Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162354/3/Br/Ps

Linz, 03.08.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G T, geb., P, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 12. Juni 2007, Zl.: VerkR96-2460-2007, nach der am 31. Juli 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.     Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 40 Euro ermäßigt, die Ersatzfreiheitsstrafe jedoch mit 36 Stunden bestätigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II.    Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 4,00 Euro; für das Berufungsverfahren entfällt der Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem o.a. Bescheid der gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung (ausgesprochen durch die Strafverfügung v. 3.4.2007) keine Folge gegeben und das wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet im Ausmaß von 22 km/h verhängte Strafausmaß von 70 Euro (für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) bestätigt. 

 

1.1. Der Behörde erster Instanz reichte der bloße Hinweis des Berufungswerbers "sich in finanziellen Schwierigkeiten zu befinden" für eine Reduzierung des Strafausmaßes nicht aus.

Der Berufungswerber habe keinerlei konkretere Angaben zu seiner finanziellen Situation gemacht, obwohl er hiezu durch ein Schreiben der Behörde erster Instanz vom 2.5.2007 aufgefordert worden sei. Das ausgesprochene Strafausmaß sei, so die wesentliche Begründung, unter Hinweis auf die mit höheren Fahrgeschwindigkeiten verursachten abstrakten Gefahrenkomponenten und damit als die häufigste Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle aus generalpräventiven Überlegungen notwendig.  Konkret hob die Behörde erster Instanz in ihrer Begründung hervor, dass mit höheren Fahrgeschwindigkeiten plötzlich und unerwartet auftretenden Ereignissen im Straßenverkehr fahrtechnisch nicht mehr ausreichend wirkungsvoll entgegen gewirkt werden könnte.

Die Behörde erster Instanz legte bei der Festsetzung des Strafausmaßes ein Einkommen des Berufungswerbers in der Höhe von 1.200 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten zu Grunde. Die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde strafmildernd gewertet. Erschwerende Umstände  wurden der Strafbemessung  nicht zu Grunde gelegt.

Für die Anwendung des § 20 VStG (gemeint wohl § 21 VStG) wurde keine Rechtsgrundlage erblickt. Abschließend wies die Behörde erster Instanz auf den bis zu 726 Euro reichenden Strafrahmen und auf die Möglichkeit einer Ratenzahlung hin.

 

2. In der gegen das Straferkenntnis fristgerecht (am letzten Tag der Frist) per FAX übermittelten Berufung gegen das bestätigte Strafausmaß bringt der Berufungswerber vor, seit Mai 2006 ohne Anstellung zu sein.  Er habe bis Oktober 2006  über das AMS eine Ausbildung zum "ICDL" absolviert und in dieser Zeit vom AMS täglich 21 Euro erhalten. Seither versuche er in der Selbständigkeit Fuß zu fassen.  Daher könne er eben kein Einkommen nachweisen. Bei der Sozialversicherungsanstalt zahle er dzt. den Mindestversicherungsbeitrag in Höhe von 22 Euro pro Quartal. Daher ersuche er nochmals höflich die Geldstrafe zu ermäßigen. Die Ratenzahlung nehme er natürlich auch dankend an.

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien zur Klärung der Vermögensverhältnisse in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte geboten  (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Berufungswerbers und dessen Darlegung seiner wirtschaftlichen Situation. Im Wege des AMS wurde sein Vorbringen verifiziert.

 

 

4. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wies der Berufungswerber abermals auf seine dzt. ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse hin und verdeutlicht, dass er im Ergebnis von seiner Lebensgefährtin und Unterkunftgeberin den Lebensunterhalt bestritten erhält. Er sei bemüht in der Privatwirtschaft Fuß zu fassen, was aber dzt. noch nicht gelungen sei. Eine Arbeitslosenunterstützung erhalte er nicht und es verbiete ihm sein Stolz eine solche in Anspruch zu nehmen.

Eine Überprüfung seiner Angaben hinsichtlich eines nicht bestehenden Bezuges einer Arbeitslosenunterstützung im Wege des AMS vom 3.8.2007 bestätigte die Richtigkeit der Angaben des Berufungswerbers (AV vom 3.8.2007).

In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde ein Luftbild aus dem System DORIS über die Struktur der Örtlichkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung beigeschafft. Die jeweilige Gestaltung des Anhalteweges aus 50 km/h und der vom Berufungswerber gefahrenen Geschwindigkeit wurde  mittels Analyzer Pro, Version 6.0 rechnerisch nachvollzogen. Der Berufungswerber wurde mit dem Inhalt und den empirischen Folgen einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung (siehe unten) konfrontiert. Diesbezüglich zeigte er sich einsichtig.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde vom Berufungswerber mitten im Ortsgebiet von Untererb begangen. Die durch den Ort verlaufende L508 ist ca. 5 m breit und die auf etwa 200 m dichte Bebauung mit den jeweiligen Liegenschaftsausfahrten liegen durchgehend dicht an Landstraße 508.

Während der Anhalteweg aus 50 km/h 28,13 m betragen würde (Reaktionszeitannahme eine Sekunde, Bremsschwellzeit 0,2 sek. u. Bremsverzögerung 7,5 m/sek²) liegt dieser bei der gemessenen Fahrgeschwindigkeit mit 54 m genau doppelt so hoch. Jene Stelle, aus der das Fahrzeug mit 50 km/h zum Stillstand kommen würde, wird mit der vom Berufungswerber gefahrenen Geschwindigkeit  noch mit knapp 71 km/h durchfahren  (Berechnung m. Analyzer Pro 32-Vers.6). Dies belegt illustrativ die insbesondere mit Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ortsgebiet zusätzliche Gefahrenerhöhung, wobei davon auszugehen ist, dass durch die knapp an die Fahrbahn reichenden Liegenschaften die Gefahrensichtweiten an vielen Punkten geringer sind als der sich mit 54 m ergebende Anhalteweg. Demnach ist den Ausführungen der Behörde erster Instanz in der Gefahrenbeurteilung dieses Deliktstyps im Straßenverkehr mit Nachdruck  zu folgen.

 

5. Zur Strafzumessung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö.  rechtlich erwogen:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

5.1. Da sich hier die wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers deutlich ungünstiger gestalten als der Behörde erster Instanz mit einem Monatseinkommen in Höhe von 1.200 Euro der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden, war das ausgesprochene Ausmaß der Geldstrafe mit Blick auf § 19 Abs.2 VStG entsprechend zu korrigieren, während die Ersatzfreiheitsstrafe als der Tatschuld angemessen zu bestätigten war.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit auch dieser Geldstrafe gilt es die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken. Der im Präventionsgedanken gründende Strafzweck kann durch ein fehlendes Einkommen jedoch nicht entfallen, worauf  das Vorbringen des Berufungswerbers hinaus zu laufen scheint.

Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Der Strafrahmen reicht für das StVO-Delikt bis 726 Euro.

Da sich die erst im Rahmen des Berufungsverfahrens überprüfbar dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers tatsächlich wesentlich ungünstiger darstellten, war die an sich durchaus milde bemessene Geldstrafe dennoch entsprechend zu ermäßigen. Ebenfalls zu Gunsten des Berufungswerbers war der auch wieder im Berufungsverfahren zum Ausdruck kommende Strafmilderungsgrund der Schuldeinsichtigkeit zu würdigen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe war jedoch angesichts der sich ausschließlich auf § 19 Abs.2 VStG letzter Satz stützenden Fakten zu bestätigen. 

Die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, weil die Tatfolgen  - wie die obige Berechnung anschaulich zeigt - jedenfalls nicht bloß unbedeutend erachtet werden können. 

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof   erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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