Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102783/8/Br/Bk

Linz, 16.05.1995



Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die Berufung des Herrn K R, vertreten durch Dres. U u. G, Rechtsanwälte, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 16. März 1995, Zl.

VerkR96-882-1995/Bi/Hu, nach der am 16. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

866/1992 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems wegen der Übertretung nach § 64 Abs.1 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 8.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt, weil er am 16.01.1995 um 07.55 Uhr den PKW, Kennzeichen auf dem M, sowie auf dem Ortschaftsweg W nächst dem Haus W vom Gymnasium K kommend in Richtung KGM-M bzw. W (ehemalige B ) gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitze der erforderlichen Lenkerberechtigung gewesen sei.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde in der Sache im wesentlichen aus, daß die Übertretung auf Grund der Anzeigeangaben der Gendarmerie als erwiesen anzusehen sei.

Dem Berufungswerber sei das Beweisergebnis zur Kenntnis gebracht worden. Dazu habe er sich jedoch nicht geäußert, sodaß angesichts dieses Umstandes die Erstbehörde berechtigt gewesen sei dieses Verfahren ohne die weitere Anhörung des Beschuldigten durchzuführen.

2. In der dagegen fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerber aus:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen das am 21. 3. 1995 hinterlegte Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 16. 3. 1995 die B e r u f u n g an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit nachangeführter Begründung:

Zutreffend ist lediglich, daß ich am 16. 1. 1995 den PKW einer Bekannten mit deren Zustimmung im Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf auf öffentlichen Straßen lenkte. Entgegen den Ausführungen des angefochtenen Bescheides war ich aber im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung und habe tatsächlich auch das hierüber ausgestellte Dokument den mich anhaltenden Gendarmen vorgewiesen:

Ich lebe seit geraumer Zeit ausschließlich im Ausland, nämlich in der Republik Tschechien, zuletzt unter der umseits angegebenen Anschrift, weshalb mir über meinen diesbezüglichen Antrag die zuständige tschechische Behörde in P am 23. 12. 1994 zu Nummer eine nach wie vor gültige Lenkerberechtigung, die einer österreichischen Lenkerberechtigung der Klasse "B" entspricht, erteilte bzw.

mir hierüber zu gleicher Nummer den tschechischen Führerschein ausstellte, welches Dokument ich beim Lenken von Kraftfahrzeugen im In- und Ausland samt einer Übersetzung ins Deutsche ständig mit mir führe und welchen Führerschein ich sohin samt Übersetzung auch am 16. 1. 1995 den mich anhaltenden Gendarmen samt Übersetzung vorwies. Daß letztere in offenkundiger Unkenntnis der Bestimmungen des § 84 KFG das Dokument nur belachten, begründet natürlich keine Strafbarkeit.

Da ich wie ausgeführt über keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland verfüge, konnte ich natürlich begrifflich auch nicht der Aufforderung zur Rechtfertigung, die ohne erkennbaren Anlaß an die Adresse der Zulassungsbesitzerin des von mir gelenkten Fahrzeuges gerichtet war, nicht entsprechen.

Ich berufe mich daher auf 1.) Mangelhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens zufolge Nichtaufnahme des Nachweises der Lenkerberechtigung gemäß § 84 KFG durch mich anläßlich der Anhaltung sowie durch Adressierung der Aufforderung zur Rechtfertigung an eine Person bzw. Anschrift, der diesbezüglich nicht wirksam zugestellt werden kann 2.) inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides durch Nichtberücksichtigung meiner gemäß § 84 KFG gültigen Lenkerberechtigung und sohin Unterstellung des Sachverhaltes einem hierauf nicht anwendbaren Tatbestand.

Ergänzend sei ausgeführt, daß es völlig ohne Bedeutung ist, daß ich vor meiner Übersiedlung nach Tschechien im Bezirk K aufhältig war und damals auch wegen Lenkens von Kraftfahrzeugen ohne österreichische Lenkerberechtigung zurecht - beanstandet worden bin, und daß ich auch nach Begründung meines ordentlichen Wohnsitzes in Tschechien meine Kontakte nach Österreich nicht zur Gänze aufgegeben habe, sondern mein Heimatland und meine in Österreich lebenden Verwandten nach wie vor regelmäßig besuche, sodaß ich im Zuge eines solchen Besuches am 16. 1. 1995 angehalten werden konnte. Tschechien, wo ich am 16. 1. 1995 meinen ordentlichen Wohnsitz hatte, ist Mitgliedsstaat der in § 84 Absatz 1 KFG angefahren Völkerrechtsakte, ich hatte zum Zeitpunkt der Anhaltung das 18. Lebensjahr vollendet und der nationale tschechische Führerschein wurde mit einer gleichwertigen Inhaltsangabe vorgewiesen.

Beweis: meine eigene Einvernahme vor dem UVS, anläßlich derer ich den Führerschein und die Inhaltsangabe vorweisen werde Ich stelle die A N T R Ä G E :

1.) Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem UVS, die entsprechende Vorladung wolle, da ich demnächst innerhalb der Republik Tschechien übersiedeln werde, zu Handen meiner Vertreter erfolgen 2.) Einstellung des Verwaltungsverfahrens W, am 31.3.1995 K R" 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Erörterung des bisherigen Ganges des Verfahrens im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung anhand des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Ferner wurde der Berufungswerbers als Beschuldigter vernommen. Vorgelegt und dem Beweisverfahren einbezogen wurde eine übersetzte und beglaubigte Bestätigung über ein in Tschechien bestehendes Mietverhältnis des Berufungswerbers und eine Übersetzung des tschechischen Führerscheines. Ferner wurde Beweis erhoben durch die zeugenschaftliche Vernehmung von Frau Lydia Josef und Frau Paula R.

3.1. Zumal keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da das Berufungsvorbringen sich nicht nur gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung, sondern auch gegen das von der Erstbehörde zugrundegelegte Beweisergebnis richtet, war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

4.1. Der Berufungswerber hält sich seit März 1994 überwiegend in Tschechien auf. Er hat dort eine Lebensgefährtin und ist bei dieser wohnhaft. Dies wurde durch eine beglaubigte Bestätigung belegt. In beruflicher Hinsicht betreibt er in Tschechien Handel mit Altfahrzeugen.

Im September 1994 erwarb er in Tschechien eine der Gruppe "B" vergleichbare Lenkerberechtigung.

Etwa dreimal im Monat kommt er auf Besuch zu seinen in Kirchdorf/Krems wohnhaften Kindern, welche einer Beziehung mit der Zeugin J entstammen. Der Berufungswerber unterhält in Österreich keinen Wohnsitz bzw. Unterkunft. Er hat auch keine persönlichen Sachen in Österreich. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt in Tschechien.

4.2. Unter sorgfältiger Würdigung der vom Berufungswerber diesbezüglich gemachten Angaben und der Vorlage entsprechender Belege, ergibt sich die Tatsache der Wohnsitzaufgabe in Österreich, weil durch den Berufungswerber eine umfassende geschäftliche Tätigkeit bereits vor dem Erwerb der Lenkerberechtigung - in Tschechien ausgeübt worden ist. Diese Tatsache findet sich in den glaubwürdigen und im Ergebnis völlig übereinstimmenden Angaben der einvernommenen Zeuginnen. Die Mutter des Berufungswerbers wurde ausführlich auf das Entschlagungsrecht aufmerksam gemacht. Sie entschloß sich zur Aussage, wobei ihre Angaben in der Richtung überzeugten, daß ihr Sohn nur mehr gelegentlich nach Hause komme und er keine persönlichen Sachen bei ihr verwahrt habe. Ebenso bestätigte dies die ehemalige Lebensgefährtin des Berufungswerbers. Die Zeuginnen vermochten auch übereinstimmend die vom Berufungswerber in Tschechien ausgeübte Tätigkeit zu bezeichnen. Somit bestand kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln.

4.2.1. Damit liegt ein bedeutendes Indiz dafür vor, daß der Berufungswerber nicht schon mit der Absicht in Tschechien eine Lenkerberechtigung zu erwerben dort tätig geworden ist.

Die vom Berufungswerber vorgelegten Beweise sind unter lebenspraktischer Sicht und Würdigung dergestalt zu sehen, daß sehr wohl von einer weitestgehenden Verlagerung des Mittelpunktes seines Lebensinteresses nach Tschechien auszugehen ist. Der von ihm belegte Umstand einer in Tschechien bestehenden Lebensbeziehung und dem damit begründbaren Motiv für seine Aktivitäten hinsichtlich des Aufbaus einer wirtschaftlichen Existenz, lassen nicht den Schluß zu, daß dies jedenfalls nicht bloß auf den Erwerb einer Lenkerberechtigung gerichtet zu sehen ist. Aufgrund der als erwiesen angenommenen Kriterien war anhand der objektivierten Tatsachen von einer Wohnsitzaufgabe in Österreich auszugehen.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 64 Abs.5 KFG 1967 ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung durch Personen mit dem ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet dann zulässig, wenn seit der Begründung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Für die Aufgabe eines ordentlichen Wohnsitzes ist nicht Voraussetzung, daß sich die betreffende Person dort nie mehr aufhält, es darf jedoch nicht insgesamt das Bild entstehen, daß es sich nur um einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt gehandelt hat.

Erst nach Ablauf eines Jahres, gerechnet ab der (Wieder-) Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich kommt ein Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer ausländischen Lenkerberechtigung nicht mehr in Betracht (VwGH 23.2.1993, Zl. 92/11/0197 u.a.). Es trifft wohl zu, daß ein bloß vorübergehender Aufenthalt im Ausland mit Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes, eine Person noch nicht berechtigt, entsprechend der Ausnahmebestimmung nach § 64 Abs.5 KFG auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung, in Österreich Kraftfahrzeuge zu lenken. Zur Tatzeit lagen für den Berufungswerber jedoch die Voraussetzungen für die Berechtigung mit einer ausländischen Lenkerberechtigung in Österreich ein Kraftfahrzeug der Gruppe B zu lenken sehr wohl vor. Der Berufungswerber vermochte selbst unter dem diesbezüglich strengen Prüfungsmaßstab darzutun, daß sein Aufenthalt im Ausland nicht bloß ein vorübergehender ist (VwGH 27.2.1992, 92/02/0035).

Ein über das hier vorliegende Ausmaß hinausgehendes, noch spezifizierteres Beweiserfordernis für eine Verlagerung der Stätte eines Wirkens zu verlangen, würde einerseits zum Ergebnis der praktischen Unbeweisbarkeit - aus der "ex-ante-Sicht" des Betroffenen - und somit zu einer problematischen Rechtsunsicherheit führen. Eine Wertung und Beurteilung über innerste Motive eines menschlichen Handelns vorzunehmen, entzieht sich einerseits jeder objektiven Beurteilbarkeit, wäre Spekulation und kann auch nicht (mehr) Aufgabe des Staates sein.

Abschließend sei bemerkt, daß aus melderechtlicher Sicht der Begriff des ordentlichen Wohnsitzes zu einem bestimmten Ort von einem tatsächlichen Gestaltungsmoment (Niederlassung an einem bestimmten Ort) und von einem psychischen Moment, nämlich die Absicht an einem bestimmten Ort sich aus wirtschaftlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht zu betätigen und diesen zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu machen, abhängt (VwGH 2.10.1990, Zl.

1990/10/02).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

 

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