Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162356/5/Sch/Hu

Linz, 08.10.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau M H, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G K, Dr. P N, Mag. F H, Mag. R P, vom 3.7.2007, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 20.6.2007, S-15427/07 VS1, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 27.9.2007 zu Recht erkannt:

 

I.                         Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.                        Die Berufungswerberin hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 360 Euro (20 % der verhängten Geldstrafen) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 20.6.2007, S-15427/07 VS1, wurden über Frau M H, M, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G K, Dr. P N, Mag. F H, Mag. R P, G, L, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 5 Abs.1 StVO 1960, 2) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960, 3) § 4 Abs.5 StVO 1960 und 4) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960  Geldstrafen von 1) 1.500 Euro, 2) 130 Euro, 3) 70 Euro und 4) 100 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von  1) 14 Tagen, 2) 75 Stunden, 3) 35 Stunden und 4) 50 Stunden, verhängt, weil sie am 5.4.2007 um ca. 16.10 Uhr in Linz, Karl-Renner-Straße, Parkfläche hinter dem Hause Altenberger Straße 6,

1) den Pkw, Kz.: …, in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt habe, da bei einer Messung mittels Atemluftalkoholmessgerätes verbunden mit einer Rückrechnung mittels eines medizinischen Sachverständigengutachtens unter Berücksichtigung des von ihr angegebenen „Nachtrunkes“ ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,970 mg/l festgestellt worden sei;

2) es als Lenkerin dieses Kfz unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am  Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten;

3) es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben sei;

4) es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da sie nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, noch vor Abschluss der polizeilichen Unfallaufnahme, Alkohol konsumiert habe.

 

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 180 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat zu Faktum 1) des angefochtenen Straferkenntnisses Folgendes erwogen:

 

Nach den Schilderungen der Berufungswerberin hätte sie vor der Fahrt mit ihrem Pkw zu bzw. von der oben angeführten Örtlichkeit keine alkoholischen Getränke konsumiert gehabt. Erst nach dem Eintreffen zu Hause sei es zu einem Alkoholkonsum gekommen, wobei die Angaben der Berufungswerberin diesbezüglich nicht durchgehend gleich sind. Demnach hätte sie zwischen ca. 16.00 und 18.00 Uhr des Vorfallstages laut Angaben in der zugrunde liegenden Polizeianzeige zwei Achtel Liter Weißwein getrunken. Diese Angaben der Berufungswerberin erfolgten im Zuge einer Amtshandlung nach einem der Berufungswerberin zur Last gelegten Verkehrsunfall mit Sachschaden, auf den weiter unten noch näher einzugehen sein wird. Unbestrittenerweise erfolgte die Wegfahrt vom Abstellort um etwa 16.10 Uhr, die Alkomatuntersuchung um 19.00 Uhr. Die Untersuchung hat einen Messwert von 0,78 mg/l Atemluftalkoholkonzentration ergeben. Diese Nachtrunkangaben der Berufungswerberin vom Vorfallstag stehen im Widerspruch zu jenen, die sie bei einer neuerlichen polizeilichen Einvernahme am 12.4.2007, also eine Woche nach dem Vorfall gemacht hat. Dort ist von einem Alkoholkonsum zwischen ca. 16.00 und ca. 18.30 Uhr von vier bis fünf Achtel Liter Weißwein die Rede.

 

Von der Erstbehörde wurde amtsärztlicherseits eine Rückrechnung bezüglich Alkoholisierungsgrad vom Messzeitpunkt zum Lenkzeitpunkt durchgeführt. Diese hat einen Wert von 0,97 mg/l Atemluftalkoholkonzentration ergeben. Vom medizinischen Amtssachverständigen ist der ursprünglich behauptete Nachtrunk von zwei Achtel Liter Weißwein berücksichtigt worden, nach schlüssiger Ansicht des Sachverständigen war dieser Alkohol zum Messzeitpunkt allerdings bereits vollständig abgebaut und daher nicht mehr zur Beurteilung heranzuziehen.

 

In rechtlicher Hinsicht ist dazu zu bemerken, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das jüngst ergangene Erkenntnis des Gerichtshofes vom 7.9.2007, 2006/02/0274 mit Hinweis auf Vorjudikatur) ein Fahrzeuglenker auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit – von sich aus – hinzuweisen hat. Die Menge des solcherart konsumierten Alkohols ist konkret zu behaupten und zu beweisen.

 

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass sich die erste Gelegenheit für die Berufungswerberin zu quantitativen und qualitativen Nachtrunksangaben am Vorfallstag nach ihrer Ausforschung ergeben hatte. Dort hat sie bei ihrer Befragung durch Polizeiorgane allerdings lediglich zwei Achtel Liter Weinkonsum angegeben. In der eingangs angeführten Berufungsverhandlung wurde sie dezidiert auf diese Angaben angesprochen, wobei sie vermeinte, sie hätte mit einem Scherz antworten wollen und mit den zwei Achteln „das erste und das letzte“ gemeint, diesen Zusatz gegenüber den Polizeibeamten allerdings nicht gemacht. Auch hätte sie den Polizisten gesagt, es hätte auch mehr (gemeint Menge Wein) gewesen sein können.

 

Diese Interpretation der Berufungswerberin, mag sie nun glaubwürdig sein oder nicht, ändert nichts daran, dass sie die erstbeste Gelegenheit für Nachtrunkangaben nur in Bezug auf 2 Achtel Liter Wein genützt hat. Das amtshandelnde Polizeiorgan musste nicht von irgendwelchen Scherzantworten oder Mentalreservationen der Berufungswerberin bei seiner Befragung ausgehen, auch eine Formulierung wie „es könnten auch mehr gewesen sein“ ist viel zu vage, um der eingangs erwähnten höchstgerichtlichen Judikatur zu entsprechen.

 

Damit ergibt sich zwangsläufig, dass die bei einer neuerlichen Einvernahme erfolgten höheren Nachtrunkmengen als nicht mehr rechtlich relevant abzuqualifizieren waren. Abgesehen davon kann auch ohne detaillierte amtsärztliche Rückrechnung ausgesagt werden, dass damit der hohe Alkomatmesswert nicht erklärlich wäre, dies gilt auch dahingehend, welchen Prozentgehalt an Alkohol der konsumierte Wein im Detail gehabt hat.

 

4. Hinsichtlich der der Berufungswerberin zur Last gelegten Nichteinhaltung der Verpflichtungen gemäß § 4 StVO 1960 ist eingangs auf das von ihr durchgeführte Fahrmanöver im Zuge des Ausparkens ihres Fahrzeuges zu verweisen, wobei sie selbst konzediert hat, dass relativ wenig Platz zum daneben abgestellten Fahrzeug zur Verfügung stand. Dass diesfalls eine besonders umsichtige Fahrweise vom Fahrzeuglenker zu erwarten ist, muss als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Nach den Angaben des Besitzers des abgestellten Fahrzeuges neben jenem der Berufungswerberin laut Aktenlage kann kein Zweifel darin bestehen, dass der Schaden an seinem Fahrzeug zwischen dem Abstellen seines Fahrzeuges – jenes der Berufungswerberin stand bereits dort und wurde vom Genannten nach Marke und Type auch wahrgenommen – und seiner Rückkunft zum Fahrzeug zustande gekommen sein musste.  Des weiteren wurden bei der späteren polizeilichen Unfallaufnahme Schäden am Fahrzeug der Berufungswerberin festgestellt, die hinsichtlich ihrer Örtlichkeit (rechts vorne am Schmutzfänger bzw. an der Stoßstange) und ihrer Höhe als korrespondierend zu denen am Fahrzeug des Zweitbeteiligten anzusehen sind. Die von der Polizei angefertigten Lichtbilder von den Schäden an beiden Fahrzeugen – Messlatte mitabgelichtet – belegen dies überzeugend.

 

Aus diesen Lichtbildern ist zu ersehen, dass die Beschädigungen am zweitbeteiligten Fahrzeug sich längs der nahezu gesamten Fahrertür und auch noch eines Teiles der hinteren rechten Türe erstrecken. Auch ist zum Teil eine Tiefe des Lackabriebes zu erkennen, dass schon die untere Lackschicht (andersfärbig als das Fahrzeug) zu sehen ist. Es kann daher nicht angenommen werden, dass ein Fahrzeuglenker bei auch nur bei halbwegs angewendeter Aufmerksamkeit eine derartig lange Streifung eines abgestellten Fahrzeuges nicht wahrnehmen konnte. Insbesondere die akustische Wahrnehmungsmöglichkeit war jedenfalls gegeben. Es deuten die massiven Abriebspuren am zweitbeteiligten Fahrzeug darauf hin, dass dieses wohl auch – wenngleich geringfügig – bewegt worden sein könnte, welcher Umstand ebenfalls von der Berufungswerberin wahrnehmbar war. Hierauf kommt es aber letztlich ohnedies nicht an, da nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit (optisch, akustisch oder durch Bewegung) ausreichend ist.

 

Bei ihrer polizeilichen Einvernahme vom 12.4.2007 dürfte die Berufungswerberin diesbezüglich auch noch einsichtig gewesen sein, da es in der Niederschrift wörtlich heißt:

„Da der Schaden an beiden Fahrzeugen offensichtlich übereinstimmt, dürfte ich beim Ausparken doch gegen den rechts geparkten Van gestoßen sein“.

 

Ob nun die Berufungswerberin tatsächlich den Anstoß bemerkt hat oder nicht, wobei letzteres aufgrund der Alkoholbeeinträchtigung nicht lebensfremd erscheint, ist nicht von Entscheidungsrelevanz, vielmehr kommt es nur darauf an, ob ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit die Möglichkeit dafür gegeben gewesen wäre. Diese Frage ist jedenfalls zu bejahen, weshalb ihr in der Folge die gesetzliche Verpflichtung auferlegt gewesen wäre, nach dem Unfall anzuhalten, im Falle eines nicht möglichen Identitätsnachweises mit dem Zweitbeteiligten die nächste Polizeidienststelle zu verständigen und Handlungen zu unterlassen, die der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes zuwider gehen könnten, eben der Konsum von Alkohol nach einem Verkehrsunfall.

 

Das von der Erstbehörde und der Berufungsbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt hinreichend zutage gefördert, sodass weitere Beweisaufnahmen unterbleiben konnten.

 

5. Zur Strafbemessung:

Der Strafrahmen für Alkoholdelikte ab einer Atemluftalkoholkonzentration von 0,8 mg/l beträgt gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 von 1.162 Euro bis 5.813 Euro.

 

Die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 1.500 Euro stellt sohin zwar nicht die gesetzliche Mindeststrafe dar, bewegt sich aber dennoch im unteren Bereich des Strafrahmens. Sie erscheint der Berufungsbehörde auch nicht unangemessen festgesetzt, da nach der Beweislage bei der Berufungswerberin zum Lenkzeitpunkt eine Atemluftalkoholkonzentration von immerhin 0,97 mg/l gegeben gewesen war. Der strafsatzbestimmende „Grenzwert“ war sohin schon um einiges überschritten. Dazu kommt noch, dass die Berufungswerberin auch in einen Verkehrsunfall verwickelt war, der lebensnah durchaus mit dieser Alkoholbeeinträchtigung in Verbindung gebracht werden kann. Gegenständlich hat die Berufungswerberin bei ihrer Alkofahrt insgesamt vier Übertretungen der StVO 1960 gesetzt, weshalb mit der Verhängung von gesetzlichen Mindeststrafen (dies gilt auch hinsichtlich der Fahrten 2) und 4)) nicht das Auslangen gefunden werden konnte.

 

Zudem lagen bei der Berufungswerberin keinerlei Milderungsgründe, auch nicht jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, vor.

 

Zu den Übertretungen nach §§ 4 Abs.1 lit.a, 4 Abs.5 und 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 ist grundsätzlich zu bemerken, dass der Schutzzweck dieser Bestimmungen einer mehrfacher ist. Insbesondere sollen hiedurch mögliche weitergehende Folgen eines Verkehrsunfalles hintan gehalten, die Ursachen eines solchen möglichst umgehend ermittelt werden können, aber auch soll ein Unfallgeschädigter in die Lage versetzt werden, ohne unverhältnismäßigen Aufwand davon Kenntnis zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinander zu setzen haben wird.

 

Auch im gegenständlichen Fall war durch die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen seitens der Berufungswerberin ein nahezu schon detektivisches Vorgehen des Unfallgeschädigten – er hat in der Umgebung nach dem zweitbeteiligten Fahrzeug gesucht – erforderlich, um dieses ausfindig zu machen. In weiterer Folge waren dann noch polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen notwendig, um letztendlich die Berufungswerberin mit dem Vorfall konfrontieren zu können.

 

Für die Fakten 2) und 4) des Straferkenntnisses sieht das Gesetz einen Strafrahmen von 36 Euro bis 2.180 Euro vor. Die von der Erstbehörde festgesetzten Geldstrafen von 130 bzw. 100 Euro bewegen sich noch immer im unteren Bereich des Strafrahmens und können daher von vornherein nicht als überhöht angesehen werden. Dies gilt sinngemäß auch für Faktum 3), wo der Strafrahmen ohne gesetzliche Mindeststrafe bis 726 Euro reicht. Zudem wird, um hier Wiederholungen zu vermeiden, auf die obigen Ausführungen zum Unrechtsgehalt der Taten und der Deliktsanhäufung verwiesen.

 

Der Berufungswerberin muss die Bezahlung der verhängten Geldstrafen auch zugemutet werden, wenn sie, wie von ihr angegeben, als Hausfrau über kein eigenes Einkommen verfügt. Eine Strafherabsetzung allein aus diesem Grund erschien der Berufungsbehörde angesichts der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht angebracht. Im Falle eines begründeten Ansuchens kann durch die Strafbehörde die Bezahlung von Verwaltungsstrafen im Ratenwege bewilligt werden.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

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