Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222123/22/Bm/Sta

Linz, 08.08.2007

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn R H, S, S, vertreten durch P. H & P Rechtsanwälte, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr  vom 10.1.2007, Zl. Ge-1122/05, wegen Übertretung der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung 2003, zu Recht erkannt:

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.                  Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) BGBl. Nr. 52/1991 idgF;

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 10.1.2007, Ge-1122/05, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 200 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß
§ 2 Abs.1 der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung, LGBl. Nr. 65/2003 iVm
§ 368 GewO, BGBl. Nr. 194/1994 idgF und § 4 Abs.2 ÖZG, BGBl. I Nr. 48/2003 idgF iVm § 11 ÖZG, BGBl. I Nr. 48/2003 idgF und § 376 Z39 GewO, BGBl. Nr. 194/1994 idgF verhängt. Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit gem. § 370 Abs.2 Gewerbeordnung 1994 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma H H in S, S, zu vertreten, dass die Filiale (Verkaufsstelle eines Handelsgewerbes) oa. Firma in   L, T, am Freitag, dem 20.5.2005 in der Zeit von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet war, obwohl gem. § 2 der Stmk. Öffnungszeitenverordnung Verkaufsstellen nur von 6.00 Uhr bis 19.30 offen gehalten werden dürfen.

Mit Bescheid der Stadtgemeinde Leoben vom 17.5.2005, Zl.: 8 Ci 1/2-2005, war für den 20.5.2005 für den Zeitraum von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr der C L GmbH. gem. § 286 (2) GewO die Bewilligung zur Durchführung eines Gelegenheitsmarktes erteilt worden, wobei diese Bewilligung unter anderem auch den oa. Standort (T) umfasste.

Laut Erhebungen der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark fand im Zeitraum von 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr jedoch kein Gelegenheitsmarkt im Sinne des
§ 286 (2) GewO statt, da lediglich vereinzelte Marktstände aufgeschlagen waren, die in ihrer Gesamtheit bzw. in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht dem eines Marktes entsprachen. Die Regelung des § 4 Ziff. 4 Stmk. Öffnungszeitenverordnung käme hiermit nicht zum tragen.

Da ggst. Verkaufsstelle nur von 6.00 Uhr bis 19.30 Uhr offen gehalten werden durfte, stellt das Offenhalten ggst. Verkaufsstelle oa. Firma am 20.5.2005 (Freitag) in der Zeit von 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr eine Übertretung der Bestimmungen der Stmk. Öffnungszeitenverordnung, des Öffnungszeitengesetzes (ÖZG) und der Gewerbeordnung (GewO) dar."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Eingabe vom 29.1.2007 rechtzeitig Berufung erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass entgegen den Sachverhaltsfeststellungen im Bescheid jedenfalls ein Gelegenheitsmarkt iSd § 286 Abs.2 GewO vorgelegen habe. Zum Beweis dafür werde vom Berufungswerber Herr R L als Geschäftsführer der L Filiale zur zeugenschaftlichen Einvernahme geführt. Weiters seien auch jene Kontrolleure der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark, welche am 20.5.2005 die Kontrollen der offenen Geschäfte durchgeführt hatten, nicht zeugenschaftlich einvernommen worden. Da sowohl diese Einvernahmen unterblieben seien als auch der vom Berufungswerber beantragte Zeuge nicht zum Sachverhalt einvernommen worden sei, sei das Ermittlungsverfahren schon in diesem Punkt mangelhaft  und könne die (schriftliche) Anzeige der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark deshalb nicht entsprechend gewürdigt werden. Dennoch werde im angefochtenen Bescheid die Anzeige der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark als Erhebungsbericht herangezogen und die Feststellung des Sachverhalts auf die Organe der Gewerkschaft übertragen, ohne auf den in der Stellungnahme vom 31.10.2005 geführten Beweisantrag einzugehen. Die Nichtaufnahme dieses angebotenen Beweises werde – wie auch das Unterbleiben der Einvernahme der Herren C K und G H – als Verfahrensmangel gerügt. Die Behörde habe ihr Ermittlungsverfahren ausschließlich einseitig geführt. Die konkrete Ausgestaltung des marktähnlichen Geschehens am 20.5.2005 sei nicht erhoben worden.

Gemäß § 56 AVG habe der Erlassung eines Bescheides die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes voranzugehen, soweit er nicht von vornherein klar gegeben sei. Der für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebende Sachverhalt sei gemäß § 37 AVG durch das Ermittlungsverfahren festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlicher Interessen zu geben. Soweit die für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens maßgebenden Verwaltungsvorschriften keine Anordnungen enthalten würden, habe die Behörde von Amts wegen vorzugehen und den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen, wobei die Verfahrensvorschriften zu beachten seien. Kernstück des Ermittlungsverfahrens sei im Verwaltungsverfahren die Beweisaufnahme und könne diese von der Behörde auch durch ersuchte oder beauftragte Verwaltungsbehörden oder einzelne dazu bestimmte amtliche Organe vorgenommen oder durch sonstige Erhebungen ersetzt oder ergänzt werden. Unter Erhebungen seien allgemein gehaltene Aufklärungen oder Informationen zu verstehen, die von anderer Stelle eingeholt würden. Eine Ermächtigung der entscheidenden Behörde dahingehend, sowohl die Beweisaufnahme als auch die Beweiswürdigung an eine andere Stelle zu übertragen, könne darin jedoch nicht gesehen werden. Wenn nun die erkennende Behörde ausführe, sie habe von folgendem Tatbestand auszugehen und in weiterer Folge lediglich anführe, dass von Organen der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark gegenständlicher Tatbestand festgestellt worden sei, reiche dies als Begründung iSd § 60 AVG nicht hin.

Mit Bescheid der Stadtgemeinde Leoben vom 17.5.2005, Zl. 8 Ci 1/2-2005, sei für den 20.5.2005 für den Zeitraum von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr der C L GmbH gemäß § 286 Abs.2 GewO die Bewilligung zur Durchführung eines Gelegenheitsmarktes erteilt worden, wobei diese Bewilligung ua auch den Standort der H Filiale in der T in L umfasst habe. Die Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark habe am 20.5.2005 Kontrollen durchgeführt und in der Folge Anzeige wegen Verstoßes gegen das Öffnungszeitengesetz erstattet. Darin sei von der Gewerkschaft der Privatangestellten ausgeführt worden, dass kein marktähnliches Geschehen stattgefunden habe, da das äußere Erscheinungsbild das Gepräge eines Marktes nicht aufgewiesen habe. Selbst Veranstaltungen im Rahmen der Kunstaktionstage "Europeaen Artists" würden diesen Tatbestand nicht erfüllen und habe dadurch jede Rechtsgrundlage für die umliegenden Geschäfte gefehlt, bis 21.00 Uhr geöffnet zu haben. Die erkennende Behörde habe diese Ausführungen der Gewerkschaft ihrem Straferkenntnis zu Grunde gelegt, im Rahmen der Beurteilung der Rechtsfrage zu den Voraussetzungen eines Gelegenheitsmarktes nicht weiter ausgeführt, sondern die Erwägungen auf die Bestimmungen der steiermärkischen Öffnungszeiten­verordnung, des Öffnungszeitengesetzes sowie die Strafbestimmungen der Gewerbeordnung, den angenommenen Verschuldensgrad sowie die Strafbe­messung beschränkt.  Selbst wenn man annehme, die H Filiale in L sei am Freitag, den 20.5.2005, in der Zeit von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet gewesen, obwohl gemäß § 2 der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung Verkaufsstellen nur von 6.00 Uhr bis 19.30 Uhr offen gehalten werden dürfen, so begründet dies auf Grund des Vorliegens eines Genehmigungsbescheides der Stadtgemeinde Leoben zur Durchführung eines Gelegenheitsmarktes einerseits und folglicher Durchführung desselben andererseits noch keinen Verstoß gegen das Öffnungszeitengesetz bzw. die Öffnungszeitenverordnung. In richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die erkennende Behörde Erwägungen zur Qualität der im Rahmen des "Late-Night-Shopping" in der Leobener Innenstadt abgehaltenen Veranstaltung treffen müssen. So hätte die erkennende Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legen müssen, dass unter Gelegenheitsmärkten marktähnliche Veranstaltungen zu verstehen sind. Eine Anhäufung von Verkaufsständen, welche das typische Gepräge eines Markt im klassischen Sinne aufweise, könne einem Gelegenheitsmarkt, welcher im Rahmen des "Late-Night-Shopping" abgehalten werde, sehr wohl entnommen werden. Dies, zumal das typische Gepräge eines Marktes darauf abstelle, dass erkennbare Verkaufsstandorte zum Warenhandel vorhanden seien. Unter dem Begriff "Verkaufsstände" seien die Verkaufsräume eines im vom Genehmigungsbescheid umfassten Einzugsgebiet gelegenen Handelsunternehmens zu subsumieren. Welche genaue Anzahl von am Gelegenheitsmarkt teilnehmenden Geschäften für eine Anhäufung von Verkaufsständen vorliegen müsse, sei nicht festgelegt. Im Hinblick darauf, dass der Genehmigungsbescheid der Stadt Leoben als genehmigtes Gebiet 14 Straßen/Plätze in der Innenstand von Leoben umfasst habe, sei ersichtlich, dass sich ein weit aufgelockerteres Bild als bei einem gewöhnlichen Wochen- oder Bauernmarkt, der jeweils nur auf einem Platz oder in einer Straße stattfinde, ergebe. Dadurch, dass neben der Firma H auch noch andere Geschäfte, wie beispielsweise W oder W-Moden am 20.5.2005 zwischen 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet gewesen seien, habe eine Anhäufung von Verkaufsständen im Sinne einer Mehrzahl von Verkaufstätten vorgelegen, woraus sich auch für einen unbefangenen Beobachter das Bild einer Marktveranstaltung geboten habe. Durch das Vorliegen eines Gelegenheitsmarktes habe die H Filiale in L infolge ihrer Nähe zu diesem Markt durch ausdrückliche Nennung der T im Bewilligungsbescheid während der Marktöffnungszeiten  bis einschließlich 21.00 Uhr geöffnet halten dürfen. Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass trotz Vorliegen des Bescheides die Öffnung nach 19.30 Uhr nur dann zulässig wäre, wenn sich dann tatsächlich ein Verkaufsverhalten im Sinne eines tatsächlichen Marktes entwickeln müsste, würde den Berufungswerber an einer allfälligen Übertretung kein Verschulden treffen. Auf Grund des Bescheides habe davon ausgegangen werden können, dass im gesamten Gebiet, für das die Bewilligung erteilt worden sei, die Geschäfte geöffnet seien. Es könne nicht vom einzelnen Gewerbetreibenden verlangt werden, dass sich dieser bei sämtlichen anderen Kaufleuten erkundige, ob auch diese ihre Geschäfte offen halten werden. Im Zeitpunkt der Entscheidung, dass die H Filiale geöffnet werde, durfte der Berufungswerber jedenfalls von der Rechtmäßigkeit der Öffnung ausgehen. Wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die im Zeitpunkt der Entscheidung zur Öffnung nicht vorhersehbar seien, könne dies nicht zu einem Verschulden führen. Es werde daher der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; hilfsweise der Berufung Folge zu geben und der Erstbehörde die neuerliche Entscheidung auf Verfahrensergänzung aufzutragen.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Steyr als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie in die von den Parteien beigebrachten Eingaben und Unterlagen, insbesondere in die filmische Dokumentation über den Verkaufsbetrieb der am 20.5.2005 in der Zeit von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr offen gehaltenen Geschäfte in Leoben. Weiters wurde am 21.6.2007 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei der der Berufungswerber und sein anwaltlicher Vertreter anwesend waren und der Zeuge R L unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht einvernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Die H H mit Sitz in  S, S, besitzt die Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe für den Standort S, S; für den Standort L, T, wurde eine weitere Betriebsstätte, eingeschränkt auf Einzelhandel, angezeigt. Der Berufungswerber ist gewerberechtlicher Geschäftsführer der H H und in dieser Eigenschaft auch für die weitere Betriebsstätte in L zuständig. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Leoben vom 17.5.2005, Zl. 8 Ci 1/2-2005, wurde entsprechend dem Ansuchen der C L GmbH vom 27.4.2005 gemäß § 286 Abs.2 GewO 1994 die Bewilligung zur Durchführung eines Gelegenheitsmarktes anlässlich der Kunstaktionstage "Europeaen Artists" im Bereich der Innenstadt Leoben am 20.5.2005 in der Zeit von 18.00 bis 21.00 Uhr erteilt. Diese Bewilligung umfasste die Straßenzüge T, H, S, F, P, J, K, W, S, L, H, R, M und K. Angeboten werden sollten Produkte des täglichen Bedarfes in den Warengruppen Lebensmittel, Drogerienwaren, Stoffe, Blumen, Bekleidung, Bücher und Schreibwaren, Uhren und Schmuck, Büroartikel, Foto und Optik, Elektrogeräte, Schuhe und Lederwaren, Sportartikel und Spielwaren, Geschenksartikel, Tabakwaren, sowie Haushaltsartikel und Möbel.

Am 20.5.2005 war die Filiale der H H (Verkaufsstelle eines Handelsgewerbes) im Standort L, T, in der Zeit von 19.00 bis 21.00 Uhr geöffnet. Von der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark wurde zu diesem Zeitpunkt eine Überprüfung vor Ort durchgeführt und diese auch audio- und videomäßig protokolliert. Diese filmischen Aufnahmen zeigen in dem betroffenen Gebiet eine gewöhnliche Verkaufstätigkeit. Vor den einzelnen Geschäften waren Verkaufsstände aufgestellt, die jedoch von den sonst auch typischerweise vor den Geschäften zu den Öffnungszeiten aufgestellten Verkaufständen nicht abweichen.

Die C L GmbH hat die H H im Wege des Verkaufsleiters der Filiale L vor Antragstellung über die beabsichtigte Abhaltung eines Gelegenheitsmarktes, mit der gleichzeitigen Frage, ob die H H sich daran beteiligen möge, informiert. Nach Rücksprache mit dem Berufungswerber wurde eine Beteiligung der Verkaufsstelle der H H zugesagt. Über die Ausgestaltung des beantragten Gelegenheitsmarktes wurden weder mit dem Berufungswerber noch mit dem Verkaufsleiter der Filiale in L gesprochen. Von der C L GmbH wurde ein Folder über die geplante Veranstaltung erstellt, als Teilnahmegebühr wurden ca. 10 Euro an die C L GmbH abgeführt. Am gegenständlichen Vorfallstag wurden nach Aussage des Zeugen R L zu den an einem üblichen Verkaufstag aufgestellten Verkaufsständen noch weitere im Eigentum der Firma H stehende Verkaufsstände außerhalb der Filiale aufgestellt, um bestimmte Sonderwaren anzubieten. In der mündlichen Verhandlung wurde vom Berufungswerber ausgesagt, dass er bei Zusage an der Teilnahme der Abhaltung des Marktes davon ausgegangen ist, dass der Markt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen und des Genehmigungsbescheides abgehalten werde.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 4 Abs.2 Öffnungszeitengesetz 2003 kann der Landeshauptmann im Rahmen der durch Abs.1 vorgegebenen Offenhaltezeit nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Verordnung unter Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung und der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten die Offenhaltezeiten festlegen. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind die betroffenen Gemeinden anzuhören.

 

Gemäß § 2 Abs.1 der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung 2003 dürfen die Verkaufsstellen von Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 19.30 Uhr und an Samstagen von 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr offen gehalten werden.

 

Gemäß § 4 Z4 leg.cit. dürfen Verkaufsstellen, die in unmittelbarer Nähe eines für den Kleinverkauf bestimmten Marktes gelegen sind, für den Verkauf von Waren, die Gegenstand des Marktverkehrs sind, während der Marktzeit offen gehalten werden.

 

Gemäß § 5 der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung ist, wer entgegen den Bestimmungen dieser Verordnung seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft oder Bestellungen entgegen nimmt, nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen.

 

Gemäß § 376 Z39 GewO 1994 sind, wenn Rechtsvorschriften auf die Strafbestimmung der Gewerbeordnung verweisen, für Übertretungen dieser Rechtsvorschriften, sofern keine Übertretung gemäß §§ 366 bis  368 dieses Bundesgesetzes vorliegt, die in § 368 Z14 vorgesehenen Strafen zu verhängen.

 

Nach § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1.090 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmung dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung ergangen sind, nicht einhält.

 

Gemäß § 370 Abs.1 GewO 1994 sind Geldstrafen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde, gegen den Geschäftsführer zu verhängen.

 

Nach § 286 Abs.1 GewO 1994 ist unter einem Markt im Sinne dieses Bundesgesetzes eine Veranstaltung zu verstehen, bei der auf einem örtlichen bestimmten Gebiet (Marktplatz, Markthalle) zu bestimmten Markttagen und Marktzeiten Waren feilgeboten und verkauft werden. Ein Markt darf nur auf Grund einer Verordnung der Gemeinde, in der der Markt abgehalten werden soll, stattfinden. Jedermann hat das Recht auf Märkten Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hiefür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung ist unter einem Gelegenheitsmarkt ("Quasimarkt") eine marktähnliche Verkaufsveranstaltung zu verstehen, die nur gelegentlich aus besonderen Anlässen abgehalten wird. Ein Gelegenheitsmarkt darf nur auf Grund einer Bewilligung der Gemeinde, in der die Veranstaltung abgehalten werden soll, stattfinden.

 

Unbestritten ist, dass die Filiale der H H im Standort  L, T, am Freitag, dem 20.5.2005 in der Zeit von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet war.

Fraglich ist, ob der Berufungswerber damit – unter Beachtung und gesetzeskonformer Auslegung des § 4 Z4 der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt hat.

 

Um Begriff Gelegenheitsmarkt (Quasimärkte) führen die erläuternden Bemerkungen zur Gewerberechtsnovelle 1992 aus, dass es neben den schon von der GewO 1859 geregelten "echten" Märkten eine Vielzahl marktähnlicher Einrichtungen gibt. Diese Quasimärkte beruhen nicht auf einem Marktrecht, sondern haben sich zB im Zusammenhang mit kirchlichen Festtagen bloß durch das seit alters her geduldete Herkommen ausgestaltet. Die bezüglichen Erlässe sprechen von den aus Anlass von Wahlfahrten, Firmungen und sonstigen kirchlichen Festen stattfindenden Käufen von Firmbänden und Devotionalien, ferner von den Nachkirchtagen; auch weltliche Anlässe werden in den Erlässen erwähnt, etwa bei Musterungen der marktmäßige Verkauf von Rekrutensträußchen. Die Neufassung der marktrechtlichen Bestimmungen verlangte die Legalisierung der bisher geduldeten Quasimärkte. Was sich aber praeter legem entwickelt und ausgestaltet hat soll sich auch weiter entwickeln dürfen; das Entstehen neuer Quasimärkte, wie etwa aus Anlass von sportlichen Veranstaltungen oder Gartenschauen, muss möglich bleiben. Die Quasimärkte sollen sich von den Märkten vor allem dadurch unterscheiden, dass es sich nur um gelegentliche, aus besonderen Anlässen abgehaltene Verkaufsveranstaltungen handelt.

 

Von einer marktähnlichen Einrichtung (einem Quasimarkt) kann nur dann gesprochen werden, wenn eine solche Einrichtung in ihrem äußeren Erscheinungsbild das Gepräge eines Marktes aufweist. Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn an einem bestimmten Ort vereinzelten Verkaufsstände aufgeschlagen werden. Um das Bild eines Marktes im gebräuchlichen Sinn zu vermitteln, muss immerhin eine solche Anhäufung von Verkaufsständen feststellbar sein, dass sich auch für einen unbefangenen Beobachter das typische Gepräge eines Marktes darbietet (VwSlg. 4028A).

 

Im Erkenntnis vom 28.6.1994, 94/06/066, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass unter Gelegenheitsmärkten marktähnliche Veranstaltungen zu verstehen sind, die nur gelegentlich aus besonderen Anlässen abgehalten werden. Die Abhaltung eines derartigen Marktes setzt die Benützung von Markteinrichtungen wie Verkaufsständen und Ähnliches voraus, es ist darunter jedenfalls nicht die Benützung des auch sonst bestehenden Geschäftslokales – auch wenn es an einer Straße gelegen ist, die vom Marktgebiet umfasst ist – zu verstehen.

 

Gegenständlich wurde mit Bescheid des Bürgermeisters Leoben vom 17.5.2005 dem Ansuchen der C L GmbH um Bewilligung der Durchführung eines Gelegenheitsmarktes anlässlich der Kunstaktionstage "Europeaen Artists" im Bereich der Innenstadt Leoben am 20.5.2005 in der Zeit von 18.00 bis 21.00 Uhr Folge gegeben. An diesem Tag wurde durch Organe der Gewerkschaft der Privatangestellten Steiermark die Innenstadt Leoben in der Zeit zwischen 18.00 bis 21.00 Uhr aufgesucht und die Beobachtungen im Hinblick auf die Abhaltung eines Gelegenheitsmarktes und das Offenhalten der in diesem Gebiet gelegenen Verkaufsstellen zum Tatzeitpunkt filmisch dokumentiert. Die Einsichtnahme in diese auf DVD aufgenommene Dokumentation zeigt eindeutig, dass die vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Merkmale für die Annahme eines Gelegenheitsmarktes nicht vorgelegen sind. Vor den Geschäften waren zwar Verkaufsstände aufgeschlagen, jedoch unterschied sich dieses Erscheinungsbild nicht von einer zu den üblichen Geschäftszeiten vorliegenden Verkaufstätigkeit.

 

Im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des darin näher dargelegten Begriffes eines Gelegenheitsmarktes kann in Bezug auf die vorliegende Verkaufstätigkeit keinesfalls von einem Gelegenheitsmarkt gesprochen werden.

 

In gesetzeskonformer Auslegung des § 4 Z4 der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung ist davon auszugehen, dass diese Sonderregelung nur für solche Verkaufsstellen gilt, die in unmittelbarer Nähe eines tatsächlich abgehaltenen Marktes gelegen sind. Da ein solcher Gelegenheitsmarkt tatsächlich nicht abgehalten wurde, lag daher in objektiver Hinsicht eine Übertretung der steiermärkischen Öffnungszeitenverordnung vor.

 

Zur subjektiven Tatseite ist anzuführen, dass gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung.

Das VStG gibt bezüglich der Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit keine Definitionen. Wenngleich das VStG nicht auf das StGB verweist, wird dennoch den Begriffsbestimmungen des Gesetzes Bedeutung zukommen. In § 6 StGB wird die Fahrlässigkeit definiert, wobei zwischen bewusster und unbewusster unterschieden wird. Bewusst fahrlässig handelt derjenige, der zwar daran denkt, dass sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könne, dieses jedoch nicht herbeiführen will, wenngleich er es für möglich hält, aber darauf vertraut, dass es nicht eintritt. Im Falle der unbewussten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, dass er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen  könne (VwGH 27.10.1997, 96/17/0456). Das Maß der Sorgfalt bestimmt sich nach objektiven und subjektiven Kriterien. Die objektive Sorgfaltspflicht bedeut die Anwendung jener Sorgfalt, zu der der Täter nach den Umständen des Einzelfalles verpflichtet ist, die subjektive Sorgfalt beinhaltet die Zumutbarkeit der Sorgfaltsübung. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH wiederholt ausgesprochen, dass der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte.

 

Vorliegend ist daher zu prüfen, ob sich der Berufungswerber entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Wie vorliegend bereits wiederholt ausgeführt, beabsichtigte die C L GmbH zum Tatzeitpunkt die Abhaltung eines Gelegenheitsmarktes. Marktorganisator war somit die C L GmbH und damit auch für die Einholung der hiefür erforderlichen Bewilligung und für die Abhaltung des Gelegenheitsmarktes verantwortlich. Entsprechend dieser Verantwortlichkeit hat die C L GmbH auch beim Bürgermeister der Stadtgemeinde Leoben um die Bewilligung für die Abhaltung eines Marktes unter Angabe des für den Markt bestimmten Gebietes, des Zweckes und der angebotenen Waren angesucht.

Indem der Bürgermeister der Stadt Leoben die Bewilligung nach § 286 Abs.2 GewO 1994, zu der er grundsätzlich auch zuständig ist, erteilt hat, konnte der Berufungswerber im guten Glauben davon ausgehen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Abhaltung des Marktes gegeben sind, sich der Bewilligungswerber an die gesetzlichen Bestimmungen und den Genehmigungsbe­scheid hält. Dem Berufungswerber kann keine objektive Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden, wenn er den Marktorganisator nicht auf die erforderliche Ausgestaltung des Marktes hinweist und er sich darauf verlässt, dass dieser die gesetzlichen Bestimmungen einhält.

Auf Grund dieses Umstandes ist dem Berufungswerber die irrtümliche Annahme, es gelte für ihn die von der Regelung des § 4 Z4 steiermärkische Öffnungszeitenver­ordnung anwendbar, nicht vorwerfbar.

 

Es kann somit für den Berufungswerber nicht von einem, für einen Schuldausspruch im Verwaltungsstrafverfahren ausreichenden Verschuldensausmaß ausgegangen werden; es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, ohne auf das weitere  Vorbringen des Berufungswerbers einzugehen.

 

Zu II.:

Weil die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag nicht zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. B i s m a i e r

 

 

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