Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-110791/18/Kl/Rd/Pe

Linz, 19.09.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des H B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.5.2007, VerkGe96-58-1-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungs­gesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6.9.2007,   zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.     Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 290,60 Euro, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.5.2007, VerkGe96-58-1-2007, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungsüber­tretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 GütbefG verhängt, weil er als Unternehmer mit dem Sitz in, am 26.3.2007 gegen 14.35 Uhr, auf der Innkreis-Autobahn A8, bei Strkm 75,200, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem niederländischen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: H B, Lenker: A P, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (20.625 kg Aluminium und Glas) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in den Niederlanden (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt hat, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschafts­lizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass durch die Verordnung 881/92 idFd Verordnung 484/2002 für den grenzüberschreitenden Verkehr eine sogenannte "Fahrerbescheinigung" für Lenker  eingeführt worden sei, die Staatsgehörige eines Drittlandes sind. Der Bw habe bei den zuständigen Behörden die Erteilung dieser "Fahrererlaubnis" beantragt. Über die Frage der Erteilung der "Fahrererlaubnis" sei derzeit beim Verwaltungsgericht in Wiesbaden ein Rechtsstreit anhängig, welcher bislang noch nicht abschließend entschieden sei.

Die genannte Verordnung EWG 484/2002 sei unter Berücksichtigung der übrigen Rechtsvorschriften, insbesondere des Gemeinschaftsrechtes, auszulegen. Hiebei müsse das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und die hieraus sich ergebenden weiteren Rechtsakte wie das Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen und der Beschluss 1/80 herangezogen werden. Unter Berücksichtigung dieser Regelungen ergebe sich, dass die Türkei nicht als Drittstaat im Sinne der vorbezeichneten Verordnung EWG 484/2002 anzusehen sei und damit der betroffene Fahrer keiner Fahrerlizenz bedürfe.

Der EuGH habe in einem Urteil vom 21.10.2003 – Rechtssache C 317/01 und C 369/01 – festgestellt, "Art. 41 Abs.1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei kommt unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu". Damit bestätige der EuGH seine ständige Rechtsprechung, vgl. Rd Zf 58 des Urteils.

Art. 41 des Zusatzprotokolls laute: "Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen".

Der EuGH spricht in Rd.Zf 80 seiner Entscheidung ausdrücklich aus, dass sich aus Art. 13 des Beschlusses 1/80 ein Verbot ergebe, den Zugang türkischer Staatsangehöriger zu einer Beschäftigung innerhalb der Mitgliedstaaten durch neue Maßnahmen einzuschränken.

In Rd.Zf 117 der vorbezeichneten Entscheidung komme der EuGH zu dem Ergebnis, dass gerade Art. 41 Abs.1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses 1/80 generell die Einführung neuer, weiterer Beschränkungen des Niederlassungsrechts sowie des freien Dienstleistungsverkehrs und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an verbieten, von dem der Rechtsakt, zu dem diese Artikel gehören, im Aufnahmemitgliedstaat, mithin hier in der BRD, in Kraft getreten seien.

Die streitgegenständliche Verordnung EWG 484/2002 vom 1.3.2002 zur Änderung der Verordnung EWG 881/92 und EWG 881/93 führe erstmals die Einführung einer Fahrerbescheinigung für Fahrer ein, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind. Die Anwendung dieser Verordnung auf türkische Staatsangehörige stelle einen Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei mit seinen Ausführungsregelungen dar, weil die Anwendung dieser Verordnung dazu führe, dass türkische Staatsangehörige diskriminiert werden und der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt werde.

Vor diesem Hintergrund sei die Strafbestimmung dahingehend auszulegen, dass der betroffene Fahrer nicht unter den Tatbestand falle.

Hilfsweise wäre das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Weiters werde darauf verwiesen, dass für die Einweisung/Einschulung der Kraftfahrer nicht der Bw, sondern Herr M A T (richtig wohl: S B) zuständig sei. Dieser habe auch für die gesamten Papiere zu sorgen.

Durch die von den österreichischen Behörden geübte Verwaltungspraxis werde es den Lastkraftwagenfahrern faktisch untersagt, jeglicher Tätigkeit nachzukommen. Von dieser Verwaltungspraxis ausgehend, sei sowohl eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit als auch der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der geübten Verwaltungspraxis zu sehen und müsse berücksichtigt werden, dass die nationalen Vorschriften unter Berücksichtigung der europäischen Regelungen auszulegen seien.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe sei die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen.

Es wird daher beantragt, dass angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu gemäß § 21 VStG eine Ermahnung auszusprechen, in eventu gemäß § 20 VStG die verhängte Geldstrafe herabzusetzen.            

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6.9.2007, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Die belangte Behörde hat sich von der Teilnahme entschuldigt. Weiters wurde der vom Bw  beantragte Zeuge S B an der vom Rechtsvertreter des Bw bekannt gegebenen Adresse geladen und ist dieser trotz ausgewiesener Ladung unentschuldigt nicht erschienen. Der geladene Zeuge A P (Lenker) ist trotz ausgewiesener Ladung nicht erschienen. Der Meldungsleger RI B hat sich entschuldigt.

 

4.1. Eingangs ist zu bemerken, dass beim Oö. Verwaltungssenat weitere Berufungsverfahren (VwSen-110783, 110784, 110785 und 110788) betreffend H B anhängig sind. Die gleichgelagerten Sachverhalte wurden im Rahmen der am 6.9.2007 abgehaltene öffentliche mündliche Verhandlung mit abgehandelt. Im Zuge der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde vom Rechtsvertreter des Bw bekannt gegeben, dass die Transporte stattgefunden haben und wurde auch nicht bestritten, dass keine Fahrerbescheinigungen für die jeweiligen Fahrer vorliegen.

Auszuführen sei jedoch, dass die Verwaltungsbehörde erster Instanz in Giesen sich weigere, Fahrerbescheinigungen über Antrag auszustellen. Negative Bescheide seien auch entsprechend bei der Oberinstanz (Gericht Wiesbaden) angefochten worden; entsprechende Entscheidungen würden jedoch noch immer ausstehen. Es sei daher dem Bw nicht möglich, eine entsprechende Fahrerbescheinigung für die jeweiligen typischen Lenker zu erhalten bzw dann auch eine derartige Fahrerbescheinigung faktisch vorzuweisen. Es werde aber weiterhin die Meinung vertreten, dass keine Fahrerbescheinigungen für die betreffenden Lenker mit türkischer Staats­angehörigkeit erforderlich seien.

 

Vom Rechtsvertreter des Bw wurde in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass in der Berufung versehentlich M A T als verantwortlicher Beauftragter benannt wurde, richtig sei, dass Herr S B diese Funktion innehatte.

 

Es ist daher der im Tatvorwurf angelastete grenzüberschreitende Transport durch den türkischen Lenker A P ohne Vorliegen einer Fahrerbescheinigung erwiesen.

 

Zur Bestellung des S B zum verantwortlichen Beauftragten führte der Rechtsvertreter aus, dass die vorgelegte Urkunde vom 1.4.2004 betreffend S B über Empfehlung eines deutschen Rechtsanwaltes vom Bw erstellt worden sei. Dieser habe nicht auf "ausländische" Komponenten Bezug genommen. De facto beinhalte aber die Urkunde auch die Übertragung der verwaltungsstraf­rechtlichen Verantwortung auf S B gemäß der österreichischen Rechtslage nach § 9 VStG. Zu diesem Zwecke sei auch die Ladung des bestellten verantwortlichen Beauftragten beantragt worden und entziehe sich der Grund für dessen Nichterscheinen zur Verhandlung der Kenntnis des Rechtsvertreters.

 

Die im Verfahren erster Instanz vorgelegte Urkunde vom 1.4.2004, gezeichnet von Herrn S B und dem Bw, überträgt Herrn S B "den Fuhrpark und den Einsatz der Fahrer" "zur ausdrücklichen Verantwortung". Als Aufgaben sind insbesondere angeführt: "Die Disposition der Fahrzeuge, die Überwachung der Fahrzeuge, die Überwachung  der Wartung der Fahrzeuge, die Disposition und Überwachung der von Hadamar aus eingesetzten Fahrer, die Überwachung der Einhaltung der technischen Vorschriften der Berufsgenossenschaft und der Arbeitssicherheit dienenden Regelungen, insbesondere die Einhaltung der Lenkzeiten und die Aufbewahrung der Diagrammscheiben, die Belehrung der Fahrer über den Umgang mit Fahrtenschreiber, den Mautgeräten und der Aufbewahrung von Diagrammscheiben sowie die Belehrung und Überwachung der Fahrer bezüglich des technischen Zustandes der Fahrzeuge"

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

1)        Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,

2)        Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

3)        Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4)        aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl L95 vom 9.4.1992, S.1, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1.3.2002, ABl. L76 vom 19.3.2002, S.1, ... anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 der obzit. Verordnung wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält.

 

Strafbar nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 der GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Die belangte Behörde hat ausführlich die rechtlichen Erwägungen dargelegt; diese sind vollauf zu bestätigen.

 

5.2. Zur Bestellung des S B zum verantwortlichen Beauftragten:

 

Gemäß § 9 Abs.3 VStG kann eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

 

Gemäß § 9 Abs.4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungs­befugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungs­strafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

 

Wie aus dem vorgelegten Akt entnommen werden kann, wurde vom Bw in seiner Stellungnahme vom 9.1.2007 ua ein an S B adressiertes Schreiben, in welchem ihm der Aufgabenbereich "Fuhrpark" und "Einsatz der Fahrer" ausdrücklich zur Verantwortung übertragen wurde, vorgelegt. Dieses Schreiben wurde mit 1.4.2004 datiert und sowohl von H B als auch von S B unterfertigt.

 

In der eingangs angeführten mündlichen Verhandlung wurde vom Rechtsvertreter hinsichtlich des oa Schreibens darauf hingewiesen, dass dieses eine Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung auf S B gemäß der österreichischen Rechtslage nach § 9 VStG darstellen soll.      

 

5.2.1.  Aus dem § 9 Abs.3 und Abs.4 VStG ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, klar abzugrenzen ist. Erfolgt eine klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist (vgl. VwGH vom 9.8.1994, 94/11/0207, 0208, 7.4.1995, 94/02/0470, 29.4.1997, 96/05/0282 ua). Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches im Sinne des § 9 Abs.4 VStG muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden (vgl. VwGH vom 24.2.1995, 94/09/0171, 29.4.1997, 96/05/0282).  In der Übertragung von bestimmten Aufgaben innerhalb eines Unternehmens an einzelne Beschäftigte liegt noch nicht die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (vgl. VwGH vom 14.9.2001, 2000/02/0181).

 

Der genannte Aufgabenbereich umfasst die Disposition und Überwachung von Fahrzeugen und Fahrern, nicht jedoch die Beschaffung und Kontrolle der Fahrerbescheinigungen, sodass eine klare Zuständigkeit des benannten Beauftragten für Fahrerbescheinigungen nicht ersichtlich ist.

 

Eine weitere wesentliche Voraussetzung, um von einem "verantwortlichen Beauftragten" im Sinne des § 9 Abs.3 VStG, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anstelle des Inhabers des Unternehmens trägt, sprechen zu können, ist zufolge des § 9 Abs.4 VStG die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung.

 

Dass der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ausdrücklich durch den Bestellten zugestimmt wird, geht aus dem Schreiben vom 1.4.2004 nicht expressis verbis hervor. Dieser Nachweis der ausdrücklichen Zustimmung muss nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Zeitpunkt der Tat schon vorhanden sein und kann nicht nachträglich erbracht werden.

 

Weiters wird im oa Schreiben auch keine verwaltungsstrafrechtlich relevante Anordnungsbefugnis, so zB welche Sanktionsmöglichkeiten dem Bestellten bei Zuwiderhandlungen offenstehen,  angeführt, welche ebenfalls eine Voraussetzung für eine Übertragung der Verantwortungspflicht darstellt.

 

Da sohin aus der  vorgelegten "Bestellungsurkunde" weder ein klar abgegrenzter Aufgabenbereich für Fahrerbescheinigungen samt dazugehöriger Anordnungs­befugnis erkennbar ist noch ein ausdrücklicher Zustimmungsnachweis, dass der Bestellte die verwaltungsstraf­rechtliche Verantwortung bei Verwaltungsübertretungen anstelle des Bw übernimmt, vorliegt, war vom Nichtvorliegen einer rechtswirksamen Bestellung des S B zum verantwortlichen Beauftragten auszugehen. Die Ansicht des Bw, wonach der vorgelegte Bestellungsakt zum verantwortlichen Beauftragten genüge, wird vom Oö. Verwaltungssenat nicht geteilt, zumal Verwaltungsstrafverfahren von den österreichischen Behörden stets nach den österreichischen Verfahrensgesetzen, hier nach dem Verwaltungsstrafgesetz, abzuführen sind. Dies bedeutet, dass allenfalls abweichende Bestimmungen in anderen Ländern, etwa der BRD, nicht berücksichtigt werden können.

 

Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass der Bw als Unternehmer mit dem Sitz in, am 26.3.2007 gegen 14.35 Uhr mit dem Sattelzugfahrzeug, Kz: (D), Anhänger: Kz: (NL) eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Güterbeförderung von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in den Niederlanden durch den türkischen Lenker A P, ohne im Besitz einer Fahrerbescheinigung zu sein, durchführen hat lassen. Dies wurde vom Rechtsvertreter des Bw anlässlich der eingangs angeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung auch nicht bestritten. Da es dem Bw nicht gelungen ist, die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit auf S B als vermeintlichen verantwortlichen Beauftragten abzuwälzen, bleibt diese an ihm haften.     

 

5.2.2.  Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung gehört zu den Ungehorsamsdelikten und war Fahrlässigkeit zu vermuten. Einen Entlastungsnachweis hat der Bw nicht erbracht.

 

Es hat daher der Bw die Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 GütbefG in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen und war daher das Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld zu bestätigen.

 

Zum Vorbringen des Bw, wonach trotz Beantragung der Fahrerbescheinigung bei der zuständigen deutschen Behörde die Erteilung selbiger verweigert wurde und diesbezüglich bereits der Rechtsweg beschritten wurde, ohne dass bislang eine Entscheidung getroffen worden ist, ist der Bw auf die Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zu verweisen, die nahezu wortwörtlich die Judikatur des Oö. Verwaltungssenates hinsichtlich der Problematik der Nichtausstellung von Fahrerbescheinigungen wiedergibt. Es kann daher seitens des Oö. Verwaltungssenates nichts mehr hinzugefügt werden, das nicht aus Wiederholungen bestehen würde. Die Weigerung der Ausstellung der Fahrerbescheinigungen seitens der zuständigen deutschen Behörden stellt sohin keinen Entlastungsbeweis, wie dies in § 5 Abs.1 VStG gefordert wird, dar. Auch wenn der Bw den Rechtsweg bei den deutschen Behörden bereits vor längerer Zeit beschritten hat und von diesen bislang noch keine richtungsweisende Entscheidung getroffen wurde, so ist ihm die weitere Ausschöpfung des Rechtsweges (zB in Form der Stellung eines Devolutionsantrages oÄ) zumutbar. So lange keine Entscheidung seitens der deutschen Behörden getroffen wird, steht dem Bw – um nicht noch weitere Verwaltungsübertretungen zu begehen -, die Möglichkeit offen, nur noch Lenker zu beschäftigen bzw einzusetzen, für welche keine Fahrerbescheinigung vonnöten ist bzw deren Arbeitsverhältnis den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Mitgliedstaates entspricht.

Die für den Bw frustrierend anmutende Haltung der deutschen Behörden hinsichtlich der unterschiedlichen Handhabung bei der Ausstellung von Fahrerbescheinigungen, ist vom Oö. Verwaltungssenat durchaus nachvollziehbar, doch kann aber keinesfalls daraus eine Straffreiheit in Österreich bewirkt bzw "erzwungen" werden.   

 

5.3. Zur Strafbemessung ist zu bemerken:

Gemäß  § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß  der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß  anzuwenden.

Die  Einkommens-,  Vermögens-  und  Familienverhältnisse  des Beschuldigten  sind  bei  der Bemessung  von  Geldstrafen  zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat auf den besonderen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung hingewiesen, insbesondere auch auf die mangelnde Kontrollmöglichkeit bei grenzüberschreitenden Transporten. Sie ist zudem von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Diese persönlichen Verhältnisse wurden vom Bw auch in der Berufung nicht geändert und kamen keine geänderten Umstände hervor. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Mindeststrafe verhängt wurde. Diese ist angesichts des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat gerechtfertigt und war daher zu bestätigen.

 

Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Allein die Unbescholtenheit des Bw macht noch nicht ein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe aus. Da mehrere Verfahren hinsichtlich mehrerer Fahrer beim Oö. Verwaltungssenat anhängig sind, kann sohin nicht bloß von einer einmaligen Unbesonnenheit  bzw einmaliger besonders verlockender Gelegenheit gesprochen werden und wurde bereits beim Unrechtsgehalt der Tat auf mögliche volkswirtschaftliche Schäden hingewiesen. Von einem Wohlverhalten des Bw kann in Anbetracht der beim Oö. Verwaltungssenat anhängigen Verfahren bei weitem nicht gesprochen werden.

 

Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Bw nicht erheblich hinter dem in der Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt.

 

Es war daher auch die verhängte Geldstrafe zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Fahrerbescheinigung

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 17.12.2008, Zl.: 2007/03/0193-0197-7

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum