Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280968/5/Kl/Pe

Linz, 17.07.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorates Wels, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 2.2.2007, Ge96-7-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2 und 3 und 51 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 2.2.2007, Ge96-7-2006, wurde das Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn K L wegen einer angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 35 Abs.1 Z5 iVm § 130 Abs.1 Z16 ASchG, dass er als Arbeitgeber des Herrn W M zu verantworten habe, dass dieser am 30.1.2006 gegen 13.15 Uhr in einem Tischlereibetrieb in, an der Mehrblattkreissäge der Maschinenfabrik A J & Co GmbH, Type ABM-hII, Nr. 780 Baujahr 1956, beschäftigt war, wobei die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig waren und daher Herr W M einen Arbeitsunfall erlitt, obwohl Arbeitsmittel nicht benützt werden dürfen, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind, gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt. In der Begründung wurde in der Sachverhaltsdarstellung insbesondere auf das im gerichtlichen Strafverfahren vom Bezirksgericht Peuerbach eingeholte Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten sachverständigen Zivilingenieur für Maschinenbau DI H P Bezug genommen, wonach die Maschine auf den ersten Blick einen für dieses Alter gepflegten Eindruck mit kleinen Mängeln machte und die Elemente der Greiferrückschlagsicherung und Splitterfangvorrichtung größtenteils beweglich und scharf und somit funktionstüchtig waren. Es wurde allerdings bemängelt, dass die Lagerung einzelner Elemente derart ist, dass ein kleiner Bereich nicht erfasst wird. Einzelne Elemente der oberen und unteren Splitterfangeinrichtung sind nicht leichtgängig, sodass sie nicht selbsttätig in die Arbeitslage zurückstellen. Einige Elemente sind verbogen bzw. stumpf, andere Elemente haben ihre Aufgabe planmäßig erfüllt. Gutachtlich wurde daher im Wesentlichen ausgeführt, dass die Maschine grundsätzlich bereits so gebaut ist, wie auch heute noch Vielblattkreissägen aufgebaut sind; bei Maschinen die nach der seit 1.2.2002 gültigen Norm gebaut werden, ist der Splitterschutz durch Abdeckhauben verbessert. Aus einer Schemadarstellung einer modernen Vielblattkreissäge ist zu erkennen, dass die begutachtete Maschine dem dargestellten Schema entspricht. Trotz vorhandener Sicherheitseinrichtungen bestehen bei allen Maschinen Restrisiken, die ihrer Gefährdung nach in Gefährdungsstufen eingeteilt sind. Die Leisten wurden mit großer Wahrscheinlichkeit zufolge des Zwischenraums der Rückschlagsicherungen oder aufgrund fehlender Leichtgängigkeit eines Elementes zurückgeschleudert.

Mit dem Schreiben vom 25.7.2006 hat das Bezirksgericht Peuerbach der belangten Behörde mitgeteilt, dass das Verfahren gegen Herrn K L betreffend des Arbeitsunfalles wegen § 88 Abs.1 und 4 StGB gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt wurde. Ergänzend dazu wurde am 19.10.2006 telefonisch bekannt gegeben, dass im gerichtlichen Strafverfahren auch geprüft worden sei, inwieweit Pflichtverletzungen des Arbeitgebers im Hinblick auf die Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen dafür Ausschlag gebend waren, dass es zum Arbeitsunfall des Herrn W M gekommen ist. Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass die Kreissäge mit den erforderlichen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet war, daher Sorgfaltsverletzungen und somit ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers nicht vorliegen, weshalb die Einstellung des Verfahrens zu verfügen war.

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde daher dargelegt, dass sich der Tatvorwurf entsprechend dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates Wels ausdrücklich danach richtet, dass die Funktionsfähigkeit der Schutz- und Sicherheitseinrichtungen an der Mehrblattkreissäge nicht gegeben gewesen sei. Ein dahingehender Vorwurf, dass die Maschine verwendet wurde, obwohl Beschädigungen festzustellen waren, die die Sicherheit beeinträchtigen können, wurde Herrn L nicht zur Last gelegt. Da der Sachverständige die Elemente der Greiferrückschlagsicherung und Splitterfangvorrichtung als größtenteils beweglich und scharf und somit funktionstüchtig bezeichnete, war der Tatvorwurf nicht gegeben. Die weiters vom Sachverständigen festgestellten Mängel, dass einzelne Elemente nicht leichtgängig sowie verbogen bzw. stumpf waren, lassen nicht den Schluss zu, dass die Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen nicht mehr gegeben gewesen wäre. Auch der Hinweis, dass die Leisten mit großer Wahrscheinlichkeit zufolge des Zwischenraums der Rückschlagsicherung und aufgrund fehlender Leichtgängigkeit eines Elementes zurückgeschleudert wurde, ist nicht geeignet zu beweisen, dass eine mangelnde Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen die Ursache für den Arbeitsunfall war.

Schließlich verweist die belangte Behörde auch darauf, dass bereits das Gericht unter dem Aspekt der Verletzung von arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen den Sachverhalt geprüft hat und ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers nicht festgestellt hat.

 

2. Dagegen wurde vom Arbeitsinspektorat Wels rechtzeitig Berufung eingebracht und diese damit begründet, dass im Strafverfahren dem Beschuldigten nicht vorgeworfen wurde, den Arbeitsunfall verschuldet zu haben, sondern es wurde ihm ein Verstoß gegen § 35 Abs.1 Z5 ASchG vorgeworfen. Für die Strafbarkeit ist irrelevant, ob sie die Ursache für den Arbeitsunfall war. Zur Feststellung der Funktionsfähigkeit der Schutz- und Sicherheitseinrichtungen einer Kreissäge bedarf es keines Sachverständigengutachtens, sondern ist unmittelbar vor Inbetriebnahme durch einfaches Schauen bzw. Tasten zu prüfen, ob ordnungsgemäß alle Elemente leichtgängig sind. Ist dies nicht der Fall, sind die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig. Wenn die Bezirkshauptmannschaft aufgrund des Sachverständigengutachtens feststellt, dass die Elemente größtenteils funktionstüchtig waren, reicht das nicht, weil bereits einzelne funktionsuntüchtige Elemente die gesamte Sicherungseinrichtung funktionsuntüchtig machen. Der Arbeitgeber hätte also dafür sorgen müssen, dass die Kreissäge nicht benutzt wird. Im Übrigen wurde auf § 5 Abs.1 VStG hingewiesen, wonach im Verwaltungsstrafrecht fahrlässiges Verhalten ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Beschuldigten nicht konkrete Tatsachen eigeninitiativ vorgebracht werden, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um unter vorhersehbaren Umständen die Verletzung der betreffenden Arbeitnehmerschutzvorschriften zu vermeiden. Ein solches Vorbringen wurde nicht gemacht. Im Übrigen sei eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes auszuschließen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat dem Beschuldigten Parteiengehör eingeräumt und hat dieser auf seine bisherigen Äußerungen verwiesen.

Weil lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, der Sachverhalt nicht angefochten wird und eine öffentliche mündliche Verhandlung von den Parteien nicht beantragt wurde, konnte von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat legt als erwiesen zugrunde:

 

In der Anzeige des Arbeitsinspektorates Wels vom 2.2.2006 wurde bei der Erhebung durch den Arbeitsinspektor am 30.1.2006 um 16.30 Uhr festgestellt, dass bei der Maschine (Mehrblattkreissäge) die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig waren. Arbeitsmittel dürfen nicht benutzt werden, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind. Es wurde somit der § 35 Abs.1 Z5 ASchG übertreten. Gleichzeitig wurde auf eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wels hingewiesen.

Dem Bericht der Polizeiinspektion Neumarkt/Hausruck vom 26.4.2006 an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Peuerbach ist zu entnehmen, dass das Arbeitsinspektorat Wels fernmündlich vom Arbeitsunfall in der Tischlerei in Kenntnis gesetzt wurde und am Unfallstag am Nachmittag mit der Sachverhaltsermittlung in der Tischlerei begann und „vor Ort keine Mängel an der Mehrblattkreissäge von der Maschinenfabrik A J & Co GmbH, Type ABM-hII, Nr. 780, Baujahr 1956, feststellen konnte. … Für die Freigabe der Mehrblattkreissäge wird ein technisches Gutachten benötigt. Weiters wurde festgestellt, dass die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente fehlten und für die Mehrblattkreissäge keine Gefahrenanalyse besteht bzw. nicht geschult wurde.“

Dem vom Bezirksgericht Peuerbach eingeholten Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten sachverständigen Zivilingenieur für Maschinenbau DI H P ist im Befund zu entnehmen, dass die Elemente der Greiferrückschlagsicherung und Splitterfangvorrichtung größtenteils beweglich und scharf und somit funktionstüchtig waren, wobei allerdings zu bemängeln ist, dass die Lagerung einzelner Elemente derart ist, dass ein kleiner Bereich nicht erfasst wird. Weiters sind einzelne Elemente der oberen und unteren Splitterfangeinrichtung nicht leichtgängig, sodass sie nicht selbsttätig in die Arbeitslage zurückstellen; einige Elemente sind verbogen bzw. stumpf, andere Elemente haben ihre Aufgabe planmäßig erfüllt. Im Gutachten wird daher dargelegt, dass die Maschine grundsätzlich bereits so gebaut ist, wie auch heute noch Vielblattkreissägen (Mehrblattkreissägemaschinen) aufgebaut sind. … Aus der Schemadarstellung ist zu erkennen, dass die begutachtete Maschine dem dargestellten Schema entspricht. Trotz der Sicherheitseinrichtungen bestehen bei allen Maschinen Restrisiken, die ihrer Gefährdung nach in Gefährdungsstufen eingeteilt sind. Diese Restrisiken müssen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen beurteilt und bewertet werden (Evaluierung). Es wird auf die Berufsgenossenschaft Holz hingewiesen, die das Restrisiko für eine Vielblattkreissäge mit Gefährdungsstufe II festlegt und Vorschläge macht, wie diese Restrisiken verringert werden können. Im Gutachten wird daher dargelegt, dass beim gewissenhaften Erstellen und Umsetzen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokuments die Restrisiken erkannt hätten werden müssen.

Das Bezirksgericht Peuerbach hat mit Mitteilung vom 25.7.2006 das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen § 88 Abs.1 und 4 StGB am 1.6.2006 gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt.

Der Beschuldigte verweist im Zuge des Strafverfahrens darauf, dass stets sämtlichen Forderungen des Arbeitsinspektorates nachgekommen wurde, eine Sicherheitsvertrauensperson installiert wurde und auch seitens der AUVA regelmäßig Betriebsbesuche und Unterweisungen stattfanden, Beanstandungen der verwendeten Mehrblattkreissäge aber nicht stattfanden, sodass mit Recht davon ausgegangen werden konnte, dass diesbezüglich kein besonderer Handlungsbedarf besteht. Auch dem gerichtlich beeideten Sachverständigen war die Unfallursache nach einer ersten Besichtigung nicht klar und musste er die Kreissäge zweimal begutachten. Der Arbeitsunfall sei daher auf unglückliche Umstände zurückzuführen, die nicht beeinflusst werden können.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 35 Abs.1 Z5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 22/2002, haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:

Arbeitsmittel dürfen nicht benutzt werden, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können, oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Sowohl in der Anzeige des Arbeitsinspektorates Wels wie auch in der innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung als Verfolgungshandlung wird dem Beschuldigten vorgeworfen, dass ein Arbeitnehmer seines Unternehmens ein Arbeitsmittel benutzt hat, obwohl Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig waren. Abgesehen von diesen verba legalia, die dem obzit. § 35 Abs.1 Z5 ASchG entnommen wurden, enthält weder der Vorwurf in der Anzeige noch der Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung eine nähere Konkretisierung dahingehend, welche Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig waren bzw. wodurch sie nicht funktionsfähig waren. Da die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist aber bereits verstrichen ist, ist eine entsprechende Ergänzung im Tatvorwurf nunmehr nicht mehr möglich. Insbesondere ist entsprechend den Berufungsausführungen eine Ergänzung dahingehend nicht mehr möglich, dass die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen deshalb nicht funktionsfähig waren, weil nicht alle Elemente leichtgängig waren. Auch ein Vorwurf, dass einzelne funktionsuntüchtige Elemente gegeben waren, die die Sicherungseinrichtungen funktionsuntüchtig machen, kann außerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht ergänzt werden. Gleiches gilt für die Konkretisierung, dass Elemente verbogen oder stumpf waren. Auch dies wurde nicht rechtzeitig zum Tatvorwurf gemacht. Es ist daher schon unter diesem Aspekt Verfolgungsverjährung eingetreten und war daher ein Einstellungsgrund gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG gegeben.

 

5.2. Darüber hinaus ist aber auch den Ausführungen der belangten Behörde in ihrem angefochtenen Bescheid beizupflichten, dass das Gericht die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen – wenngleich auch als Voraussetzung für die Ursächlichkeit für ein strafbares Verhalten nach dem StGB – als Verletzung jener Schutznorm, die bei Einhaltung das strafbare Verhalten vermieden hätte, bereits geprüft hat, und diese Prüfung auch ihrer Entscheidung, das Verfahren einzustellen, zugrunde gelegt hat. Grundlage dieser Entscheidung war ein Gutachten des Gerichtssachverständigen, dass die Elemente der Greiferrückschlagsicherung und Splitterfangvorrichtung funktionstüchtig waren. Es kann daher eine Funktionsuntüchtigkeit der Sicherungsvorrichtungen daraus nicht abgeleitet werden. Hingegen kann aus den weiters vom Sachverständigen im Befund dargelegten Mängel eine solche Schlussfolgerung nicht gezogen werden, zumal der Gutachter selbst in seinem Gutachten daraus keine Schlüsse im Hinblick auf Sicherheitsmängel zieht. Vielmehr stellt er in seinem Gutachten fest, dass die Maschine grundsätzlich bereits so gebaut ist, wie auch heute noch Vielblattkreissägen aufgebaut sind. Auch verweist er darauf, dass trotz der – vorschriftsgemäßen – Sicherheitseinrichtungen bei allen Maschinen Restrisiken bestehen. Wie bereits im Bericht der Polizeiinspektion geht auch im Gutachten dann hervor, dass eine Evaluierung nicht stattgefunden hat bzw. Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente nicht vorhanden waren, die diese Restrisiken erkannt hätten. Ein dahingehender Tatvorwurf wurde aber weder in der Anzeige des Arbeitsinspektorates noch von der belangten Behörde gemacht. Es hat daher die belangte Behörde zu Recht unter Zugrundelegung des ausgeführten Gutachtens eine Funktionsuntüchtigkeit der Sicherheitseinrichtungen nicht festgestellt. Insbesondere war auch aus der Anzeige und dem daraus abgeleiteten Tatvorwurf eine entsprechende Umschreibung einer Funktionsuntüchtigkeit nicht ersichtlich.

 

5.3. Darüber hinaus aber wird dem berufenden Arbeitsinspektorat entgegengehalten, dass – wie unter Punkt 5.2. bereits ausgeführt – genau jene Schutzvorschriften in den Arbeitnehmerschutzbestimmungen und genau jenes Verhalten des Beschuldigten im strafgerichtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Peuerbach einer Prüfung unterzogen wurden, die nunmehr auch Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens sind. Mit einer nochmaligen Überprüfung des selben Sachverhaltes unter dem selben Aspekt der Nichteinhaltung von Schutznormen wird aber genau jener Tatbestand des Art.4 Abs.1 des siebten Zusatzprotokolles zur EMRK erfüllt, wonach jemand nicht noch einmal vor einer Behörde oder einem Gericht wegen ein und desselben Sachverhaltes zur Verantwortung gezogen werden darf, der bereits von einer anderen Behörde oder einem anderen Gericht verfolgt oder bestraft wurde. Das Bezirksgericht Peuerbach hat das selbe Verhalten des Beschuldigten unter den selben Umständen bereits verfolgt, allerdings gemäß § 90 Abs.1 StPO von einer weiteren Verfolgung Abstand genommen, weil Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht verletzt wurden. Eine weitere nochmalige Verfolgung durch die Verwaltungsstrafbehörde und erst recht eine Bestrafung ist daher ausgeschlossen.

Dazu wird im Walter-Thienel, Verwaltungsstrafverfahren, Manz, 2. Auflage, S.416, ausgeführt: „Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art.4 Abs.1 7. ZPMRK einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, kann nur darin liegen, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Deliktes in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein – und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird.“

„In Fällen, in denen wie hier eine Handlung gesetzt wird, die sowohl unter die Strafdrohung des § 130 Abs.5 Z1 bzw. Abs.1 Z15 oder Z16 ASchG als auch unter die des § 80 bzw. § 88 StGB fällt, wird zwar in der Regel davon auszugehen sein, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung gemäß § 80 bzw. § 88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z1 bzw. Abs.1 Z15 oder Z16 ASchG vollständig erschöpft. Weder aus dem Wortlaut des § 130 ASchG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des ASchG ergibt sich aber, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 130 ASchG die Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber ausgeschlossen wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer – soweit möglich – verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten. Weder der bloße Wegfall der Subsidiaritätsklausel noch die von den UVS ins Treffen geführte offenbar bewusste Bedachtnahme auf mit der Verwaltungsübertretung zugleich auftretende Arbeitsunfälle oder Gesundheitsschäden in den Materialien zum ASchG lassen eindeutig darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Doppelbestrafung normieren wollte (VfGH 7.10.1998, G51/97. G26/98).“

 

Aus all den angeführten Gründen war daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens mittels Bescheid durch die belangte Behörde zu bestätigen.

 

6. Mangels eines Strafausspruches entfällt auch ein Kostenbeitrag.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Doppelbestrafung Tatkonkretisierung

 

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