Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102796/7/Ki/Shn

Linz, 12.07.1996

VwSen-102796/7/Ki/Shn Linz, am 12. Juli 1996 DVR.0690392 Verwaltungsgerichtshof Judenplatz 11 1014 Wien zu Zl.1996/02/0232-2 vom 28. Mai 1996 Aus Anlaß der Beschwerde des Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst gegen des Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 9. Mai 1995, VwSen-102796/2/Ki/Shn, betreffend Übertretung der StVO erstattet der O.ö. Verwaltungssenat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch in der Funktion als Berichter der 9. Kammer nachstehende

G e g e n s c h r i f t

(zweifach) Der O.ö. Verwaltungssenat legt auftragsgemäß die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verweist, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Erkenntnisses. Ergänzend wird zu den Beschwerdegründen wie folgt Stellung genommen:

Der Beschwerdeführer rügt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit und argumentiert im wesentlichen, daß der O.ö.

Verwaltungssenat die Rechtslage verkenne, als bei richtiger Auslegung des § 5 Abs.2 StVO 1960 vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Aufforderung zur Abgabe einer Atemluftprobe und in der Folge vom Vorliegen einer Verwaltungsübertretung auszugehen gewesen wäre.

Dazu wird zunächst festgestellt, daß der Motor des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges zwar zur Zeit der Amtshandlung in Betrieb war, letztlich jedoch nicht mit einer für eine (verwaltungs-)strafrechtliche Verurteilung relevanter Sicherheit nachgewiesen werden kann, daß der Beschuldigte tatsächlich selbst dieses Kraftfahrzeug in Betrieb genommen hat. Der O.ö. Verwaltungssenat als belangte Behörde verkennt nicht, daß es nach den Erfahrungen des Lebens grundsätzlich wahrscheinlich ist, daß jemand, der sich am Fahrersitz eines mit laufendem Motor stehenden PKW befindet, diesen PKW auch selbst in Betrieb genommen hat.

Letztlich aber hat sich der Beschuldigte damit verteidigt, daß nicht er den Motor in Gang gesetzt hat. Natürlich könnte diese Rechtfertigung eine klare Schutzbehauptung sein, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß ihm im vorliegenden konkreten Fall tatsächlich eine andere Person geholfen hat, welche auch für ihn den Motor des PKW in Betrieb nahm. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht hätte der Beschuldigte zwar diese Person als Zeugen zum Beweis für seine Rechtfertigung anbieten müssen, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß er sich an diese Person wegen seiner Alkoholisierung nicht mehr erinnern konnte.

Nach dem Grundsatz in dubio pro reo verbleibt demnach im vorliegenden konkreten Fall als entscheidungswesentliches Sachverhaltselement lediglich der durchaus begründete bzw dringende Verdacht, daß der Beschuldigte das Kfz auch selbst in Betrieb genommen hat.

Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, der O.ö. Verwaltungssenat meine, "daß die Inbetriebnahme eines Kfz mit dem Umdrehen des Zündschlüssels beendet sei", wird die Auffassung vertreten, daß, zeitlich betrachtet, es sich bei der "Inbetriebnahme" und beim "in Betrieb sein" eines Motors praktisch um unterschiedliche Vorgänge handelt. Dieser Umstand mag dem Wortlaut der der Bestrafung zugrundeliegenden Gesetzesbestimmung nach dann im Hinblick auf die Erfüllung des Tatbildes zu vernachlässigen sein, wenn die Inbetriebnahme und im folgenden die Benützung des in Betrieb genommenen Kfz durch ein und dieselbe Person nachgewiesenermaßen erfolgt, nicht jedoch, wenn allenfalls die Inbetriebnahme durch eine andere Person vorgenommen wurde.

Die im gegenständlichen Verfahren strittige Gesetzesbestimmung (§ 5 Abs.2 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle) enthält grundsätzlich drei Tatbestände.

Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung können Straßenaufsichtsorgane jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder dies versuchen auf Alkoholgehalt untersuchen, ohne daß hiezu eine Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung erforderlich ist. Aus der Regierungsvorlage geht hiezu hervor, daß mit dieser Bestimmung planquadratmäßige Atemalkoholkontrollen eine gesetzliche Grundlage erhalten sollen. Voraussetzung ist damit, daß das auffordernde Straßenaufsichtsorgan das Untersuchungsgerät, nämlich den Alkomat, an Ort und Stelle mitführt, und der Lenker des Fahrzeuges an Ort und Stelle eine Atemalkoholuntersuchung durchführen kann. Diese Bestimmung ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn das Straßenaufsichtsorgan kein Atemalkoholuntersuchungsgerät mitführt und der aufgeforderte Fahrzeuglenker zum nächstgelegenen Gendarmerieposten mitfahren muß, um dort einen Alkotest durchzuführen.

Im gegenständlichen Fall hatte der Genadrmeriebeamte ein Atemalkoholuntersuchungsgerät nicht mitgeführt, dh der Beschuldigte hätte zum nächstgelegenen Gendarmerieposten, bei dem sich ein einsatzbereites Atemalkoholtestgerät befand, mitkommen müssen. Ein solches Vorgehen ist aber unter den zweiten Satz der Bestimmung des § 5 Abs.2 leg.cit.

zu subsumieren, wobei hier jedoch der Kreis der Personen, die durch ein Straßenaufsichtsorgan unter der Voraussetzung der Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung zur Durchführung einer Atemalkoholuntersuchung aufgefordert werden können, eingeschränkt wurde auf 1. Personen die verdächtig sind, ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder 2. Personen, die verdächtig sind, als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben.

Die Regierungsvorlage 1994 führt hiezu aus:

"Ziffer 1 trifft dafür Vorsorge, daß auch Personen, die nicht vor Ort einer Atemalkoholuntersuchung unterzogen werden konnten, insbesondere etwa weil sie einer Aufforderung, ihr Fahrzeug anzuhalten nicht Folge geleistet haben, oder auch bei "Fahrerflucht" im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, nachträglich zum Zweck der Beweissicherung einer Alkoholkontrolle zugeführt werden können." Im zweiten Satz Ziffer 1 der maßgebenden Bestimmung sind aber nur mehr Personen angeführt, die verdächtig sind, ein Fahrzeug gelenkt zu haben, nicht aber Personen, die verdächtig sind, ein Fahrzeug in Betrieb genommen zu haben oder versucht haben, ein Fahrzeug zu lenken oder in Betrieb zu nehmen.

In seinem Überblick zur 19. StVO-Novelle führt Univ.-Prof.

Dr. Stolzlechner zu dieser Bestimmung aus:

"... Wesentlich ist noch ein anderer Unterschied zum ersten Satz des Absatzes 2. Nach Satz 2 dürfen (lediglich) Personen kontrolliert werden, die verdächtig sind, alkoholisiert "ein Fahrzeug gelenkt zu haben". Im Umkehrschluß ist daraus abzuleiten: Bei einem Lenkversuch bzw. bei (einem) Inbetriebnahme(versuch) dürfen weder eine Atemluftuntersuchung noch eine Verbringung nach Abs.4 durchgeführt werden. Beobachten danach Exekutivorgane eine Person, die alkoholisiert ihr Auto öffnet und startet (ohne wegzufahren), so darf die Atemluft zwar an Ort und Stelle geprüft werden (Abs.2 erster Satz), steht ein Alkomat jedoch nicht zur Verfügung, ist eine Verbringung dieser Person zur nächsten Dienststelle unzulässig, weil nicht gelenkt wurde.

Damit aber fehlt es am Beweis für eine Übertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a in Form der Inbetriebnahme. Die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wäre daher sinnlos.

Die Annahme einer (unbeabsichtigten) Gesetzeslücke verbietet sich, einmal mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut und die diesen bestätigenden Erlässe, sowie ferner bei Berücksichtigung des systematischen Hinweises auf Abs.4 letzter Halbsatz, wo gleichfalls nur auf die "Zeit des Lenkens" abgestellt wird." (vgl. Stolzlechner "Hauptpunkte der 19. StVO-Novelle" in: Zeitschrift für Verkehrsrecht, Heft 12, Dezember 1994, S 353ff).

Entgegen der allgemeinen Formulierung des § 5 Abs.2 StVO 1960 vor Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle wurde nunmehr die Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt im bloßen Falle eines Verdachtes ausdrücklich auf Personen eingeschränkt, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt oder als Fußgänger eine Verkehrsunfall verursacht zu haben.

Wenn auch die Intention des Gesetzgebers seitens des O.ö.

Verwaltungssenates nicht verkabnnt wird (siehe Regierungsvorlage), so könnte dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung nach etwa eine durchaus schlüssige und auch nicht als unbillig anzusehende Hintergrundüberlegung dieser Bestimmung darin bestehen, daß eine Person, die ein Fahrzeug zwar in Betrieb genommen bzw solches oder ein Lenken versucht hat, es aber dann doch unterläßt, dieses Fahrzeug zu lenken, gleichsam als "Belohnung" für diesen Willensentschluß nicht wegen dieser Inbetriebnahme strafbar sein soll.

Es ist zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, auch im Verwaltungsstrafverfahren eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite eines bestehenden Rechtsatzes vorzunehmen, doch muß die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; dh, sie muß immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl VwGH 14.6.1988, 88/04/0035). Jede darüber hinausgehende Auslegung bzw Ergänzung des Gesetzes durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschluß zum Nachteil des Beschuldigten ist nach dem Grundsatz "nullum crimen sine lege" nicht zulässig.

Der O.ö. Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß die Berechtigung der Organe des amtsärztlichen Dienstes oder von besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organen der Straßenaufsicht, die Atemluft von Personen auf den Verdacht der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges hin auf Alkoholgehalt zu untersuchen, im Wortlaut der allgemein gehaltenen Formulierung des § 5 Abs.2 StVO 1960 vor dem Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle gerade noch Deckung findet. Durch die ausdrückliche verbale Festlegung auf den Verdacht des Lenkens bzw der Verursachung eines Verkehrsunfalles als Fußgänger ist jedoch nunmehr jede weitere Auslegung dieser Gesetzesbestimmung zum Nachteil des Beschuldigten unzulässig.

Zusammenfassend wird daher festgestellt, daß mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung der Gendarmeriebeamte im vorliegenden Fall auf den bloßen Verdacht der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges hin nicht berechtigt war, den Beschuldigten zum Alkotest aufzufordern, weshalb die Bestrafung durch die BH Braunau/Inn zu Unrecht erfolgt ist.

Da nach hiesiger Ansicht die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 9. Mai 1995, VwSen-102796/2/Ki/Shn, nicht vorliegt, stellt der O.ö.

Verwaltungssenat die A n t r ä g e, der VwGH möge die gegenständliche Bescheidbeschwerde als unbegründet abweisen und dem Beschwerdeführer entsprechend der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl.Nr.416/1994, zum Ersatz der Aufwendungen an das Land Oberösterreich, für das der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich funktionell eingeschritten ist, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution verpflichten.

Kostenverzeichnis:

Vorlageaufwand S 565,-Schriftsatzaufwand S 4.000,----------Summe S 4.565,-Sollte eine mündliche Verhandlung anberaumt werden, so werden zusätzlich allfällige Reisekosten und der Verhandlungsaufwand am Schluß der mündlichen Verhandlung geltend gemacht.

Beilagen:

Verfahrensakt der BH Braunau/Inn samt Aktenverzeichnis Verfahrensakt des O.ö. Verwaltungssenates samt Aktenverzeichnis zweifach Mag. K i s c h

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