Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161441/7/Bi/Se

Linz, 03.07.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Ing. J P, M, vertreten durch RA Dr. J P, M, vom 20. Juni 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 8. Juni 2006, VerkR96-2267-2006-Kb, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuldspruch und Ausspruch über die Ersatz­frei­heitsstrafe bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 100 Euro herabgesetzt wird.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag der Erstinstanz ermäßigt sich auf 10 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 115 Euro (33 Stunden EFS) verhängt, weil er am 12. Dezember 2005 um 12.11 Uhr den Pkw ...... auf der L512 bei Strkm 4.340 in Fahrtrichtung Suben gelenkt habe und im Ortsgebiet um 34 km/h schneller als 50 km/h gefahren sei. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels Messgerät festgestellt worden.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 11,50 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, zumal der Rechtsver­treter nach entsprechender Ladung mit Schriftsatz vom 7. Juli 2006 unter Hinweis, es seien nur Rechtsfragen zu lösen, ausdrücklich auf eine solche verzichtet hat und von der Erstinstanz keine solche beantragt wurde; außerdem wurde im angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG). 

 

3. Der Bw macht ausschließlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung in Form  verfassungsrechtlicher Überlegungen geltend, weil er als Zulassungsbesitzer kein Recht habe, die Lenkerauskunft zu verweigern, und beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

Die zur Last gelegte Geschwindigkeit hat er in keiner Weise bestritten und (mit Ausnahme des Berufungsantrages) inhaltlich zum ihn betreffenden Tatvorwurf keinen Bezug hergestellt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, dass die Geschwindigkeit des auf die P in L zugelassenen oben genannten Pkw, am 12. Dezember 2005, 12.11 Uhr, im Ortsgebiet von Mitterding, Fahrtrichtung Suben,  bei km 4.340 der L512 mittels geeichtem Radargerät MUVR 6F, Nr. 203, mit 89 km/h gemessen wurde. Unter Abzug der vorgesehenen Toleranzen wurde eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 84 km/h, dh eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet um 34 km/h, der Anzeige zugrundegelegt.

Die Zulassungsbesitzerin wurde mit Schreiben der BH Ried/I. zur Lenkerauskunft aufgefordert und wurde mit Schreiben vom 7. Februar 2006 der Bw als Auskunfts­person bekanntgegeben.

Daraufhin wurde der Bw mit Schreiben der BH Ried/I. als vom Zulassungsbesitzer des Pkw namhaft gemachte Auskunftsperson gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 aufgefordert, den Lenker des Pkw am 12. Dezember 2005, 12.11 Uhr, zu benennen.

Eine Lenkerauskunft hat der Bw mit Schriftsatz vom 16. Februar 2006 über seinen Rechtsvertreter dahingehend erteilt, dass er selbst der Lenker gewesen sei – dies mit der Beifügung, dass die Strafnorm des KFG bedeutend höher sei als die maßgebliche Strafnorm der StVO und er sich zur Erteilung der Lenkerauskunft gezwungen sehe, obwohl dies einer Reihe von verfassungsgesetzlich gewähr­leisteten Rechten widerspreche.

 

Gegen den Bw erging daraufhin die – fristgerecht beeinspruchte – Strafverfügung vom 20. März 2006 und nach Abtretung des Verfahrens gemäß § 29a VStG an die Wohnsitzbehörde seitens der Erstinstanz schließlich ohne weitere Äußerung des Bw das angefochtene Straf­erkenntnis vom 8. Juni 2006 wegen Übertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960. Auch im Rechtsmittel wurde die Tatan­lastung an sich nicht bestritten, zumal sich die Argumente des Bw ausschließlich auf die nach seiner Auffassung unter Zwang und Straf­androhung zustandegekommene Lenkerauskunft beziehen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.

 

Weder die Art der technischen Durchführung noch das Ergebnis der Geschwindig­keits­messung wurde auf der Grundlage der Berufung in Verbindung mit dem aus­drücklichen Verzicht des Bw auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 7. Juli 2006 in Zweifel gezogen und ergibt sich auch aus der Anzeige kein offensichtlicher Fehler bei der Radarmessung oder den Toleranz­abzügen, sodass die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 84 km/h im Ortsgebiet bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h dem Tatvorwurf seitens der Erstinstanz zurecht zugrundegelegt wurde.

 

Zur Frage der Zulässigkeit der ggst Aufforderung zur Lenkerauskunft an den Zulassungs­besitzer und danach den Bw als die vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachte Auskunfts­person wird auf die Bestimmungen des § 103 Abs.2 KFG 1967 verwiesen. Der Bw hat – aus welchen Überlegungen immer – fristgerecht Lenker­auskunft erteilt und sich selbst als Lenker bezeichnet, sodass der Tatvorwurf gemäß § 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zurecht an ihn gerichtet wurde.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens kein Zweifel, dass er selbst den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann, sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. 

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auch auf der Grundlage der Berufungsausführungen kein Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 zu zweifeln, weshalb in Anbetracht der Judikatur des VfGH (vgl 29.9.1988, G72/88, ua), des VwGH (vgl 15.9.1999, 99/03/0090) und des EGMR (vgl 8.4.2004, Nr. 38544/97 – Weh gegen Österreich; zuletzt 29.6.2007, Nr. 15809/02 und Nr. 25624/02 – O'Halloran und Francis gegen das Vereinigte Königreich) eine Anfechtung dieser Bestimmung beim öster­reichischen Verfassungs­gerichtshof nicht in Betracht gezogen wird.

    

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses – zutreffend – die Unbescholtenheit des Bw als Milderungsgrund berücksichtigt und nichts als erschwerend gewertet und sie ist von unwidersprochen gebliebenen geschätzten finanziellen Verhältnissen ausgegangen (1.500 Euro netto monatlich; kein Vermögen, keine Sorgepflichten). Weiters wurde ein Vorliegen der Voraus­setzungen für die Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG verneint.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Der Bw selbst hat keine konkreten berücksichtigungs­würdigen Argumente im Hinblick auf die verhängte Strafe geltend zu machen vermocht, die die Annahme eines geringfügigen Verschuldens oder eines beträchtlichen Überwiegens von mildernden Umständen gerechtfertigt hätten.

Die verhängte Strafe ist unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG angemessen und soll den Bw in Zukunft zur Einhaltung der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit anhalten. Die trotzdem erfolgte geringfügige Herabsetzung der Geldstrafe (bei ohnehin niedriger Ersatzfreiheitsstrafe) ist begründet durch die längere Verfahrensdauer aufgrund des Abwartens der Entscheidung des EGMR im Fall O'Halloran und Francis zur Erlangung entsprechender Rechtssicherheit.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Geschwindigkeitsüberschreitung unbestritten; Lenkerauskunft erteilt -> § 105/2 KFG, EGMR -> kein Widerspruch gegen Art.6/1 EMRG -> Herabsetzung der Strafe wegen längerer Verfahrensdauer wegen Abwarten der Entscheidung des EGMR (1 Jahr)

 

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