Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230629/10/BR

Linz, 02.02.1998

VwSen-230629/10/BR Linz, am 2. Februar 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 3. November 1997, AZ. Sich96-194-1996-Wim, wegen Übertretungen des SPG iVm der VO der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 27. März 1996, Sich01-556-1995-P/ZE, (richtig wohl: Sich01-556-1996-P/ZE), nach der am 23. Jänner 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u.2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden für das Berufungsverfahren 200 S (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt. Rechtsgrundlage: § 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 3. November 1997, AZ. Sich96-194-1996-Wim, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 36 SPG iVm der VO vom 27. 3. 1996, Zl. Sich01-556-1995-P/ZE (richtig wohl: "1996"), gemäß § 84 Abs.1 Z1 SPG eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 8. April 1996 gegen 14.00 Uhr das eingezäunte Baugelände des O betreten und sich um 14.10 Uhr darin aufgehalten habe, obwohl für dieses Gelände gemäß der oben bezeichneten Verordnung ein Platzverbot verhängt und kundgemacht gewesen sei.

1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung im Ergebnis auf die dienstliche Wahrnehmung von Gendarmeriebeamten und die gegenüber diesen Beamten abgegebene Erklärung des Berufungswerbers. Die im Rahmen des Verfahrens vorgebrachte Verantwortung wertete die Erstbehörde als reine Schutzbehauptung.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter im wesentlichen aus, daß für die Bekämpfung von Baustellenbesetzungen die Erlassung eines Verbotes nach § 36 SPG nur ausnahmsweise tauge. Tatsächlich wäre nach der Judikatur des VfGH vom 20.6.1989, B 73/88 ein Verbot auf der Grundlage des Art. II § 4 Abs.2 des V-ÜG 1929 zu erlassen gewesen. Das Platzverbot der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land sei daher gesetzwidrig und rege es diesbezüglich ein Verordnungsprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof durch den O.ö. Verwaltungssenat an. In Wahrheit sei es bei der Erlassung dieses Platzverbotes nur darum gegangen, das Gelände des Brückenkopfes für die Bauarbeiten freizuhalten. Dieses Platzverbot greife daher (gemeint wohl zu Unrecht) in die Freiheit, im Augebiet spazierenzugehen, ein. Einen Verfahrensfehler erblicke der Berufungswerber auch darin, daß der Zeuge Dr. Volker Ertl nicht zum Beweis dafür einvernommen worden sei, daß man das Verbot nicht erkennen habe können. Er beantragt die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses in eventu die Strafe auf das Mindestmaß zu verhängen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. 12. 1997, AZ. Sich96-194-1996-WIM/MR und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an welcher neben dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers auch ein Vertreter der Erstbehörde teilgenommen hat. Beigeschafft und dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers zur Einsicht vorgelegt wurde die Verordnung der Erstbehörde vom 27.3.1996, Zl. Sich01-556-1995-P/ZE (richtig wohl: Sich01-556-1996-P/ZE). Der Berufungswerber selbst erschien zur Berufungsverhandlung, mit dem Hinweis wegen einer Prüfung verhindert zu sein, trotz der auch an ihn persönlich ergangenen Ladung nicht. Beweis wurde ferner erhoben durch die zeugenschaftliche Vernehmung der Gendarmeriebeamten GrInsp. N und RevInsp. W. 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber wurde in Begleitung einer anderen Person am Ostermontag den 8. April 1996 um 14.10 Uhr im Baugelände angetroffen. Die Gendarmerie wurde telefonisch vom Baustellenwachdienst über den Aufenthalt von Personen im Gelände, wenige Minuten vor ihrem Eintreffen dort, verständigt. Das Baugelände war ringsum umzäunt und an den Einfahrtsmöglichkeiten, welche jedoch an diesem Tag versperrt waren, fanden sich schriftliche Hinweise, daß dieses Gelände nicht betreten werden darf, d.h. die von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erlassene Verordnung war an diesen Stellen kundgemacht. Auch in der Bevölkerung hatte sich dieses Platzverbot herumgesprochen, wobei dieses auch dem Berufungswerber laut eigenen Angaben gegenüber den Gendarmeriebeamten ebenso dem Berufungswerber bekannt war. Der Berufungswerber und dessen Begleiter gelangten durch Aufheben des Maschendrahtzaunes in das Baugelände, wobei an dieser Stelle keine Ein- oder Ausfahrt bestand, so daß exakt an dieser Stelle kein Hinweis auf das Platzverbot darin angebracht war. Der Berufungswerber und dessen Begleiter gehörten nicht einem durch § 2 der VO v. 27.3.1996 vom Betretungsverbot ausgenommenen Personenkreis (etwa Behördenorgane und Vertreter des Eigentümers und Bauarbeiter) an. Bereits einige Wochen vor diesem Vorfall ist es im Zusammenhang mit der Räumung der von Kraftwerksgegnern errichteten Lagern auch zu tätlichem Vorgehen vermutlich seitens aktivistischer Kreise gegen Behördenvertreter gekommen.

4.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die vor dem unabhängigen Verwaltungssenat im Zuge der Berufungsverhandlung gemachten zeugenschaftlichen Angaben seitens der oben genannten Gendarmeriebeamten und der Angaben des Behördenvertreters. Diese Beamten legten in übereinstimmender Weise dar, daß am Baugelände an mehreren (fünf oder sechs) Stellen das Platzverbot kundgemacht war und der Berufungswerber und dessen Begleiter ihnen gegenüber selbst keinen Hehl daraus gemacht haben, daß ihnen dieses bekannt ist. Sie äußerten die Ansicht, nicht einzusehen, warum sie sich nicht trotzdem dort aufhalten können sollten. An der Wahrheit dieser Angaben vermag einerseits der Verwaltungssenat an sich keinen Zweifel zu hegen, andererseits räumt er den zwei Gendarmeriebeamten die Kompetenz ein, die Aussagen der im Gelände aufgegriffenen Personen hinsichtlich ihres Erklärungsinhaltes richtig zu deuten. Wenn nun die Beamten übereinstimmend aussagten, daß für sie kein Zweifel bestanden habe, daß der Berufungswerber und dessen Begleiter sich im Bewußtsein des Verbotes in das Gelände begaben, so wird diesen Angaben - welche gegenüber der erkennenden Berufungsbehörde glaubwürdig vorgetragen wurden - Glauben geschenkt. Der Berufungswerber hat sich nicht einmal persönlich der Mühe unterzogen, seine Sicht persönlich vorzutragen und dadurch von sich einen unmittelbaren Eindruck gewinnen zu lassen. Dies konnte der beauftrage Rechtsvertreter, welcher ja auch nicht selbst vor Ort war, eben nicht tun. Ebenfalls ist unbestritten, daß der Berufungswerber dem Kreis der Kraftwerksgegner angehörte, so daß bereits aus diesem Umstand wohl kein Zweifel bestehen kann, daß ihm das Platzverbot nicht bekannt gewesen wäre, zumal bereits durch die aktionistischen und teils zu erheblichen Ausschreitungen führenden Verhaltensweisen der Kraftwerksgegner ein hoher Grad an medialer Bekanntheit der behördlichen Maßnahme um diese Baustelle gegeben war. Dies legte insbesondere der Behördenvertreter im Rahmen seiner Schlußäußerungen überzeugend dar. Dieser Schilderung tritt auch der Berufungswerber nicht entgegen, auch wenn er meint, daß nicht geklärt wäre, ob es sich beim Angreifer gegen die Behördenvertreter nicht um einen Verrückten handelte, welcher nicht den Aktivisten zugeordnet werden könne. Die bestreitende Verantwortung der Unkenntnis des Platzverbotes wird daher als Schutzbehauptung qualifiziert.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: 5.1. Der § 36 SPG lautet: (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, es werde an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß entstehen, so hat die Sicherheitsbehörde das Betreten des Gefahrenbereiches zu verbieten und den Aufenthalt in ihm mit Verordnung zu verbieten und die Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. (2) Besteht an einem bestimmten Ort bereits eine allgemeine Gefahr im Sinne des Abs.1, so hat die Sicherheitsbehörde mittels Verordnung das Verlassen des Gefahrenbereiches anzuordnen, dessen Betreten zu untersagen und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ermächtigen, jedermann aus dem Gefahrenbereich zu weisen.

(3) Verordnungen gemäß Abs.1 haben Tag und Uhrzeit ihres Inkrafttretens zu bestimmen. Sie sind auf eine Weise kundzumachen, die geeignet erscheint, einen möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener zu erreichen, wie etwa durch Anschlag oder Verlautbarung in Medien. Sie sind aufzuheben, sobald eine Gefährdung nicht mehr zu befürchten ist, und treten jedenfalls drei Monate nach ihrem Wirksamwerden außer Kraft......... Die Erstbehörde erließ die Verordnung weil es - was unbestritten blieb - bereits Wochen vorher zu tätlichen Angriffen auch gegenüber Organgen der Erstbehörde gekommen ist. Ebenfalls waren durch das Verhalten der Aktivisten privatrechtliche Interessen in erheblichem Maß beeinträchtigt.

5.1.1. Die Verordnung weist Absatz 2 der Präambel auf "die Verhinderung einer allgemeinen Gefahr für das Leben, die Gesundheit mehrerer Menschen bzw. für das Eigentum" hin und begründet damit die Rechtmäßigkeit deren Erlassung. Unter § 1 Z1 wird sodann der Bereich des räumlichen Geltungsbereiches umschrieben, dessen Betreten - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - verboten wurde. Dieser ist hier mangels Strittigkeit der örtlichen Erstreckung nicht näher auszuführen. Im § 3 erklärt die Erstbehörde ein Verhalten gegen § 1, das Betreten des spezifischen Bereiches, als Verwaltungsübertretung nach § 84 Abs.1 Z1 SPG mit der darin vorgesehenen Strafdrohung. Im § 4 wird das Inkrafttreten der VO mit dem 27. März 1996 um 12.00 Uhr festgesetzt und die Kundmachung u.a. auch im Bereich des Baustellengeländes (Gefahrenbereich) angeordnet und das Inkrafttreten unmittelbar nach der Kundmachung zum Ausdruck gebracht.

5.2. Der Verfassungsgerichtshof hat etwa im Zusammenhang der Bestimmung des Artikels II, § 4 Abs.2, Verfassungsüberleitungsgesetz vom 7.12.1929, BGBl. Nr. 393/1929, in Zusammenhang mit § 15 Behördenüberleitungsgesetz, StGBl. Nr. 94/45 - dessen Außerkrafttreten der Berufungswerber offenbar übersehen hat - anerkannt, daß das Verhalten aus in der Vergangenheit bereits getätigter und für die Zukunft weiter angekündigten Protestaktionen, welche die Sicherheit von Menschen oder des Eigentums zu gefährden erwarten lassen und sich gegen die Fortsetzung des Baues einer vergleichbaren Baustelle richteten, zu bejahen sei (VfGH 20.6.1989, B73/88, mit Judikaturhinweisen). Auf Grund der Vorkommnisse vor Erlassung dieser Verordnung lagen genügend und ex ante besehen auch zwingende Gründe dafür vor, von dieser nunmehr auf die dem Sicherheitspolizeigesetz angelagerten Ermächtigung Gebrauch zu machen.

Es kommt daher bei der Rechtmäßigkeit des Platzverbotes nicht darauf an, von welchen Motiven die im hohen Ausmaß gewaltfreie Baustellenbesetzung begleitet gewesen sein mag. Das Platzverbot ist im gegenständlichen Fall zum Schutz der oben genannten gesetzlichen Interessen, nämlich zur ungehinderten Fortsetzung der Bauarbeiten und zur Vermeidung der mit den "Störaktionen" zu erwartenden Gefährdungen der Sicherheit von Menschen und des Eigentums Dritter erforderlich und auch angemessen zu erachten. An der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung werden demnach keine Bedenken gehegt. Das Verhalten des Berufungswerbers war daher nur unschwer unter diese Verbotsnorm zu subsumieren.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Der Berufungswerber verfügt laut glaubhaften Angaben als Student über kein nennenswertes Monatseinkommen. Er ist nicht sorgepflichtig und verfügt auch über kein Vermögen. Auf Grund der vorsätzlichen Begehungsweise ist von einem hohen Ausmaß an Tatschuld auszugehen. Die hier verhängte Geldstrafe, welche den gesetzlichen Strafrahmen ohnedies nur mit einem Drittel ausschöpft, scheint daher durchaus angemessen und ist unter Hinblick auf diese Art von Fehlverhalten im Rahmen des "Baustellenaktionismus" neben generalpräventiven Überlegungen auch aus spezialpräventiven Gründen erforderlich. Es war daher auch dem Eventualantrag der Erfolg zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Gefahrenabwehr, Baustellenbesetzung, ex-ante-Sicht

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