Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162371/6/Br/Ps

Linz, 20.08.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn V I, geb. am, L, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 28. Juni 2007, Zl. VerkR96-1020-2007, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 20. August 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z3 § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.         Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg verhängte mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von  80,00 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 24 Stunden als Ersatzfreiheitsstrafe, weil er am 05.02.2007, 14.51 Uhr, als Lenker des Sattelzugfahrzeuges, Anhänger, in der Gemeine Kematen am Innbach, auf der A8 bei km 25.000, Fahrtrichtung Suben mit einem Lastkraftfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "ÜBERHOLEN VERBOTEN" für Lastkraftfahrzeuge über 7,5 t gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt habe.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

"Der im Spruch genannte Sachverhalt wurde von Beamten der Autobahnpolizeiinspektion Wels dienstlich festgestellt.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 02.03.2007 wurden Sie wegen der im Spruch genannten Verwaltungsübertretungen bestraft.

Dagegen erhoben Sie fristgerecht Einspruch.

Mit Schreiben von 22.03.2007 wurde der Strafakt gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Perg abgetreten.

Am 24.04.2007 gab der Anzeigenleger unter Wahrheitsverpflichtung bei der Bundespolizeidirektion Wels im Wesentlichen folgendes zu Protokoll: Er habe dienstlich festgestellt, dass zur Tatzeit am Tatort mehrere LKW's am rechten Fahrstreifen der A8 (gemeint wohl: fuhren). Der Angezeigte wechselte auf den linken Fahrstreifen und hat zumindest einen LKW überholt. Zur Tatzeit herrschte fließender Verkehr und es war daher keine Kolonnenbildung vorhanden.

Mit Schreiben von 22.05.2007 wurde Ihnen Gelegenheit gegeben, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern.

Am 08.06.2007 gaben Sie nach Akteneinsicht bei der Bezirkshauptmannschaft Perg im Wesentlichen folgendes zu Protokoll:

Sie wären der Meinung nicht überholt zu haben, Sie wären an einer Kolonne "vorbeigefahren". Sie sind an insgesamt 3 LKW's "vorbeigefahren".

Der vorliegende Sachverhalt ist aufgrund der Anzeige und der zeugenschaftlichen Aussage des Anzeigenlegers, als erwiesen anzusehen, insbesondere deshalb, da lt. Anzeigenleger zur Tatzeit am Tatort keine Kolonnenbildung bestand.

Sie haben durch den vorliegenden Sachverhalt den im Spruch genannten Tatbestand verwirklicht und diesen verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, insofern keine Umstände vorliegen, die geeignet wären, Ihr gesetzwidriges Verhalten zu rechtfertigen oder zu entschuldigen.

Bei der Strafbemessung wurde von einem monatlichen Einkommen in Höhe von 1 000,00 Euro ausgegangen, da Sie trotz der Sie treffenden Pflicht, an der Erhebung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse mitzuwirken, dieser Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sind.

Mildernde oder erschwerende Umstände liegen nicht vor.

Die Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens ist in der im Spruch zitierten Gesetzes­stelle begründet."

 

2. Der Berufungswerber beurteilt in seiner fristgerecht protokollarisch bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung sein Fahrmanöver als Vorbeifahren an drei Lastkraftfahrzeugen und darüber hinaus vermeint er, dass es sich bei einem Sattelkraftfahrzeug um kein Lastkraftfahrzeug handle.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt und Beischaffung eines Luftbildes aus dem System Doris über die fragliche Straßenstelle. Der Berufungswerber wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung als Beschuldigter und der Meldungsleger BezInsp. M als Zeuge einvernommen.

 

3.1. Der Berufungswerber lässt auch anlässlich des Berufungsverfahrens unbestritten, mit seinem Sattelkraftfahrzeug eines von drei vor ihm fahrenden Lastkraftfahrzeugen im Bereich des Überholverbotes "überholt" zu haben. In der Folge sei er am nächstgelegenen Parkplatz angehalten worden. Ihm wurde die Bezahlung eines OM angeboten, jedoch habe er dessen Bezahlung verweigert, weil er laut seiner Ausbildungsunterlage für Berufskraftfahrer überzeugt sei, dass einerseits ein Sattelkraftfahrzeug kein Lastkraftfahrzeug sei und dieses daher nicht vom Überholverbot für Lastkraftwagen erfasst sein könne und andererseits dies als Vorbeifahren an einer Kolonne zu werten sei.

Aus dem nur aus den Lenker- u. Fahrzeugdaten und auf den Tatbestand reduzierten Anzeigetext des sogenannten "GENDIS- bzw. VStV-Anzeigesystems" wurde als "Tatort die A8 Strkm 25.000" angeführt. Als Angaben des Verdächtigen wurde an dessen damals vertretene Rechtsansicht, wonach ein Vorbeifahren an mehreren Lkw´s nicht als Überholen zu qualifizieren sei, festgehalten.

Eine im Rahmen der Berufungsverhandlung vom Zeugen zusätzlich vorgelegte mehrere Details beinhaltende Anzeige wurde offenbar mit dem Verfahrensakt nicht vorgelegt.

Aber auch aus diesem Anzeigetext ergibt sich als Tatort die Straßenkilometrierung 25,000.

Der Meldungsleger erklärte im Rahmen der Berufungsverhandlung, dass er den Überholvorgang an bloß einem Lastkraftwagen etwa 500 bis 800 m vor dem Parkplatz Kematen deutlich und zweifelsfrei wahrgenommen habe. Dies vom hinten nachfahrenden Dienstfahrzeug aus, wobei nach dem abgeschlossenen Überholvorgang das Fahrzeug des Berufungswerbers auf dem nächsten Parkplatz "25" Kematen eskortiert worden sei. Dort habe man dem Berufungswerber ein OM in Höhe von 36 Euro angeboten, welches dieser jedoch im Hinblick auf seine Rechtsansicht zum Tatbestand eines Überholverbotes für Lastkraftwagen über 7,5 t nicht bereit war zu bezahlen.

An Hand des beigeschafften Luftbildes identifizierte der Zeuge den Straßenkilometer 25,000 nach dem Parkplatz Kematen.

Daraus folgt, dass der Überholvorgang etwa einen Kilometer vorher erfolgt sein muss und bei der hier zur Last gelegten Örtlichkeit nie stattgefunden haben konnte. 

 

4. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Grundsätzlich ist die vom Berufungswerber vertretene Rechtsaufassung, wonach sich das Überholverbot nach § 52 lit.a Z4c StVO 1960 nicht (auch) auf Sattelkraftfahrzeuge (hier mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t) beziehen würde, verfehlt. Vergleichbar der in § 42 Abs.8 erster Satz StVO 1960 normierten Verkehrsbeschränkungen für "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge" begreifen sich darunter auch die Sattelkraftfahrzeuge. Auch die Bestimmung des § 52 lit.a Z7a StVO 1960 regelt Fahrverbote für Lastkraftfahrzeuge. Es ist kein vernünftiger Grund zu ersehen, dass der Gesetzgeber zu den Verkehrsbeschränkungen der §§ 42 Abs.8 und 52 lit.a Z7a StVO 1960 eine unterschiedliche Begriffsbestimmung vornehmen wollte, weshalb zum Verständnis des Begriffes "Lastkraftfahrzeug" in § 42 Abs.8 StVO 1960 auf die zu § 52 lit.a Z7a StVO 1960 ergangene hg. Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann, wonach dieses Verbot auch Sattelkraftfahrzeuge umfasst (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1988, Zl. 85/03/0149, und vom 5. August 1999, Zl. 99/03/0200). Somit betrifft auch eine Geschwindigkeitsbeschränkung des § 42 Abs.8 erster Satz StVO 1960 auch Sattelkraftfahrzeuge. Diesem Verständnis stehen weder die einschlägige Literatur noch die Erläuterungen (RV BlgNR 18. GP, 27) – denen nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist – entgegen (vgl. VwGH 11.10.2002, 2002/02/0095).

Völlig abwegig erscheint, dass ein gleichzeitiges Überholen von mehreren Kraftfahrzeugen kein Überholen wäre.

 

4.2. Dennoch war aber das angefochtene Straferkenntnis zu beheben!

Der punktuell mit "Strkm 25,000" angelastete Tatort liegt hier trotz einer sich wohl über zumindest 500 m erstreckenden Distanz mit Sicherheit etwa einen Kilometer vorher. Dies mit Blick auf die Tatsache, dass der Berufungswerber nach Beendigung seines vom Verbot umfassten Überholvorganges noch vor dem Parkplatz Kematen vom Polizeifahrzeug überholt worden sein musste, um schließlich die Amtshandlung am Parkplatz auf Höhe Strkm 24,900 (100 m vor dem zur Last gelegten Tatort) die Anhaltung und Amtshandlung durchführen zu können. 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat jedoch der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Von keiner Verfolgungshandlung (Strafverfügung v. 2.3.2007, Verständigung v. Ergebnis der Beweisaufnahme v. 22.5.2007 u. schließlich dem Straferkenntnis) wurde der als Tatort in Betracht kommende Streckenbereich je erfasst, sodass nach § 44a VStG in Vermeidung einer Doppelverfolgung eine Neufestsetzung des Tatortes nicht zulässig ist (vgl. VwGH 3.9.2003, 2001/03/0150 mit Hinweis auf VwGH 26.1.2000, 98/03/0089). Die Tat ist hinsichtlich der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass eine Zuordnung zur Verwaltungsvorschrift, die durch diese Tat verletzt worden ist in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale – insbesondere den Tatort betreffend – ermöglicht wird (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11.466/A, VwGH 13.12.2000, 2000/03/0294).

Da weder eine diesen Erfordernissen Rechnung tragende Verfolgungshandlung vorliegt, noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die erforderlichen Kriterien aufweist, war in den Punkten 1. bis 3. das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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