Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230966/3/WEI/Eg

Linz, 28.11.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des H F K, P, P, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 7. Februar 2007, Sich 96-273-2006/Egk, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 32 Abs 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 99/2006) zu Recht erkannt:

 

I.               Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.             Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG i.V.m. § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungs-verfahrensgesetz 1991 - AVG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben sich am 11. Juni 2006 um 21.30 Uhr in 4780 Schärding, Innbruckstraße 8 aufgehalten, ohne Ihr Reisedokument mitzuführen, obwohl Fremde verpflichtet sind, Ihr Reisedokument  mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 32 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl.Nr. 100/2005 (FPG)"

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw unrichtigerweise gemäß "§ 121 Abs. 1 Z 2 FPG" (richtig wäre "§ 121 Abs. 2 Z 2 FPG") eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden dem Bw ferner 3 Euro (10 % Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 14. Februar 2007 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die am 26. Februar 2007 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingelangte Berufung. Der Bw hat der belangten Behörde seine Ausfertigung des Straferkenntnisses mit dem auf der ersten Seite angebrachten Vermerk "Berufung!" und mit folgenden Ausführungen auf der Rückseite des ersten Blattes übermittelt:

 

" Liebe Frau E!

 

Mit Ihrer Vermutung über mein Einkommen von 1500,- € liegen Sie vollkommen falsch. Ich bin arbeitslos und bekomme von Staat keinen Cent. Außerdem bin Ich kein Fremder sondern spreche fließend bayrisch und auch ein bisschen österreichisch "Jo"  Wie ich letztlich schon erwähnte hätte mein Ausweis sehr schnell beigebracht werden können! Ausserdem; wie kommen Sie auf 12 Std. Haft – beim ersten Schreiben waren es – 4 Std-."

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit GENDIS-Anzeige der Polizeiinspektion Schardenberg vom 21. Juni 2006, GZ: A1/0000005952/01/2006,  wurde der belangten Behörde neben einer Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz angezeigt, dass sich der Bw am 11. Juni 2006, 21.30 Uhr, als Fremder am angeführten Ort aufgehalten und sein Reisedokument nicht mitgeführt hat oder in einer solchen Entfernung von seinem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung hätte erfolgen können.

 

Dieser Anzeige ist weiters folgende Anmerkung zu entnehmen:

 

"K wurde bei einer Verwaltungsübertretung auf frischer Tat betreten; er konnte sich nicht ausweisen und somit war seine Identität vorerst nicht geklärt; K wurde am 11.06.2006 um 21:40 Uhr vor dem Haus Innbruckstraße 8 (GH "H") gem § 35 VstG festgenommen und zur PI Schärding zur Klärung der Identität eskortiert. Um 23:30 Uhr wurde von einem Bekannten sein Reisepass beigebracht. Somit war der Festnahmegrund weggefallen und die Festnahme aufgehoben."

 

Aufgrund dieser Anzeige wurde über ihn von der Bezirkshauptmannschaft Schärding mit Datum vom 28. September 2006, Zl. Sich96-273-2006, eine Strafverfügung verhängt. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw fristgerecht Einspruch. Darin rechtfertigt sich der Bw, dass die dargelegte unverhältnismäßige Verzögerung nicht stattfinden hätte müssen, hätten die Beamten seinen Kollegen sofort das Dokument einholen lassen. Außerdem sei das Dokument sowieso eine 3/4 Stunde später zur Verfügung gestanden, was in jedem Falle ausreiche.

 

2.2. In der Folge hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis erlassen. Begründend führt sie aus, dass der Bw bei der Befragung durch die Polizisten angegeben habe seinen Reisepass zu Hause zu haben. Sein Wohnsitz habe sich in P, D, befunden. Als deutscher Staatsangehöriger gelte der Bw als Fremder im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes und unterliege der Passpflicht. Er wäre demnach sogar verpflichtet gewesen ein Reisedokument beim Grenzübertritt mitzuführen, um rechtmäßig in das Bundesgebiet der Republik Österreich einzureisen. Auch wenn die Einholung seines in Deutschland befindlichen Reisepasses selbst innerhalb einer Stunde zu bewältigen gewesen sei, entbinde den Bw dies nicht von der Pflicht gemäß den Bestimmungen des § 32 FPG ein gültiges Reisedokument im Inland mitzuführen.

 

Die Strafbemessung wurde von der belangten Behörde damit begründet, dass der Bw im Zuge der Einspruchserhebung keine Angaben zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen gemacht habe und daher ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 Euro, keine Sorgepflichten, kein Vermögen geschätzt wurde. Erschwerungs- und Milderungsgründe seien nicht gefunden worden. Die verhängte Geldstrafe erscheine dem Unrechtsgehalt der Tat sowie schuldangemessen.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Durchsicht der vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 32 Abs 1 FPG sind Fremde verpflichtet, den Behörden und ihren Organen auf eine bei der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ergehende Aufforderung hin die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente auszuhändigen, an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthalts und der Ausreise mitzuwirken und sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organs an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind. Für EWR-Bürger und Schweizer Bürger gilt dies nur insoweit, als deren Identität und Staatsangehörigkeit nicht zweifelsfrei mit anderen Mitteln nachgewiesen werden kann.

 

Nach Abs 2 leg.cit sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1.                 das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2.                 die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

Wer gemäß § 121 Abs 2 Z 2 FPG sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs 2 FPG verwahrt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.

 

4.2. Im gegenständlichen Fall wird vom Beschwerdeführer selbst gar nicht in Abrede gestellt, dass er zum Tatzeitpunkt sein Reisedokument nicht mit sich führte. Er rechtfertigt sich in seiner Berufung damit, dass sein Reisedokument schnell beigebracht hätte werden können. Dabei nahm er auf sein Vorbringen im Verfahren erster Instanz Bezug. Sinngemäß hätte sein Dokument, das sich an seiner Wohnadresse in D, P, P , befunden habe, sehr schnell beigeschafft werden können.

 

Wie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ersichtlich ist, hat der Bw bereits in seinem als Widerspruch bezeichneten Einspruch vom 11. Oktober 2006 gegen die Strafverfügung vom 28.  September 2006 zu seiner Rechtfertigung angegeben, dass die dargelegte unverhältnismäßige Verzögerung betreffend die Einholung des Reisedokumentes nicht stattgefunden hätte, wenn die Beamten seinen Kollegen sofort das Dokument hätten einholen lassen. Außerdem sei das Dokument ohnehin eine dreiviertel Stunde später zur Verfügung gestanden.

 

Die Erstbehörde ist auf diese Rechtfertigungsangaben des Bw weder eingegangen, noch ist sie diesen Angaben entgegen getreten.

 

Die belangte Behörde hat die in der Rechtfertigung des Bw aufgeworfene Frage iSd § 32 Abs 2 FPG, ob der Fremde sein Reisedokument in einer solchen Entfernung verwahrt hatte, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen konnte, keinerlei Beachtung geschenkt und damit offenbar verkannt, dass nach § 32 Abs 2 iVm § 121 Abs 2 Z 2 FPG keine unbedingte Pflicht des Fremden besteht, sein Reisedokument mit sich zu führen.

 

4.3. Der Oö. Verwaltungssenat konnte durch die Einsichtnahme in einen im Wege des Internets allgemein zugänglichen Routenplaner von Herold (www.herold.at bzw http://map4.herold.at/herold/API/GetRoute?config_hbd) feststellen, dass die Fahrzeit vom Ort der Polizeikontrolle in 4780 Schärding, Innbruckstraße 8, bis nach P, P (Wohnadresse des Bw), rund Minuten für eine Strecke von km beträgt. Daraus ergibt sich eine Gesamtfahrtstrecke von ca. km und ein Zeitaufwand von insgesamt etwa Minuten für die Hin- und Rückfahrt.

 

Das Berufungsvorbringen des Bw, dass sein Ausweis (das Reisedokument) "sehr schnell" beigebracht hätte werden können und dieses letztlich auch nach einer dreiviertel Stunde vorgelegen sei, sind nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats somit nachvollziehbar und glaubhaft. Die "Verwahrung" des Reisedokumentes in einer Entfernung von km und der Zeitaufwand für die Einholung von etwa Minuten ist durchaus tolerierbar und liegt sogar noch deutlich unter dem vom Gesetzgeber im § 32 Abs 2 Z 2 FPG vorgesehenen Zeitrahmen von einer Stunde für die Annahme einer noch verhältnismäßigen Verzögerung.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer begangenen Verwaltungsübertretung nach dem § 32 Abs 2 iVm § 121 Abs 2 Z 2 FPG gemäß dem § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

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