Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162353/12/Bi/Se

Linz, 06.11.2007

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn P P, L, vertreten durch Herrn RA Mag. W L, R, vom 9. Juli 2007 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 6. Juni 2007, VerkR96-1928-2006-Hof, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 11. Oktober 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in den Punkten 3) und 4) behoben und das Verfahren jeweils eingestellt wird.

     In den Punkten 1) und 2) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch im Punkt 2) wie folgt geändert wird: "... 2) Sie sind bei der unter 1) angeführten Fahrt mit einem Verkehrsunfall mit Sach­schaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt. .. ".

 

II.  In den Punkten 3) und 4) entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

     In den Punkten 1) und 2) hat der Rechtsmittelwerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 50 Euro und 2) 40 Euro, ds jeweils 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittel­verfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 19 und 45 Abs.1 Z1 und 2 VStG

zu II.: §§ 64ff VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960, 2) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960, 3) §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs 3 lit.a StVO 1960 und 4) §§ 9 Abs. 2 iVm 99 Abs.2c Z3 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 250 Euro (5 Tage EFS), 2) 200 Euro (4 Tage EFS), 3) 50 Euro (24 Stunden EFS) und 4) 80 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 19. Juli 2006, 14.15 Uhr, in Linz, Kreuzung Lenaustraße – Hamerlingstraße, stadtauswärts,

1) als Lenker des Lkw .... (A) mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und sein Fahrzeug nicht sofort angehalten habe,

2) bei der unter  1) angeführten Fahrt sei er mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe weder ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt noch den anderen Beteiligten bzw dem Geschädigten  seinen Namen und seine Anschrift nachgewiesen.

3) Weiters habe er als Lenker des angeführten Fahrzeuges dieses nicht so weit rechts gelenkt, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die  Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßen­­benützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, da er auf den dort befindlichen Gehsteig gefahren sei.

4) Dabei habe er einer Fußgängerin, die sich auf dem Schutzweg befunden habe, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht, da die Frau zur Seite springen habe müssen, um nicht von dem von ihm gelenkten Fahr­zeug überfahren zu werden.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 58 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht – ein Auslandsaufenthalt des Bw zur Zeit der Zustellversuche und bei der Hinterlegung des Straferkenntnisses ist glaubwürdig - Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvor­entscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 11. Oktober 2007 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsver­handlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters RA Mag. L und der Zeugen D K (DK) und R K (RK) an der Kreuzung Lenau­straße – Hamerling­straße in Linz durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz hat sich entschuldigt. Der ordnungsgemäß geladene Zeuge S B ist unentschuldigt nicht erschienen; auf seine Einvernahme wurde – ebenso wie auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung – verzichtet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei mit ca 50 bis 60 km/h – das  Tachographenschaublatt sei leider hinuntergefallen und die Eintragungen für die maßgebliche Zeit nicht lesbar – auf dem linken Fahrstreifen gefahren, zumal rechts ein langsamer Reisebus geradeaus gefahren sei. Kurz vor der Kreuzung habe nahezu auf gleicher Höhe mit seinem Lkw ein silberfarbener Pkw mit Gmundner Kennzeichen ohne Blinken und vollkommen überraschend den Fahrstreifen nach links gewechselt und ihn genötigt, den Lkw nach links zu verreißen, um eine Kollision zu vermeiden. Eine solche habe er auch nicht bemerkt. Im Zuge des Ausweichens habe er  einen leichten Rumpler bemerkt, der nach seiner Ansicht von einem überfahrenen Kanaldeckel oder einem Randstein zwischen dem Fahrstreifen und der links davon befindlichen Parkfläche gekommen sei. Er sei dann wieder auf den linken Fahrstreifen der Lenaustraße gefahren und sei im Kreuzungsbereich bereits zur Gänze wieder auf dem linken Fahrstreifen gefahren. Er habe auch die Fußgängerin am Gehsteig­rand gesehen, aber keine Schreckreaktion bemerkt, auch kein darauf hindeutendes Zeichen anderer Verkehrsteilnehmer. Die Fußgängerin habe Rot gehabt, zumal er für seine Fahrtrichtung Grün gehabt habe.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Lenaustraße ist eine als Einbahn stadtauswärts geführte Straße mit rechts einer Linkseinbiegespur, einer mittleren Spur für die Fahrtrichtung geradeaus und einer breiten linken Spur für Linkseinbieger und in Richtung geradeaus. Auf beiden Seiten befinden sich Radfahrstreifen, links vor der Kreuzung sind Schrägparkplätze, rechts gegenüber das Gelände eines Autohauses, davor der Leiner-Parkplatz mit eigener Ausfahrt auf die Lenaustraße. Die Kreuzung ist übersichtlich und allseitig mit markierten Fußgängerübergängen und Radfahr­über­fahrten über die Hamerlingstraße versehen, die zu den Fahrstreifen hin abgeflacht sind. Die Schutzwegmarkierungen ("Zebrastreifen") verlaufen über die Radfahrüberfahrten bis zum Gehsteig.

Der Zeuge RK wollte am 19. Juli 2006 um ca 14.15 Uhr seinen Pkw, den er im Bereich vor den links befindlichen Schrägparkplätzen, ca 100 m vor der Kreuzung,  geparkt hatte, gerade aus­parken und überzeugte sich von der Gefahrlosigkeit seines beabsichtigten Fahr­manövers, als er einen mit seiner Meinung nach wesentlich überhöhter Geschwindig­keit, die er mit ca 70 bis 80 km/h schätzte, auf der linken Spur der Lenau­straße heran­nahenden Lkw bemerkte und sich entschloss, diesen vorbeizu­lassen. Als er sich hinter diesem einordnete und auf dem linken Fahrstreifen zur Kreuzung mit der Hamerlingstraße fuhr, fiel ihm ein ab der Ausfahrt des Leinerparkplatzes links blinkender silberner Pkw mit Gmundner Kennzeichen auf, dessen Lenker auf der rechten Seite der linken Spur langsam fuhr, nach seiner Aussage schätzungsweise 15 - 25 km/h, als ob er etwas suche oder einbiegen wolle. Der wesentlich schnellere Lkw überholte den Pkw äußerst links und streifte dabei mitten im Kreuzungsbereich – der Zeuge zeigte als Anhaltspunkt einen Kanaldeckel – diesen so, dass der Zeuge RK Teile des linken Außen­spiegels des Pkw in Richtung auf eine Fußgängerin zu fliegen sah, die zur selben Zeit auf dem Fußgänger­übergang auf der anderen Seite der Kreuzung die Lenaustraße von links nach rechts überqueren wollte, dazu wegen Rotlichtes auf dem 2. Markierungsstrich des Zebrastreifens, ca 1/2 m vom Fahrbahnrand entfernt, stehengeblieben und nach seinem Eindruck angesichts der in ihre Richtung fliegenden Spiegelscherben und des links befindlichen Lkw zurückgewichen war. Da der Zeuge RK beim Geradeausfahren Rotlicht hatte, blieb er als 1. Fahrzeug vor der Kreuzung stehen und beobachtete, dass der Gmundner Pkw, von dem er nicht sagen konnte, mit welchem Teil der Lkw ihn gestreift hatte und ob er sich bei der Streifung in Schrägstellung befunden oder geblinkt hatte, nach links in die Hamerlingstraße einbog und dort bei den Parkplätzen rechts stehenblieb. Der Lkw hatte die Fahrt in einem fortgesetzt und entfernte sich auf der Lenaustraße stadtauswärts. Nach dem Umschalten auf Grünlicht fuhr der Zeuge RK weiter, erkundigte sich bei der geschockten Fußgängerin, ob ihr etwas passiert sei, was diese verneinte und ersuchte sie, dem Lenker des Gmundner Pkw mitzuteilen, er fahre dem Lkw nach, um dessen Kennzeichen abzulesen – was diese auch tat. Der Zeuge RK fuhr dem aufgrund der blauen Farbe leicht zu erkennenden Lkw nach und las in der Wankmüllerhofstraße dessen Kennzeichen .... ab.

 

Der Zeuge DK, damaliger Lenker des silbernen Pkw mit Gmundner Kennzeichen, gab in der Verhandlung an, er habe auf seiner Fahrt auf der Lenaustraße stadt­auswärts ursprünglich beabsichtigt, links einzubiegen, weil ihm sein Navigations­system solches angezeigt habe. Er habe aber gezweifelt, ob er bereits in die Hamerlingstraße oder erst in die nächste Straße links einbiegen solle. Er habe links geblinkt und sich auf Höhe der Ausfahrt des Leiner-Parkplatzes auf der rechten Seite des linken Fahrstreifens, der für die Fahrt nach links und geradeaus Markierungen aufgewiesen habe, eingeordnet, sich dann aber entschlossen, doch nicht in die Hamerlingstraße, sondern erst später einzubiegen. Deshalb sei er auch langsam gefahren. Er habe bei der Kreuzung grün gehabt. Er habe den ihn links überholenden Lkw gar nicht in der Annäherung von hinten wahrgenommen, sondern sei erschrocken, als dieser plötzlich "wie eine Wand" in geringem Abstand neben ihm gefahren sei und ihn beim linken Außenspiegel so gestreift habe, dass Spiegelteile nach vorne weggeflogen seien. Die Kollision sei nach dem 1. Schutzweg im Kreuzungsbereich passiert und das Spiegelglas, das er danach zusammengesucht habe, sei bis zum 2. Schutzweg gelegen. Er konnte nicht sagen, mit welchem Teil des Lkw die Kollision erfolgte. Der Lkw habe ihn links überholt und sei weitergefahren, sodass er auch keine Sicht auf die Frau am Gehsteigrand gehabt habe. Er sei momentan geschockt gewesen, dann doch bei der Kreuzung entgegen seiner ursprünglichen Absicht, nur um die Kreuzung freizumachen, nach links eingebogen und habe seinen FirmenPkw bei den Park­plätzen rechts nach der Kreuzung abgestellt. Die Frau habe ihm gesagt, ein Mann sei dem Lkw nachge­fahren. Sie habe gesagt, der Spiegel sei auf sie zugeflogen. Ein 2. Zeuge habe ihm gesagt, die Frau sei ca 1m zurückgesprungen; das habe er aber alles nicht selbst wahrge­nommen. Der Wirt vom Cafe E – der in der Verhandlung nicht erschienene Zeuge B – habe ihm gesagt, er habe gemeint, der Lkw "picke" gleich in seinem Lokal.      

 

Der Bw führte in der Verhandlung aus, er habe auf seiner Fahrt stadtauswärts auf Höhe der Anzengruberstraße einen Reisebus auf die mittlere Spur fahren lassen und sei dazu auf die linke Spur gewechselt. Ein silberner Pkw habe sich vor der Kreuzung mit der Hamerlingstraße auf Höhe der Mitte des Parkplatzes des Autohauses befunden; er konnte nicht sagen, ob es Rot gewesen sei, ob der Pkw in Bewegung war. Der Pkw sei auf einmal nach links herübergezogen ohne zu blinken, obwohl die vom Bw benutzte linke Fahrzeugreihe in Bewegung gewesen sei. Ein Bremsen sei sich nicht mehr ausgegangen, sondern er sei durchgefahren. Er sei schon vor der Kreuzung mit den linken Rädern auf die Randsteine des linken Radfahrstreifens vor den Schrägparkplätzen gekommen. Die Frau sei erst nach der Kreuzung direkt am Beginn des Fußgängerüberganges, aber auf dem Gehsteig, gestanden. Als er an ihr vorbei­gefahren sei, sei er bereits ganz normal auf der linken Fahrspur gewesen. Die Frau habe keine Anstalten gemacht, herunterzusteigen, und sie sei auch nicht zurückgestiegen. Der Fahrstreifenwechsel des Gmundner Pkw habe sich 1,5 bis 2 Pkw-Längen vor ihm ereignet. Daher sei es auch nicht möglich, dass er den linken Außenspiegel dieses Pkw gestreift hätte. Er habe an seinem Lkw keinen Schaden festgestellt und bei der Vermessung durch die Polizei seien auch keine gefunden worden. Wenn er den Pkw tatsächlich gestreift hätte, hätte das mit dem vorstehenden Teil des Lkw vorne über den Reifen geschehen müssen. Die Darstellung des Zeugen DK vom Unfallshergang vor der Erstinstanz sei unrichtig.

Er habe beim Ausweichen einen Rumpler gehört und glaube, dass das vom Überfahren eines Kanalgitters im Bereich der Schrägparkplätze hergerührt habe. Es könnte aber auch vom Vorderreifen gekommen sein oder von der Ladung; er habe Eisenrampen geladen gehabt. Er schließe aus, dass er dem Pkw des Zeugen DK so nahe gekommen sei, dass er ihn am linken Außenspiegel gestreift habe. Wenn er vorne im Bereich der Karosserie etwas streife, merke er das, hinten aber nicht. Er habe nicht wahrgenommen, dass ihn jemand angehupt oder angeblinkt hätte; auch nicht, dass ihm jemand nachgefahren sei. 

 

Der Bw hat die Einholung eines Gutachtens eines kfztechnischen Sachverständigen zum Beweis dafür beantragt, dass die Unfallshergangsschilderungen der Zeugen DK und RK nicht nachvollziehbar und daher unglaubwürdig seien. Dazu ist seitens des UVS zu sagen, dass eine punktgenaue Auswertung der Positionen des Pkw DK und des Lkw im Rahmen eines Zeit-Weg-Diagramm auf der Grundlage der Zeugen­aussagen nicht möglich ist. Welchen Abstand wer bei der Annäherung zu wem eingehalten hat, ist auch nicht Gegenstand des Verfahrens. Tatsache ist aber, dass der am Unfalls­geschehen völlig unbe­teiligte und auch finanziell uninteressierte Zeuge RK, der noch dazu von seiner Park- bzw Nachfahr- bzw Position vor der Kreuzung mit der Hamerlingstraße bei Rotlicht die beste Sicht hatte, das Zustandekommen des Unfalls zwischen dem vom Bw gelenkten Lkw und dem Pkw DK dem Grund nach so beschrieben hat, dass zumindest nachvollziehbar ist, dass sich der Vorfall nicht vor den Schrägparkplätzen, wie der Bw schildert, ereignet hat, sondern direkt im Kreuzungsbereich. Dass der Außenspiegel des Pkw DK kaputt war, steht ebenfalls außer Zweifel, wobei die Schilderung des Zeugen, der vom Bw gelenkte Lkw sei ihm erst aufgefallen, als er plötzlich "wie eine Wand" neben seinem Pkw gewesen sei, ebenso nachvollziehbar ist.

Zu betonen ist außerdem, dass nicht das Verschulden an diesem Unfall mit Sachschaden zur Debatte steht, sondern das Verhalten des Bw nach dem Unfall. Der Zeuge DK hat als Pkw-Lenker den linken Außenspiegel genau im Blickfeld und war daher unzweifelhaft in der Lage, zu beurteilen, ob die Streifung mit dem anschließenden Absplittern des Außenspiegelglases durch den Lkw erfolgt ist – ebenso ist dem Zeugen RK die Streifung aufgefallen, sodass die Aussage des Bw, er schließe das jedenfalls aus, nicht zu überzeugen vermag. Mit welchem Teil des Lkw die Kollision erfolgt ist, ist insofern irrelevant, als der Bw selbst zugegeben hat, einen "Rumpler" wahrge­nommen zu haben. Er hat zwar auch abgestritten, eine (für die Verkehrs­situation) überhöhte Geschwindigkeit eingehalten zu haben und die Angaben des Zeugen RK beruhen auf einer Schätzung, wobei die Tachoscheibe an der maßgeblichen Stelle nicht mehr lesbar ist, jedoch ist nachvollziehbar, dass der Bw einem nicht auszuschließenden leichten Richtungswechsel des Pkw DK – der sich offenbar erst im Kreuzungsbereich entschlossen hat, hier doch nicht nach links einzubiegen – nicht mehr ausreichend ausweichen konnte.

Der Bw hat bereits bei der Unfallsaufnahme angegeben, er habe ein Scheppern gehört, als ob er über einen Randstein oder einen Kanaldeckel gefahren wäre; er habe aber kein Anstoßgeräusch an den Pkw beim Ausweichen gehört. Dass der Lkw nicht beschädigt war, ist auch in der Unfallsanzeige festgehalten und ergibt sich auch aus den Lkw-Fotos nichts Gegenteiliges.   

 

Zur Fahrlinie des Bw nach der Streifung konnte der Zeuge DK nichts sagen, weil ihm der Lkw die Sicht verdeckte. Der Bw hat ausgeführt, er sei wieder auf seinen linken Fahrstreifen zurückgefahren und habe die Fahrt geradeaus fortgesetzt. Der Zeuge RK bestätigte, der Lkw sei über den Beginn des Schutzweges ausgewichen, dann aber auf den linken Fahrstreifen zurückgefahren. Dazu, ob die Fußgängerin wegen des Lkw oder wegen des in ihre Richtung fliegenden Spiegelglases zurückgewichen ist, ist keine Aussage möglich. Tatsache ist aber, dass die Fußgängerin bei Rotlicht der für sie geltenden VLSA auf das Überqueren des geregelten Schutzweges wartete.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zu den Punkten 1) und 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 4 Abs.1 ilt.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sach­schaden entstanden ist, die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verstän­digen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihr Anschrift nachgewiesen haben.

 

Nach den glaubwürdigen Aussagen der beiden Zeugen DK und RK war davon auszugehen, dass der Bw als Lenker des Lkw im Zuge eines Ausweichmanövers den linken Außen­spiegel des von DK gelenkten Pkw streifte und damit ein Ausbrechen und Absplittern des Spiegelglases bewirkte. Das Verhalten des Bw, gleichgültig wen ein Verschulden am Zustandekommen dieses Verkehrsunfalls mit Sachschaden traf, ist unfallskausal. Ob das vom Bw beschriebene Geräusch etwas mit der Streifung zu tun hat oder er lediglich einen Kanaldeckel überfahren hat und dabei die Ladung schepperte, konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden. Mit welchem Teil des Lkw die Streifung erfolgte, war mangels Feststellbarkeit einer entsprechenden Spur am Lkw ebenfalls nicht zu klären. Nach den Aussagen der Zeugen gegenüber der in dieser Hinsicht unergiebigen Verantwortung des Bw ist für den UVS glaubwürdig, dass der Bw zum Pkw DK einen wesentlich zu geringen Abstand eingehalten hat – wobei dieser auch durch das Ausweichmanöver bedingt gewesen sein kann. Der unzureichende seitliche Abstand zum Pkw, der unter normalen Voraussetzungen ca einen halben Meter betragen hätte müssen, musste dem Bw, der als Lenker eines Lkw (abgesehen vom Rück- bzw den Außenspiegeln) eine hervorragende Sicht auf die kleineren Fahrzeuge in seiner unmittelbaren Umgebung hat, ohne Zweifel auffallen. Außerdem hätte ihm auffallen müssen, dass der Pkw offenbar die Fahrt mitten in der Kreuzung nicht fortsetzte, sonst wäre es dem Bw nicht möglich gewesen, sich nach seinem Ausweichmanöver nach einem so kurzen Weg wieder auf den linken Fahrstreifen einzuordnen. Die von den Zeugen nachvollziehbar und glaubwürdig beschriebene Situation hätte den Bw bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, im Hinblick auf den Pkw DK (möglicherweise auch in Bezug auf die Fußgängerin) veranlassen müssen, sofort anzuhalten und sich zu überzeugen, ob bei seinem aufgrund des geringen Seiten­abstandes zum Pkw riskanten Fahrmanöver kein Schaden irgendwelcher Art entstanden ist.         

 

Nach ständiger Judikatur des VwGH ist Voraussetzung für die Anhalte- und für die Meldepflicht der lit.a und des Abs.5 als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Auf­merk­samkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (vgl E 23.5.2002, 2001/03/0417, ua).

Die Anhaltepflicht hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalls überzeugt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen trifft, zB nach Abs.5 (vgl VwGH 20.4.2001, 99/02/0176).

 

Der Bw hat unbestritten die Fahrt, ohne sich im mindesten um irgendetwas zu kümmern, ohne Anhalten fortgesetzt. Er konnte nur über das vom Zeugen RK abgelesene Kennzeichen des Lkw ausgeforscht werden. Er hat überhaupt keine Unfallmeldung (daher auch keine ohne unnötigen Aufschub) erstattet, obwohl  es nicht Sinn und Zweck einer solchen Meldung ist, das Verschulden am Verkehrsunfall sofort und abschließend zu klären, sondern die persönlichen Daten der Unfallsbeteiligten für den Fall der Geltendmachung von Schadenersatzan­sprüchen festzuhalten.  

Er hat damit ohne jeden Zweifel beide ihm zur Last gelegten Tatbestände – mit der Maßgabe, dass eine Verpflichtung zum Datenaustausch mit dem Geschädigten nicht besteht, sondern nur eine Meldepflicht für den Fall des Unterbleibens eines Datenaustausches, sodass der Tatvorwurf im Punkt 2) zu korrigieren war – erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO von 36 Euro bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden  bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO bis 726 Euro Geldstrafe bzw zwei  Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, reicht.

 

Die Erstinstanz hat ihren Überlegungen zur Strafbemessung laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses das Fehlen von Erschwerungs- und Milderungs­gründen zugrunde gelegt, wobei der Bw selbst seine finanziellen Verhältnisse am 6. Oktober 2006 mit 1.200 Euro monatlich netto, dem Fehlen von Vermögen und der Sorgepflicht für ein Kind angegeben hat.

Seinem Vormerkungsverzeichnis ist zu entnehmen, dass er bereits im Jahr 2003 wegen Übertretungen gemäß §§ 4 Abs. 1 lit.a und 4 Abs.5 StVO bestraft wurde, sodass entgegen der Annahme der Erstinstanz doch straferschwerende Umstände zu berücksichtigen sind, zumal die Vormerkungen rechtskräftig und noch nicht getilgt sind. 

Für eine Herabsetzung der verhängten Strafen findet sich daher kein Ansatz. Der UVS kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängten Strafen liegen noch im untersten Bereich der jeweiligen gesetzlichen Strafrahmen, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen den Bw zu rechtskon­formem Verhalten in der Zukunft bewegen. Die Ersatzfreiheitsstrafen sind im Verhältnis zu den Geldstrafen angemessen. Es steht dem Bw frei, bei der Erstinstanz um die Möglichkeit der Bezahlung der Geldstrafen in Teilbeträgen anzusuchen.

 

Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 7 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.  

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Bw dem Pkw des Zeugen DK ausgewichen ist, wobei er zum Ausweichen den linken Gehsteig nach der Kreuzung benutzte. Es ist auf Grundlage der Aussage der beiden Zeugen nicht gänzlich auszuschließen, dass der Zeuge DK tatsächlich die Fahrt­richtung im Hinblick auf das zunächst beabsichtigte, dann aber unterlassene Linkseinbiegen geringfügig geändert hatte, sodass dem Bw tatsächlich nichts anderes übrigblieb, als über den Gehsteig auszuweichen. Unter Zugrundelegung der glaubwürdigen Aussagen der Zeugen DK und RK über die Unfall- bzw Streifungsstelle beim Kanaldeckel im Kreuzungsbereich Lenaustraße – Hamerling­straße ist ein solches Ausweichmanöver und damit eine Fahrlinie des Lkw über den Gehsteig am Beginn des Schutzweges über die Lenaustraße durchaus nachvollziehbar. Damit kann dem Bw aber eine vom Willen getragene Nichteinhaltung des Rechtsfahrgebotes im Sinne einer Weiterfahrt auf dem linken Fahrstreifen der Lenaustraße auch nicht fahrlässig vorgeworfen werden, weshalb im Zweifel zu seinen Gunsten gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen war.

 

Zu Punkt 4) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 9 Abs. 2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienen­fahr­zeug ist, einem Fußgänger oder Rollstuhlfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.   

Nach der Rechtsprechung des VwGH  (vgl E 8.11.1985, 85/18/0299) ist auf einer geregelten Kreuzung im Hinblick auf § 36 Abs.4 ("Wenn der Verkehr durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wird, so gehen diese sowohl den Straßenverkehrszeichen als auch den Bodenmarkierungen vor.") die Bestimmung des § 9 Abs.2 über das Verhalten bei einem durch Bodenmarkierungen kundgemachten Schutzweg nicht anwendbar.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Fußgängerin bei Rotlicht der für sie geltenden Fußgänger-VLSA auf das Überqueren der Lenaustraße wartete. Auch wenn die Bodenmarkierung (Zebrastreifen) sich über den Gehsteig erstreckte, befand sie sich daher nicht "auf" dem Schutzweg und konnte (wollte) diesen auch nicht erkennbar benützen. Dem Bw ist daher die Fortsetzung seiner Fahrt in dieser Hinsicht nicht vorzuwerfen, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

VU-Pflichten egal wie VU Zustande gekommen ist + wer Verschulden trägt; Ausweichen, das von Unfallgegner veranlasst worden ist kein Verstoß gegen Rechtsfahrgebot; Fußgängerin hatte rot bei geregeltem Schutzweg -> § 9 Abs.2 gilt hier nicht

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 28.03.2008, Zl.: 2007/02/0372-3

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