Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240629/2/SR/Ri

Linz, 14.11.2007

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung der G U, Sstraße, H, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 28. September 2007, Zl. SanRB96-045-2007, wegen Übertretung des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (BGBl  Nr. 460/1992, zuletzt geändert mit BGBl I. Nr. 90/2006 - MTD-Gesetz) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

II.                  Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.  10/2004 - AVG iVm § 24, § 19, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden wurde die Berufungswerberin (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie bieten auf Ihrer Homepage 'www.g, im Rahmen Ihrer 'Praxis für Mototherapie, Motopädagogig, Psychomotorik und Legasthenie' in H, Sstraße, verschiedene Tätigkeiten wie Hilfe bei expressiven Sprachstörungen, Schwächen der Fein- und Grobmotorik, Rechenschwäche, Hyperaktivität, Wahrnehmungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Koordinationsproblemen, Lese- und Rechtschreibschwäche, Bewegungsauffälligkeiten, Teilleistungsstörungen und Problemen mit dem Gleichgewicht an und üben Tätigkeiten aus, die ausschließlich Personen für den gehobenen medizinisch technischen Dienst vorbehalten sind, obwohl Ihnen die freiberufliche Tätigkeit als Mototherapeutin von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Bescheid vom 23.11.2004, SanRB01-133-2004, untersagt worden ist.

 

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

 

§ 4 i.V.m. § 7a Abs. 3 des Bundesgesetzes zur Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl. Nr. 327/1996 i.d.F. BGBl. I Nr. 7/2004

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von  

 

€ 200,--

 

 

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

24 Stunden

gemäß

 

§ 33 MTD-Gesetz 1996

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 20,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 15  angerechnet);"

 

In der Begründung führte die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der Bw die freiberufliche Ausübung nach dem MTD-Gesetz mit Bescheid vom 23. April 2004 untersagt worden sei. Dennoch habe die Bw die freiberufliche Tätigkeit als Mototherapeutin aufgenommen, diese auf ihrer Homepage beworben und darin Behandlungen angeboten, obwohl diese Tätigkeit ausschließlich entsprechend ausgebildeten Personen für den gehobenen medizinisch-technischen Dienst vorbehalten sei. Beispielsweise würde die Bw nach wie vor Behandlungen für Legasthenie anbieten, obwohl die eigenverantwortliche logopädische Befunderhebung und Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Hörstörungen sowie audiometrische Untersuchungen nach ärztlicher Andordung ausschließlich dem logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienst vorbehalten sei.

 

Bei der Strafbemessung sei auf § 19 VStG Bedacht genommen worden und mangels Bekanntgabe die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse geschätzt worden.

 

2. Gegen dieses der Bw am 3. Oktober 2007 zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

Begründend bringt die Bw vor, dass sie den angesprochenen Bescheid aus dem Jahre 2004 zur Kenntnis genommen habe und nicht an kranken, behinderten oder von Krankheit/Behinderung bedrohten Kindern arbeite. In "keinster Weise" würde sie irgendwelche Diagnosen oder Befunde erstellen und stelle ausdrücklich klar, dass sie nicht "behandle". Weiters würde auch in Abrede gestellt, dass sie Legasthenie behandle, Sprach-, Sprech- und Hörstörungen sowie audiometrische Untersuchungen anbiete. Es würden auch keine Möglichkeiten (Materialien, Instrumente usw.) vorliegen, um diese ihr zur Last gelegten Diagnosen zu erstellen. In diesem Zusammenhang stelle sie unmissverständlich fest, dass sie, sollte sie bei Kindern geringste Auffälligkeiten bemerken, sofort den Eltern rate, entsprechendes Fachpersonal wie Ärzte, Therapeuten, Psychologen usw. aufzusuchen.

 

Anschließend erläuterte die Bw an den folgenden Beispielen ihre Arbeitsweise in Verbindung mit den Vorwürfen:

"Expressive Sprachstörungen: (Diagnose wurde am Kind nicht von mir erstellt!)

Spielmöglichkeit: Ravensburger Spiel: Ratefüchse aufgepasst oder altes Kinderspiel: Ich seh ich seh was du nicht siehst….

 

Fein- und Grobmotorik:

Spielmöglichkeit: Fadenspiele, Fingerstricken, Knetmasse, Perlen auffädeln, Schwingen mit Tüchern, Bändern usw.

 

Rechenschwäche:

Spielmöglichkeit: Entfernungen einschätzen: altes Kinderspiel: Kaiser wie viele Schritte darf ich gehen, Übungen für den Tastsinn: Ravensburger Spiel: Visionary

 

Hyperaktivität:

Spielmöglichkeit: Laufspiele, altes Kinderspiel: Jäger und Hase, Ballspiele (10erln) Entspannungsgeschichten mit und ohne Musik

 

Wahrnehmungsstörungen:

Spielmöglichkeit: Ravensburger Spiele: Schau genau, Was passt noch rein, Blokus, Deck zu Ubongo

 

Konzentrationsstörung:

Spielmöglichkeit: Labyrinthe bauen, Zoch Spiel: Bamboleo, Spieldauer verlängern

 

Lese- und Rechtschreibschwäche:

Spielmöglichkeit: Buchstaben drucken, Ravensburger Spiel: 3 Chinesen mit dem Kontrabass Magic, Noris Spiel: Wort mix, Goldsieber Spiel: Pappalapapp, Regeln.

 

Bewegungsauffälligkeiten:

Spielmöglichkeit: Grundbewegungsarten wie gehen, laufen, Fußball spielen, hüpfen, kegeln.

 

Teilleistungsstörungen:

Spielmöglichkeiten: zum genauen Schauen siehe oben, Hören: Hörmemory, Worte heraus hören, Raumorientierung: Amigo Spiel: Rinks und lechts, Serie: animal logic,

Gedächtnis: Geschichte nacherzählen, Ravensburger Spiel: Nanu

 

Gleichgewicht: Parcours mit Hindernissen, Pedalo fahren, Seil ziehen, auf verschiedenen Unterlagen gehen usw."

 

Abschließend brachte die Bw zusammenfassend vor, dass sie Kinder in ihrer Entwicklung begleite und unterstütze und mit gesunden Kindern arbeite, keine Diagnosen/Befunde erstelle und nicht behandle. Die verwendeten Spiele und Materialien seien im Handel erhältlich und für jedermann käuflich. Diese würden auch Anwendung in Kindergärten, Tageseinrichtungen und Familien finden.

 

Erschließbar wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, AZ SanRB96-045-2007. 

 

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender  S a c h v e r h a l t  fest:

 

3.1.1. Mit Schreiben vom 14. März 2007 erstattete das "Bundesministerium Gesundheit, Familie und Jugend" Anzeige wegen des "Verdachts der Übertretung des Ärztegesetzes und des MTD-Gesetzes" durch die Bw an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung.

 

Einleitend bezog sich das BMGFJ auf eine "anonyme, nicht datierte Anzeige" und die "Homepage www.g.at".

 

In der Sachverhaltsdarstellung äußerte das BMGFJ unter dem Punkt  "1. Allgemeines" den dringenden Verdacht, dass die Bw sowohl im Bereich der Diagnostik als auch in der Behandlung von "krankheitswertigen Störungen", insbesondere bei Kindern tätig sei.

 

Unter Punkt 2 wird zur Ausübung der "Kinder-Tuina" neben einer "fachlichen Beurteilung" auch eine "rechtliche Beurteilung" vorgenommen.

 

Nach Ausführungen zur Mototherapie unter Punkt 3 und der Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen hält das BMGFJ "der Vollständigkeit halber fest, dass Motopädagogen/-innen, die Kinder unterstützen, ihre Talente und Fähigkeiten selbst zu entdecken und zu entfalten, einen wertvollen Beitrag zur kindlichen Entwicklung leisten. Aus Sicht des BMGFJ greifen diese durch ihre Tätigkeiten grundsätzlich nicht in die Vorbehaltstätigkeiten der Gesundheitsberufe ein. Die Behandlung krankheitswertiger Entwicklungs-störungen, -verzögerungen und –auffälligkeiten ist ihnen jedoch untersagt".

 

Unter Punkt 4 wird der verwaltungsstrafrechtliche Handlungsbedarf skizziert. Neben einem möglichen Verstoß gegen das Ärztegesetz wird der Verdacht eines Verstoßes gegen das MTD-Gesetz für naheliegend angesehen.

 

Abschließend wird festgehalten, dass "nach Ansicht des BMGFJ eine ausreichende Grundlage für eine weitere Überprüfung des Sachverhaltes durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung sowie in der Folge eine Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsstrafverfahrens besteht." Im Hinblick auf den Verdacht der Begehung des Deliktes der Kurpfuscherei gemäß § 184 StGB wird um Verständigung der zuständigen Staatsanwaltschaft ersucht. Die Verständigung der Staatsanwaltschaft Wels habe das BMGFJ bereits vorgenommen.

 

3.1.2. Mit Schreiben vom 23. März 2007 übermittelte das Amt der Oö. Landesregierung diesen "Erlass des BMGFJ" vom 14. März 2007, Zl. MMGF-93500/0045-I/7/2007, an die Behörde erster Instanz.

 

Ohne weitergehende Ermittlungen wurde die Bw mit Schreiben vom 28. August 2007 zur Rechtfertigung aufgefordert. Dabei warf ihr die Behörde erster Instanz ausschließlich das "Anbieten" von Tätigkeiten vor, die nur einem bestimmten Personenkreis vorbehalten sind. Neben dem Hinweis auf den Untersagungsbescheid der Behörde erster Instanz vom 23. November 2004, SanRB01-133-2004, wurden der Bw die einschlägigen Vorschriften der von ihr übertretenen Normen (Ärztegesetz, MTD-Gesetz) zur Kenntnis gebracht.

 

3.1.3. Innerhalb offener Frist gab die Bw eine Stellungnahme ab und legte dieser die Benachrichtigung von der Zurücklegung der Strafanzeige (Schreiben des Bezirksanwaltes beim BG Bad Ischl vom 2. Mai 2007, Zl. 20 BAZ 261/07w -1 BS,     § 184 StGB) gemäß § 90 Abs. 1 StPO und die Kopie von der niederschriftlichen Befragung am 2. April 2007 durch ein Organ der Polizeiinspektion Hallstatt bei.

 

In der Stellungnahme wies die Bw auf die niederschriftliche Befragung am 2. April 2007 und die Einstellung/Zurücklegung des Verfahrens beim BG Bad Ischl hin.

 

Bei der niederschriftlichen Befragung hatte die Bw den strafrechtlichen Vorwurf bestritten und Angaben zu ihrer Tätigkeit und der Aus- und Weiterbildung gemacht. Dabei hat sie auch eindeutig in Abrede gestellt, dass sie Kindertuina ausübe und Diagnosen oder Therapien erstelle; sollten sich beim spielerischen Beschäftigen mit den Kindern Auffälligkeiten erweisen, würde den Eltern geraten, die entsprechenden Fachärzte aufzusuchen. Die zu Missverständnissen führenden Begriffe in der Homepage würden von ihr entfernt werden.

 

3.2. Die Ausübung einer Tätigkeit, die vom MTD-Gesetz erfasst wird, wurde im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt. Bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses ist die Behörde erster Instanz nur von einem "Anbieten" einschlägiger Tätigkeiten auf der Homepage der Bw ausgegangen und erst in der Überarbeitung des Entwurfes des Straferkenntnisses hat auch der Vorwurf des "Ausübens" Eingang in den Tatvorwurf gefunden.  

 

Dagegen hat die Bw glaubwürdig ausgeführt und mit Beispielen belegt, dass sie gerade die ihr vorgeworfenen Tätigkeiten nicht ausübt. Mangels behördlicher Erhebungen, die auch schon vom BMGFJ angeregt worden sind, kann der Verantwortung der Bw nicht ohne weiteres entgegengetreten werden.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.   Gemäß § 2 Abs. 6 MTD umfasst der logopädisch-phoniatrisch-audiologische Dienst die eigenverantwortliche logopädische Befunderhebung und Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Hörstörungen sowie audiometrische Untersuchungen nach ärztlicher Anordnung.

 

Nach § 4 Abs. 1 leg.cit. darf eine Tätigkeit in den gehobenen medizinisch-technischen Diensten für den Bereich der Humanmedizin berufsmäßig nur von Personen ausgeübt werden, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes hiezu berechtigt sind. Die Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, findet auf die berufsmäßige Ausübung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste keine Anwendung.

 

Gemäß § 7a Abs. 1 leg. cit. hat die freiberufliche Berufsausübung persönlich und unmittelbar zu erfolgen. Die freiberufliche Berufsausübung darf auch in Zusammenarbeit mit anderen gehobenen medizinisch-technischen Diensten oder sonstigen Angehörigen von Gesundheitsberufen erfolgen.

 

Nach § 7a Abs. 3 leg. cit. hat die Bezirksverwaltungsbehörde anlässlich der Meldung gemäß Abs. 2 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Berufsausübung zu prüfen und die freiberufliche Berufsausübung unverzüglich, längstens binnen drei Monaten, zu untersagen, sofern eine oder mehrere Voraussetzungen nicht vorliegen. Im Falle der Untersagung der freiberuflichen Berufsausübung ist unverzüglich ein Verfahren betreffend die Entziehung der Berufsberechtigung gemäß § 12 einzuleiten.

 

Gemäß § 33 Z. 1 leg. cit. begeht,  sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen, wer eine Tätigkeit in den gehobenen medizinisch-technischen Diensten im Bereich der Humanmedizin ausübt, ohne hiezu berechtigt zu sein oder jemanden der hiezu nicht berechtigt ist zu einer derartigen Tätigkeit heranzieht. 

 

4.2. Die unter Punkt 4.1. angeführten gesetzlichen Bestimmungen zeigen auf, dass ausschließlich die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Humanmedizin strafbar ist, die in den gehobenen medizinisch-technischen Dienst fällt. Ein Anbieten derartiger Tätigkeiten ist von der Verbotsnorm jedenfalls nicht umfasst. 

 

4.3.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 11 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat so in konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein Verwaltungsgerichtshof vom 25. März 1994, 93/02/0228; vom 19. Mai 1993, 92/09/0360; vom 28. Februar 1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Anspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 23. November 1993, 93/04/0169).

 

4.3.2. Diesen Erfordernissen ist die Behörde erster Instanz in wesentlichen Punkten nicht gerecht geworden. Einerseits fehlt die zeitliche Festlegung (Tatzeit) und andererseits hat sie die Ausübung der "verbotenen" Tätigkeiten nicht einmal ansatzweise konkretisiert. Unzulässig wäre jedenfalls die Beschreibung der "angebotenen" Tätigkeiten auf die ausgeübten Tätigkeiten zu übertragen und so einen rechtskonformen Tatvorwurf zu konstruieren. Ein Blick in die Begründung des vorliegenden Straferkenntnisses zeigt, dass sich die Behörde erster Instanz überhaupt nur mit dem "Anbieten" dieser Tätigkeiten auseinandergesetzt hat. So geht die Behörde erster Instanz auf Seite 3 des Straferkenntnisses davon aus, dass die Bw die Tätigkeit als Mototherapeutin trotz Untersagungsbescheides aufgenommen, beworben und angeboten habe und diese Tätigkeit nach wie vor anbiete. Wann die Tätigkeit aufgenommen (somit ausgeübt) worden sein soll, auf welchen Zeitraum sich das strafbare Verhalten beziehen soll und wie die Behörde erster Instanz zu diesem Ergebnis ohne weitergehende Ermittlungen gekommen ist, wird überhaupt verschwiegen. Wie bereits ausgeführt, fand der Vorwurf des "Ausübens" erst vor der Abfertigung des Straferkenntnisses Eingang in den Spruch und dürfte daher in der Begründung keinen Niederschlag mehr gefunden haben. Im Hinblick auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Bw erscheint auch die Vermengung der Begriffe "anbieten" und "ausüben" problematisch, da das Anbieten der genannten Tätigkeiten die vorgehaltene Rechtsvorschrift keineswegs verletzt (arg.: "wer ausübt").

 

4.3.3. In der anonymen und undatierten Anzeige, die der Anzeige (Erlass !!) des BMGFJ beilgelegt wurde, wird das "Anbieten" von Tätigkeiten als strafrechtlich relevant bezeichnet. Das BMGFJ hat in der Anzeige vom 14. März 2007 eine umfassende Sachverhaltsdarstellung übermittelt, Verdachtsmomente aufgezeigt und erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass entsprechende Ermittlungen zu führen sein werden (Seite 6 der Anzeige: ".. weitere Überprüfung des Sachverhaltes ....sowie in der Folge eine Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsstrafverfahrens."). So wird beispielsweise von einem "dringenden Verdacht" und einer "allfälligen selbständigen Tätigkeit" gesprochen, jedoch auch der "Vollständigkeit halber festgestellt, dass Motopädagogen/-innen, die Kinder unterstützen, ihre Talente und Fähigkeiten selbst zu entdecken und zu entfalten, einen wertvollen Beitrag zur kindlichen Entwicklung leisten. Aus Sicht des BMGFJ greifen diese durch ihre Tätigkeiten grundsätzlich nicht in die Vorbehaltstätigkeiten der Gesundheitsberufe ein.  

 

Ob bzw. welche Tätigkeiten die Bw tatsächlich ausübt bzw ausgeübt hat und ob diese in die Vorbehaltstätigkeiten der Gesundheitsberufe eingreifen, hat die Behörde erster Instanz nicht einmal ansatzweise ermittelt.

 

Vor diesem Hintergrund (auch unter Einbeziehung der Benachrichtigung des BG Bad Ischl) und der schlüssigen Verantwortung kann der Bw der verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf nicht gemacht werden.

 

Anzumerken ist, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Kontrolle der Verwaltung eingesetzt ist und es ihm nicht zukommt, ein Ermittlungsverfahren zu führen, um festzustellen, ob überhaupt ein verwaltungsstrafrechtliches Verhalten vorliegen kann.

 

4.4. Schon im Hinblick auf die mangelhafte Spruchkonkretisierung war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG einzustellen.

 

5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

Mag. Christian  Stierschneider

 

 

 

 

 

 


 

 

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