Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-340003/7/Br

Linz, 07.12.1995

VwSen-340003/7/Br Linz, am 7. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H R, F gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 9. Oktober 1995, Zl.

Agrar96-119-1995-Li, wegen der Übertretung des O.ö.

Jagdgesetzes, nach der am 7. Dezember 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben als unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr.

51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem o.a.

Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 20.12.1994 gegen 10.00 Uhr in der Ö, Abt. im Ortschaftsgebiet von F in der Nähe von "L" einen IIIer-Bock während der Schonzeit erlegt habe.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde aus:

"Die Ihnen umseits zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ist aufgrund der Erhebungen des Gendarmeriepostenkommandos Aspach als erwiesen anzunehmen.

Ihr strafbares Verhalten wurde Ihnen mit ha. Schreiben vom 2.6.1995 nachweislich zur Kenntnis gebracht. Hiezu führten Sie in Ihrer Rechtfertigung vom 9.6.1995 an, daß der Vorwurf, Sie hätten am 20.12.1994 in der Abt Ihres Försterdienstbezirkes einen III-er Bock angeschossen, richtig sei.

Sie hatten diesen abgeworfenen Jahrling, der etwas verdeckt stand, für ein Ihnen bekanntes Bockkitz gehalten und daher irrtümlicherweise beschossen. Die damit verbundene Schonzeitenübertretung sei Ihnen zum Zeitpunkt der Schußabgabe nicht bewußt gewesen.

Hiezu ist nun folgendes festzustellen:

Gemäß § 93 Abs. 1 lit. h OÖ. Jagdgesetz 1964 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer während der Schonzeit Tiere der geschonten Wildgattung jagt, fängt oder tötet.

Gemäß § 1 Abs. 1 Schonzeitenverordnung dürfen III-er Böcke vom 1. Oktober bis 15 Mai weder gejagt noch gefangen noch getötet werden.

Zu Ihrer Behauptung, Sie hätten den III-er Bock für ein Bockkitz gehalten, ist anzuführen, daß laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Schuß zu unterlassen ist, wenn die Sichtverhältnisse ein richtiges Ansprechen des Wildes nicht ermöglichen (VwGH 12.12.1963, 441/63).

Die für die Altersschätzung in freier Wildbahn unzweifelhaft möglichen Schwierigkeiten verlangen vom Jäger besondere Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit; und beim geringsten möglichen Zweifel hat ein Abschuß zu unterbleiben (VwGH 12.12.1963, 441/63; 16.1.1964, 200/63; Vf 22.6.1977, B 409/75).

Nach den von Ihnen getätigten Angaben hätten Sie eine Schußabgabe unterlassen müssen, bis Sie Gewißheit über das Alter des Wildes hatten. Dies haben Sie nicht getan und haben Sie damit schuldhaftes Handeln zu verantworten und war somit aufgrund der bestehenden Sach- und Rechtslage spruchgemäß zu entscheiden. Hiebei wurde auf die Bestimmungen des S 19 VStG 1991 Bedacht genommen. Das angewandte Strafausmaß erscheint unter Berücksichtigung Ihrer Einkommens-, Vermögens- und, Familienverhältnisse (ca.

S 23.000,-- mtl. Nettoeinkommen, kein Vermögen Sorgepflichten) und im Hinblick auf den vorgegebenen Strafrahmen von bis zu S 30.000,-- dem Unrechtsgehalt der Übertretung angepaßt und schuldangemessen zu werten.

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens stützt sich auf die angeführte gesetzliche Bestimmung." 2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung und seiner per Schreiben vom 14. November 1995 nachgereichten schriftlichen Ergänzung.

Darin führt er nachfolgendes aus:

"Wegen der Geringfügigkeit meines Fehlverhaltens und der mir von der BH bescheinigten Unbescholtenheit halte ich die Verhängung einer Geldstrafe für unangemessen. Ich meine, daß in diesem Fall Anspruch auf Ermahnung bestanden hätte.

Darüber hinaus empfinde ich es als unannehmbare Willkür, wenn die BH in meinem Fall seitenlang mich bestraft, während gleichgelagerte Fälle unverfolgt bleiben.

Auf die Gründe dieser Ungleichbehandlung ist die BH in ihren Ausführungen nicht eingegangen.

Ich ersuche daher abschließend um eine Entscheidung, die sich nicht an 30 Jahre alten VwGH - Erkenntnissen orientiert, sondern der neuen Abschußplanverordnung Rechnung trägt, in der auf die vorrangige Bedeutung der Erfüllung der Abschußpläne hingewiesen wird.

Hochachtungsvoll H R (e.h. Unterschrift)." 2.1. Schreiben vom 14.11.1995:

"In Ergänzung meiner Berufung vom 18. 10. 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 9. 10. 1995, Agrar 96-119-1995-Li, bringe ich noch vor:

Ich habe schon bei meiner Rechtfertigung gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 9.10.1995 auf das Bemühen um die Abschußplanerfüllung hingewiesen. Diese Abschußplanerfüllung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Zielsetzungen der neuen Abschußplanverordnung, nämlich daß die Waldbestände einschließlich der Weißtanne und der Laubhölzer durch Naturverjüngung oder Aufforstung ohne Flächenschutz gesichert aufwachsen können. Wie sich auch aus einem Schreiben des Amtes der 0.ö. Landesreg. Agrar- und Forstrechtsabt. vom 6. 6. 1995, Agrar 480052-1995-I-Mü, ergibt, wurde für die Regiejagd F die Beurteilungsstufe II und für die Eigenjagd B die Beurteilungsstufe I festgelegt.

Diese Festlegung erfolgte nach einer für die Bundesforste überraschenden Abänderung des Abschußplanes für das Jagdjahr 1994/95 bei der Eigenjagd B.

Diese nach der normalen Schußzeit am 15. Februar 1995 erfolgte Abänderung des Abschußplanes führte dazu, daß dem deutschen Jagdpächter R H nachträglich das Nichterfüllen des Abschußplanes um 11 von 13 Stk. Rehwild behördlich sanktioniert wurde.

Das erwähnte Schreiben der Agrar- und Forstrechtsabteilung geht auf eine Kritik der 0. ö. Umweltanwaltschaft zurück, bei der befürchtet wurde, daß die Zielsetzungen der neuen Abschußplanverordnung mit einer derartigen behördlichen Vorgangsweise zunichte gemacht werden. Aus dem erwähnten Schreiben geht auch hervor, daß sowohl in der größeren Regiejagd F als auch in der kleineren Pachtjagd B eine sehr ähnliche Verbißsituation und somit eine Gefährdung der Weißtanne durch Wildverbiß von der Landesjagdbehörde festgestellt wurde. Diese Feststellung erfolgte nach der Festlegung der Beurteilungsstufe I für die Eigenjagd B und der Beurteilungsstufe II für die Regiejagd F durch den forsttechnischen Dienst der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn.

Damit möchte ich zusammenfassend zu meiner Rechtfertigung anführen, daß die Verbißsituation in der Regiejagd F, in der ich den III - Bock erlegt habe zu einer konsequenten Abschußplanerfüllung im öffentlichen Interesse der Walderhaltung zwingt.

Dieses öffentliche Interesse an der Herstellung einer ökologisch und wirtschaftlich tragbaren Wilddichte darf meines Erachtens nicht dazu führen, daß irrtümlicher Fehlabschuß geahndet wird.

Dieser Fehlabschuß wurde keinesfalls vorsätzlich, geschweige den fahrlässig durchgeführt und beruht auf einem Irrtum.

Meines Erachtens trifft nicht einmal die geringste Form von Fahrlässigkeit zu, weil ich diesen Fehlabschuß auch nicht im geringsten für möglich gehalten habe. Auch habe ich mich zum Zeitpunkt der Schußabgabe nicht mit einer eventuellen Schonzeitübertretung abgefunden.

Ich hoffe damit genügend glaubhaft gemacht zu haben, daß mich an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Das Bemühen um Erfüllung des Abschußplanes zum Zwecke der Erreichung einer ökologisch und wirtschaftlich tragbaren Wilddichte muß gerade beim Rehwild, dessen Bejagung in geschlossenen Waldgebieten wie im K besonders schwierig ist, dazu führen, daß die Anforderungen an einen zweifelsfreien Abschuß nicht zu hoch geschraubt werden. Meine bisherigen Berufungsgründe, wonach in der heutigen Zeit der anerkannten Notwendigkeit der Wildstandsreduzierung die ältere Judikatur des VwGH an Aktualität verloren haben müßte, bleiben daher aufrecht.

Dazu kommt, daß jeder ehrliche fachlich geschulte Jäger oder Sachverständiger bestätigen wird, daß gerade Ende Dezember eine Verwechslung zwischen einem bereits abgeworfenen Jahrling ( III - Bock ) und einem Bockkitz passieren kann, weil beide am Haupt Knöpfe aufweisen und andere einen Irrtum ausschließende sichtbare Unterscheidungskriterien fehlen.

Sofern Oberhaupt notwendig, beantrage ich diesbezüglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Abgesehen vom fehlenden Verschulden sind die Folgen der Übertretung völlig unbedeutend. Schonzeiten dienen nach dem 0. ö. Jagdgesetz der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes. Dieser Schutzzweck wurde - und dies kann jeder Wildbiologe bestätigen - in keiner Weise verletzt.

Ich beantrage daher abschließend meiner Berufung stattzugeben und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Hochachtungsvoll H R (e.h. Unterschrift)".

3. Zumal keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Zumal hier insbesondere auf die subjektive Tatebene einzugehen war, wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt.

3.1. Beweis geführt wurde durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt, Zl. Agrar96-119-1995-Li. Von der Erstbehörde wurde zur Verhandlung noch der Abschußplan für das Jagdjahr 1994/95 und die bezughabenden Abschußmeldungen, sowie ein Bescheid an die österr.

Bundesforste, Forstverwaltung Mattighofen vom 24. Jänner 1995, Zl. Agrar01-250-1995-Gt, vorgelegt und verlesen.

Ferner wurde Beweis erhoben durch die Verlesung des im Zuge der Berufungsergänzung vorgelegten Schreibens der Agrarabteilung des Amtes der O.ö. Landesregierung an die Umweltanwaltschaft vom 6. Juni 1995, Zl.

Argrar-480052-1995-1/Mü. Letztlich durch die Vernehmung des Berufungswerbers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

4.1. Unbestritten geblieben und erwiesen ist, daß das vom Berufungswerber erlegte Reh im Sinne der Schonzeitverordnung im Dezember nicht (mehr) erlegt werden hätte dürfen. Es handelte sich nämlich um kein "Kitz" sondern um einen sogenannten III-er-Bock (Jahrling). Dem Berufungswerber, welcher als Berufsjäger tätig ist, war in diesem Revierbereich ein noch nicht zur Gänze verfärbtes und somit abzuschießendes Rehkitz bekannt. Am 20. Dezember 1994 um ca.

10.00 Uhr glaubte er dieses Stück während der Vorbeifahrt mit dem Auto, nächst einem Strauch in einer Entfernung von ca. 70 Metern zu erkennen und er entschloß sich zum Schuß.

Die Schußabgabe erfolgte am Pirschstock angestrichen, wobei das Wild "spitz" und lediglich mit dem Haupt und dem Bereich der Vorderläufe frei stand. Der Schuß gelang nicht optimal, sodaß das Reh vom Anschuß absprang und auch nicht vom Hund des Berufungswerbers "ausgefährtet" werden konnte. Erst anläßlich einer Nachsuche unter Beihilfe von Reviernachbarn, konnte das Stück zur Strecke gebracht werden. Es stellte sich heraus, daß es sich um einen (ohne Haupt) 14 kg starken, sogenannten Jahrling handelte, welcher das Geweih bereits abgeworfen gehabt hatte. Es war offenbar nicht jenes Stück, welches der Berufungswerber zu erlegen beabsichtigt hatte.

Der Berufungswerber ist bislang völlig unbescholten.

4.2. Wie dem Abschußplan für das Jagdjahr 1994/95 zu entnehmen ist, waren für dieses Jagdjahr im Jagdgebiet K, Fläche 2.772,84 ha, 145 Rehe zu erlegen. Tatsächlich wurden in diesem Revier jedoch bloß 104 Rehe erlegt.

4.2.1. Die Erfüllung der Abschußpläne gilt als vorrangiges Ziel, welches insbesondere der Erhaltung des Waldstandes dient. Das Unterbleiben der aus jagdfachlicher Sicht zumutbaren Anstrengungen indiziert eine Verwaltungsübertretung und ist diese bei einem jagdlichen Mangel jedenfalls verschuldet. Das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel an möglichst hohen Abschußquoten ergibt sich neben der allgemeinen bekannten Tendenz, hier insbesondere auch aus dem obzit. Schreiben der Agrarabteilung an die Umweltanwaltschaft beim Land Oö. mit folgendem Inhalt:

"Aufgrund des dortigen Schreibens vom 14. März 1995, UAnw-000085/02-1995/Tra/Wo, wurde die von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Bescheid vom 15.2.1995, Agrar01-250-1995-Gt, über Antrag der Jagdpächter angeordnete Herabsetzung des Abschußplanes für das Jagdjahr 1994/95 durch Vornahme eines Lokalaugenscheines, dem auch der Forstmeister der österreichischen Bundesforste, Forstverwaltung M und der für den örtlichen Bereich zuständige Förster sowie ein jagd- und forstfachlicher Amtssachverständiger der Abteilung Forstdienst beigezogen wurden, und Einholung eines schriftlichen Berichtes der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn überprüft.

Die vorgenommene Überprüfung hatte folgendes Ergebnis:

Die Pächter der Eigenjagd B der österreichischen Bundesforste, Forstverwaltung M, die Jagdgesellschaft B vertreten durch den Jagdleiter R H, B, hat mit Eingabe vom 7. Jänner 1995, somit nach Ende der gesetzlichen Schußzeit, bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn einen Antrag auf Herabsetzung des Abschußplanes um 13 Stück Rehwild eingebracht. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, daß der Abschußplan wegen Fehlens des Wildes nicht erfüllt werden konnte und auch der abgeschlossene Jagdpachtvertrag wegen arglistiger Täuschung von der Verpächterin bereits angefochten worden sei. Da auch seitens der österreichischen Bundesforste, Forstverwaltung Mattighofen, in den letzten Jahren hohe Abschüsse getätigt wurden und die österreichischen Bundesforste im Jagdjahr 1994/95 selbst um Abänderung von Abschußplänen wegen fehlendem Wild angesucht hatten, wurde vom jagdfachlichen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn in seiner Stellungnahme vom 19. Jänner 1995 das Vorbringen des Jagdleiters der Eigenjagd B für glaubhaft erachtet und somit gegen die beantragte Abänderung des Abschußplanbescheides kein Einwand erhoben. Die Angaben des Jagdleiters wurden besonders auch deshalb als glaubwürdig angesehen, weil die österreichischen Bundesforste aufgrund des Jagdpachtvertrages vom 21.3.1994 (S 9 Punkt 2 Abs. 4) selbst berechtigt gewesen wären, Wild durch eigenes Personal in der Pachtjagd zu erlegen, wenn die angeführten Abschußquoten nicht im festgelegten Ausmaß erfüllt werden.

Von dieser Möglichkeit haben die ÖBF keinen Gebrauch gemacht, sondern auch selbst für die benachbarte Regiejagd um Herabsetzung der Abschußzahlen angesucht. Da zudem zum Zeitpunkt der Beurteilung durch den jagdfachlichen Amtssachverständigen die Einrichtung der notwendigen Vergleichsflächen als Grundnetz noch nicht erfolgt war, mußte sich der Amtssachverständige auf die ihm bekannte Verbißsituation im Eigenjagdgebiet stützen.

Kurz nach Erlassung des angeführten Bescheides wurden im Bereich des Eigenjagdgebietes B 3 und im anschließenden größeren Bereich der Regiejagd F 6 Vergleichsflächen als Grundnetz angelegt. Die in der Folge in Form von 2 x 50 m Trakten an diesen rasterartigen Grundnetzpunkten durchgeführten Verbißerhebungen entsprechend der Abschußplanverordnung ergaben eine Einordnung der Regiejagd F in Stufe II, der kleinen Eigenjagd B hingegen in Stufe I, weil hier insgesamt die Bewertungen in Stufe I überwogen und keine Einzelflächen in Stufe III vorgefunden wurden.

Anläßlich des von der Landesjagdbehörde durchgeführten Lokalaugenscheines wurden mehrere der von der Bezirksforstinspektion vorgenommenen Auszahlungen überprüft sowie 3 weitere Weiserflächenauszählungen im Sinne der Abschußplanverordnung an dazwischen liegenden Punkten vorgenommen. Dabei ist zunächst festzuhalten, daß die von der Bezirksforstinspektion durchgeführten Erhebungen mit den Kontrollzahlungen übereinstimmen. Andererseits bestätigten jedoch die zusätzlichen Auszahlungen eine Belastung der Baumart Weißtanne durch Wildverbiß. Es zeigte sich auch, daß sowohl der größere Regiejagdbereich F als auch die kleine Eigenjagd B eine sehr ähnliche Verbißsituation aufweisen.

Nach dem Weiserwert der einzelnen Baumarten (Fichte verbißhart, Hartlaubholz Buche verbißempfindlich, Weißtanne sehr verbißempfindlich) war festzustellen, daß in beiden Jagdgebieten Fichte und Buche auf fast allen Flächen geringe Verbißanteile aufweist, während sich der Verbißdruck auf die Weißtanne konzentriert.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sich bei der von der Jagdgesellschaft B im Eigenjagdrevier B getätigten Abschuß eine befriedigende Situation bei der Tanne nicht ergeben hat und somit auch ein insgesamt tragbarer Wildbestand im Sinne der Abschußplanverordnung nicht erreicht wurde. Aus der erhobenen Verbißbelastung der Weißtanne ist abzuleiten, daß der geringe Abgang von 2 Stück Rehwild nicht auf einen niedrigen Wildbestand schließen laßt, sondern hiefür vielmehr jagdtechnische Mängel verantwortlich sein durften. Da jedoch die im wesentlichen gleiche Verbißsituation im angrenzenden, wesentlich größeren Regiejagdbereich F vorherrscht, hatte die Nichterfüllung von 13 Stück Rehwild im Eigenjagdgebiet B im großräumigen Zusammenhang keinen nennenswerten Einfluß auf die Verbißsituation insgesamt.

Dessenungeachtet wird jedoch die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn angewiesen, die Einhaltung der Abschußpläne laufend zu überprüfen) und künftighin Abänderungsanträge von Abschußplänen, soweit Vergleichsflächen bereits eingerichtet sind, einer eingehenden Begutachtung zu unterziehen.

Abschließend darf noch darauf verwiesen werden, daß die mit 1. April 1994 in Kraft getretene Verordnung über den Abschußplan- und die Abschußliste eine sehr wesentliche Änderung in der Abschußplanung herbeigeführt hat. Obwohl die für jedes Jagdgebiet erforderliche Anzahl von Vergleichsflächen erst bis spätestens 1. April 1997 vorliegen muß, ist deren Festlegung nicht zuletzt aufgrund des intensiven Bemühens der Bezirksforstinspektionen zum überwiegenden Teil bereits abgeschlossen. Allein aus der Tatsache, daß gerade in der Anfangsphase in Teilbereichen noch Schwierigkeiten bei der Vollziehung in Kauf genommen werden müssen, sollten auch seiten der 0.ö.

Umweltanwaltschaft die bereits jetzt deutlich festzustellenden positiven Auswirkungen der neuen Abschußplanverordnung nicht übersehen werden." 4.2.2. Somit ist ersichtlich, daß die Jägerschaft im Hinblick auf die Abschußplanerfüllung unter erheblichen Druck steht und im Falle daraus resultierender Fehlleistungen für die Verschuldensfrage Bedeutung erlangen können.

5. Rechtlich hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Den Ausführungen der Erstbehörde könnte vordergründig wohl durchaus gefolgt werden.

5.1.1. Nach § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

5.1.2. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht spricht der VwGH in seiner ständigen Judikatur aus (s E Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist.

Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).

Der Maßstab ist hier am Horizont eines Berufungsjägers zu messen und von einem solchen muß ein richtiges Ansprechen eines Wildes erwartet werden. Ein restliches, wenn auch ein sehr geringes Verschulden lag hier letztlich darin, daß der Berufungswerber das zu erlegende Stück an sich bereits kannte und es in der konkreten Situation eben nicht ausreichend angesprochen hat.

In diesem Sinne ist wohl auch die von der Erstbehörde in zutreffender Weise zit. Judikatur zu verstehen.

5.2. Hier ist jedoch auf eine dem hohen Abschußdruck spezifische Situation abzustellen. Die Erreichung dieses Zieles kann geradezu nur zwingend in der Inkaufnahme eines größeren Fehlerkalküles liegen. Dieses liegt insbesondere darin, daß der Betroffene an den Bereich einer Pflichtenkollision herankommt. Diese gestaltet sich derart, daß die Wahl zwischen der Inkaufnahme des Nichterreichens des Planzieles oder eben andererseits in einer denkbaren Inkaufnahme eines Fehlabschusses gipfelt.

5.2.1. Die Rechtfertigung einer an sich gesetzwidrigen Verhaltensweise (hier bloß auf die Schuldebene reduziert zu sehen) setzt voraus, daß der Eingriff in das fremde (hier:

ein anderes) Rechtsgut das einzige Mittel zur Abwehr des drohenden Nachteils ist, dieser mithin nicht anders abgewendet werden kann; nicht der 'nächstmögliche Ausweg ist zu wählen, sondern der einzig mögliche' (KH 3586). Es darf somit kein anderer, schonenderer Weg zur Rettung des bedrohten Guts offenstehen (ÖJZ-LSK 1975/198).

Rechtfertigung setzt aber weiters (und vor allem) voraus, daß das gerettete Rechtsgut gegenüber dem beeinträchtigten höherwertig ist; ist es dem beeinträchtigten gleichwertig oder gar geringerwertig, scheidet rechtfertigender Notstand aus. Die Höherwertigkeit muß eindeutig und zweifellos sein.

Nur unter diesen Voraussetzungen kann mit Fug davon gesprochen werden, daß die Rechtsordnung den eigenmächtigen Eingriff in fremde Rechtsgüter billigt, mithin für rechtmäßig hält; andernfalls kann sie den Straftäter zwar uU (nur) für entschuldigt ansehen, sein Verhalten aber nicht für rechtmäßig erklären (Leukauf-Steininger, Das österreichische Strafgesetzbuch, 3. Aufl., Seite 138 ff).

Schließlich wird gefordert, daß die Rettungshandlung das angemessene Mittel zur Rettung des bedrohten Rechtsguts ist (vgl Burgstaller 154; Kienapfel 165 und ÖJZ 1975, 429 und AT 212 Rz 24; Triffterer AT 233). Durch dieses Angemessenheitskorrektiv sollen bei bestimmten Fallgruppen notwendige Korrekturen anhand oberster Wertmaßstäbe ermöglicht werden; rechtfertigender Notstand kommt danach nicht in Betracht, wenn die Tat, bezogen auf die obersten Prinzipien und Wertbegriffe der Rechtsordnung, nicht als das angemessene Mittel erscheint (Kienapfel ÖJZ 1975, 431, 429), oder ein rechtfertigender Notstand setzt voraus, daß es sachgemäß, billigenswert und im Interesse der Gerechtigkeit erlaubt ist, die Notstandslage durch "Beeinträchtigung des kollidierenden Interesses zu überwinden" (Jescheck 326).

Derselbe Grundgedanke liegt schließlich aber auch der sozialen Adäquanz zugrunde, dem sog. sozialadäquaten Verhalten. Auch dabei wird davon ausgegangen, daß ein gesetzliches Gebot zu einem bestimmten Handeln, welches jedoch aus widrigen Umständen (der Jagd sind etwa auch Grenzen in einem nicht erzwingbaren Erfolg und in der Weidgerechtigkeit gesetzt) nicht in einer vorgeschriebenen Form bewirkt werden kann, trotzdem zu erfolgen hat. Nach einem Teil der Lehre stellt auch die soziale Adäquanz einen Rechtfertigungsgrund dar. Dies bedeutet im Ergebnis, daß ein Fehlabschuß in diesem Lichte auch entschuldbar werden könnte. So gesehen besteht aber zwischen erlaubtem Risiko und sozialer Adäquanz kein wesentlicher Unterschied (vgl Schmiedhäuser AT2 298, 300f).

Zur rechtfertigenden Pflichtenkollision ist es herrschende Lehrauffassung, daß eine Kollision von zwei oder mehreren rechtlich bedeutsamen Pflichten vorliegt, wenn die betreffende Person nach den konkreten Umständen nur eine dieser Pflichten erfüllen kann. Häufig sind derartige Konfliktsituationen über den rechtfertigenden Notstand zu lösen. Soweit dies nicht möglich ist, muß es aber über eine andere dogmatische Konstruktion erlaubt (dh rechtmäßig) sein, eine dieser Pflichten zu verletzen, weil die betreffende Person sich sonst überhaupt nicht rechtmäßig verhalten könnte (Otto Triffterer, Österreichisches Strafrecht, Seite 237 ff und die dort zit.

Literaturhinweise).

5.2.2. Eine in dieser Richtung rechtlich vergleichbare Situation lag dem gegenständlichen Fall zugrunde. Angesichts der obigen Ausführungen war im nicht ausreichenden "Ansprechen" des Rehs (die entsprechende fachliche Qualifikation muß eben gerade dem Berufsjäger unterstellt werden) der Fehlabschuß letzten Endes doch in Kauf genommen worden - dessen Tatsache eben nicht zu verleugnen ist - hier zugunsten der gegenwärtig als höheres Rechtsgut zu qualifizierenden Planzielerfüllung gehandelt worden.

Aufgrund der spezifischen Sachzwänge ist einerseits das Verschulden des Berufungswerbers als äußerst gering zu erachten und sind insbesondere durch diesen Eingriff in die Schonzeitvorschriften keinerlei nachteiligen Folgen im Sinne des § 3 Oö. Jagdgesetz gegeben gewesen. Es war daher zwingend nach § 21 VStG vorzugehen und von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Es bedürfe nämlich nicht einmal einer Ermahnung um damit den Berufungswerber sein Fehlverhalten, welches er doch vom Anfang an einbekannte, hinzuweisen. Somit war der Berufungswerber mit seinem Vorbringen im Ergebnis im Recht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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