Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400921/2/SR/Ri

Linz, 13.12.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider von Amts wegen über die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des A E, geb. am in Casablanca, Staatsangehöriger von Marokko, in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

Es wird festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft auch über die Dauer von sechs Monaten hinaus vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt dieser Entscheidung verhältnismäßig ist.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 80 Abs. 6 Fremdenpolizeigesetz – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 1. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende relevante S a c h v e r h a l t :

 

1.1. Mit dem unbekämpft gebliebenen Bescheid vom 12. Juni 2007, AZ.: Sich40-1903-2007, hat der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 2 Z. 2 iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 iVm § 80 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 99/2006) gegen den undokumentierten Fremden, der laut eigenen Angaben A E heißt, am in Casablanca geboren und Staatsangehöriger von Marokko (im Folgenden: Fremde) ist, die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer (durchführbaren) Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Seit 12. Juni 2007 wird der Fremde in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Wels zur Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck angehalten.  

 

Die zuständige Fremdenbehörde sah die Identität des Fremden als nicht gesichert an.

 

1.2. Der Fremde stellte unter den oben angeführten Personalien am 28. März 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Entsprechende Dokumente zum Nachweis seiner Identität hat er nicht vorgelegt. Im Rahmen des Schengener Informationssystems konnte durch Vergleich der Fingerabdrucke ermittelt werden, dass die zuständigen italienischen Behörden gegen den Fremden einen Ausweisungsbescheid wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthaltes in Italien und am 11. November 2005 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen haben.  

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, EAST-West, vom 16. Mai 2007, Zl. AZ.:  07 03.090, wurde der Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko nicht zuerkannt wird. Gleichzeitig wurde der Fremde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen. 

 

Am 11. Juni 2006 erstattete die Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau Strafanzeige gegen den Fremden wegen des Verdachtes des Raufhandels, verbunden mit mehrfacher absichtlicher schwerer Körperverletzung.

 

Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 27. August 2007, Zl. 25 Hv 80/2007 T, rechtskräftig seit dem 31. August 2007, wurde der Fremde nach den §§ 91 Abs. 2 und 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Wochen bedingt auf drei Jahre verurteilt.  

 

1.3. Im Schubhaftbescheid argumentierte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, dass Fluchtgefahr bestünde. Der Fremde habe mehrmals Grenzen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union illegal überschritten, Angaben über den Fluchtweg teilweise verweigert, widersprüchliche Aussagen dazu getätigt und Widersprüche durch geändertes Vorbringen zu beseitigen gesucht. Ein Verstoß gegen das schengenweit geltende Aufenthaltsverbot liege nach Ansicht des Fremden nicht vor, da dieses wieder aufgehoben worden wäre. Eine Rückkehr nach Marokko käme für den Fremden nicht in Betracht. Er wolle in Europa Geld verdienen und damit seine Familie unterstützen. Die Ausreise aus Italien habe der Fremde laut eigenen Angaben freiwillig Ende 2005 vorgenommen. Bei der neuerlichen Ausreise aus Marokko habe er seine Dokumente (Heimreisezertifikat, ausgestellt von der marokkanischen Botschaft in Mailand; Personalausweis und Führerschein) im Heimatstaat zurückgelassen.    

 

Der mittellose Fremde habe keine Bezugspersonen und keine Beschäftigung in Österreich und sei nach den gegebenen Umständen an keine Örtlichkeiten gebunden. Er habe infolge mehrerer illegaler Grenzübertritte im Bereich der Mitgliedstaaten der EU sowie infolge eines langfristigen illegalen Aufenthaltes in Italien zu erkennen gegeben, dass er in keiner Weise gewillt ist, die Rechtsordnungen der Gastländer zu respektieren. Seine bisherige Vorgangsweise (illegale Einreise ohne Nationalreisedokument,  illegale Einreise trotz bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes  im Gebiet der Schengener Staaten; bewusstes Zurücklassen von Identitätsdokumenten im Herkunftsland, langfristiger illegaler Aufenthalt im EU-Raum, fehlende Rückkehrbereitschaft) zeige auf, dass er nicht gewillt sei, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren und es naheliegend sei, dass er sich den fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen versuchen werde und auch weiterhin nach seinem Belieben sich in der Illegalität aufhalten bzw. illegal Staatgrenzen überschreiten werde. 

 

1.4. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 19. Juni 2007, Zl. 312.10-1/4E-XVII/55/07, wurde die Berufung gegen den unter Punkt 1.2. angeführten Bescheid abgewiesen.  

 

2.1. Mit Schreiben vom 20. Juni 2007 wandte sich die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Ersuchen um Übermittlung eines Fingerabdruckblattes an das Bundesministerium für Inneres (BMI), Bundeskriminalamt.

 

2.2. Am 21. Juni 2007 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die BPD Wels um Rechtshilfe. Einleitend teilte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck der BPD Wels mit, dass ein Identitätsprüfungsverfahren zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates geplant sei und bei der Befragung des Fremden besonders auf seine bisherige Verantwortung und sein bisheriges Vorbringen (Einreise, Aufenthalt in Italien, zurückgelassene Dokumente) Bedacht genommen werden möge. 

 

Der Fremde wurde am 28. Juni 2007 im PAZ Wels von der Bundespolizeidirektion Wels im Rechtshilfeweg niederschriftlich befragt, der übermittelte Fragebogen ausgefüllt und ein Fingerabdruckblatt hergestellt. Im Zuge der Einvernahme hat der Fremde angegeben, dass er weder im Besitz eines gültigen Reisedokumentes noch irgend eines anderen Dokumentes sei, aus welchem seine Identität zulässig festgestellt werde könne. Das in Italien ausgestellte Heimreisezertifikat, mit dem er nach Marokko ausgereist sei, habe er verloren. Die von der marokkanischen Botschaft in Mailand ausgestellte Bestätigung der Staatsbürgerschaft habe er ebenso wie seinen Personalausweis und Führerschein verloren.   

 

2.3. Mit Schreiben vom 28. Juni 2007 wandte sich die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit einem Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft des Königreiches Marokko  und unter Anschluss von Fotos, Personaldaten- und Fingerabdruckblatt sowie der zuletzt aufgenommenen Niederschrift an das Bundesministerium für Inneres (BMI), Abteilung II/3.

 

2.4. Laut Meldungen des PAZ Wels befand sich der Fremde vom 13. Juli 2007, 08.00 Uhr bis zum 15. Juli 2007, 11.00 Uhr in Hungerstreik.

 

2.5. Mit E-Mail vom 25. September 2007 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das BMI, Abteilung II/3,  unter Hinweis auf die über drei Monate andauernde Schubhaft des Fremden um Auskunft des aktuellen Verfahrensstandes bei der Betreibung des Heimreisezertifikates. Für den Fall, dass eine Vorführung zum Zwecke der Identitätsprüfung erforderlich sein sollte, wurde um zeitgerechte Terminbekanntgabe ersucht.   

 

2.6. Am 28. September 2007 wurde dem Fremden gemäß § 80 Abs. 2 und 4 FPG niederschriftlich zur Kenntnis gebracht, dass die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach Einlangung der erforderlichen Ein- bzw. Durchreisebewilligung, insgesamt jedoch nicht länger als 6 Monate aufrecht erhalten werden kann. Da das Heimreisezertifikat bei der Bezirkshauptmannschaft noch nicht eingelangt sei, werde die Schubhaft bis zur möglichen Abschiebung, jedoch mit einer Gesamtdauer von maximal 6 Monaten, verlängert.

 

2.7. Mit E-Mail vom 13. November 2007 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das BMI, Abteilung II/3 unter Hinweis auf die über fünf Monate andauernde Schubhaft des Fremden um Auskunft des aktuellen Verfahrensstandes bei der Betreibung des Heimreisezertifikates und um ehest mögliche Rückmeldung. Für den Fall, dass eine Vorführung zum Zwecke der Identitätsprüfung erforderlich sein sollte, wurde um zeitgerechte Terminbekanntgabe ersucht.   

 

Mit E-Mail vom 5. Dezember 2007, versehen mit dem Vermerk "SEHR DRINGEND !!!"  ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das BMI, Abteilung II/3,  unter Hinweis auf das fernmündliche Gespräch vom 3. Dezember 2007 (Gesprächsergebnis: Zusicherung der unverzüglichen Kontaktaufnahme mit der Botschaft von Marokko zwecks Abklärung des Verfahrensstandes im Identitätsprüfungsverfahren) um Bekanntgabe des Standes des Identitätsprüfungsverfahrens, damit die Zweckmäßigkeit einer weiteren Anhaltung fundiert beurteilt werden könne.

 

Mit Antwortmail vom 6. Dezember 2007 berichtete die zuständige Beamtin des BMI, dass die marokkanische Botschaft mitgeteilt habe, dass sich die Unterlagen derzeit in Rabat zur Prüfung der Identität des Genannten befinden und noch keine Erkenntnisse vorliegen würden. Derzeit könne nicht gesagt werden, wann und ob überhaupt ein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne. Ein Interview sei derzeit bei der Botschaft nicht erforderlich. Sobald eine Mitteilung von der Botschaft einlange, werde die anfragende Behörde umgehend verständigt.   

 

2.8. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat am 6. Dezember 2007 um 18.58 Uhr auf elektronischem Weg die wesentlichen Aktenteile dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vorgelegt.

 

Im Vorlageschreiben vom 6. Dezember 2007 stellt die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck umfassend den Verfahrensablauf seit der Schubhaftverhängung dar und weist erschließbar darauf hin, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates intensiv betrieben wird. Über Ersuchen der marokkanischen Botschaft würden derzeit die Angaben des Fremden in Rabat einer Prüfung unterzogen. Nach positivem Abschluss des Identitätsfeststellungsverfahrens beabsichtige die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den Fremden in Vollstreckung der vorliegenden rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung umgehend nach Marokko abzuschieben. Festzuhalten sei, dass der Fremde im Rahmen des Asylverfahrens ausgeführt habe, über ein Heimreisezertifikat, einen Personalausweis und einen Führerschein zu verfügen, diese jedoch in Marokko zurückgelassen habe. Dennoch habe der Fremde in keiner Art und Weise ein Interesse bekundet an der Wahrheitsfindung zur Feststellung seiner Identität beizutragen. Nachdem unverändert die Gefahr bestehe, dass sich der Fremde einem weiteren Zugriff der Fremdenpolizeibehörden entziehen werde, um eine Abschiebung in sein Heimatland Marokko zu vereiteln, der Fremde bislang keinen aktiven Beitrag zur Feststellung seiner Identität bzw zumindest einen Beitrag zur Erleichterung der Feststellung seiner Identität geleistet habe, liege nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft die Verhältnismäßigkeit und absolute Notwendigkeit einer weiteren Anhaltung im Stande der Schubhaft vor.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorgelegten Akten und dabei einen vollständig geklärten Sachverhalt vorgefunden, der in den für die gegenständliche Haftprüfung relevanten Umständen auch unstrittig erscheint.

 

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 80 Abs 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. 99/2006) ist, wenn der Fremde länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden soll, die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das sechste Monat überschritten wurde, und danach alle acht Wochen vom örtlich zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen zu überprüfen. Die Behörde hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Der unabhängige Verwaltungssenat hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

 

Im Prüfungsverfahren von Amts wegen hat der Unabhängige Verwaltungssenat zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu überprüfen, ob die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

 

4.2. Nach § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert und gemäß § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer den Fällen der Abs 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

 

§ 80 Abs 4 und 5 FPG lauten:

 

"(4) Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,

1.      weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder

2.      weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder

3.      weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt,

 

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als zehn Monate in Schubhaft angehalten werden. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in zwei Jahren, aber nicht länger als zehn Monate in zwei Jahren aufrechterhalten werden.

 

(5) In Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, kann diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt."

 

4.3. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 Z 3 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gegen ihn vor Stellung des Asylantrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist.

 

Gemäß § 76 Abs 6 FPG kann die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

4.4. Die Fremdenpolizeibehörde konnte gegen den eingangs genannten Fremden mit Bescheid vom 12. Juni 2007 die Schubhaft auf der Grundlage gemäß § 76 Abs. 2 Z.2 FPG anordnen, weil gegen ihn ein Ausweisungsverfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 eingeleitet worden war. Weder zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung, der Anhaltung in Schubhaft noch während des Asylverfahrens konnte die Identität des Fremden geklärt werden. Auch der Hinweis des Fremden, dass er sich mehr als ein Jahr in Italien illegal aufgehalten und erkennungsdienstlich behandelt worden ist, konnte zu einer Klärung seiner Identität beitragen. Ebenso wenig schien sein Vorbringen (Reisebewegung, freiwillige Rückkehr nach Marokko) glaubwürdig und nachvollziehbar. Aus dem Vorbringen und Verhalten des Fremden schloss die Fremdenpolizeibehörde zu Recht auf ein bestehendes Sicherungsbedürfnis. 

 

Das Asylverfahren ist für den Fremden negativ ausgegangen. Mit Bescheid des UBAS vom 19. Juni 2007, Zl. 312.170-1/4E-XVII/55/07, wurde die Berufung abgewiesen und der negative Asylbescheid des Bundesasylamtes vom 16. Mai 2007, Zl. 07 03.090, verbunden mit einer Ausweisung nach Marokko bestätigt.

 

Gemäß § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ist Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz (= Asylantrag) bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens. Ab der rechtskräftigen Abweisung des Asylbegehrens durch die Berufungsentscheidung des UBAS ist der gegenständliche Schubhäftling kein Asylwerber mehr. Es kommt ihm auch nicht mehr der Status des Asylberechtigten iSd § 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005 zu. Das (vorläufige) Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet nach § 13 AsylG 2005 für zugelassene Asylwerber gilt unter Anderem nur bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung. Der Fremde hält sich demnach jedenfalls auch seit 20. Juni 2007 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

Die Schubhaft gründet seit dem Verlust der Asylwerbereigenschaft des Fremden auf der Grundnorm des § 76 Abs 1 FPG und dient infolge der durchsetzbaren asylrechtlichen Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 zur Sicherung der Abschiebung.

 

4.5. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats kann die sechs Monate überschreitende Dauer der Schubhaft nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Die Nichtvornahme der Abschiebung ist im Sinne des § 80 Abs 4 FPG dem Fremden zuzurechnen, weshalb die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb von zwei Jahren insgesamt zehn Monate dauern darf.

 

Der Fremde ist zwar bereits in Italien mit den von ihm angeführten Personaldaten aufgetreten, hat aber offenbar ganz bewusst keine Identitätsurkunden (Personalausweis, Führerschein, Heimreisezertifikat, Bestätigung der Staatsbürgerschaft hat er zu Hause gelassen) mit sich geführt, um den fremdenbehördlichen Zugriff zu erschweren und eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu verhindern. Ob er aufgrund des gegen ihn von Italien verhängten Aufenthaltsverbotes freiwillig nach Marokko ausgereist ist und ihm folgende Dokumente (Heimreisezertifikat, Staatsbürgerschaftsnachweis) tatsächlich ausgehändigt worden sind, konnte von der Fremdenpolizeibehörde nicht geklärt werden. Abgesehen von Ausschreibung im SI (Trefferfall) teilte die zuständige italienische Behörde Anfang Mai 2007 mit, dass keine Daten über den Fremden vorhanden seien. Nachdem der Fremde mehrmals seine Aussagen geändert hatte, behauptete er letztendlich, dass er die aufgezählten Dokumente verloren habe und über kein einziges Dokument zur Klärung seiner Identität verfüge. Das ständig geänderte Vorbringen (ursprünglich wollte der Fremde die Dokumente noch von seinen Verwandten nach Österreich faxen lassen und nunmehr sind alle Dokumente schon als verloren gegangen anzusehen) lässt nur den Schluss zu, dass der Fremde eine Identitätsfeststellung seiner Person verhindern möchte, um eine Abschiebung nach Marokko hintanhalten zu können. Nur so ist auch nachvollziehbar, dass das seit mehr als fünf Monaten intensiv betriebene Identitätsfeststellungsverfahren nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann und die über die marokkanische Botschaft angeregte Prüfung derzeit noch in Rabat läuft. Erkennbar ist auch, dass der Fremde durch seine Vorgangsweise versucht hat, sich rechtswidrige Aufenthalte zu erschleichen, wobei er offenbar auch schon jahrelang nicht nach Marokko abgeschoben werden konnte. Auch das auf Grund des Asylantrags vom 28. März 2007 durchgeführte Asylverfahren mit inhaltlicher Prüfung hat gezeigt, dass der Fremde die angebliche Verfolgung in seinem Heimatstaat nur sehr vage und ohne konkrete Aussage schildern konnte, offenbar unwahre und widersprüchliche Angaben machte und im Wesentlichen nur auf die schlechte wirtschaftliche Situation abgestellt hat.

 

Es muss nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates davon ausgegangen werden, dass der Schubhäftling trotz Fehlens einer asylrelevanten Verfolgungssituation missbräuchlich einen Asylantrag gestellt hat, um den Aufenthaltsstatus eines Asylwerbers zu erhalten, Zeit zu gewinnen und damit eine rasche Ab- oder Zurückschiebung verhindern zu können.  

 

Die Fremdenpolizeibehörde hat nachvollziehbar dargelegt, dass nach wie vor Grund für die Anhaltung des Fremden in Schubhaft besteht, zumal nunmehr die Ausstellung eines Heimreisezertifikates intensiv betrieben wird und voraussichtlich auch in absehbarer Zeit mit einer Erledigung durch die Botschaft des Königreiches Marokko zu rechnen ist (vgl E-Mail des BMI, Abt. II/3, vom 6. Dezember 2007). Der Oö. Verwaltungssenat kann keine aktenkundigen Anhaltspunkte erkennen, wonach es auf Grund von fremdenpolizeilicher Versäumnisse zu unangebrachten Verzögerungen gekommen wäre. Der Fremdenpolizeibehörde ist auch beizupflichten, dass der gegenständliche Schubhäftling durch sein bisheriges Gesamtverhalten hinreichend dokumentiert hat, dass Staatsgrenzen für ihn kaum ein Hindernis darstellen und er sich offenbar grundsätzlich um Einreise- und Aufenthaltsvorschriften nicht zu kümmern braucht. Er ist überdies völlig mittellos und nicht in der Lage seinen Aufenthalt zu legalisieren. Im Falle seiner Freilassung ist mit geradezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er abermals in die Illegalität abtauchen und sich dem Zugriff der Fremdenpolizei entziehen wird. Eine kürzere Anhaltung in Schubhaft hat der Fremde auch dadurch verhindert, dass er an der Identitätsfeststellung seiner Person nicht im erforderlichen Ausmaß mitgewirkt und so die vorzeitige Abschiebung nach Marokko verhindert hat.    

 

5. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass gemäß § 80 Abs 4 FPG die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Die weitere Anhaltung für einige Wochen bis zum Einlangen eines Heimreisezertifikates der Botschaft des Königreiches Marokko ist auch verhältnismäßig und der dem unkooperativen Verhalten des Fremden entsprechenden Verfahrenslage angemessen. Der Eingriff in das Recht des Fremden auf persönliche Freiheit ist auch weiterhin im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig.

 

Zum Entscheidungszeitpunkt ist die Aufrechterhaltung der Schubhaft daher als verhältnismäßig festzustellen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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