Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400917/5/BMa/Se

Linz, 16.11.2007

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des V K, p.A. Polizeianhaltezentrum St. Pölten, vertreten durch Mag.a S M, W, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 30. Oktober 2007, Zl. Sich40-2756-2007, und Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

 

        I.      Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

      II.      Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) Aufwendung in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs.1 und 83 Abs.2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs.2 Z2 und Z4 FPG iVm § 80 Abs.5 FPG iVm § 57 AVG 1991 angeordnet.

 

1.2. Begründend wird im genannten Bescheid nach Darstellung der Rechtsgrundlagen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Wesentlichen ausgeführt, am 19. September 2007 um 19.50 Uhr habe der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) in der Erstaufnahmestelle West in St. Georgen im Attergau ein Asylbegehren eingebracht. Reisedokumente oder sonstige Identitätsnachweise habe er nicht zur Vorlage gebracht, seine Identität gelte als nicht gesichert. Nach seinen Angaben habe er sein Reisedokument vor geraumer Zeit in der Türkei verloren, deshalb könne er dieses in Österreich nicht vorlegen. Er sei mittellos und würde staatliche Unterstützung begehren.

Daraufhin sei ihm vorübergehend eine bundesbetreute Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West zugewiesen worden. Über einen anderen ordentlichen Wohnsitz würde der Bf im Bundesgebiet der Republik Österreich nicht verfügen.

In der niederschriftlichen Erstbefragung im Rahmen des Asylverfahrens am

19. September 2007 habe er angegeben, mit Ausnahme eines Bruders in der Schweiz keine Angehörigen in Europa zu haben. Seine sonstigen Familienangehörigen würden sich in der Türkei aufhalten. Er könne sich nicht an das Reisedatum oder die Reiseroute erinnern und sei schlepperunterstützt nach Österreich eingereist. Seinen Reisepass habe er 2003 in der Türkei verloren, er könne keine Dokumente vorlegen. Er wisse auch nicht, durch welche Länder er gereist sei. Um Asyl habe er erstmals in Österreich angesucht. Um ein Visum habe er für kein Land angesucht, er habe auch nie ein Visum erhalten. Er sei in anderen Ländern weder angehalten noch kontrolliert oder untergebracht worden.

Vom Bundesasylamt seien, weil an den Angaben gezweifelt worden sei, Ermittlungen in Ungarn, Bulgarien und Rumänien geführt worden. Diese hätten hervorgebracht, dass der Bf entgegen seinen Behauptungen ein Visum von Rumänien für die Einreise in die Europäische Union gehabt habe. Offensichtlich habe er sein Einreisevisum von Rumänien verschwiegen und falsche Angaben zu der Reiseroute, dem Verbleib seiner Dokumente, der Höhe der Schlepperkosten und dergleichen gemacht. Er habe die Behörden in die Irre geführt und bewusst falsche Angaben getätigt. Seine Aussage könne dahingehend aufgefasst werden, er habe lediglich Interesse daran, soziale Leistungen im Sozialstaat Österreich erschleichen zu wollen. Nachweislich habe er keinen internationalen Schutz unmittelbar nach seiner Einreise in die Europäische Union angesucht. Durch internationalen Fingerabdruckvergleich habe festgestellt werden können, dass er keinen Asylantrag in östlichen Mitgliedstaaten gestellt habe. Mehrere illegale Grenzübertritte innerhalb der Europäischen Union würden sich nicht mit Schutz vor Verfolgung rechtfertigen lassen.

Das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle, habe seit 27. Oktober 2007 Konsultationen mit Rumänien geführt. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag sei dem Bf vom Bundesasylamt gemäß § 29 Abs.3 Z4 Asylgesetz 2005 zur Kenntnis gebracht worden, dass der Mitgliedsstaat für die Prüfung der angegebenen Asylgründe zuständig sei. Gleichzeitig sei ihm bekannt gegeben worden, es sei am selben Tag ein Ausweisungsverfahren nach Rumänien über ihn eingeleitet worden. Die zitierte Mitteilung sei ihm am 30. Oktober 2007 nachweislich in seiner Heimatsprache ausgefolgt worden. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als zuständige Fremdenpolizeibehörde sei gemäß § 27 Abs.7 Asylgesetz 2005 vom Bundesasylamt in Kenntnis gesetzt worden, dass gegen den Bf ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz eingeleitet worden sei.

 

Der Bf sei nahezu mittellos und verfüge mit Ausnahme der zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich. In Anbetracht der Ermittlungsergebnisse, wonach er von Rumänien ein Visum als Lkw-Fahrer, gültig von 30. August 2007 bis 28. Februar 2008,  erhalten habe, am Grenzübergang Giurgiu-Rousse am 7. September 2007 nach Rumänien eingereist sei und am Grenzübergang Curtici dieses Land am Tag darauf verlassen habe, sei erwiesen, dass er bewusst falsche Angaben getätigt habe und sich ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet erschleichen habe wollen.

Daher könne davon ausgegangen werden, dass er unter keinen Umständen bereit sei, nach Rumänien auszureisen bzw. zum Abschluss des Verfahren sich zur Verfügung der Behörde zu halten, sondern sich einer drohenden Überstellung nach Rumänien entziehen werde.

 

Weil der Bf nicht in Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich sei, halte er sich unberechtigt im Bundesgebiet auf. Rumänien habe dem Bf ein Aufenthaltsrecht erteilt. Er habe aus beruflichen Zwecken – Lkw-Fahrer – eine Einreisebewilligung in Rumänien beantragt. Rumänien habe ihm Einreise und Aufenthalt gewährt, dies habe er bewusst verschleiert und verschwiegen. Die Frage, ob ihm jemals ein Visum erteilt worden sei, habe er negiert und angegeben, über keine Dokumente zu verfügen. Dabei habe er den in Rumänien vorgelegten Führerschein vollkommen verschwiegen.

 

Ein gelinderes Mittel habe unter Berücksichtigung des Sachverhalts und des vom Bf gezeigten Verhaltens nicht verhängt werden können. Es muss davon ausgegangen werden, dass er nun nach Bekanntwerden seiner Lügen und der Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach Rumänien in die Illegalität abtauchen und sich keineswegs zur Verfügung der Behörde zur Überstellung nach Rumänien halten werde.

 

Er verfüge über keine ausreichende Barmittel für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet und sei nicht in Besitz einer arbeitsmarkt- und aufenthaltsrechtlichen Bewilligung. Der Bf sei im Bundesgebiet der Republik Österreich völlig alleinstehend und halte sich erst seit 17. September 2007 in Österreich auf. Die Verhängung der Schubhaft sei im konkreten Fall auch verhältnismäßig. Die Schubhaft stehe zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis und sei im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten. Ein konkreter Sicherungsbedarf sei zu bejahen und die Schubhaft sei anstelle von gelinderen Mitteln zu verhängen gewesen.

 

2.1. Gegen die Verhängung der Schubhaft richtet sich die vorliegende Schubhaftbeschwerde vom 9. November 2007, die am 12. November 2007 beim Unabhängigen Verwaltungssenat einlangte.

 

Darin erhebt der Bf Einwendung gegen die Darstellung im bekämpften Bescheid dahingehend, dass er sowohl gegenüber der Asyl- als auch der Fremdenbehörde wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Reiseroute sowie zu seinen Fluchtgründen getätigt habe. Demnach sei der Bf schlepperunterstützt nach Österreich eingereist und besitze keine gültigen Reisedokumente, weil ihm sein Pass bereits im Jahr 2003 in der Türkei gestohlen worden sei. Er sei in keinem anderen Mitgliedstaat der EU gewesen und habe kein Visum eines solchen Landes erhalten. Insbesondere sei er niemals nach Rumänien eingereist und habe auch kein Visum für dieses Land erhalten. Der Bf habe in der Türkei keine Fahrprüfung abgelegt und besitze daher keinen Führerschein, daher habe er einen solchen auch nicht vorlegen können.

Zur Glaubhaftmachung seiner Angaben versuche der Bf derzeit, eine Bestätigung der Diebstahlsanzeige aus der Türkei zu erhalten. Aufgrund seiner Asylantragsstellung sei es für die Familie des Bf nicht einfach, sich an die Polizei zu wenden. Er selbst sei durch den Umstand der Anhaltung in Schubhaft in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt. Es sei nicht absehbar, wann eine Bestätigung tatsächlich vorgelegt werden könne. Daraus gehe hervor, dass die Befürchtung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, der Bf werde sich dem aufenthaltsbeendenden Verfahren sowie allfälligen daran anschließenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen, falls er sich auf freiem Fuß befinde, nicht auf das Ergebnis der bisherigen Erhebungen gestützt werden könne. Asylwerber hätten Anspruch auf Grundversorgung, so wäre für den Unterhalt des Bf gesorgt. Der Bf habe einen Asylantrag gestellt und werde daher nicht "untertauchen" oder illegal in ein anders EU-Land einreisen.

Der Bf habe bereits im Rahmen seiner asylrechtlichen Ersteinvernahme angeführt psychisch angeschlagen zu sein, die psychische Situation habe sich seit seiner Inschubhaftnahme massiv verschlechtert.

Die weitere Anhaltung stelle einen großen Eingriff in sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Freizügigkeit dar und die Folgen einer längeren Haft würden für ihn ungleich größere Nachteile mit sich bringen, als die Anwendung gelinderer Mittel im Rahmen seines Asylverfahrens in Österreich. Aus dem Bescheid der belangten Behörde sei nicht ersichtlich, warum mit der Verhängung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden könne. Es würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Bf einem Ausweisungsverfahren entziehen werde. Entgegen der Feststellung der belangten Behörde sei der Bf nicht in Rumänien eingereist, auch die daraus gezogene Schlussfolgerung, er habe nicht im ersten Mitgliedsland der EU einen Antrag auf Asyl gestellt, entspreche nicht den Tatsachen.

Die Behörde habe überhaupt nicht dargelegt, welche Gründe ihre Annahme rechtfertigen würden, der Zweck der Schubhaft könne nicht anderweitig, etwa durch Unterbringung des Bf bei der Erstaufnahmestelle, bei einer karitativen Organisation oder in einem Privatquartier, allenfalls unter Festsetzung von Auflagen, erreicht werden.

Der Zweck der Schubhaft könne daher durch gelindere Mittel erreicht werden. Dies wäre möglich und ausreichend.

 

Es wurden daher die Anträge gestellt, den Schubhaftbescheid und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären und die Verfahrenskosten zu ersetzen.

 

2.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Akt mittels Fax übermittelt und in ihrem Vorlageschreiben die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

 

Im Vorlageschreiben wurde der im bekämpften Bescheid angeführte Sachverhalt teilweise nochmals dargelegt  und ergänzend angeführt, es sei unglaubwürdig, dass das Reisedokument des Bf 2003 gestohlen worden sei. So hätte der Dieb oder Erwerber des Reisedokuments – mit gleichem Aussehen – vier Jahre später ein Visum als Lkw-Fahrer für Rumänien beantragt und sei mit seinem gestohlenen Reisedokument vom 7.September 2007 bis 8. September 2007 durch Rumänien gereist. Es sei unglaubwürdig, dass der Bf gleichzeitig mit dem Dieb seines Reisedokuments illegal und schlepperunterstützt nach Österreich gereist sei. Darüber hinaus habe der Bf in der Erstbefragung angeführt, er habe sein Reisedokument 2003 in seinem Heimatland verloren. Nunmehr würde er in seiner Beschwerde angeben, der Reisepass sei ihm 2003 gestohlen worden.

Würde man dem Vorbringen des Bf Glauben schenken, müsste ein Landsmann von ihm vier Jahre nach dem Verlust des Dokuments zeitgleich unter der Identität des Bf mit rumänischem Visum über Bulgarien – Rumänien in die EU eingereist sein, die EU Außengrenze und weiters mit dem Dokument die rumänisch – ungarische Grenze Richtung Österreich zeitgleich passiert haben. Dazu käme noch, dass der "Unbekannte" zweifelsfrei ein identes optisches Aussehen mit dem Bf gehabt haben müsste. Es wäre ansonsten eine Visumantragstellung sowie ein Passieren der EU-Außengrenzen und ein Passieren der ungarischen Grenze nicht möglich gewesen.

 

Daraus ergebe sich, dass der Bf nach wie vor Unwahrheiten vorbringe. Zu den gesundheitlichen Angaben dürfe die Bezirkshauptmannschaft keine Stellung beziehen. Es sei aber keine Verständigung oder Mitteilung durch den Polizeiarzt  wegen einer aus medizinischer Sicht bedenklichen oder unmöglichen Aufrechterhaltung der Schubhaft eingegangen.

 

Abschließend wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck.

Aus dem übermittelten Akt, insbesondere der Mitteilung des "Ministry of the interior and administrative Reforms", Romanian Immigration Office, Directorate for Asylum and Integration vom 19. Oktober 2007 ergibt sich folgende Mitteilung:

 

"Dear colleagues,

We would like to inform you that after all checks have been done, we found out the person mentioned above was issued a Romanian visa valid from 30.08.2007 until 28.02.2008 and that he entered Romania through G-R B P on 07.09.2007. He left Romania on 08.09.2007 through C B P.

 

The G-R B P is situated at the South border with Bulgaria and C B P is situated on the border with Hungary. This person was granted a Romanian visa because he is truck driver. For this reasons we think that he might be in possession of visa issued by another Member state."

 

Daraus geht hervor, dass in den strittigen Sachverhaltselementen hinsichtlich der Einreise des Bf nach Österreich und dem Nichtvorlegen der Dokumente den Angaben der Fremdenpolizeibehörde zu folgen ist. Das diesbezügliche entgegenstehende Vorbringen des Bf wurde nicht belegt und widerspricht den nachvollziehbaren Erhebungsergebnissen der belangten Behörde. Daher ist sie als Schutzbehauptung zu werten.

 

 

 

Aus einer Mitteilung des Bundesasylamts gemäß § 29 Abs.3 Asylsgesetz vom

27. Oktober 2007 ergibt sich, dass der Asylwerber über die beabsichtigte Zurückweisung seines Antrags auf internationalen Schutz, weil Dublin-Konsultationen mit Rumänien seit 27. Oktober 2007 geführt werden, informiert wurde.

 

4. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

  1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs.1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs.4 FPG).

 

Der Bf wurde am 30. Oktober 2007 in Schubhaft genommen und seitdem angehalten. Seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft ist damit zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs.2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.      gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.      gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.      gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.      auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

4.3. Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass es sich beim Bf im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides um einen Asylwerber im Sinne des § 76 Abs.2 FPG gehandelt hat. Sein Asylverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, sodass er auch zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses als Asylwerber einzustufen ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 Asylgesetz 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn

1.      im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs.3 Z4 oder 5 erfolgt und

2.      das Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat einzustellen (§ 24 Abs.2) war und die Entscheidung des Bundesasylamts in diesem Verfahren mit einer Ausweisung (§ 10) verbunden war.

 

Wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, wurde dem Bf am 27. Oktober 2007 gemäß

§ 29 Abs.3 Asylgesetz mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin-Konsultationen mit Rumänien seit diesem Tag geführt würden, weshalb im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides das Ausweisungsverfahren als eingeleitet anzusehen gewesen war.

Es lagen also die Voraussetzungen gemäß § 76 Abs.2 Z2 vor.

 

4.4. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs.2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs.2 FPG entziehen werde.

Wie die belangte Behörde zutreffend im bekämpften Bescheid ausgeführt hat, hat der Bf durch Angabe falscher Tatsachen über seine Einreise, seinen Beruf und über den Verbleib von Identitätsdokumenten bewiesen, dass er sehr wohl bereit ist, sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen – im gegenständlichen Fall der Abschiebung nach Rumänien – durch Untertauchen in die Illegalität zu entziehen. Es kommt ihm offenbar darauf an, in einem wirtschaftlich attraktiven Staat der Europäischen Union zu leben, was allein schon daraus ersichtlich ist, dass er als Lkw-Fahrer bereits in mehreren Staaten der Europäischen Union aufhältig war, dort aber nicht um Asyl angesucht hat, sondern erst in Österreich unter Angabe falscher Tatsachen. Nachdem dem Bf bekannt ist, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil Dublin-Konsultationen mit Rumänien geführt werden, kann entgegen den Ausführungen in der Beschwerde angenommen werden, dass der Bf in die Illegalität abtauchen wird.

 

4.5. Gemäß § 77 Abs.1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs.2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs.5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Die belangte Behörde ist im konkreten Fall zu Recht davon ausgegangen, dass gelindere Mittel nicht in Betracht zu ziehen sind. So ist der Beschwerdeführer in Österreich weder beruflich noch sozial integriert, verfügt hier über keinen Wohnsitz  oder über Barmittel zur Bestreitung seines Unterhalts. Deshalb ist zu befürchten, er werde sich durch Abtauchen in die Anonymität dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren, insbesondere seiner Abschiebung aus Österreich, entziehen.

Aus dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, dem Beseitigen seiner Identitätsdokumente und der Angabe, er sei durch Schlepper nach Österreich gelangt, er könne über die Reiseroute und die Reisedauer keine Auskunft geben, während er als Lkw-Fahrer mit Reisepass und Visum versehen Grenzen passiert hatte, ist ersichtlich, dass es dem Bf gerade darauf ankommt, in einem wirtschaftlich attraktiven Staat zu verbleiben. Nachdem ihm bekannt gegeben wurde, sein Antrag auf internationalen Schutz werde nicht in seinem Sinn erledigt, ist deshalb auch die Annahme weiterhin gerechtfertigt, er werde sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen.

 

4.6. Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die Schubhaft auch verhältnismäßig ist, denn dem Recht des Bf auf persönliche Freiheit steht das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um diese zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf persönliche Freiheit notwendig.

 

Die Anführung von (behaupteten) gesundheitlichen, insbesondere psychischen Problemen des Bf vermag an der Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nichts zu ändern.

 

Eine Erkrankung des Bf ist im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeitsprüfung der Verhängung der Schubhaft gemäß § 76 Abs.2 FPG nicht zu prüfen, sondern allenfalls geeignet, im Rahmen der Prüfung der Haftfähigkeit im PAZ St. Pölten berücksichtigt zu werden.

 

4.7. Gemäß § 80 Abs.1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf gemäß Abs.2 leg.cit solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für die Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf, außer in den Fällen der Abs.3 und 4, insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

Gemäß Abs.5 des § 80 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs.2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es liege auch ein Fall des Abs.4 Z1 bis 3 vor.

 

Im konkreten Fall wurde die Schubhaft am 30. Oktober 2007 gemäß § 76 Abs.2 FPG verhängt. Das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung wurden noch nicht abgeschlossen. Die Anhaltung des Bf erfolgt innerhalb des (zeitlichen) Rahmen des § 80 FPG.

 

Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Ziel der Schubhaft nicht mehr realisierbar ist, daher ist deren weitere Aufrechterhaltung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zulässig.

 

4.8. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs.2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs.3 AVG).

 

Beim vorliegenden Verfahrensergebnis war dem Bund als dem zuständigen Rechtsträger auf Antrag der belangten Behörde der Vorlage- und Schriftsatzaufwand (51,50 und 220,30 Euro) nach den Pauschbeträgen der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) und damit ein Verfahrensaufwand in der Höhe von insgesamt 271,80 Euro zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 16,80 Euro (zur Vergebührung der Eingabe und der Vollmacht als Beilage) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 09.11.2010, Zl.: 2007/21/0524-5

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