verkehrsauffällige Lenker, sowie die unverzügliche Ablieferung des Führerscheines bei der Behörde (der Bundespolizeidirektion Linz) angeordnet.

Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gestützt wurde dieser Entzug auf  §§ 7, 24, 25 und 29 FSG und § 64 AVG.

 

1.1. Begründend stützte die Behörde erster Instanz diesen Entzug mit nachfolgenden Erwägungen:

"Gem. § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. Diese Voraussetzungen sind: Verkehrszuverlässigkeit, gesundheitliche Eignung und fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

 

Gem. § 7 Abs. 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.   die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder  durch   Trunkenheit  oder  einen   durch   Suchtmittel   oder  durch   Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.    sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gem. § 7 Abs. 3 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand:

die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat oder eine Geschwindigkeit von 180 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.

 

Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde gem. § 24 Abs. 3 FSG begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,

2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei
    Jahren oder

3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960

 

Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme  unterlassen,  so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. Wurde von einem Probeführerscheinbesitzer die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei dieser unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen.

 

Gem. § 26 Abs. 3 FSG hat im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z.4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z.3) oder auch eine Übertretung gem. Abs.1 oder 2 vorliegt - die Entziehungsdauer zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen zu betragen.

 

Gem. § 24 Abs. 3 Zif. 2 FSG hat die Behörde eine Nachschulung anzuordnen wegen einer 2. im § 7 Abs. 3 Zif. 4 genannten Übertretung innerhalb von 2 Jahren. Wurde eine dieser Anordnungen gem. § 24 Abs. 3 FSG innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

Gem. § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist."

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Laut Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 27.6.2006, Zahl: WUS2-S-0615169 lenkten Sie am 20.5.2006 um 10.28 Uhr in Pressbaum, auf der A 1, nächst Strkm 24,326 In Fahrtrichtung Wien das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen und überschritten die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 52 km/h. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

 

Bei Wertung dieser Tatsache musste berücksichtigt werden, dass Ihnen die Lenkberechtigung wegen erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung (Tatzeit: 24.11.2005) vom 12.6.2006-26.6.2006 entzogen werden musste.

 

Mit Ladung vom 28.11.2006 wurden Sie für den 5.12.2006 zur BPD Linz vorgeladen. Zu diesem Ladungstermin sind Sie jedoch nicht erschienen, weshalb Sie mittels Ladungsbescheid vom 13.12.2006 für den 10.1.2007 neuerlich zur BPD Linz vorgeladen wurden.

Am 19.12.2006 teilten Sie telefonisch mit, dass Sie erst am 5.2.2007 wieder in L sind, da Sie sich beruflich in H aufhalten. Weiters gaben Sie an, dass sie am 5.2.2007 bei der BPD Linz erscheinen werden.

 

Weder zum vorgegebenen Ladungstermin (10.1.2007) noch zu dem von Ihnen angegebenen Termin sind sie jedoch erschienen, weshalb gegenständliches Verfahren, wie im Ladungsbescheid angeführt, ohne Ihre Anhörung durchgeführt werden musste und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Nach diesem Sachverhalt sind Sie nicht verkehrszuverlässig. Nicht verkehrszuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern ist die Lenkberechtigung zu entziehen bzw. ist das Lenken von Kraftfahrzeugen zu untersagen. Aufgrund der Verwerflichkeit des Verhaltens und der Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, wird die Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit wieder erlangt.

 

Nicht verkehrszuverlässige Lenker von Kraftfahrzeugen stellen eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar. Sie sind daher sofort von der Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker auszuschließen. Insofern besteht Gefahr im Verzug und war daher einer Berufung die aufschiebende Wirkung zu versagen."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden inhaltlichen Ausführungen:

"Gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 13.03.2007 zu AZ 1371/2006 erhebe ich innerhalb offener Frist nachstehende

 

BERUFUNG

und führe aus wie folgt:

 

Der gegenständliche Bescheid wird wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Gesetzwidrigkeit zur Gänze angefochten.

 

Zum einen habe ich keine Geschwindigkeitsübertretung begangen, weshalb der Führerscheinentzug nicht gerechtfertigt ist. Zum anderen liegen sonstige Gründe vor, die gegen den Führerscheinentzug sprechen.

 

Seinerzeit wurde das Fahrzeug von Herrn G U, L, L, welcher sich das Fahrzeug ausgeborgt hat, gelenkt. Dessen Einvernahme wird beantragt.

 

Aber auch unter der Annahme, dass ich tatsächlich das Fahrzeug gelenkt hätte, ist der Führerscheinentzug nicht gerechtfertigt. Der Führerscheinentzug ist eine Maßnahme, deren Zweck es ist aufgrund einer Gesetzesübertretung den Täter wie der auf den rechten Weg zurück zu führen.

 

Diese Maßnahme sollte daher unmittelbar nach der Gesetzesübertretung gesetzt werden.

 

Die mir angelastete Tat soll am 20.05.2006 begangen worden sein. Nach Ansicht der Behörde ist ein Führerscheinentzug von 6 Wochen erforderlich um mich von weiteren Geschwindigkeitsübertretungen abzuhalten.

 

Der Führerschein wurde mir am 24.05.2007 entzogen.

 

Es ist somit mehr als ein Jahr vergangen, in welchem ich keine Geschwindigkeitsüberschreitung mehr begangen habe, sodass ein Führerscheinentzug nicht mehr geboten ist um mich auf den rechten Weg zurück zu bringen.

 

Ich stelle daher den

 

ANTRAG,

 

die Behörde zweiter Instanz möge meiner Berufung Folge leisten und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben."

 

3. Der Berufungsakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der Behörde erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte angesichts der durch die Rechtskraft bestehenden Bindung und in Verbindung mit dem Ergebnis der ergänzenden Erhebungen über allfällige Verfahren nach § 52a VStG bei den Verwaltungsstrafbehörden in Niederösterreich sowie dem diesbezüglich ergänzend gewährten Parteiengehör mit Blick auf § 67d Abs.1 Z2 AVG unterbleiben. Der Berufungswerber ließ das h. Schreiben vom 5.6.2007 – zugestellt am 11.6.2007 –, in dem er auf die Beweislage hingewiesen und ihm eine Frist zur Äußerung eröffnet wurde, unbeantwortet.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Dem Verfahrensakt angeschlossen finden sich die gegen den Berufungswerber in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaften Amstetten und Wien-Umgebung. Demnach hat der Berufungswerber  sowohl am 25.11.2005 um 08:43 Uhr in Wolfsbach, A1 bei Strkm 134,38 [Bezirkshauptmannschaft Amstetten] und am 20.5.2006 um 10:28 Uhr auf der A1 in Pressbaum [Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung] unter Berücksichtigung des sogenannten Verkehrsfehlers die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Umfang von 52 km/h und 60 km/h überschritten. Eine Rückfrage bei den Behörden führte zum Ergebnis, dass er diese Strafverfügungen nicht beeinspruchte und er auch keine Anträge nach § 52a VStG, um – allenfalls wegen Verletzung der materiellen Wahrheit – eine amtswegige Wiederaufnahme zu begehren, gestellt hat. 

Wegen des erstgenannten Deliktes war ihm bereits zwischen 12.6.2006 und 26.6.2006 die Lenkberechtigung von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, VerkR21-72-2006/SE, entzogen worden.

Dem nunmehrigen Verfahren liegt – wie oben schon festgestellt – abermals eine rechtskräftige und noch eklatantere Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 60 km/h zu Grunde.

 

4.2. Wie an sich schon die Behörde erster Instanz im angefochtenen Entzugsbescheid zutreffend ausführte, gilt nach § 7 Abs.1 FSG als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) – für deren Wertung iSd Abs.4 der Behörde kein Raum eröffnet bleibt – angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. "die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder ................ gefährden wird, oder .........." (Weglassung hier nicht relevanter Aufzählungen).

Gemäß § 7 Abs.3 FSG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere, wenn jemand: ......... "die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde (Z4 leg.cit);"

Gemäß § 26 Abs.3 FSG (Sonderfälle der Entziehung) hat im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 FSG genannten Übertretung – sofern nicht durch qualifizierte Umstände eine höhere Entzugsdauer auszusprechen ist – die Entzugsdauer zwei Wochen zu betragen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen zu betragen.

Diese zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen eines sechs Wochen dauernden Entzuges der Lenkberechtigung liegen hier vor.

Zutreffend verweist die Behörde erster Instanz auch auf die gemäß § 24 Abs.3 Z2 FSG zwingend anzuordnende begleitende Maßnahme.

Die Führerscheinbehörde ist an einen ausgesprochenen rechtskräftigen Schuldspruch gebunden (unter vielen VwGH 12.4.2001, 98/11/0255 mit Hinweis auf VwGH 21.2.1990, 90/03/0013, VwGH 18.12.1997, 96/11/0038). Eine im Sinne der Berufungsausführungen "nochmalige Überprüfung der Angelegenheit" des (der) die Präjudizwirkung auslösenden Falles (Fälle) ist sowohl der Behörde erster Instanz als auch dem Unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsbehörde verwehrt.

Ferner darf die Behörde – im Gegensatz zu den sonstigen Fällen einer Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit – bei den sogenannten Kurzzeitentzügen (wg. Schnellfahrens) keine eigene Wertung eines solchen Verhaltens vornehmen. Dieses wird bereits vom Gesetzgeber durch die mit 14 Tagen bzw. bei einer zweiten Begehung innerhalb zwei Jahren mit einer sechs Wochen definierten Entzugsdauer vorweggenommen.

Extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen stellen, so die Meinung des Gesetzgebers, eine der Hauptunfallursachen dar und sind – so wie es die diesjährigen Pfingstfeiertage wieder schmerzlich gezeigt haben – verantwortlich für viele Verletzte und Tote im Straßenverkehr (s. Grundner/Pürstl, Kommentar zum FSG, 3. Aufl., zu § 24 Rz. 11a).

Hinsichtlich dieser Kurzzeitentzüge bestehen letztlich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfGH 10.6.2003, G360/02 u.a). Der Verfassungsgerichtshof teilt damit die vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur und bereits im Erkenntnis vom 1.10.1996, 96/11/0197, zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach der Entziehung der Lenkberechtigung wegen Vorliegens einer bestimmten Tatsache (damals noch) im Sinne des § 66 Abs.2 lit.i KFG 1967 und der Bemessung der Entziehungszeit gemäß § 73 Abs.3 dritter Satz KFG 1967, idF BGBl. 1995/162, eine vom Gesetzgeber selbst getroffene Wertung eines derartigen strafbaren Verhaltens unter dem Gesichtspunkt seiner Relevanz für die Verkehrszuverlässigkeit des Lenkberechtigten und der zur Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu setzenden Maßnahme zu Grunde liegt. Aus diesem Grund ist eine davon abweichende eigenständige Wertung im Sinne des § 66 Abs.3 KFG 1967 eine unter § 66 Abs.2 lit.i KFG 1967 (nunmehr iSd § 7 Abs.4 FSG) fallende Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Kraftfahrbehörde grundsätzlich ausgeschlossen und wird unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als vertretbar erachtet.

Die Entziehung der Lenkberechtigung ist im Sinne des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nicht (nur) als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr konzipiert, die eine unmittelbar effektive und sofortige Sicherung bewirkt, sondern sie entfaltet vor allem auch dadurch einen Schutzeffekt im Interesse der Verkehrssicherheit, dass sie auf den Lenker ermahnend und erzieherisch einwirkt. Ihr kommt – wie jeder anderen Maßnahme der Verkehrserziehung – auch die Bedeutung eines auf einen längeren Zeitraum ausgelegten, der Verkehrserziehung dienenden Sicherungsinstrumentes zu. Dass der Gesetzgeber gemäß ausdrücklicher Hervorhebung durch den Verfassungsgerichtshof im o.a. Erkenntnis die Entziehung der Lenkberechtigung ebenso als Mittel zur "Verkehrserziehung" eingerichtet hat, ist in diesem Zusammenhang nur noch zu erwähnen. Wenngleich es sich im Sinne der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes expressis verbis um keine Strafe handelt, sieht sich der Unabhängige Verwaltungssenat hier zur Bemerkung veranlasst, dass dieses Regime in seiner Wirkung dennoch zumindest in die Nähe des Verbotes einer Doppelbestrafung und damit in Konflikt zum Schutzbereich der EMRK gerät. Dies mit Blick darauf, weil auch der Bestrafung über den Präventionsaspekt schon ein erzieherischer Aspekt inhärent ist.

Abschließend ist noch zu bemerken, dass auch wirtschaftliche Interessen an der Mobilität gegenüber dem öffentlichen Interesse, nur verkehrszuverlässige Lenker am Verkehr teilnehmen zu lassen, zurückzutreten haben bzw. nicht zu berücksichtigen sind (VwGH 19.3.2001, 99/11/0328 mit Hinweis auf VwGH 24.8.1999, 99/11/0166).

Unter diesen Aspekten wolle der Berufungswerber zumindest künftighin sich zu exzessiven Geschwindigkeitsüberschreitungen (Rasereien) nicht mehr hinreißen lassen.

 

4.3. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

 

Die Behörde kann iSd § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann (aber auch nur dann) ausschließen, wenn die Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird, weil in diesem Fall in der Regel die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge geboten ist. Davon kann aber bei sachbezogener Betrachtung des Sachverhaltes hier wohl kaum die Rede sein (VwGH 2.7.1986, 85/11/0167 mit Hinweis auf VwGH 28.11.1983, 82/11/0270, VwSlg 11237 A/1983).

Dabei ist darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung gegeben sind (vgl. VwGH 29.9.2005, 2005/11/0123). Fehlt es aber – so wie im vorliegenden Fall – an einer schlüssigen Begründung für die Annahme einer ex lege mit zwei oder sechs Wochen definierten Verkehrsunzuverlässigkeit, kommt auch ein Vorgehen nach § 64 Abs. 2 AVG nicht in Betracht. Würde es doch jeglicher Logik widersprechen, dass ein einen Entzug aus "erzieherischen Gründen" bedingendes, aber fast ein Jahr zurückliegendes Ereignis, just ab dem Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde eine Gefahr im Verzug begründen könnte. Es handelt sich hier eben um keinen "Gefahren abwehrenden" Entzugsgrund, sondern "nur" im Sinne der Judikatur um eine erzieherische Maßnahme. Warum sollte ein Lenker, der nach dem den Entzugsgrund bildenden Ereignis noch Monate am Verkehr teilnehmen durfte, ab dem erstinstanzlichen Bescheid plötzlich verkehrsunzuverlässig sein?

Bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat konsequenter Weise auch eine Güterabwägung zwischen dem Gut des Rechtschutzes und dem Schutzbedürfnis der Verkehrsöffentlichkeit vor verkehrsunzuverlässigen Lenkern zu erfolgen.

Die Aberkennung der Verkehrszuverlässigkeit muss vor diesem Hintergrund wohl anders als bei den sonstigen im § 7 FSG normierten Tatbestände – etwa Alkodelikte – beurteilt werden. Bei Letzteren lässt die aus der Einzeltat rückschließbare Wertehaltung auf eine in engstem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat stehenden "vorübergehenden" Verkehrsunzuverlässigkeit schließen. Hier liegen die dem Sanktionsregime unterworfenen Taten auf zwei Jahre verteilt als Entzugstatbestände vor.  Die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit lässt sich daraus aber typischer Weise weder alleine am naturgemäß bereits längere Zeit zurückliegenden "letzten Ereignis" und noch weniger ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Entzugsbescheides (quasi im beliebigen Dispositionszeitrahmen gelegen) knüpfen. 

Die Zeitdauer einer von der Berufungsbehörde durchzuführenden Nachprüfung kann in zumutbarer Weise weder auf die Gefahr eines allenfalls für den Berufungswerber "kalt bleibenden Entzuges" gehen, noch könnte "eine Gefahr im Verzug" an einem im Ergebnis beliebigen Entscheidungszeitpunkt einer Behörde festgemacht werden. Würde sich anlässlich des Berufungsverfahrens der Entzug als zu Unrecht ausgesprochen ergeben, würde sich in einem solchen Fall die Frage eines Amtshaftungsanspruches durchaus stellen.

Der als Tribunal im Sinne der EMRK als Berufungsbehörde  tätig werdende Unabhängige Verwaltungssenat darf nicht zuletzt durch eine vielleicht "routinemäßig" ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung – welche im Übrigen von kaum einer Behörde in vergleichbaren Fällen gepflogen wird – in seiner Rechtsschutzfunktion im Administrativverfahren nicht wirkungslos gestellt werden.

 

Der Berufung musste hier aber dem Grunde nach ein Erfolg versagt bleiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

 

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