Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230663/2/Br

Linz, 26.03.1998

VwSen - 230663/2/Br Linz, am 26. März 1998 DVR. 0690329

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau R gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.2.1998, Zl. S - 41.496/97 2, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene verfahrensrechtliche Bescheid wird behoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4, § 59 Abs.1 und § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.471/1995 iVm § 24, 51 Abs.1 und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufungswerberin wurde von der Bundespolizeidirektion Linz mittels Strafverfügung vom 22.12.1997, Zl. S - 41.496/97 2, wegen einer Übertretung nach § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Z2 Fremdengesetz eine Geldstrafe von 2.000 S, im Nichteinbringungsfall vier Tage Ersatz-freiheitsstrafe verhängt, weil von Organen der Bundespolizeidirektion Linz am 14.12.1997 in Linz, im Lokal N, im Zuge einer Personenkontrolle festgestellt worden sei, daß sie sich als Fremde im Sinne des § 1 Abs.1 Fremdengesetz unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil ihr weder eine Bewilligung gem. § 1 des Aufenthaltsgesetzes noch von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt worden sei und ihr auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei.

2. Diese Strafverfügung wurde der Berufungswerberin am 22. Dezember 1997 bei eigenhändiger Übernahme im Polizeigefangenenhaus zugestellt.

2.1. Mit Schreiben ihres bevollmächtigten Vertreters vom 11. Jänner 1998, welches an diesem Tag noch per FAX an die Erstbehörde übermittelt wurde, erhebt die Berufungswerberin gegen diese Strafverfügung Einspruch und bestreitet die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und die Begehung der ihr angelasteten Verwaltungsübertretung. Im Einspruch führt sie auch aus, daß ihr während ihrer Anhaltung in Schubhaft die Strafverfügung einfach in die Hand gedrückt worden sei. Sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig und sei daher nicht in der Lage gewesen (gemeint wohl, nicht rechtzeitig), ein Rechtsmittel zu ergreifen. Daher habe sie den Terminverlust nicht zu vertreten. 2.1.1. Am 11. Februar 1998 erließ die Erstbehörde den hier angefochtenen Bescheid, wobei die Behörde darauf hinweist, daß die Einspruchsfrist mit Ablauf des 7. Jänner 1998 geendet hätte und der Einspruch erst am 11. Jänner 1998 per FAX übermittelt worden sei. Die Strafverfügung sei von der Berufungswerberin am 22. Dezember 1997 eigenhändig übernommen und ihr mit diesem Datum daher zugestellt worden.

2.2. Dieser Bescheid wurde dem bevollmächtigten Vertreter der Berufungswerberin am 13. Februar 1998 zugestellt.

2.2.1. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wird zur Frage der Verspätung ihres Einspruches abermals sinngemäß vorgebracht, daß ihr die Strafverfügung während ihrer Anhaltung in Schubhaft zugestellt worden sei. Sie habe die Zustellung unterschreiben müssen und habe den Inhalt mangels Mächtigkeit der deutschen Sprache nicht lesen können. Im Anschluß an die Schubhaft habe sie Österreich sofort verlassen müssen. Aus diesem Grunde sei sie nicht in der Lage gewesen rechtzeitig ein Rechtsmittel gegen diese Strafverfügung zu ergreifen.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Da sich die Berufung im Ergebnis inhaltlich nur gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung und einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung mangels eines diesbezüglichen gesonderten Antrages nicht anzuberaumen gewesen (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt. Daraus ergibt sich der für die Berufungsentscheidung wesentliche Sachverhalt. 4.1. An der Tatsache des objektiv verspätet erhobenen Einspruches bestehen wohl keine Zweifel und wird diese Verspätung unter Angabe von Gründen auch ausdrücklich von der Berufungswerberin zugestanden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hiezu erwogen:

5.1. Im Rahmen der umfassenden Kontrollbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates darf nicht übersehen werden, daß sich hier bereits aus dem Einspruch konkludent auch ein Wiedereinsetzungsantrag ableiten läßt. Der rechtlichen Intention der vorrangig materiellen Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit folgend ist diesbezüglich kein enger formalistischer Maßstab anzulegen, sondern gilt es den Sinn einer Eingabe als dessen Beurteilungskriterium heranzuziehen (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des Österr. VerwVerf, S 492 zitierte Jud.). Daher wäre auf Grund der doch sehr klaren diesbezüglichen Aussage der Berufungswerberin die Erstbehörde verhalten, die Voraussetzungen im Sinne des § 71 AVG zu prüfen und darüber abzusprechen. Diese Gesetzesbestimmung lautet: Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn: 1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder ...... (2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. (3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen. (4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat......

5.2. Gemäß § 59 Abs.1 AVG, welcher auch gemäß § 24 VStG in Verwaltungsstrafverfahren Anwendung zu finden hat, hat der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst getrennter deutlicher Fassung nur unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze zu erledigen. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.

5.2.1. Die Berufungswerberin gesteht in ihren o.a. Eingaben die Verspätung der Eingabe selbst zu und führt dazu im Ergebnis auch aus.

5.2.2. Sinngemäß kann aus § 72 Abs.3 AVG gefolgert werden, daß ein Abspruch betreffend die verspätete Zurückweisung eines Einspruches vor Erledigung des Antrages über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig ist, zumal im Falle der Bestätigung des zurückweisenden Bescheides durch die Berufungsbehörde die Sache, das ist die Strafverfügung, rechtskräftig und vollstreckbar würde.

5.3. Die Eingabe der Berufungswerberin vom 11. Jänner 1998 läßt - auch wenn ihr ein diesbezüglich konkreter Antrag ermangelt - wohl kaum einen Zweifel an der Aussage, daß sie sich an der Fristversäumung schuldlos fühle bzw. sie darlegte worin sie zwingende Hindernisse an der Fristwahrung vermeint (vgl. VwGH 20.3.1991, 91/02/0018). Ob es letztlich der Berufungswerberin tatsächlich objektiv nicht möglich war einerseits vom Inhalt der Strafverfügung Kenntnis zu erlangen und folglich ihr Recht zu wahren bzw ob sie daran ein Verschulden trifft, wird im Rahmen dieses durchzuführenden Verfahrens eine zu klärende Rechtsfrage sein.

Eine "Entscheidung" (hier in Form der ausstehenden Entscheidung) über den - wenn auch nicht konkret als solchen bezeichneten - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher unteilbar mit der Entscheidung über die Zurückweisung verbunden.

5.4. Der unabhängige Verwaltungssenat vermeint daher, daß die Erstbehörde vorerst über die Frage der Wiedereinsetzung abzusprechen haben wird.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r Beschlagwortung: konkludent, Formalismus

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