Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400916/5/WEI/Ps

Linz, 14.11.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der T N S, geb., StA von M, dzt. Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M OEG, W, S, wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft seit 31. August 2007 durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Beschwerde wird Folge gegeben, die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft seit 27. September 2007 für rechtswidrig erklärt und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Mehrbegehren wird zurückgewiesen.

 

II.                   Der Bund hat der Beschwerdeführerin den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 674 Euro (darin enthalten 13,20 Euro Eingabengebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin), eine Staatsangehörige von M, ist am 6. August 2006 mit einem Kleinbus von Ungarn kommend über Nickelsdorf legal eingereist. Sie hatte einen m Reisepass und ein vom 6. bis 12. August 2006 gültiges Reisevisum. Wegen des Verdachts der Schlepperei wurde sie schon bald festgenommen und am 8. August 2006 in die Justizanstalt Linz eingeliefert.

 

1.2. Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. August 2006, Zl. 28 Hv 06f, wurde die Bfin wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß § 114 Abs 2 und Abs 4 1. Fall FPG nach § 114 Abs 4 FPG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 12 Monate gemäß § 43a Abs 3 StGB bedingt auf drei Jahre, verurteilt. Das Oberlandesgericht Linz entschied mit Urteil vom 13. November 2006, Zl. 7 Bs 339/06m, über Berufung der Staatsanwaltschaft, dass die Bestimmung des § 43a StGB ausgeschieden und damit die gesamte Freiheitsstrafe unbedingt verhängt wird.

 

Der rechtskräftige Schuldspruch des Landesgerichts Linz lautet:

 

              "T N  S ist schuldig, sie hat in C, L und an anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung gleichartiger Schlepperhandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, dadurch, dass sie in M auswanderungswilllige m Staatsangehörige zur Verbringung in den Schengenraum, nämlich nach Österreich und Italien, anwarb, von diesen teilweise den Schlepperlohn in Höhe von bis zu € 3.200,-- inkassierte, sie bei den Behördengängen zur Erlangung des Durchreisevisums für Ungarn und des Einreisevisums nach Österreich unterstützte, die für die Visumausstellung erforderlichen Einladungen nach Österreich und Verpflichtungserklärungen des in L, H, etablierten Vereins 'E' besorgte, Busse für die Reise nach Österreich organisierte und die Geschleppten auf dieser Reise begleitete und betreute, wobei sie wusste, dass die Geschleppten entgegen ihren Angaben gegenüber den österreichischen Behörden nicht beabsichtigten, nach Ablauf ihrer Visa nach M zurückzukehren, wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise nachgenannter Fremder nach Österreich bzw durch Österreich nach Italien, sohin in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs gefördert, und zwar:

1.)          im Zeitraum von Ende Jänner/Anfang Februar 2006 bis zum 26.3.2006 die Einreise bzw. Durchreise der m Staatsangehörigen A B, N P, M P, L S, I G, A T, E S und N G;

2.)          im Zeitraum von April 2006 bis zum 6.8.2006 die Einreise bzw. Durchreise der m Staatsangehörigen A C, P S, T B, V M, E C, D B, N B, I P, Z C, T B und  L C."

 

1.3. Die fremdenpolizeiliche Einvernahme vom 24. Oktober 2006 in der Justizanstalt Linz diente dem Parteiengehör zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Bfin wurde die Verurteilung durch das Landesgericht Linz wegen des Verbrechens der Schlepperei vorgehalten und ein auf 7 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot angekündigt.

 

Die Bfin gab an, einen gültigen m Reisepass zu haben. In Österreich habe sie keine Angehörigen, keinen Wohnsitz und keine Beschäftigung. An Bargeld verfügte sie über 71,45 Euro.

 

Die Bfin stellte schließlich einen Asylantrag, weil sie durch ihre in Österreich gemachten Aussagen im Heimatland Probleme hätte. Die Niederschrift wurde per Telefax dem Bundesasylamt (BAA), Erstaufnahmestelle West (EASt West), übermittelt.

 

Am 6. November 2006 wurde die Bfin aus der Untersuchungshaft wegen Wegfalls der Haftgründe im Hinblick auf die teilbedingte Verurteilung erster Instanz entlassen.

 

1.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Oktober 2006, Zl. 1055105/FRB, wurde auf der Grundlage des § 60 Abs 1 iVm § 66 FPG ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gegen die Bfin ausgesprochen.

 

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2006, Zl. St 254/06, gab die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte das Aufenthaltsverbot nach § 60 Abs 1 und Z 1 FPG als unbefristetes. Die Berufungsbehörde argumentierte, dass die organisierte Schlepperei ein rigoroses staatliches Vorgehen erforderlich mache. Bei der illegalen Ein- bzw. Durchreise von insgesamt 19 Personen könne nicht von einer "kleinen Personenanzahl" gesprochen werden. Auch von einer untergeordneten Tatbeteiligung könne nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Linz keine Rede sein. Das Aufenthaltsverbot sei unbefristet zu erlassen gewesen, da nicht absehbar sei, ob und wann sich die Bfin an die Normen des Gastlandes halten werde.

 

1.5. Nach der aktenkundigen Asylinformationsdatei wurde der Asylantrag am 5. Dezember 2006 beim BAA EASt West eingebracht. Nach Entlassung aus der Justizanstalt Linz am 6. November 2006 begab sich die Bfin offenbar illegal nach Italien, zumal sie am 7. November 2006 von den italienischen Behörden rücküberstellt und ins PAZ Klagenfurt eingeliefert wurde. Sie war vorübergehend in Schubhaft und wurde ins PAZ Wien überstellt, von wo sie am 13. November 2006 entlassen und dem Oberlandesgericht Linz vorgeführt wurde.

 

Die restliche, nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz vom 13. November 2006 unbedingte Haftstrafe hat die Bfin am 11. Dezember 2006 in der Justizanstalt Linz angetreten.

 

Das Asylverfahren wurde nach negativer Meldeauskunft vom BAA EASt West mit Aktenvermerk vom 6. Dezember 2006 gemäß § 24 AsylG 2005 (vorübergehend) eingestellt, weil der Aufenthalt des Asylwerbers wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht (§ 15) weder bekannt oder sonst leicht feststellbar war. Weiters wurde gemäß § 26 AsylG 2005 ein Festnahmeauftrag erlassen. Dieser wurde dann am 14. Dezember 2006 im Hinblick auf die Anhaltung der Bfin in der Justizanstalt Linz seit 11. Dezember 2006 widerrufen.

 

Am 27. Dezember 2006 erfolgte die erste asylbehördliche Einvernahme der Bfin. Für die Zeit vom 13. November bis 11. Dezember 2006 gab die Bfin an, dass sie sich bei N S, einer entfernten Verwandten, in der M, W, aufgehalten hätte. Als Asylgrund gab sie an, dass sie in M eine Anklage wegen Schlepperei befürchte und für 7 Jahre ins Gefängnis kommen werde, weil die Gesetze dort sehr streng wären. Man würde sie dort nicht als Mittäter, sondern als Organisator verurteilen. Sie könne in M nicht die Wahrheit über die Mittäterschaft von V S sagen, weil dort Korruption herrsche und deren Freunde Banditen wären. Andere Probleme gab die Bfin bei dieser Befragung nicht an.

 

Die Asylbehörde gab der Bfin bekannt, dass ihrem Vorbringen keine asylrelevante Verfolgung zu entnehmen und daher beabsichtigt sei, ihren Asylantrag gemäß § 3 AsylG 2005 mit der Feststellung abzuweisen, dass die Abschiebung oder Zurückschiebung nach M zulässig sei und eine Ausweisung auszusprechen.

Der Bfin wurde eine Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 ausgefolgt.

 

In den Feststellungen des BAA EASt West zu M wird ein Problem der Korruption innerhalb der Justiz M angesprochen. In enger Kooperation mit dem Europarat werde das Problem angegangen (Schulungsmaßnahmen, Expertentreffen). Zu Fragen der Rechtssicherheit und Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit bestehe in der R M aber weiterhin großer Nachholbedarf.

 

1.6. Am 7. März 2007 fand eine weitere asylbehördliche Befragung der Bfin in der Justizanstalt Linz statt. Sie bestätigte die Richtigkeit ihrer Angaben und verwies darauf kooperativ gewesen zu sein. Sie habe mit Herrn S, dem Ermittlungsbeamten beim Bundeskriminalamt zusammengearbeitet und könne sogar seine Telefonnummer bekannt geben. Bei dieser ergänzenden Einvernahme behauptete die Bfin, bei der ersten Einvernahme Angst gehabt zu haben zu sagen, dass sie Angst um ihr Leben hätte. Von der m Polizei hätte sie im Mai 2006 eine Ladung erhalten, der sie nicht nachgekommen wäre. Über den Zweck wäre ihr nichts gesagt worden, aber sie hätte sich im Amt für Schlepperwesen einfinden müssen. Von einem Kriminalbeamten des Bundeskriminalamts wisse sie, dass die m Behörden nach wie vor gegen die Bfin wegen des Verdachts der Schlepperei ermittelten. Auf weitere Befragung gab die Bfin an, dass die Angst um ihr Leben "Nicht von den Behörden, sondern von Frau V" habe.

 

Der im Asylverfahren beigezogene Rechtsberater der Bfin gab dazu bekannt, dass die Bfin vom Kriminalbeamten S (Bundeskriminalamt), der im Fall der Bfin ermittelte, die Information hatte, dass die m Behörden gegen sie wegen des Verdachts der Schlepperei ermitteln. Die Bfin werde nun vermutlich von den nach M abgeschobenen Personen als Schlüsselfigur des Schlepperringes dargestellt. Frau V S dürfte – nach Darstellung des Rechtsberaters – die m Justizbehörden im Griff haben. Die Bfin hätte in M kein faires Verfahren zu erwarten, da S bisher Justiz und Polizei bestochen habe und dies auch in Zukunft machen werde.

 

1.7. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 31. August 2007, Zl. FRB, wurde gegen die Bfin auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bzw. zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Den Schubhaftbescheid übernahm der Bf noch am 31. August 2007 persönlich. Sie wurde an diesem Tag aus der Strafhaft bedingt entlassen und seither im PAZ Linz in Schubhaft angehalten.

 

Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme im PAZ Linz am 31. August 2007 wurde die Bfin über die Gründe der Inschubhaftnahme informiert und zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt. Sie gab an, dass sie 750 Euro in der Justizanstalt Linz verdient, aber keinen Wohnsitz in Österreich habe und keiner legalen Arbeit nachgegangen sei.

 

Die Bfin gab an, dass sie am 28. August 2007 ein Gespräch mit einer Beamtin des BAA gehabt hätte. Dabei wäre ihr mitgeteilt worden, dass sie als Asylwerberin nicht abgeschoben und nicht in Schubhaft genommen werden dürfe. Sie erklärte weiter, das sie nicht nach Hause zurückkehren wolle und verwies auf die im Asylverfahren angegebenen Gründe.

 

Die belangte Behörde teilte ihr mit, dass sie bis zur Entscheidung der Asylbehörde in Schubhaft bleiben müsste.

 

Aus einem Bericht der belangten Behörde vom 31. August 2007 geht hervor, dass das Asylverfahren noch offen ist, aber nach Auskunft des EASt West ein Bescheid gemäß §§ 3,8 und 10 AsylG 2005 "in Kürze" erlassen werde.

 

1.8. Mit Schriftsatz vom 7. November 2007, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax am 8. November 2007, erhob die Bfin vertreten durch ihre Rechtsvertreter "Schubhaft-Beschwerde" wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft und stellte folgende Beschwerdeanträge:

 

"Beantragt wird,

 

1.        festzustellen, dass die Anhaltung der Bf in Schubhaft seit dem 31.08.2007 rechtswidrig war und auch die weitere (zukünftige) Anhaltung der Bf in Schubhaft rechtswidrig ist;

 

       in eventu

 

2.        festzustellen, dass die Anhaltung der Bf in Schubhaft jedenfalls seit dem 24.09.2007 rechtswidrig war und auch die zukünftige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig ist;

 

3.        den Rechtsträger der belangten Behörde in den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu verfällen."

 

2.1. In der Begründung des Schubhaftbescheides ging die belangte Behörde vom oben dargestellten Sachverhalt aus. Der im Asylverfahren von der Bfin für die Zeit vom 13. November bis 11. Dezember 2006 angegebene Aufenthalt in W, M bei N S konnte offiziell nicht nachvollzogen werden, da nach den Erhebungen weder die Bfin, noch S dort gemeldet waren.

 

Die belangte Behörde ging weiters davon aus, dass die Bfin über keine sozialen Bindungen in Österreich verfügt. Sie habe weder Wohnsitz, noch eine legale Beschäftigung. Sie sei mit einem Visum C eingereist und halte sich seit Ablauf dieses Visums unrechtmäßig in Österreich auf.

 

Auf Grund des bisherigen Verhaltens der Bfin, der illegalen Reise nach Italien und des Untertauchens in W (ungemeldeter Aufenthalt) könne die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, dass sich die Bfin dem asylrechtlichen Ausweisungsverfahren und der Abschiebung nicht freiwillig zur Verfügung stellen wird. Dabei sei auch von Bedeutung, dass die Bfin durch die Mitteilung des BAA davon wisse, dass ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde.

 

Auf Grund all dieser Tatsachen sei das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und eine allfällige Abschiebung durch Schubhaft zu sichern. Der Zweck der Schubhaft könne durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden, da die Behörde davon ausgehen müsse, dass die Bfin gelinderen Mitteln nicht Folge leisten würde.

 

2.2. Die Beschwerde behauptet, dass telefonische Erhebungen des Rechtsvertreters ergeben hätten, dass sich der Verwaltungsakt in der Zentrale des BAA in Wien befinde und vom Direktor Mag. W T persönlich bearbeitet werde. Jedenfalls sei in der Asylsache seit Wochen nichts weiter gegangen.

 

Das BAA habe zwar ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, die Absicht den Asylantrag abzuweisen wäre längst aufgegeben worden, weil die Bfin ein Recht auf Asylgewährung, in eventu auf subsidiären Schutz habe. Dies wäre dem BAA in mehreren Schriftsätzen aufgezeigt worden. Es könne nicht sein, dass eine am 27. Dezember 2006 erstmals erklärte Absicht, einen Asylantrag abzuweisen, auch nach zehn Monaten noch schubhaftbegründend und schubhafttragend wirke und unterdessen beim BAA intensiv darüber nachgedacht werde, der Bfin auf Grund der komplexen Sach- und Rechtslage Asyl zu gewähren.

 

Die Verhängung der Schubhaft wäre bereits rechtswidrig gewesen, weil kein gesetzlicher Haftgrund vorgelegen wäre. Die Einleitung des Ausweisungsverfahrens wäre im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nicht mehr aktuell gewesen. Die Schubhaft erweise sich auf jeden Fall als absolut unverhältnismäßig. Selbst wenn ein negativer Asylbescheid ergehen sollte, stünde noch die Berufungsmöglichkeit offen, die die Bfin mit Sicherheit wahrnehmen werde. Dabei wäre auf Grund der Komplexität mit einem lang dauernden Berufungsverfahren zu rechnen. Danach würde noch der Rechtsweg an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts offen stehen.

 

Die Schubhaft diene daher keinesfalls der Sicherung der Abschiebung oder der Durchführung einer Ausweisung. Darüber hinaus wäre die Haft über zwei Monate aufrecht erhalten worden, wofür die Voraussetzungen nicht vorlägen. Unbeschadet des formellen Bestehens des Tatbestandes nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG diene die Schubhaft in concreto nicht mehr der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung.

 

Nur in eventu werde vorgebracht, dass die Schubhaft durch gelindere Mittel substituierbar sei. Es könne nicht angenommen werden, dass die Bfin untertauche, weil sie gute Aussichten hätte, in Österreich asylrechtlichen Schutz zu erlangen. Der Schubhaftzweck könnte durch Anwendung gelinderer Mittel wie Begründung eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes und wöchentlichen Meldung bei der nächsten Polizeidienststelle erreicht werden.

 

2.3. Mit Schreiben vom 9. November 2007 hat die belangte Behörde ihren Fremdepolizeiakt übermittelt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie der Beschwerde entgegen tritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt. Die belangte Behörde vertritt dabei im Wesentlichen ihren schon im Schubhaftbescheid geäußerten Standpunkt.

 

3.1. Auf Grund der oben dargestellten Behauptungen des Rechtsvertreters in der Schubhaftbeschwerde, die dem erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats entscheidungsrelevant erscheinen und von der belangten Behörde nicht entkräftet wurden, waren ergänzende Erhebungen durchzuführen. Dem vorgelegten fremdenpolizeilichen Akt konnten dazu keine brauchbaren Hinweise entnommen werden.

 

Das erkennende Mitglied konnte am 14. November 2007 zur Klärung der Sachlage mit der zuständigen Referentin beim BAA EASt West Kontakt aufnehmen. Frau A bestätigte, dass in der Asylsache der Bfin mehrere Eingaben des Rechtsvertreters auch weitere Erhebungen erforderlich machen. Der Akt befinde sich daher derzeit auch bei Mag. M, dem Chef der Frau A, die aber weiterhin zuständige Referentin ist. Nach Frau A ist im gegenständlichen Asylverfahren mit EMRK-Problemen in M zu rechnen. Die Entscheidung nach § 8 AsylG 2005, ob also subsidiärer Schutz gewährt werden müsse oder nicht, sei noch nicht sicher. Die noch am 27. Dezember 2006 gemachte Mitteilung über die beabsichtigte Erlassung einer Ausweisung sei überholt.

 

Frau A habe schon in einem Telefonat mit der belangten Behörde am 31. August 2007 die asylrechtliche Ausweisung als nicht sicher dargestellt. Selbst für den Fall einer negativen Asylentscheidung habe sie den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nach § 38 AsylG 2005 nie in Aussicht gestellt. Der mit Sicherheit zu erwartenden Berufung werde daher jedenfalls die aufschiebende Wirkung zukommen.

 

Das Asylverfahren erster Instanz könne sicher im heurigen Jahr nicht mehr entschieden werden. Es wird voraussichtlich noch Monate dauern.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und die oben geschilderte ergänzende Erhebung (vgl Aktenvermerk vom 14.11.2007). Danach erschien bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr.157/2005 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

 

1.      nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.      unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.      gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren. Gemäß dem § 67c Abs 1 AVG sind Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

 

Da der Beschwerdeführer im Regelfall durch die Anhaltung in Schubhaft nicht gehindert ist, eine Beschwerde dagegen zu erheben, gilt die Sechswochenfrist ab Kenntnis von der Anhaltung in Schubhaft.

 

Die Bfin wurde am 31. August 2007 anlässlich ihrer Entlassung aus der Strafhaft in der Justizanstalt Linz im Auftrag der belangten Behörde fremdenpolizeilich festgenommen und ins PAZ Linz zum Vollzug der Schubhaft überstellt. Sie hatte von Anfang an Kenntnis davon, dass sie in Schubhaft genommen wird (vgl auch die fremdenpolizeiliche Niederschrift vom 31.08.2007).

 

Die Bfin befindet sich nach wie vor in Schubhaft. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats ist ihre Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig. Hinsichtlich der länger zurückliegenden Zeit ab Inschubhaftnahme am 31. August 2007 ist die Beschwerde verfristet und war diese insofern zurückzuweisen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.      gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.      gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.      gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.      auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3, 4 oder 5 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 leg.cit. vor.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Nach § 28 Abs 1 Satz 1 AsylG 2005 ist das Verfahren zuzulassen, wenn der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen ist und soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entscheiden wird. Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51), eines Bescheides bedarf es nicht.

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 1 AsylG 2005 ersetzt eine Abweisung des Asylantrages im Zulassungsverfahren die Zulassungsentscheidung. Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 AsylG 2005 gilt der im Zulassungsverfahren abgewiesene Asylantrag als zugelassen, wenn oder sobald der Berufung gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Gemäß dem § 27 Abs 4 Satz 1 AsylG 2005 ist ein gemäß Abs 1 Z 1 eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen, wenn das Verfahren zugelassen wird.

 

4.4. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen ist und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass die Bfin bereits zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Asylwerberin war. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Die belangte Behörde hat sich bei der Anordnung der Schubhaft am 31. August 2007 auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 2 Z 2 FPG gestützt, weil nach dem gegebenen Sachverhalt am 27. Dezember 2006 ein Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs 1 Z 1 iVm § 29 Abs 3 Z 5 AsylG 2005 eingeleitet wurde.

 

Die belangte Behörde hat den Sicherungsbedarf damit begründet, dass die Bfin in Österreich nicht sozial oder beruflich integriert ist und nach der ersten Entlassung aus der gerichtlichen Haft illegal nach Italien reiste, von wo sie am 7. November 2006 zurückgenommen werden musste. Nach der unbedingten Verurteilung durch das Oberlandesgericht Linz am 13. November 2006 hielt sie sich bis zum Strafantritt am 11. Dezember 2006 in der Justizanstalt Linz in W bei N S auf, ohne sich polizeilich anzumelden.

 

Das erkennende Mitglied des unabhängige Verwaltungssenats misst dem nicht gemeldeten Aufenthalt in Wien keine so große Bedeutung bei. Immerhin hat sich die Bfin nämlich offenbar freiwillig der Justiz gestellt und trat ihre restliche Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Linz an. Der kurz davor ergangene asylrechtliche Festnahmeauftrag wurde dann widerrufen. Demnach kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Bfin in W untertauchen wollte.

 

Im Übrigen ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bei Eingriffen in das Recht auf persönliche Freiheit stets das unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl Erk. des VfGH vom 24.6.2006, B 362/06). Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist stets dazu verpflichtet, die einzelnen Schubhafttatbestände verfassungskonform auszulegen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (vgl Erk. des VfGH vom 15.6.2007, B 1330 und 1331/06). Wie der Verfassungsgerichthof in diesem Erkenntnis auch klargestellt hat, ist § 80 Abs 5 FPG als bloßer Verlängerungstatbestand anzusehen, der einen Schubhaftgrund nach § 76 Abs 2 FPG voraussetzt.

 

4.5. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats ist unter den gegebenen Umständen des Falles der Ansicht, dass die auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG gestützte Schubhaft mittlerweile nicht mehr der Sicherung eines Ausweisungsverfahrens nach § 10 AsylG 2005 dienen kann, zumal seit Schubhaftverhängung schon eine zu lange Zeit ungenützt verstrichen ist und nach der ergänzenden telefonischen Erhebung auch nicht in absehbarer Zeit mit einer Erledigung gerechnet werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, das die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nach § 80 Abs 2 FPG grundsätzlich nur so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund weggefallen oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Formal betrachtet liegt im vorliegenden Fall der Schubhaftgrund des § 76 Abs 2 Z 2 FPG immer noch vor, weil am 27. Dezember 2006 ein Ausweisungsverfahren nach dem AsylG 2005 eingeleitet wurde und bis heute von der Asylbehörde keine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt und das Ausweisungsverfahren eingestellt wurde.

 

Bei verfassungskonformer Auslegung im Sinne der oben dargelegten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs muss allerdings berücksichtigt werden, dass die gegenständliche Schubhaft nur auf eine Mitteilung der Asylbehörde vom 27. Dezember 2006 betreffend eine beabsichtigte abweisende Entscheidung gestützt wird, die mittlerweile durch weitere Einvernahmen und Eingaben im asylbehördlichen Verfahren als überholt erscheint (vgl h Aktenvermerk vom 14.11.2007). Schon der im Asylverfahren bislang ohne erkennbaren Grund verstrichene Zeitraum von mehr als zehn Monaten scheint der Beschwerde insoweit recht zugeben, als die Einleitung des Ausweisungsverfahrens nicht mehr aktuell sein wird. Tatsächlich hat das Telefonat des erkennenden Mitglieds mit der zuständigen Referentin des BAA EASt West ergeben, dass die Bfin möglicherweise – diese Frage ist derzeit immer noch offen und unsicher – schon in erster Instanz den subsidiären Schutz nach § 8 AsylG 2005 erhält und damit eine Ausweisung nach M jedenfalls nicht in Betracht kommt. Selbst wenn negativ entschieden werden sollte, werde vom BAA EASt West ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 38 AsylG 2005 nicht ausgesprochen werden, weshalb der vom Beschwerdevertreter schon angekündigten Berufung aufschiebende Wirkung zukommen wird.

 

Bei diesem Stand des Asylverfahrens ist noch mit vielen Monaten Verfahrensdauer zu rechnen, bevor eine durchsetzbare negative Entscheidung ergehen wird können, die allenfalls mit Hilfe von Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung umzusetzen wäre.

 

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift der Beschwerde entgegenhält, dass sie keinen Einfluss auf die Tätigkeit der Asylbehörden hätte und nicht von vornherein von der Unzulässigkeit der Schubhaftverhängung ausgehen könne, weil ein Asylwerber seine Berufungsmöglichkeit in Anspruch nehmen wird, so verkennt sie damit offenbar ihre Pflicht nach § 80 Abs 1 FPG darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Es kann nicht sein, dass bei Koordinationsproblemen mit der Asylbehörde die Schubhaft gleichsam im Zweifel dennoch angeordnet wird. Vielmehr hat die Fremdenpolizeibehörde nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs stets die Pflicht, Schubhafttatbestände nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Verfahrensverzögerungen im Asylverfahren können dabei nicht zu Lasten der persönlichen Freiheit der Betroffenen gehen. Deshalb hätte sich die belangte Behörde durch Einsicht in die AIS-Datei über den Gang des Asylverfahrens am laufenden halten müssen und gegebenenfalls mit der Asylbehörde abklären müssen, ob eine beabsichtigte Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 noch aktuell ist oder nicht. Der Hinweis auf den Verlängerungstatbestand des § 80 Abs 5 FPG vermag an dieser Pflicht der Fremdepolizeibehörde nichts zu ändern. Da im vorliegenden Fall mit Ablauf des Monats Oktober 2007 schon mehr als zwei Monate seit Schubhaftverhängung vergangen waren (vgl Grundsatz nach § 80 Abs 2 FPG) hätte die belangte Behörde umso mehr Veranlassung gehabt, tätig zu werden und mit der Asylbehörde zu kommunizieren.

 

4.6. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats hätte das Asylverfahren im Hinblick auf § 28 Abs 1 und 2 AsylG 2005 wohl von der Asylbehörde schon längst zugelassen werden müssen, weil eine zurückweisende Entscheidung nicht in Betracht kommt und die 20-Tagesfrist des § 28 Abs 2 AsylG 2005 überschritten worden ist. Die Bfin hat am Asylverfahren mitgewirkt und konnte sich dem Verfahren schon wegen ihrer Inhaftierungen gar nicht entziehen. Das Ausweisungsverfahren hätte dann schon nach § 27 Abs 4 AsylG 2005 eingestellt werden müssen.

 

Auf jeden Fall ersetzt ein inhaltliche Entscheidung (Stattgebung oder Abweisung) erster Instanz gemäß § 28 Abs 3 AsylG 2005 die Zulassungsentscheidung nach § 28 Abs 1 leg.cit. durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte. Bei Abweisung im Zulassungsverfahren gilt der Antrag als zugelassen mit einer Berufung, der aufschiebende Wirkung zukommt (§ 28 Abs 3 Satz 2 AsylG 2005).

 

Mit Zulassung des Asylverfahrens besteht gemäß § 13 AsylG 2005 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Im vorliegenden Fall ist durchaus absehbar, dass die Bfin eine solche Aufenthaltsberechtigung erlangen wird.

 

Die belangte Behörde hätte auf Grund dieser Rechtslage nach den gegebenen Umständen des Falles zur Ansicht gelangen müssen, dass wegen der asylrechtlichen Verfahrensdauer das Ziel der angeordneten Schubhaft innerhalb vertretbarer angemessener Fristen nicht mehr erreicht werden kann. Auch wenn der einschlägige § 80 Abs 5 FPG keine bestimmte Frist als Beschränkung ausweist, darf ihm kein verfassungswidriger Inhalt unterstellt werden. Er muss daher nach Ansicht des erkennenden Mitglieds im systematischen Zusammenhang einschränkend ausgelegt werden, indem man vergleichsweise auf die Fristenbindung im § 80 Abs 3 und 4 FPG abstellt. Tendenziell ergibt sich dies auch aus der Regierungsvorlage zum Fremdenpaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, 105), wo es auf Seite 105 letzter Absatz zu § 80 FPG heißt:

 

"Ebenso kann nach den Regeln des Abs. 4 und 5 die Schubhaft für Asylwerber prinzipiell sechs Monate und vier Wochen aufrechterhalten werden. Dies ergibt sich aus der maximalen Entscheidungsdauer der Asylbehörden von sechs Monaten und der danach weiter möglichen Anhaltung von 4 Wochen. Bei Asylwerbern ist dies unbedingt erforderlich, um eine Abschiebung auch nach dem gänzlich abweisenden Verfahren – beide Instanzen haben insgesamt 6 Monate Zeit für die Entscheidung – organisieren und durchführen zu können. ..."

 

Ist es - wie im gegenständlichen Fall - absehbar, dass diese Maximalfristen nicht eingehalten werden, und wird der Asylwerberin voraussichtlich spätestens im Berufungsverfahren noch ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 zukommen, so kann die Schubhaft zur Sicherung des asylrechtlichen Verfahrens nicht mehr vertretbar aufrechterhalten werden.

 

4.7. Die Bfin hat außerdem im Zulassungsverfahren gemäß § 2 iVm § 9 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Grundversorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes. Danach besteht ein Anspruch auf Grundversorgungsleistungen durch das Land Oberösterreich, solange nicht rechtskräftig über ihren Asylantrag abgesprochen ist oder sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann (vgl dazu näher Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 iVm Art 2 und 4 Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG, BGBl Nr. 80/2004 und LGBl Nr. 93/2004)

 

Damit wird schon das Argument der belangten Behörde relativiert, wonach die Bfin keinen Wohnsitz und keine legale Beschäftigung habe. Sie hat als Asylwerberin Anspruch auf Grundversorgung, weshalb ihr Unterhalt in Österreich bis auf weiters gesichert erscheint. Außerdem kann der Oö. Verwaltungssenat entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht erkennen, wieso der Zweck der Schubhaft nicht durch Anwendung gelinderer Mittel hätte erreicht werden können. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds ist davon auszugehen, dass sich die Bfin bei den asylbehördlichen und fremdenpolizeilichen Einvernahmen wahrheitsgemäß auf die Fragen eingelassen hat. Jedenfalls ist sind bisher keine unrichtigen Angaben oder ein Widerspruch in ihrer Aussage bekannt geworden. Es kann daher nur im eigenen Interesse der Bfin liegen, die Grundversorgung in Anspruch zu nehmen und im Asylverfahren mitzuwirken, weil dieses sonst eingestellt werden würde. Im Hinblick darauf, dass sie Aussichten hat, zumindest den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu erlangen, kann nicht schlüssig angenommen werden, dass die Bfin untertauchen oder sich absetzen werde. Deshalb wäre das gelindere Mittel im Sinne des § 77 Abs 3 FPG (Anordnung der Unterkunftnahme in bestimmten Räumen und/oder Meldepflicht in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando) auch nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenats in Betracht gekommen, um die Schubhaft zu substituieren.

 

5. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben, die Anhaltung in Schubhaft seit dem Zeitpunkt der noch offenen Beschwerdefrist von sechs Wochen für rechtswidrig zu erklären und für die Zukunft festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtenen Verwaltungsakt wie im vorliegenden Fall für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG).

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bfin als der obsiegenden Partei gemäß dem § 79a Abs 5 AVG iVm § 1 Z 1 der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) antragsgemäß der notwendige Schriftsatzaufwand in Höhe von 660,80 Euro und die von ihr zu entrichtende Eingabengebühr (§ 79a Abs 4 Z 1 AVG) von 13,20 Euro für die Beschwerde, insgesamt daher 674 Euro, zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 13,20 Euro angefallen.

 

Dr. W e i ß

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 17. Juli 2008, Zl.: 2007/21/0560-6

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