Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400740/38/Gf/Mu/Ga

Linz, 13.02.2006

 

VwSen-400741/25/Gf/Mu/Ga

VwSen-400742/25/Gf/Mu/Ga VwSen-420444/26/Gf/Mu/Ga

VwSen-420445/25/Gf/Mu/Ga VwSen-420446/25/Gf/Mu/Ga

VwSen-440056/24/Gf/Mu/Ga VwSen-440057/24/Gf/Mu/Ga

VwSen-440058/24/Gf/Mu/Ga                                           

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerden des L C, sowie des N C und der Y K, beide wohnhaft in L K/G, alle vertreten durch RA Dr. B, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung seines Bruders bzw. ihres Sohnes Y K in Schubhaft dem Grunde nach sowie hinsichtlich deren Art und Weise durch die Bundespolizeidirektion Linz vom 12. September bis zum 4. Oktober 2005, zu Recht erkannt:

I.        Den Beschwerden des L C wird stattgegeben und festgestellt,

a.      dass die Anhaltung seines Bruders Y K in Schubhaft dem Grunde nach rechtswidrig war und

b.     diesen hinsichtlich ihrer Art und Weise in seinem gemäß Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz vor unmenschlicher Behandlung verletzte.

II.   Die Beschwerden des N C und der Y K werden mangels erwiesener Prozesslegitimation als unzulässig zurückgewiesen.

III. Der Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) hat dem Erstbeschwerdeführer einen Aufwand in Höhe von insgesamt 2.173,60 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV.             Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer N C und Y K haben dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) einen Aufwand in Höhe von insgesamt 715,90 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 73 FrG und § 88 Abs. 2 SPG, jeweils i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der am 2. März 1987 geborene - und demnach zum Vorfallszeitpunkt ca. 182/Jahre alte, d.h. sowohl im Hinblick auf § 9 AVG i.V.m. § 21 Abs. 2 ABGB als auch auf § 95 i.V.m. § 66 Abs. 1 bzw. § 68 Abs. 2 und 3 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 75/1997, in der hier, nämlich aus der Sicht einer ex post durchzuführenden Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. z.B. VwGH v. 21. Dezember 1994, Zl. 94/03/0268) maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 151/2004 (im Folgenden: FrG), voll rechts- und handlungsfähige - Bruder des Erstbeschwerdeführers, ein Staatsangehöriger von G, ist am 11. März 2004 ohne gültige Reisedokumente von Italien aus kommend mit dem Zug in das Bundesgebiet eingereist und hat am nächsten Tag beim Bundesasylamt (Außenstelle Wien) einen Asylantrag gestellt.

Am 15. März 2004 wurde er als Asylwerber in die Bundesbetreuung aufgenommen.

1.2. Mit Urteil des LG Wien vom 4. April 2005, Zl. 162 HV 45/05 h, wurde er wegen zwei Übertretungen des Suchtmittelgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt und zu deren Verbüßung zunächst in der JA Wien-Josefstadt angehalten. Am 2. Mai 2005 wurde er in die JA Linz verlegt.

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (Außenstelle Wien) vom 6. Juni 2005, Zl. 0404243, wurde die Ausweisung des Bruders des Rechtsmittelwerbers verfügt; dieser Ausweisungsbescheid ist am 5. Juli 2005 in Rechtskraft erwachsen.

1.4. Mit Beschluss des LG Linz vom 6. September 2005, Zl. 20 BE 384/05 z, wurde er per 12. September 2005 bedingt aus der Strafhaft entlassen (Probezeit: 3 Jahre).

1.5. Mit Bescheid der BPD Linz vom 8. September 2009, Zl. 1051899/FRB, wurde über ihn jedoch zur zwangsweisen Durchsetzung der Ausweisung im Wege der Abschiebung in seinen Heimatstaat die Schubhaft verhängt und diese durch unmittelbare Überstellung von der JA Linz in das Polizeianhaltezentrum Linz am 12. September 2005 vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass angenommen werden müsse, dass sich der Bruder des Erstbeschwerdeführers zum Zeitpunkt der beabsichtigten Abschiebung nicht freiwillig zur Verfügung halten werde. Außerdem verfüge er weder über einen ordentlichen Wohnsitz noch über die erforderlichen Reisedokumente, sodass bei der Vertretungsbehörde seines Heimatstaates ein Heimreisezertifikat urgiert und dessen Eintreffen abgewartet werden müsse.

1.6. Mit Schriftsatz vom 12. September 2005, Zl. 1051899/FRB, hat die BPD Linz bei der Botschaft der Republik G in Wien um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht.

1.7. Wie aus der "Meldung" des Stadtpolizeikommandos (PAZ) Linz vom 4. Oktober 2005 (ohne Aktenzahl) hervorgeht, ist der Schubhäftling am 28. September 2005 "ohne Angabe von Gründen" in den Hungerstreik getreten. Darauf hin seien ihm Merkblätter über die Folgen eines Hungerstreiks in seiner Muttersprache ausgefolgt worden und hätten Vertreterinnen des Vereines "Menschenrechte Österreich" mehrere Betreuungsgespräche mit ihm geführt.

Im "Hungerstreik-Formular" des Stadtpolizeikommandos Linz ist dem gegenüber als Grund für den Hungerstreik angeführt, dass der Bruder des Rechtsmittelwerbers "unbedingt wieder in die Schlafzelle 36" - aus der er infolge von dort mit anderen Mithäftlingen getätigten Fluchtvorbereitungsmaßnahmen verwiesen worden war - "zurückverlegt werden" wollte. In diesem Formular fehlt zwar eine Angabe über die Körpergröße des Schubhäftlings - sie lag laut Aufnahmeuntersuchung am 12. September 2005 bei 1,70 m und sein damaliges Gewicht bei 76,5 kg -, doch wurde darin als Körpergewicht am ersten Tag des Hungerstreiks (28. September 2005) ein Wert von 67 kg und als "Individuelles kritisches Gewicht" ein Wert von 54 kg festgehalten, der am 4. Oktober 2005 (59 kg nach einem kontinuierlichem Gewichtsverlust von insgesamt 17,2 kg über die 22 Tage dauernde Schubhaft hinweg) noch nicht erreicht war. Weiters finden sich Anmerkungen darüber, dass die Zunge des Häftlings (mit Ausnahme am 2. Oktober 2005) stets feucht, aber (am 3. Oktober 2005) seine "Lippen borckig" (gemeint wohl: borkig) waren bzw. dass er Widerstand geleistet oder simuliert habe ("spielt hinfällig", "verweigert die Untersuchung", "muss von anderen Häftlingen getragen werden", "läuft von Waage zum Sessel", "kippt demonstrativ vom Sessel").

Am 4. Oktober 2005 sei er daher nach der vorangeführten "Meldung" des Stadtpolizeikommandos über Veranlassung eines Polizeiarztes zwecks Abklärung seines Allgemeinzustandes ("Gibt sich hinfällig, muss von 2 Personen gestützt werden, Gewichtskontrolle daher nicht genau möglich. Zunge trocken, Lippen bor[c]kig. Ambulante fachärztliche Begutachtung erb. Event. Blutkontrolle, Jonogramm erb.") und der Frage der weiteren Haftfähigkeit aus fachärztlicher Sicht um 9.30 Uhr ambulant in das AKH Linz überstellt worden.

Da er sich dieser Untersuchung habe widersetzen wollen und u.a. mit den Füßen gegen eine Krankenschwester getreten habe, hätten ihm Hand- und Fußfesseln angelegt werden müssen. Laut Untersuchungsbefund der Ambulanz des AKH Linz (INT II-A vom 4. Oktober 2005) sei die "Flüssigkeitszufuhr nicht eruierbar" und die "Kommunikation schwierig" gewesen, weil der Patient nicht Deutsch gesprochen habe. Außerdem habe er "trockene Lippen" und die "Augen stets geschlossen" gehalten gehabt. Insgesamt habe sich der "Patient unkooperativ" erwiesen, doch "mit Führung" scheine ein "Gehen möglich". "Bei Verschlechterung des Allgemeinzustandes" sei jedoch eine "Zwangsernährung (Psychiatrie !)" erforderlich, denn der "Patient schlägt zeitweise um sich", weshalb die schließlich doch durchgeführte "Blutabnahme schwierig bzw. riskant" gewesen sei.

Auf Grund dieses Befundes und Verhaltens bzw. auch deshalb, weil sich in seiner Zelle ein weiterer hungerstreikender Schubhäftling befand, habe er nach seiner Rückkehr in das PAZ um 11.00 Uhr (nicht in der Schlafzelle, sondern) in der "Sicherungszelle Nr. 1" untergebracht werden müssen, wobei ihm zuvor die Fesseln abgenommen worden seien. Dort sei er in Abständen zwischen 15 und 30 Minuten kontrolliert worden. Bei der Kontrolle um 12.30 Uhr habe er jedenfalls auf das Öffnen der Zellentür noch reagiert.

Um 12.50 Uhr sei jedoch festgestellt worden, dass der Schubhäftling nicht mehr geatmet habe und auch kein Puls mehr wahrnehmbar sei. Die verständigte Notärztin und die hinzu gekommenen Polizeiärzte hätten um 13.10 Uhr nur mehr dessen Tod feststellen können.

1.8. Aus dem "Obduktionsprotokoll" der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH vom 5. Oktober 2005, Zl. L-051264/Ha/Lei, geht hervor, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild des Verstorbenen keine "wesentliche akute Unterernährung" vorliege und prima vista auch keine Anzeichen einer "klassischen Austrocknung" feststellbar seien (Äußerer Befund, S. 4, und Gutachten, S. 9). Weiters ergibt sich aus dem diesem angeschlossenen - tatsächlich aber wohl erst nach diesem Datum erstellten, weil auch spätere Befunde einbeziehenden - "Ärztlichen Sachverständigengutachten" vom 5. Oktober 2005, Zl. L-051264/Ha/Lei, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild und den klinischen Befunden bis zum 4. Oktober 2005 eine lebensbedrohliche Situation nicht zwingend erkennbar gewesen sei. Nachdem Gewalteinwirkung, Alkohol oder Drogen als Todesursache mangels irgendwelcher diesbezüglicher Indizien von vornherein ausgeschlossen werden könnten, habe sich die letztlich zum Tod führende Entgleisung im Elektrolytsystem nämlich nicht schlagartig entwickeln können, sondern es müsse sich um eine über mehrere Tage fortschreitende diesbezügliche Störung gehandelt haben, die rein funktionell noch lange Zeit habe kompensiert werden können. Letztlich sei es jedoch plötzlich - vermutlich auf Grund einer akuten Herzrhythmusstörung - zum Herztod gekommen, wobei dieses Geschehen nur dann hätte verhindert werden können, wenn schon frühzeitig eine Laboruntersuchung vorgenommen worden wäre. Dazu habe es zwar in (bloßer) Kenntnis des "Hungerstreikprotokolls" keine zwingende Veranlassung gegeben, doch hätte der im AKH Linz erhobene Laborbefund - der u.a. erhöhte Kaliumwerte auswies und damit eine Verschiebung im Elektrolytsystem habe vermuten lassen - offenkundig einer entsprechenden Überprüfung bedurft, wozu es jedoch auf Grund des plötzlichen letalen Geschehens nicht mehr gekommen sei (S. 6). Eine dem entsprechend postmortal durchgeführte klinische Laboruntersuchung habe eine erblich determinierte Störung im blutbildenden System (sog. "Sichelzellenanämie") ergeben, die zu Lebzeiten des Verstorbenen jedoch - wie häufig bei Personen schwarzer Hautfarbe - nur latent vorhanden gewesen sei (sog. "Sichelzellenanlage"). Diese hätte ex ante nur im Wege eines Sichelzellentests (Hämoglobinelektrophorese-Untersuchung) entdeckt werden können und habe bei Hinzutreten schädigender Ereignisse (wie z.B. Sauerstoff- oder Flüssigkeitsmangel o.ä.; Exsikkation) Symptome entwickeln können, die fallweise auch tödliche Folgen nach sich ziehen (S 7 ff). Infolge der durch den Hungerstreik eingeschränkten Nahrungs-, insbesondere der verminderten Flüssigkeitszufuhr sei es unter diesen Voraussetzungen zu einer Konglomeration der roten Blutzellen und zu Durchblutungsstörungen in den verschiedenen Organsystemen sowie zu einem Blutzellzerfall gekommen. Das Zusammenwirken von Sichelzellenanlage und Flüssigkeitsmangel habe sohin eine permanent fortschreitende Störung im Elektrolythaushalt zur Folge gehabt, die zwar vorerst auf Grund der an sich guten körperlichen Konstitution des Schubhäftlings noch habe kompensiert werden können, letztlich jedoch zum Todeseintritt durch akutes Herzversagen geführt habe (S. 10 ff).

1.9. Am 15. November 2005 - und damit rechtzeitig i.S.d. § 73 Abs. 2 i.V.m. § 67c Abs. 1 AVG - haben der Bruder und die Eltern des Verstorbenen im Wege von zwei Schriftsätzen beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax einen - einerseits als "Schubhaftbeschwerde", anderseits als "Maßnahmenbeschwerde" bezeichneten - Rechtsbehelf beim Oö. Verwaltungssenat eingebracht, in dem der Sache nach sowohl die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft an sich als auch die Art und Weise von deren Vollzug bestritten wird.

Im Wesentlichen wird darin - jeweils weitgehend inhaltsgleich - vorgebracht, dass der Schubhäftling im Asylverfahren als Minderjähriger durch den Magistrat Wien als zuständige Jugendwohlfahrtsbehörde vertreten und diesem jedenfalls seine Identität in vollem Umfang bekannt gewesen sei, sodass insoweit kein tauglicher Schubhaftgrund vorgelegen sei. Außerdem hätten gelindere Mittel wie z.B. die Verpflichtung zur Unterkunftsnahme in von der Behörde bestimmten Räumen hingereicht. Darüber hinaus sei auch nicht nachvollziehbar, inwieweit realistischer Weise zu erwarten gewesen sei, dass der Bruder des Rechtsmittelwerbers innerhalb der gesetzlichen Maximaldauer der Schubhaft von sechs Monaten tatsächlich in seinen Heimatstaat hätte abgeschoben werden können. Im Übrigen hätte er auch deshalb nicht in Schubhaft angehalten werden dürfen, weil seine Haftfähigkeit nicht zweifelsfrei festgestanden sei. Außerdem sei die Anhaltung nicht in der durch die Anhalteordnung vorgesehenen Weise - im Besonderen unter Verletzung von deren § 3 Abs. 2 (fehlende medizinische Betreuung), § 5 (grundlose Anhaltung in einer Sicherungszelle), § 7 (Nichtaufhebung der Haft trotz Haftunfähigkeit) und § 10 Abs. 4 (Nichtanhaltung in einer Krankenzelle) - erfolgt.

Aus allen diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung beantragt.

1.10. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt zu Zl. 1051899/FRB vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bruder des Erstbeschwerdeführers über keinen aufrechten Wohnsitz verfügt habe, weshalb insbesondere auch anhand der durch die Übertretungen des Suchtmittelgesetzes erwiesenen kriminellen Energie habe geschlossen werden können, dass er sich zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht den Behörden zur Verfügung halten würde.

Außerdem wird vorweg bestritten, dass es sich bei den Beschwerdeführern tatsächlich um leibliche Verwandte des verstorbenen Schubhäftlings handelt und der einschreitende Rechtsanwalt über eine aufrechte Prozessvollmacht verfügt.

Daher wird die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.

1.11. Die Staatsanwaltschaft Linz hat am 9. Februar 2005 den do. Akt zu Zl. 31 UT 15/05p sowie den Akt des LG Linz u Zl. 29 Ur 261/05m übermittelt.

Das bisher Dargestellte ergänzend ergibt sich zunächst aus der darin enthaltenen Aussage des den Schubhäftling im Rahmen seiner Vorführung ins AKH Linz - und damit wenige Stunden vor dessen Tode - behandelnden Arztes, dass der Puls, die Atmung, der Herzschlag und die Haut des Patienten jeweils ohne Auffälligkeiten gewesen seien; insbesondere sei der Hautturgor erhalten gewesen und hätten sich keine stehenden Hautfalten gezeigt. Abgesehen von trockenen Lippen habe er auch keine Austrocknungserscheinungen aufgewiesen. Er habe sich jedoch bei der Untersuchung äußerst unkooperativ und sogar aggressiv verhalten, insbesondere zeitweise um sich geschlagen, was auch von den assistierenden Krankenschwestern bestätigt werde. In einem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Linz vom 12. Oktober 2005, Zl. 31 UT 17/05p, findet sich hiezu der Hinweis, dass diese außergewöhnliche, einem delirischen Zustand vergleichbare Aggressivität nach Meinung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen durch die infolge Flüssigkeitsmangel bereits so weit fortgeschrittene Krankheit, dass es zum Zerfall von Blutzellen gekommen war, bedingt gewesen sei. Aus dem (undatierten) Ambulanzbericht des AKH Linz, Zl. 2005154796, geht in diesem Zusammenhang überdies hervor, dass die Lippen und Zunge des Patienten zwar trocken gewirkt hätten, es aber keinen Hinweis für eine sich entwickelnde lebensbedrohliche Situation gegeben habe. Der nachträglich eingelangte Laborbefund zeige Hinweise auf einen durch den Hungerstreik bedingten Flüssigkeitsmangel sowie erhöhte Kreatinin- und Natriumwerte, während der erhöhte Kaliumwert auf Grund der bei der Probe eingetretenen Hämolyse nicht habe verwertet werden können.

Nach den Aussagen der Mitarbeiterinnen des Vereines "Menschenrechte Österreich", die den Verstorbenen während seiner Anhaltung in Schubhaft mehrmals besucht hatten, habe dieser auch nach einer Woche des Hungerstreiks noch "das gleiche, runde Gesicht" gehabt und nie Folter- oder Misshandlungsvorwürfe erhoben. Auch die in der Folge seitens mancher Medien erhobenen Vorwürfe einer bewussten Überheizung der Sicherungszellen seien für sie nicht nachvollziehbar.

Nach der Aussage jenes Schubhäftlings, der gemeinsam mit dem Verstorbenen in den Hungerstreik getreten ist und mit ihm bis zu dessen Vorführung in das AKH in derselben Haftzelle aufhältig war, habe der Verstorbene während des 12-tägigen Hungerstreiks keinerlei Nahrung oder Flüssigkeit zu sich genommen, sondern diese stets entweder dem dritten noch in dieser Zelle befindlichen Mithäftling übergeben oder dem Wachpersonal zurückgestellt.

Zusammenfassend habe jedoch die Einvernahme sämtlicher Personen, mit denen der Bruder des Erstbeschwerdeführers bis zu seinem Ableben in Kontakt stand, ergeben, dass dieser weder krank noch schwach, sondern im Gegenteil sogar noch am 4. Oktober 2005 athletisch und kräftig wirkte, was sich auch anhand der unmittelbar nach dem Todeseintritt angefertigten Lichtbilder erweise.

In der "Sicherungszelle Nr. 1", in der der Bruder des Rechtsmittelwerbers nach seiner Rückkehr aus dem AKH Linz bis zu seinem Tod - also für ca. 2 Stunden - untergebracht war, befand sich - im Gegensatz zu den Schlafzellen - keine für die Entnahme von Wasser bestimmte Vorrichtung; theoretisch hätte jedoch im Falle eines zwingenden Bedürfnisses der dort befindlichen WC-Anlage Wasser entnommen werden können, ganz abgesehen davon, dass jeder Häftling über entsprechendes Verlangen (das jederzeit über die Klingelanlage geltend gemacht werden kann) vom Wachpersonal eine 11/2-Liter-PET-Wasserflasche ausgehändigt bekommt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu Zl. 1051899/FRB und den Akt des LG Linz zu Zl. 31 UT 17/05 p, aus denen der unter Pkt. 1 dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt werden konnte.

2.2. Ergänzend wurde am 13. Februar 2006 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt, zu der als Parteien der Erstbeschwerdeführer L C und dessen Vertreter RA Dr. B sowie Dr. W und Dr. N als Vertreter der BPD Linz und die Zeugen Ch, Polizeiarzt Dr. G, BI M, GI H, GI A und GI B erschienen sind.

Diese glaubwürdigen und im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen haben den anhand des Akteninhalts festgestellten Sachverhalt bestätigt.

Entscheidungsrelevante Abweichungen ergaben sich nur

2.2.1. hinsichtlich der Frage des Verwandtschaftsverhältnisses des Erstbeschwerdeführers zu dem verstorbenen Schubhäftling:

Diesbezüglich befindet sich im Akt der BPD Linz die Kopie eines Reisepasses, dessen Echtheit von der belangten Behörde bestätigt wurde. Das darin enthaltene Lichtbild zeigt unstrittig den zur Verhandlung erschienenen Beschwerdeführer und die Personaldaten stimmen mit den Daten seiner von ihm in der Verhandlung im Original vorgelegten Geburtsurkunde überein. Abgesehen von der Namensgleichheit spricht auch der Umstand dafür, dass er nunmehr schon zum wiederholten Mal die weite Reise von seinem Wohnsitz in Hamburg und die nicht unbeträchtlichen finanziellen Aufwendungen auf sich genommen hat, um die Angelegenheiten des Verstorbenen zu regeln, sodass kein Interesse erkennbar ist, warum sich der Beschwerdeführer bloß mutwillig als ein Verwandter ausgeben sollte. Dem gegenüber konnte den beiden einzigen Bedenken der belangten Behörde dahin, dass der Verstorbene im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt keinen Bruder mit dem Vornamen des Erstbeschwerdeführers (sondern nur einen anderen, und zwar als einzigen) erwähnt hat und der Rechtsmittelwerber anlässlich eines Telefonats das Geburtsjahr seines Bruders anstatt mit "1987" unrichtigerweise mit "1981" angegeben haben soll, schon deshalb kein besonderes Gewicht beigemessen werden, weil in beiden Fällen offenkundig nicht unerhebliche Sprachschwierigkeiten bestanden.

Der Oö. Verwaltungssenat nimmt es daher als erwiesen an, dass der Erstbeschwerdeführer der Bruder des verstorbenen Schubhäftlings ist.

2.2.2. hinsichtlich der Frage der Dauer des Flüssigkeitsentzugs beim verstorbenen Schubhäftling:

Diesbezüglich versicherte der als Zeuge befragte Mithäftling zwar mehrfach, dass der Bruder des Erstbeschwerdeführers während des gesamten zwölftägigen Hungerstreiks keinerlei Flüssigkeit oder Nahrung zu sich genommen hätte. Dem widersprechen jedoch die Aussagen sämtlicher Ärzte, die den Verstorbenen medizinisch behandelten und keine Anzeichen für einen derart massiven Flüssigkeitsverlust feststellen konnten. Auch die Feststellungen im ärztlichen Sachverständigengutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH vom 5. Oktober 2005, wonach u.a. "Stuhlknollen ..... bis zum Enddarm feststellbar" waren, lassen sich damit nicht in Einklang bringen.

Unter dem Aspekt, dass der Zeuge den Verstorbenen nicht über zwölf Tage lang lückenlos beobachten konnte - insbesondere jedenfalls nicht während jener Zeit, in der er selbst schlief -, nimmt der Oö. Verwaltungssenat daher vielmehr als erwiesen an, dass der Bruder des Erstbeschwerdeführers zumindest gelegentlich etwas Flüssigkeit und wohl auch etwas Nahrung zu sich genommen hat.

2.2.3. Von der diesbezüglichen Unglaubwürdigkeit der Zeugenaussage des Mithäftlings ausgehend sowie auch auf Grund des Umstandes, dass es sich insoweit schon von vornherein nicht um ein Entgegentreten auf gleicher fachlicher Ebene - wie dies vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur gefordert wird - handelt, war sohin auch die essentiell auf der Annahme, "dass Flüssigkeits- und Kalorienzufuhr länger als die behauptete Zeit ab 27. bzw. 28.9. vollständig eingestellt gewesen sein muss", fußende, vom Vertreter des Erstbeschwerdeführers in der öffentlichen Verhandlung vorgelegte Stellungnahme eines Arztes für Allgemeinmedizin und Ernährungsmedizin nicht in dem Sinne zu berücksichtigen, dass diese geeignet wäre, das ärztliche Sachverständigengutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH vom 5. Oktober 2005, Zl. L-051264/Ha/Lei, in Frage zu stellen.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Zur maßgeblichen Rechtslage.

3.1.1. Art. 1 der in Österreich im Verfassungsrang (vgl. Art. II Z. 7 des BVG, BGBl. Nr. 59/1964) stehenden (Europäischen) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl.Nr. 210/1958, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. III 179/2002 (im Folgenden: EMRK), legt zunächst allgemein fest, dass die Vertragsstaaten die in den Art. 2 bis 18 normierten Rechte und Freiheiten allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen zugestehen.

In Art. 3 EMRK wird im Wege einer schrankenlosen - d.h. schon durch den nationalen Gesetzgeber nicht mehr näher determinierbaren, damit aber auch auf allen Ebenen des Rechtsvollzuges unmittelbar und jeweils in vollem Umfang maßgeblichen - Gewährleistung u.a. angeordnet, dass niemand einer unmenschlichen Behandlung unterworfen werden darf.

Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK normiert sodann im Besonderen, dass einem Menschen die Freiheit u.a. auch dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder angehalten wird, weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungsverfahren betroffen ist. In diesem Fall hat der Betroffene jedoch nach Art. 5 Abs. 4 EMRK das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird.

3.1.2. Diese auch (und sogar vornehmlich) völkerrechtlich verbindliche Rechtsquelle (bloß) ergänzend, legt das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im Folgenden: PersFrSchG), in Art. 2 Abs. 1 Z. 7 fest, dass einem Menschen die persönliche Freiheit nur dann und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Auslieferung zu sichern. Nach Art. 6 PersFrSchG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird, wobei diese Entscheidung - sofern die Anhaltung nicht vorher endete - binnen einer Woche zu ergehen hat.

3.1.3. Als Zwischenergebnis ist somit zu konstatieren, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Anhaltung, die nur zu dem Zweck erfolgt, die beabsichtigte Abschiebung eines Fremden zu sichern, - sofern dieser nicht gleichzeitig auch straffällig geworden ist - nicht als eine "Haft" im klassischen Sinn (nämlich: Unrechtsfolge einer strafbaren Handlung), sondern vielmehr als eine "Bewegungsbeschränkung" im Sinne einer (bloßen) Begrenzung der körperlichen Mobilität mit dem Ziel, zu einem bestimmten Zeitpunkt die zwangsweise Verbringung eines Fremden ins Ausland auch faktisch, und zwar - unter Bedachtnahme darauf, dass die Abschiebung von Fremden in außereuropäische Staaten in der Regel im Wege der antizipatorisch-verbindlichen Buchung eines Tickets bei einem privaten Flugunternehmen erfolgt - mit einem kostenmäßig wie organisatorisch vertretbaren Verwaltungsaufwand bewerkstelligen zu können, zu qualifizieren ist.

3.1.4. Ungeachtet dieses essentiellen Unterschiedes hat der Gesetzgeber in Ausführung der verfassungsmäßigen Ermächtigungen des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK bzw. des Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG (arg. "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise") die eine beabsichtigte Abschiebung sichernden bewegungseinschränkenden Maßnahmen im Fremdengesetz dezidiert als Schub"haft" deklariert (vgl. § 61 und §§ 67 ff FrG) und diese durch undifferenzierte Einbeziehung in die Anhalteordnung (im gegenständlichen Fall maßgeblich in der Stammfassung BGBl.Nr. II 128/1999, im Folgenden: AnhO) der Anhaltung von Untersuchungs-(Verwahrungs-) und Verwaltungsstrafhäftlingen gleichgestellt (vgl. § 4 Abs. 3 AnhO sowie den Erlass des BMI vom 23. April 1999, Zl. 64610/154-II/20/99, abgedr. bei A. Hauer - R. Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz-Kommentar, 3. Aufl., Wien 2005, S. 1028).

3.1.4.1. Davon ausgehend konnten Fremde gemäß § 61 Abs. 1 FrG u.a. festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig war, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder - wie hier - einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um deren Abschiebung zu sichern. Nach § 66 Abs. 1 und 2 FrG konnte die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hatte, dass deren Zweck auch durch gelindere Mittel erreicht werden kann, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere die Anordnung in Betracht kam, in gewissen von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen. Gemäß § 72 Abs. 1 FrG hatte ein Fremder, der unter Berufung auf das FrG angehalten wurde, u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte - wenn die Anhaltung nicht schon früher endete - nach § 73 Abs. 2 Z. 2 FrG über eine derartige Beschwerde binnen einer Woche zu entscheiden.

3.1.4.2. Gemäß der nach § 68 Abs. 1 FrG für den Vollzug der Schubhaft maßgeblichen Bestimmung des § 51c Abs. 1 bis 5 VStG und der auf Grund des § 68 Abs. 4 FrG erlassenen AnhO war eine Sonderbehandlung von Schubhäftlingen - im Sinne einer deutlichen Trennung von Verwahrungs-(Untersuchungs-) und Verwaltungsstrafhäftlingen - (von unmaßgeblichen Ausnahmen abgesehen) nicht institutionalisiert. Insbesondere sahen aber § 7 AnhO generell eine ärztliche Untersuchung der Haftfähigkeit und § 10 AnhO ein Recht aller Häftlinge auf die notwendige ärztliche Betreuung vor. Nach § 10 Abs. 4 AnhO waren Häftlinge, die in Hungerstreik traten, ohne unnötigen Aufschub dem Arzt vorzuführen. Dieser hatte das medizinisch Gebotene festzustellen und die Häftlinge darüber in Kenntnis zu setzen, wobei insbesondere zu entscheiden war, ob der Häftling für die Dauer des Hungerstreiks in einer Krankenzelle in Einzelhaft anzuhalten ist.

3.1.4.3. Nach § 88 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, i.d.F. BGBl.Nr. I 151/2004 (im Folgenden: SPG), entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung - wozu nach § 2 Abs. 2 SPG auch die fremdenpolizeilichen Verfahren zählen - in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Ergänzend zu der in § 73 FrG geregelten Schubhaftbeschwerde, der eine Beschwerdemöglichkeit dem Grunde nach - nämlich hinsichtlich Zulässigkeit und Dauer - normiert, sieht sohin § 88 Abs. 2 SPG insbesondere für Schubhäftlinge eine Rechtsmittelbefugnis hinsichtlich der Art und Weise ihrer Anhaltung (sog. "Polizeibeschwerde") vor. Schließlich könnte der Angehaltene - gesondert oder in Kombination mit den beiden vorgenannten Rechtsbehelfen - unter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität auch noch eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 1 SPG gestützte Beschwerde erheben, wenn er sich durch die Ausübung von physischer Gewalt in seinen Rechten verletzt erachtet (sog. "Maßnahmenbeschwerde").

3.2. Rechtliche Beurteilung:

3.2.1. Wenn es ein Staat unternimmt, seine Organe und Organwalter dazu zu ermächtigen, die Freiheit von Personen in einer Art und Weise zu beschränken, dass diese nicht mehr in vollem Umfang aus eigenem für sich selbst sorgen können, dann übernimmt er damit, sofern es sich um einen liberalen und sozialen, rechtlich den Garantien der EMRK verpflichteten Rechtsstaat handelt, grundsätzlich - vergleichbar der strafrechtlichen Rechtsfigur der Garantenstellung bei Unterlassungsdelikten - gleichzeitig die Pflicht, diesen Menschen jene Bedürfnisse zu erfüllen, die nicht in einem unmittelbaren Widerspruch zum Zweck der Freiheitseinschränkung stehen. Unmittelbarer Ausfluss dieses Gedankens ist Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG, wonach die persönliche Freiheit jeweils nur entzogen werden darf, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Im Besondern folgt daraus, dass der Staat z.B. dazu verpflichtet ist, jedenfalls solchen Menschen, die nur deshalb angehalten werden, um unter unmittelbarer behördlicher Aufsicht darauf zu warten, dass sie (wenn auch gegen ihren Willen) in ihren Heimatstaat verbracht werden - die sich also nicht wegen eines gerichtlich oder behördlich strafbaren Tatbestandes in Haft befinden -, eine solche medizinische Betreuung zukommen zu lassen, wie sie üblicherweise dem Standard seines Wohlfahrtssystems entspricht. Andernfalls läge nämlich eine "unmenschliche Behandlung" und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK vor.

In welcher Weise nun für eine effektive Realisierung dieses Anspruches Sorge getragen wird - nämlich: ob im vollen Umfang schon auf der Ebene des Gesetzes, der Rechtsverordnung, verwaltungsinterner Erlässe oder Dienstanweisungen, etc. entsprechende Anordnungen getroffen werden oder ob dies durch ein wechselseitiges Zusammenspiel aller oder einzelner dieser Teilbereiche, allenfalls auch in Verbindung mit einem effektiven systemimmanenten Kontrollsystem, bewerkstelligt wird -, liegt im Ermessen der jeweils zuständigen und handelnden staatlichen Organe. Fest steht jedoch, dass ein der EMRK verpflichteter Staat jeweils in verschiedener Form rechtlich dafür einzustehen hat, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass die der Freiheitsbeschränkung korrelierende Fürsorgepflicht im Ergebnis nicht in ausreichendem Ausmaß realisiert wurde, und zwar einerlei, ob auf Grund eines kollektiven oder individuell vorwerfbaren Fehlverhaltens.

3.2.2. Mit besonderem Blick auf die im gegenständlichen Fall relevante Frage der unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK ausreichenden medizinischen Versorgung darf daher schon grundsätzlich bezweifelt werden, ob allein die Festlegung des § 10 Abs. 4 AnhO - also nicht einmal eine gesetzliche Vorschrift, sondern eine Norm bloß auf Verordnungsebene - eine hinreichende Gewähr dafür bieten konnte, im Falle eines Hungerstreiks den damit in der Regel verbundenen negativen Konsequenzen auch effektiv vorzubeugen.

Wie sich im vorliegenden Zusammenhang aus dem vorangeführten ärztlichen Sachverständigengutachten (vgl. oben, 1.8.) zweifelsfrei ergibt, litt der Bruder des Rechtsmittelwerbers an einer bis zu seinem Tod unerkannt geblieben, latenten Sichelzellenanämie, die sich ex ante - nur, immerhin aber doch - im Wege prophylaktischer Tests hätte feststellen lassen können. Derartige Vorsorgeuntersuchungen unter gleichzeitiger Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht durchzuführen (nämlich: in Form eines Suchtests auf Grund eines Blutabstriches [sog. Hämoglobinelektrophorese]), ist aber in Bezug auf Schubhäftlinge weder durch generelle noch durch individuelle Rechtsvorschriften geboten oder vorgesehen, obwohl diese ebenso wie AIDS-Tests nicht besonders kostenintensiv sind - diesbezügliche Erhebungen des Oö. Verwaltungssenates in den Laborabteilungen der Linzer Krankenhäuser haben ergeben, dass die Kosten für eine Hämoglobinelektrophorese derzeit bei ca. 40 Euro und für einen AIDS-Test bei ca. 25 Euro liegen - und es jedenfalls unter für den speziell mit Gesundheitsfragen befassten Stellen seit geraumer zum Allgemeingut gehört bzw. gehören müsste, dass die Sichelzellenanämie eine nahezu ausschließlich bei Schwarzafrikanern (und dort wiederum in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmaß) vorkommende Erbkrankheit ist, sodass also Schubhäftlinge aus diesen Gebieten ebenso wie im Hinblick auf AIDS eine spezifische Risikogruppe bilden. Dies gilt in Bezug auf eine Sichelzellenanämie insbesondere dann, wenn eine auf Grund eines Hungerstreiks drohende Exsikkose als zusätzlicher Risikofaktor hinzutritt.

Wenn daher als Sukkus des vorerwähnten amtsärztlichen Sachverständigengutachtens resultiert, dass der Tod des Bruders des Erstbeschwerdeführers nur derart - dann aber jedenfalls (!) - hätte verhindert werden können, dass - davon ausgehend, dass der Angehaltene um seine Krankheit selbst nicht wusste oder diese im Nichtwissen um die gravierenden Folgen im Falle eines Hungerstreiks verschwiegen hat - jemand (d.h. ein Organ[-walter] des garantenpflichtigen Staates) auf die Idee einer Sichelzellenerkrankung gekommen wäre und in der Folge rechtzeitig, d.h. spätestens zu Beginn des Hungerstreiks, zumindest einen Suchttest bzw. eine Hämoglobinelektrophorese und in der Folge eine Zwangsernährung angeordnet (bzw. im Weigerungsfall den Betroffenen wenigstens entsprechend aufgeklärt) hätte, um den Blutzellenzerfall zu vermeiden etc., dies aber effektiv nicht geschehen ist, dann spiegelt dies nicht allein den verwaltungswissenschaftlich aus mannigfaltigen, teilweise sich wechselseitig notwendig bedingenden Gründen gegenwärtig eher kaum als optimal zu klassifizierenden Zustand des Staatsapparates (und zwar sowohl im Bereich der Gesetzgebung als auch im Bereich der dieser nachgeordneten Vollziehung, insbesondere soweit es die Fachkompetenz der Träger von Schlüsselpositionen betrifft) wider:

Aus rechtlicher Sicht wurde der Bruder des Erstbeschwerdeführers gerade dadurch in seinem verfassungsmäßig unbeschränkt geschützten Recht auf eine menschenwürdige Behandlung verletzt.

Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 88 Abs. 2 SPG - denn als eine solche Polizeibeschwerde ist der gegenständliche Rechtsbehelf inhaltlich (ungeachtet seiner unzutreffenden Bezeichnung als "Maßnahmenbeschwerde" [denn eine dafür notwendige Gewaltanwendung bringt der Rechtsmittelwerber selbst gar nicht vor]) zu deuten - i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

Dass die prozessuale Geltendmachung einer derartigen Rechtsverletzung in dem Fall, dass der Betroffene - wie hier - vor Verfahrensbeginn verstorben ist, durch dessen nahe Verwandte, also insbesondere durch seinen Bruder, erfolgen kann, ist zwischenzeitlich durch den Verfassungsgerichtshof durch Übernahme der entsprechenden Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte klargestellt (vgl. z.B. VfGH v. 6. März 2001, B 159/00 = VfSlg 16109/2001).

3.2.3.1. Ausdrücklich ist an diesem Punkt darauf hinzuweisen, dass das gegenständliche Verfahren nicht dazu konzipiert ist, über eine persönliche Zurechenbarkeit oder einen individuellen Schuldvorwurf abzusprechen; denn eine strafrechtliche Verantwortlichkeit oder eine zivilrechtliche Haftung festzustellen, fällt vielmehr ausschließlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Dem Wesen der hier vorliegenden Polizeibeschwerde entsprechend ist vielmehr ausschließlich zu konstatieren, ob das Ergebnis eines verwaltungsbehördlichen Handelns - und nicht: primär das Handeln eines spezifischen Organwalters; dem Wesen des österreichischen Rechtsschutzsystems entspricht es zudem, dass die Organe der Gesetzgebung für ein Fehlverhalten schon von vornherein prozessual überhaupt nicht belangt werden können, obwohl die Vollziehung nach Art. 18 Abs. 1 B-VG einerseits in vollem Umfang an die Gesetze gebunden ist und andererseits ohne eine derartige Grundlage nicht handeln kann - der Rechtsordnung entspricht oder nicht. Insoweit bildet das Ergebnis des gegenständlichen Verfahrens auch weder eine Vorfrage für ein allfälliges nachfolgendes Gerichtsverfahren noch entfaltet es diesbezüglich in irgendeiner Form eine Bindungswirkung, weshalb auch alle jene Beweisanträge, die nicht dem unmittelbaren Zweck der Feststellung des für das hiesige Verfahren entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dienten, als unzulässig zurückzuweisen waren.

3.2.3.2. Weiters ist nochmals mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Prüfung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns zu einem bereits mehrere Monate zurück liegenden Zeitpunkt geht, noch die frühere Rechtslage maßgeblich war. Im Besonderen konnten daher - ohne dies in irgendeiner Richtung werten zu wollen - weder die Neuerungen der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Novelle zur AnhO, BGBl.Nr. II 439/2005, noch die Modifikationen des durch das Fremdenrechtspaket, BGBl.Nr. I 100/2005, neu erlassenen, nach längerer Legisvakanz ebenfalls erst mit Jahresbeginn wirksam gewordenen Fremdenpolizeigesetzes berücksichtigt werden.

3.3. Im vorliegenden Fall ist zwar allseits unbestritten, dass der Bruder des Erstbeschwerdeführers mit Wirksamkeit vom 5. Juli 2005 rechtskräftig ausgewiesen wurde (s.o., 1.3.) und somit zum Verlassen des Bundesgebietes verhalten war bzw. er im Weigerungsfall zwangsweise aus diesem abgeschoben werden durfte.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass er zu diesem Zweck jedenfalls auch in Schubhaft hätte genommen werden dürfen. Denn die Verhängung der Schubhaft erweist sich insbesondere dann als rechtswidrig, wenn an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel i.S.d. § 66 Abs. 1 FrG hätten angewendet werden können.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgeführt, dass allein der Umstand eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung die Behörde noch nicht zur Schubhaftverhängung berechtigt; vielmehr ist stets eine materielle Prüfung dahin, ob - z.B. wegen mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung des Fremden im Inland - ein konkreter Sicherungsbedarf besteht, durchzuführen (vgl. VwGH v. 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301).

Dass ein derart konkretes, nunmehr von der Behörde zu belegendes Sicherungsbedürfnis bestand, sodass insbesondere die bloße Verpflichtung zur Unterkunftsnahme an einem bestimmten Ort verbunden mit dem Auftrag zur täglichen Meldung bei der Behörde nicht iS einer gelinderen Maßnahme hingereicht hätte - auch eine bloße Zurückschiebung nach Italien, von wo aus der Bruder der Erstbeschwerdeführers ins Bundesgebiet eingereist ist, wurde offenkundig nie erwogen -, geht aber weder aus den von ihr vorgelegten Akten noch aus deren Gegenschrift hervor, was aber schon deshalb naheliegend ist, weil ihr diese höchstgerichtliche Entscheidung zum Vorfallszeitpunkt offenkundig noch gar nicht bekannt war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie rechtlich dennoch an diese gebunden gewesen wäre.

Im Ergebnis erweist sich damit aber auch die auf das FrG gegründete Anhaltung des Bruders des Erstbeschwerdeführers (Schubhaft) als rechtswidrig, was der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 73 Abs. 2 FrG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen hatte.

3.4. Hingegen waren sowohl die Polizei- als auch die Schubhaftbeschwerde der Eltern des Angehaltenen als unzulässig zurückzuweisen, weil deren Prozesslegitimation i.S.d. § 9 AVG im Verfahren nicht erwiesen werden konnte.

4.1. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Erstbeschwerdeführer als hinsichtlich Pkt. 3.2.2. und Pkt. 3.3. dieser Entscheidung obsiegender Partei gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 Z. 1 bis 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. 334/2003 (im Folgenden: UVS-AufwandsersatzVO), Kosten in Höhe von insgesamt 2.173,60 Euro (Doppelter Schriftsatzaufwand: 1.321,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 826,00 Euro; Stempelgebühren: 26,00 Euro) zuzusprechen.

4.2. Dem gegenüber waren dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) als hinsichtlich Pkt. 3.4. dieser Entscheidung obsiegender Partei gemäß § 79a Abs. 1, 3 und 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 bis 5 UVS-AufwandsersatzVO Kosten in Höhe von insgesamt 715,90 Euro (doppelter Schriftsatzaufwand: 440,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 275,30 Euro) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.       Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.       Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 26 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

Beachte: 

Der angefochtene Bescheid wurde, soweit er die Anhaltung des Y C in Schubhaft betrifft (Punkt I. lit.a), und insoweit auch in seinem Punkt III. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im Übrigen wurde der genannte Bescheid in dem angefochtenen Punkt I. li.b und (soweit damit zusammenhängend) auch im Punkt III. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum