Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161984/4/Zo/Jo

Linz, 20.08.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn H G, geboren , vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W und Mag. P M B, W, vom 22.01.2007, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 04.01.2007, Zl. 23878/06, wegen einer Übertretung des KFG 1967 zu Recht erkannt:

 

 

         I.      Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Wortlaut "bis zum 14.07.2006" zu entfallen hat.

 

       II.      Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 Euro zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.. §§ 64 ff VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die BPD Linz wirft dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vor, dass er als Zulassungsbesitzer des KFZ mit dem Kennzeichen , auf Verlangen der Behörde, BPD Linz, Nietzschestraße 33, 4020 Linz, nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung der schriftlichen Aufforderung – zugestellt am 24.07.2006 – bis zum 14.07.2006 Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses Kraftfahrzeug am 15.06.2006 um 15.46 Uhr gelenkt hat. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.2 KFG begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber geltend, dass ihn bereits vor der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers eine konkrete Verwaltungsübertretung als Lenker dieses Fahrzeugs zum angefragten Zeitpunkt vorgeworfen und die Behörde deswegen eine Strafverfügung erlassen habe. Erst nach seinem Einspruch gegen die Strafverfügung habe die Erstbehörde, ohne das Verfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung einzustellen, den nunmehrigen Berufungswerber als Zulassungsbesitzer zur Lenkerauskunft aufgefordert. In einem inhaltlich gleichgelagerten Fall habe der UVS des Landes Vorarlberg entschieden, dass eine Bestrafung wegen Nichterteilens der Lenkerauskunft gegen Artikel 6 Abs.1 EMRK verstoßen würde. Der UVS Vorarlberg stützte sich dabei auf eine Entscheidung des EGMR im Fall G R gegen die Republik Österreich (Beschwerde Nr. 63207/00). Die Erstbehörde hätte diesen Eingriff in sein Grundrecht gemäß Artikel 6 Abs.2 EMRK dadurch vermeiden können, dass sie die Lenkeranfrage vor Einleitung eines konkreten Verwaltungsstrafverfahrens gemacht hätte. Darüber hinaus wäre auch eine Anonymverfügung in Frage gekommen.

 

3. Der Bundespolizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, auf die ursprünglich beantragte mündliche Verhandlung hat der Vertreter des Berufungswerbers am 06.08.2007 verzichtet.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Gegen den Lenker des PKW mit dem Kennzeichen wurde eine Radaranzeige erstattet, weil dieser am 15.06.2006 in Linz auf der A1 bei km 146,970 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 33 km/h überschritten hatte. Der Berufungswerber ist Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Kraftfahrzeuges.

 

Die BPD Linz verhängte über den nunmehrigen Berufungswerber mit Strafverfügung vom 10.07.2006, Zl. 23878/LZ/0601, wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden). Gegen diese erhob der Berufungswerber rechtzeitig Einspruch. Mit Schreiben vom 21.07.2006 wurde der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen  aufgefordert, der Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses am 15.06.2006 um 15.49 Uhr in Linz auf der A1 bei km 167,970 in Richtung Salzburg gelenkt habe. Der Berufungswerber wurde darauf hingewiesen, dass die Auskunft den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten muss und er für den Fall, dass er die Auskunft nicht erteilen kann, jene Person benennen muss, welche die Auskunft erteilen kann. Er wurde auch auf die Strafbarkeit einer unterlassenen bzw. unvollständigen oder falschen Auskunftserteilung hingewiesen. Diese Lenkeranfrage wurde dem Vertreter des Berufungswerbers am 24.07.2006 zugestellt.

 

Nachdem bei der BPD Linz keine entsprechende Lenkerauskunft einlangte, verhängte diese mit Strafverfügung vom 11.09.2006 wegen des Nichterteilens der geforderten Auskunft eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 50 Stunden). Der Berufungswerber erhob dagegen rechtzeitig Einspruch, wobei er sich im Wesentlichen darauf berief, dass eine Bestrafung wegen Nichterteilens der Lenkerauskunft gegen Artikel 6 EMRK verstoßen würde. Dies insbesondere deshalb, weil das Verwaltungsstrafverfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung immer noch anhängig war.

 

Die BPD Linz holte ein Radarfoto der gegenständlichen Anzeige ein und brachte dieses dem Berufungswerber zur Kenntnis, er gab dazu aber keine Stellungnahme mehr ab. Am 19.12.2006 stellte die BPD Linz das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung ein. In weiterer Folge erließ sie das bereits oben angeführte Straferkenntnis.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 103 Abs.2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

5.2. Der Berufungswerber hat die geforderte Lenkerauskunft nicht erteilt und damit die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht verwirklicht. Der Berufungswerber bzw. dessen Rechtsvertreter beruft sich auf die Entscheidung des EGMR im Fall R gegen Österreich. Dazu ist aber anzuführen, dass der EGMR in seiner jüngsten Entscheidung in den Fällen O und F (Beschwerde Nr. 15809/02 bzw. 25624/02) in einer großen Kammer mit 15 zu 2 Stimmen entschieden hat, dass die (britische) Regelung betreffend die Lenkerauskunft nicht gegen Artikel 6 Abs.1 EMRK verstößt. Diese Urteile sind für den gegenständlichen Fall durchaus heranzuziehen. So hat der EGMR in Punkt 35 festgehalten, dass beide Beschwerdeführer als "angeklagt" im Sinne des Artikel 6 EMRK anzusehen waren. Der Umstand, dass gegen den Berufungswerber bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes anhängig war, ändert daher nichts an der Beurteilung des Falles. Im gegenständlichen Fall wurde wegen des Nichterteilens der Lenkerauskunft eine Geldstrafe von 100 Euro verhängt, die selbe Strafe wollte die BPD Linz auch wegen des Grunddeliktes verhängen.

 

Nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS Oberösterreich sind die Überlegungen des EGMR zu Artikel 6 Abs.1 EMRK auch auf die Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs.2 EMRK anzuwenden. Es darf nicht übersehen werden, dass der Zwang zur Lenkerbekanntgabe zwar strafrechtlicher Natur ist, er sich aber aus der Tatsache ergibt, dass jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges sich (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbunden sind (siehe Punkt 57 der Urteile). In Österreich gehört zu diesen Regeln eben auch der als Verfassungsbestimmung ausgeführte § 103 Abs.2 KFG 1967. Letztlich darf auch nicht übersehen werden, dass die Anfrage dahingehend eingeschränkt ist, wer ein bestimmtes Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Die Angabe dieser bloßen Tatsache an sich ist in keiner Weise inkriminierend, der Zusammenhang mit einem Strafverfahren besteht nur deshalb, weil die Behörde den Verdacht hatte, dass der Lenker dieses Kraftfahrzeuges zum gegenständlichen Zeitpunkt eine Verwaltungsübertretung begangen hatte. Ob dieser Verdacht zu Recht besteht, kann aber nur dann geprüft werden, wenn der Fahrzeuglenker bekannt ist. Das bloße Lenken eines Kraftfahrzeuges ist an sich jedenfalls kein strafbares Verhalten, weshalb die Auskunft, wer ein bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat, auch keine unmittelbare strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht.

 

Bezüglich des Verschuldens ist anzuführen, dass sich der Berufungswerber auf eine Entscheidung des UVS Vorarlberg, welche wiederum auf einer Entscheidung des EGMR beruht, berufen hat. Es ist daher zu prüfen, ob ihm ein Rechtsirrtum zugestanden werden kann. Der Berufungswerber wurde allerdings in der Lenkeranfrage ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine verspätete bzw. ungenaue oder unrichtige Auskunft strafbar ist. Es musste ihm daher klar sein, dass seine Rechtsansicht keineswegs die einzig mögliche ist, weshalb er verpflichtet gewesen wäre, sich diesbezüglich bei einer für die Vollziehung des KFG zuständigen Behörde zu erkundigen. Diese fehlende Erkundigung ist ihm als Verschulden vorzuwerfen und nachdem der Berufungswerber die Lenkerauskunft wissentlich und willentlich nicht erteilt hat, ist ihm in analoger Anwendung des § 9 Abs.3 StGB vorsätzliches Handelns vorzuwerfen.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

§ 134 Abs.1 KFG sieht für derartige Übertretungen eine Höchststrafe von 5.000 Euro vor. Dem Berufungswerber kommt als wesentlicher Strafmilderungsgrund seine bisherige Unbescholtenheit zu Gute, einen weiteren Strafmilderungsgrund bildet sein Rechtsirrtum (§ 34 Z12 StGB). Dem stehen keinerlei Straferschwerungsgründe gegenüber. Anzuführen ist noch, dass der gegenständliche Vorfall bereits ca. 1 Jahr zurückliegt und der Berufungswerber in dieser Zeit keine weiteren Verkehrsübertretungen begangen hat. Dies bildet ebenfalls einen Strafmilderungsgrund, wobei die relativ lange Dauer des Berufungsverfahrens dadurch begründet ist, dass eben die Entscheidung des EGMR in den Fällen F und O abgewartet wurde. Eine gewisse Verzögerung ergab sich auch daraus, dass der Berufungswerber vorerst eine Verhandlung beantragt, letztlich aber auf diese verzichtet hat.

 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint eine Geldstrafe in Höhe von 2 % der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe durchaus angemessen und ausreichend, um ihn in Zukunft von der Begehung ähnlicher Übertretungen abzuhalten. Auch aus generalpräventiven Überlegungen ist die verhängte Strafe angemessen. Sie entspricht auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, wobei die von der Erstinstanz vorgenommene Einschätzung (monatliches Einkommen 1.800 Euro netto, kein Vermögen und keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten) zu Grunde gelegt wird, weil der Berufungswerber dieser nicht widersprochen hat.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

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