Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162092/2/Kei/Bb/Ps

Linz, 28.06.2007

 


E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Herrn Dr. W L, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH S, C & Partner, E, L, vom 5.3.2007, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 12.2.2007, AZ: Cst 42471/06, wegen Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages als unbegründet sowie Zurückweisung eines Einspruches als verspätet, zu Recht:

 

Die Berufung wird in beiden Punkten abgewiesen und der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 Z1 AVG iVm §§ 24, 49 Abs.1, 51 Abs.1, 51c und 51e VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers vom 31.1.2007 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 24 VStG iVm § 71 Abs.1 Z1 AVG als unbegründet abgewiesen und der gleichzeitig eingebrachte Einspruch vom 31.1.2007 gegen die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz vom 10.1.2007, AZ: Cst 42471/06, gemäß § 49 Abs.1 VStG als verspätet zurückgewiesen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, welche im Wesentlichen dahingehend begründet wurde, dass die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz wegen § 103 Abs.2 KFG am 15.1.2007 bei der Rechtsvertreterin des Berufungswerbers eingelangt sei. Die zweiwöchige Einspruchsfrist sei ordnungsgemäß mit 29.1.2007 im Fristenbuch eingetragen und der Einspruch vom Rechtsanwalt auch innerhalb dieser Frist verfasst, unterfertigt und zur Abfertigung an die Sekretärin, Frau I M, übergeben worden. Diese habe am Nachmittag des 29.1.2007 den Einspruch kuvertiert, ausreichend frankiert, einen Aufgabeschein ausgefüllt und zur Abholung durch einen Postangestellten, der täglich am späten Nachmittag die Kanzleipost abhole, bereitgelegt.

Frau M sei eine besonders zuverlässige Kanzleikraft, die seit Jahren in der Kanzlei tätig sei und zu deren Aufgaben auch die Postabfertigung zähle. Der zur Abholung bereitgelegte Brief sei in Verschub geraten und unter einen anderen Dokumentenstapel hineingerutscht. Am Morgen des 30.1.2007 hätte die Kanzleibedienstete festgestellt, dass sie den Brief mit dem Einspruch irrtümlicherweise nicht am 29.1.2007 dem Postangestellten übergeben hat. Aus diesem Grund hätte der Einspruch nicht fristgerecht erstattet werden können. Der Umstand, dass das Kuvert in Verschub geraten sei, stelle jedenfalls lediglich ein Versehen minderen Grades dar. Für die Rechtsvertreterin des Berufungswerbers sei dieser Vorfall auch nicht vorhersehbar gewesen, weil der betreffenden Sekretärin ein derartiger Fehler zuvor noch nie unterlaufen sei. Die Überwachung ob der Schriftsatz tatsächlich von der Kanzleiangestellten an den Postangestellten ausgehändigt wurde, sei der Rechtsvertretung des Berufungswerbers nicht zumutbar. Es läge keine Verletzung der Organisations- oder Überwachungspflichten der Rechtsvertreterin des Berufungswerbers vor.

 

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsakt samt Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt eindeutig. Da sich die Berufung nur gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde, war eine solche gemäß § 51e Abs.3 VStG nicht erforderlich.

 

5. Für die Berufungsinstanz steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

 

Dem gegenständlichen Verfahren liegt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 14.11.2006 wegen Übertretung nach § 38 Abs.5 iVm § 38 Abs.1 lit.a StVO zu Grunde. Demnach wurde am 31.1.2006 mittels Rotlichtüberwachungsanlage festgestellt, dass vom Lenker des Personenkraftwagens, Kennzeichen, am 10.10.2006 um 16.43 Uhr in Linz, Humboldtstraße, stadtauswärts, rechts einbiegend, Kreuzung mit der Bürgerstraße, das Rotlicht der VLSA nicht beachtet und das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten wurde.

Der Berufungswerber war im gegenständlichen Zusammenhang der Zulassungsbesitzer des angezeigten Kraftfahrzeuges.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz als Tatortbehörde erließ am 17.11.2006 eine Strafverfügung, mit welcher dem Berufungswerber die angezeigte Verwaltungsübertretung nach § 38 StVO vorgeworfen wurde. Dagegen erhob der anwaltlich vertretene Berufungswerber fristgerecht Einspruch.

 

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 15.12.2006, AZ: Cst 42471/06, wurde der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG  aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens der Behörde Auskunft darüber zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen am 10.10.2006 um 16.43 Uhr gelenkt hat.

Der Berufungswerber erteilte in der Folge keine Lenkerauskunft. Er hielt in seiner Äußerung vom 27.12.2006 lediglich fest, dass eine parallele Lenkererhebung im Hinblick auf das gegen ihn anhängige Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes unzulässig sei und gegen Art. 6 Abs.1 MRK verstoße. Er verwies diesbezüglich auf eine Entscheidung des UVS Vorarlberg.

 

Am 10.1.2007 erließ die Bundespolizeidirektion Linz unter AZ: Cst 42471/06 eine Strafverfügung, mit welcher dem Berufungswerber das Nichterteilen der Auskunft nach § 103 Abs.2 KFG vorgeworfen wurde. Diese Strafverfügung wurde am 15.1.2007 nachweislich an seine Rechtsvertretung zugestellt.

 

Mit Schriftsatz vom 31.1.2007 hat der anwaltlich vertretene Berufungswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht sowie gleichzeitig Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben.

Dieser Wiedereinsetzungsantrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die gegenständliche Strafverfügung am 15.1.2007 bei den Rechtsvertretern eingelangt sei. Die zweiwöchige Einspruchsfrist sei mit 29.1.2007 im Fristenbuch eingetragen und der Einspruch von den rechtsfreundlichen Vertretern verfasst und zur Abfertigung an die Sekretärin, Frau I M, übergeben worden. Diese habe den Einspruch am Nachmittag des 29.1.2007 kuvertiert, frankiert und zur Abholung durch einen Postangestellten bereitgelegt.

Frau M sei eine in besonderer Weise zuverlässige Kanzleikraft, die seit Jahren in der Kanzlei tätig sei und zu deren Aufgaben auch die Postabfertigung gehöre. Der zur Abholung bereitgelegte Brief sei in Verschub geraten und unter einen anderen Dokumentenstapel hineingerutscht. Frau M habe am Morgen des 30.1.2007 festgestellt, dass sie den Einspruch irrtümlicherweise nicht am 29.1.2007 dem Postangestellten übergeben hat. Aus diesen Gründen sei der Einspruch nicht fristgerecht erstattet worden.

Als Bescheinigungsmittel wurde eine eidesstättige Erklärung von Frau I M vorgelegt.

 

Von der belangten Behörde wurde am 12.2.2007 der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen, gegen welchen die in Punkt 2 ausgeführte Berufung eingebracht wurde. 

 

6. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:

 

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einer Frist einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Gemäß § 24 VStG ist diese Bestimmung auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.

 

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

Ein einem Parteienvertreter widerfahrenes Ereignis gibt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Parteien nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist.

 

Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass neben der richtigen Vormerkung von Terminen auch die fristgerechte Vornahme von Prozesshandlungen gesichert erscheint. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen ua. dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Vertreter verstößt demnach auch dann gegen eine Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (VwGH 5.4.2001, 2001/15/0032).

Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung dieses Zieles – fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen – nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinne unzureichend und es kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens des Parteienvertreters gesprochen werden (VwGH 30.5.1997, 96/02/0608).

 

Es gehört zu den Organisationserfordernissen, dass in einer Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters eine Endkontrolle stattfindet, die sicherstellt, dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich verfasst, gefertigt und abgesandt werden. Für diese Ausgangskontrolle ist ein Fristenkalender unabdingbar, in dem das Fristende vermerkt und diese Fristeintragung erst gestrichen wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also verfasst, gefertigt und abgesandt worden ist. Eine derartige End- oder Ausgangskontrolle gehört zu den Organisationserfordernissen, die zur Vermeidung von Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen unumgänglich und auch zumutbar sind.

Eine Endkontrolle in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Berufungswerbers, die sicherstellt, dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich abgesandt werden, ist nicht dargelegt worden. Hätte ein entsprechend organisiertes Fristenvormerk- und Kontrollsystem bestanden und wäre dieses auch im konkreten Fall angewendet worden, so hätte es nämlich nicht geschehen können, dass der Einspruch unter einen anderen Dokumentenstapel "hineinrutscht". Es lag im konkreten Fall jedenfalls ein Organisationsmangel im Kontrollsystem der Rechtsanwaltskanzlei – insbesondere bei der Ausgangskontrolle – vor.

 

Ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dessen Sachbehauptungen durch die vorliegende eidesstattliche Erklärung der Kanzleiassistentin bescheinigt wurden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertreter des Berufungswerbers wirksame Maßnahmen zur End- und Ausgangskontrolle getroffen hätte. Ein minderer Grad des Versehens im Sinne einer leichten Fahrlässigkeit gemäß § 1332 ABGB kann gegenständlich nicht erblickt werden. Solcherart durfte die belangte Behörde von einem der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Verschulden des Parteienvertreters ausgehen.

Da die Voraussetzungen des § 71 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG im gegenständlichen Fall nicht zutreffen, musste die Berufung hinsichtlich der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages abgewiesen werden.

Im Gegenstand ist unbestritten, dass die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz vom 10.1.2007, Cst 42471/06, nachweislich am 15.1.2007 der Rechtsvertretung des Berufungswerbers zugestellt worden und daher die gemäß § 49 Abs.1 VStG mit zwei Wochen bemessene Einspruchsfrist am 29.1.2007 ohne rechtzeitige Erhebung eines Einspruchs abgelaufen und daher in der Folge die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen ist. Die Zurückweisung des Einspruches vom 31.1.2007 als verspätet erfolgte deshalb zu Recht, weshalb auch die Berufung dagegen abzuweisen war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Keinberger

Beachte: Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt. VwGH vom 09.10.2007, Zl.: 2007/02/0252-3

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