Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400891/4/BP/Mu/Se

Linz, 19.07.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des T G, StA der Russischen Föderation, dzt. im PAZ der Bundespolizeidirektion Steyr, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.              Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

 

 

II.            Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 22. Mai 2007, Zl. Sich 40-1880-2007, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs 2 Z. 2 und 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 99/2006, iVm § 80 Abs 5 FPG und iVm § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Steyr am selben Tag vollzogen.

 

Die belangte Behörde geht dabei von folgendem Sachverhalt aus: Der Bf sei gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Sohn am 16. Mai 2007 unter Umgehung der Grenzkontrolle schlepperunterstützt versteckt in einem Lkw von Polen kommend über eine unbekannte Reiseroute illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. In Linz sei er am 16. Mai 2007 einer Fremdenkontrolle unterzogen worden, wobei der illegale und unstete Aufenthalt festgestellt worden sei. Gleichzeitig habe er sowie seine Frau für sich und das Kind einen Asylantrag gestellt. Dabei habe er angegeben, völlig mittellos zu sein und einen Aufenthalt in Österreich aus eigenen Mitteln nicht finanzieren zu können, um daher staatliche Hilfe zu begehren. Im Rahmen einer Befragung durch die Polizeiinspektion Linz-Landhaus am selben Tag habe der Bf zu seinen Fluchtgründen angegeben, in Österreich Bezugspersonen zu haben, namentlich eine Schwester und einen Cousin sowie eine Schwester seiner Gattin, deren Aufenthaltsort er aber nicht kennen würde. Nachdem er am ersten Krieg in Tschetschenien teilgenommen habe, sei er in seinem Heimatland verfolgt worden und befürchte eine Geiselnahme seiner Frau, weswegen auch diese aus Russland habe flüchten müssen. Daher habe er gemeinsam mit seiner Familie im Februar dieses Jahres sein Heimatland verlassen und sei illegal in Polen eingereist. Im Rahmen einer Kontrolle seien der Familie die Reisepässe abgenommen worden, worauf ein Asylbegehren geäußert worden sei. Dies sei am 3. Mai 2007 gewesen. In der Folge sei die Familie in ein Flüchtlingslager in Lomez eingewiesen worden, in dem sich die Familie bis zum Auffinden eines Schleppers, der sie für 1.500 Euro versteckt in einem Lkw am 16. Mai 2007 nach Österreich geschleppt habe, zehn Tage aufgehalten habe. Das Asylverfahren sei erst im Anfangsstadium gewesen und noch keine Einvernahme erfolgt. An Polen sei der Bf nicht interessiert gewesen. Er habe zwar Unterkunft erhalten, jedoch kein Taschengeld. In seine Heimat könne der Bf unter keinen Umständen zurück, ebenso wenig nach Polen, da insbesondere seine Frau dort Angst vor Anhängern der russischen Besatzungsmächte habe. Eine Überprüfung der Fingerabdrücke habe ergeben, dass der Bf und seine Familie unmittelbar vor der illegalen Einreise nach Österreich ein Asylbegehren in Polen gestellt habe. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2007 habe ihnen das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West (BAA EAST-WEST) gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005 zur Kenntnis gebracht, dass Polen seit diesem Tag konsultiert und ein Ausweisungsverfahren nach Polen eingeleitet worden sei. Diese Mitteilung sei dem Bf am 22. Mai 2007 nachweislich in der Heimatsprache ausgefolgt worden. Die belangte Behörde sei von BAA gemäß § 27 Abs. 7 AsylG 2005 in Kenntnis gesetzt worden, dass gegen den Bf ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG eingeleitet worden sei. Nachdem der Bf in Polen bereits bekannt sei, sei bereits mit Schriftsatz vom 21. Mai 2007 der Übernahme gemäß dem Dublin II Abkommen zugestimmt und um Überstellung nach Warschau gebeten worden.

 

Mit dem oa. Bescheid sei am 22. Mai 2007 über den Bf Schubhaft verhängt worden, wobei zum Wohle seines Kindes diese Maßnahme für die Ehegattin als Mutter durch die Anwendung des gelinderen Mittels ersetzt und sie mit ihrem Kind in die Betreuungseinrichtung im GH E in T überstellt worden sei.

 

Begründend führt die belangte Behörde unter Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen u.a. aus, dass der Bf in Österreich keinen Bezug, insbesondere keine innigen und festen Kontakte besitze, da er den Aufenthaltsort seiner Bezugspersonen nicht einmal nennen könne. Zudem habe er eine eigene Kernfamilie, lebe seit Jahren ohne Kontakt zu den angesprochenen Bezugspersonen, wodurch Art. 8 MRK keine Anwendung finden könne. Die gleiche Ansicht vertrete auch das BAA EAST-WEST, welches seit 18. Mai 2007 die Familie betreffend Konsultationen mit Polen führe.

 

Der Bf sei völlig grundlos illegal aus Polen ausgereist, da dort keine Verfolgung drohe. Es liege klar auf der Hand, dass der Bf an Polen nicht interessiert sei und dort nur aufgrund seines Aufgriffs einen Asylantrag gestellt habe, um der Zurückschiebung nach Russland zu entgehen.  Es sei augenscheinlich, dass es nicht um Fluchtgründe gehe, da der Bf 1.500 Euro aufgewendet habe, um weitere illegale Grenzübertritte innerhalb der Europäischen Union zu begehen. Das wirtschaftliche Interesse des Bf drücke sich in der Aussage nach Polen nicht zurückkehren zu wollen, weil er dort kein Taschengeld erhalte, aus. Es sei daher zu erwarten, dass der Bf jedes Mittel ergreifen werde – auch das Untertauchen in die Illegalität –, um nicht nach Polen zurückkehren zu müssen. Dass der Bf Polen nur als Durchreiseland betrachtet habe, zeige sich allein schon darin, dass er dort nur um die Zurückschiebung in sein Heimatland zu verhindern, einen Asylantrag gestellt habe und noch bevor dieses Verfahren geführt werden hätte können, bereits illegal weitergereist sei. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass sich der Bf nach erhaltener Mitteilung über die beabsichtigte Ausweisung nach Polen – Polen habe bereits die Übernahme des Bf zugestimmt, eine Ausweisung stehe unmittelbar bevor – dem Verfahren entziehen und neuerlich in gewohnter Manier in die Illegalität abtauchen oder auch illegal Grenzen überschreiten werde würde, um seinen Aufenthalt in westlichen Wirtschaftsstaaten der Europäischen Union weiter fortsetzen zu können. Mit seinem Verhalten zeige der Bf unzweifelhaft, dass er an keine Öffentlichkeiten gebunden sei. Er könne keine Barmittel oder ein geregeltes Einkommen nachweisen, gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach, sei weder sozial noch beruflich integriert, halte sich auch erst seit 16. Mai 2007 unsteten Aufenthalts im Bundesgebiet auf und scheine auch keine Rücksicht auf sein erst 2 1/2-jähriges Kind, mit dem er schlepperunterstützt nach Österreich eingereist sei, zu nehmen. Der vorliegenden Fluchtgefahr zur Folge sei die Verhängung der Schubhaft unbedingt erforderlich gewesen. Das gelindere Mittel sei aus sozialen Gründen zwar für die Ehegattin und das Kind angeordnet worden. Bis zur Information über die beabsichtigte Zurückweisung nach Polen habe bislang auch von der Verhängung der Schubhaft gegen den Bf abgesehen werden können, was sich nun durch die vorliegende Zustimmung der Republik Polen zur Übernahme des Bf geändert habe. Die Verhängung der Schubhaft gegen den Bf bei gleichzeitiger Anordnung gelinderer Mittel gegen seine Ehegattin sei keinesfalls als Geiselhaft zu betrachten, da die Gewährung des gelinderen Mittels rein im Interesse des minderjährigen Kindes erfolgte und die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft auch gegen die Ehegattin vorliegen würden. Eine genaueste Einzelfallprüfung bedinge die Verhängung der Schubhaft gegen den Bf und schließe aufgrund des hohen Sicherungsbedarfs die Anwendung gelinderer Mittel aus.

 

1.2. Mit Bescheid vom 9. Juli 2007 wurde vom BAA gemäß § 5 AsylG der Asylantrag des Bf als unzulässig zurückgewiesen. Gegenständlicher Bescheid ist durchsetzbar.

 

1.3. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf mit Schriftsatz vom 18. Juli 2007 Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und stellt darin den Antrag, der UVS des Landes Oberösterreich möge seine Anhaltung in der Schubhaft ab 22. Mai 2007 gemäß § 51 AsylG für rechtswidrig erklären.

 

Begründend führt der Bf u.a. aus, dass er Invalide sei und eine Beinprothese trage. Er müsse täglich Schmerzmittel nehmen, weil diese Prothese nicht mehr passe. In der Schubhaft bekomme er nicht die erforderliche Behandlung und habe nicht die Möglichkeit sein Bein entsprechend zu pflegen. In Österreich würden seine Verwandten leben – seine Schwester, die in Österreich schon als Flüchtling anerkannt sei und in Linz wohne, sein Cousin, wie auch seine Tante, seien ebenfalls in Österreich wohnhaft.  Mit allen habe er regelmäßig Kontakt.  In seinem Fall sei die Anwendung eines gelinderen Mittels geboten, insbesondere im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand. Vor allem bezieht sich der Bf auf das familiäre Zusammenleben mit seiner Ehegattin und seinem Kind, über die ebenfalls das gelindere Mittel angeordnet worden sei.

 

Die Annahme der belangten Behörde er würde sich dem Verfahren entziehen, weil er sich dem Verfahren in Polen entzogen habe, sei unbegründet. Es bestehe keine Fluchtgefahr. Er habe in Österreich Verwandte und sei daher sehr wohl am Ausgang des Asylverfahrens interessiert und wolle dieses auch abwarten. Überdies verletze ihn die Schubhaft in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit.

 

2.1. Mit Schreiben vom 18. Juli 2007 legte die belangte Behörde den Bezug habenden Akt vor, beantragte, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Und erstattete eine Gegenschrift.

 

Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass sich die Ehefrau und das Kind des Bf mittlerweile aus dem gelinderen Mittel entfernt hätten, ihren Aufenthalt verschweigen würden, weshalb auch über die Ehegattin – wie sich nun zeigt – die Schubhaft hätte verhängt werden müssen. Im Besonderen verweist die belangte Behörde auf die fremdenpolizeilichen Unterlagen, die niederschriftliche Einvernahme, die Angaben des Bf im Bezug auf eine drohende Überstellung nach Polen, den bekämpften Bescheid und auf das Entfernen seiner Gattin mit ihrem Kind aus den gelinderen Mittel.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1.1. sowie 1.2. dargestellten und auch vom Bf nicht widersprochenen entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2006, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.      wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.      wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.      wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 22. Mai 2007 zur Zeit in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.      gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.      gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.      gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.      aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Aufgrund des Asylantrags vom 16. Mai 2007 ist der Bf Asylwerber, weshalb die Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG grundsätzlich zur Anwendung kommen kann. Der Bf reiste wie aus dem Sachverhalt eindeutig hervorgeht von Polen kommend – somit von einem sicheren Drittstaat – nach Österreich ein, weshalb die belangte Behörde aufgrund der Mitteilung des BAA EAST-West gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG vom 18. Mai 2007 zu Recht von der Anwendbarkeit des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG ausging, nämlich dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen wird. Dies wird aus dem Bescheid des BAA vom 9. Juli 2007 deutlich, mit dem auch der Asylantrag des Bf als unzulässig gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen wurde. Die Republik Polen hat bereits mit Schreiben vom 21. Mai 2007 der Übernahme des Bf zugestimmt, weshalb sowohl § 76 Abs. 2 Z. 2 als auch Z. 4 FPG grundsätzlich zur Anwendung kommen können.

 

Nachdem die Republik Polen der Übernahme des Bf bereits zustimmte, ist auch das Erfordernis der Erreichbarkeit des Ziels der Schubhaft gegeben.

 

3.4. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen wird.

 

Wie unter Pkt. 1.1 dargestellt, wendete der Bf seine gesamten Ressourcen sowohl persönlich als auch wohl finanziell dafür auf, um in einen für ihn wirtschaftlich attraktiven Staat der Europäischen Union zu gelangen, um dort mit seiner Familie aufhältig zu sein. Dass es ihm nicht auf die Erlangung bloß seines Asyls für sich und seine Familie ankam, bewies er dadurch, dass er in Polen "notgedrungen", als er bei einer Grenzkontrolle aufgegriffen wurde, einen Asylantrag stellte, um sich zumindest kurzfristig einen dortigen Aufenthalt zu sichern, der allerdings nur der Organisation der Weiterreise diente. Wäre es dem Bf nur auf die Sicherheit für sich uns seine Familie angekommen, hätte er zweifellos das Asylverfahren in Polen, das gerade im "Anfangsstadium" war, abgewartet. Weiters ist festzustellen, dass die vorgebliche Befürchtung seiner Gattin, auch in Polen verfolgt zu werden, völlig aus der Luft gegriffen erscheint. Ausschlaggebender dürfte da schon die Tatsache gewesen sein, dass er in Polen kein Taschengeld erhielt. Ginge es nur um die Erlangung von Asylen würde auch die doch erhebliche Summe von 1.500 Euro für den Bf als frustrierte Aufwendung anzusehen gewesen sein. Es ist davon auszugehen, dass der Schlepperlohn jedoch als "Eintrittspreis" in einen wirtschaftlichen attraktiven Staat der Europäischen Union diente. Dieses Ziel verfolgte der Bf ohne jede Rücksichtnahme auf sein 2 1/2-jähriges Kind und auch ohne Rücksichtnahme auf sein invalides Bein. Weder für ein Kleinkind noch für eine invalide Person ist eine strapazenreiche Reise – versteckt in einem Lkw – als zumutbar zu betrachten. Solche Unbillen in Kauf zu nehmen, obwohl man bereits in einem sicheren Drittstaat ist, deuten eindeutig daraufhin, dass von vornherein Zielland eben ein wirtschaftlich attraktives war. Die Tatsache, dass z.B. eine Schwester des Bf in Österreich untergekommen ist, dürfte ausschlaggebend für die Wahl Österreichs als Zielland gewesen sein, da der Bf anscheinend sich den gewünschten Lebensstandard hier erhofft. Aus den verschiedenen Niederschriften, die mit dem Bf aufgenommen wurden, geht eindeutig hervor, dass er auf keinen Fall nach Polen überstellt werden will. Von einer sozialen und beruflichen Integration kann – der belangte Behörde folgenden – im Falle des Bf nicht ausgegangen werden. Seit der Mitteilung über die Bereitschaft der Republik Polen der Rückübernahme seiner Familie besteht – ebenfalls der belangten Behörde folgend – ein extrem hoher Sicherheitsbedarf. Der Bf merkt in seiner Schubhaftbeschwerde an, dass die Verhängung eines gelinderen Mittels in seinem Fall geboten gewesen wäre und kein Sicherheitsbedarf bestehe. Er wolle mit seiner Familie gemeinsam dieses gelindere Mittel genießen. Allein dadurch schon ist das Vorgehen der belangten Behörde jedoch gerechtfertigt, da die Ehegattin mit ihrem Kind mittlerweile in die Illegalität untergetaucht ist und es daher nicht zu erwarten ist, dass der Bf diesem Schritt nicht folgen würde und ohne seine Familie im gelinderen Mittel verharren würde.

 

Für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine medizinische Versorgung im PAZ Steyr nicht gewährleistet sein soll, da es dort grundsätzlich eine ärztliche Betreuung gibt.

 

Es muss im Falle des Bf daher von einem besonders hohen Sicherungsbedarf ausgegangen werden.

 

3.5. Die Verhängung der Schubhaft ist verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.6. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs. 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Wie oben dargestellt, besteht im Fall des Bf eindeutig ein konkreter Sicherungsbedarf, weshalb auch die Anwendung gelinderer Mittel auszuschließen war.

 

3.7. § 80 Abs. 5 FPG bringt eindeutig zum Ausdruck, dass die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, wenn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 leg. cit. verhängt wurde.

 

Diese Bestimmung ist auch im konkreten Fall anwendbar. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates ist überdies noch nicht einmal die gemäß § 80 Abs. 2 FPG normierte Frist von zwei Monaten verstrichen, weshalb auf die Dauer der Anhaltung hier nicht weiter einzugehen ist.

 

Wie oben dargestellt, wurde die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 und 4 FPG verhängt. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch eine weitere Anhaltung bis zu dem im Gesetz normierten Zeitpunkt zulässig.

 

Im Ergebnis ist nach einer konkreten Einzelfallprüfung festzustellen, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG zurecht erfolgte und auch eine weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft rechtmäßig ist.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs 1, Abs 3 und Abs 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro, Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

 

Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum