Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162669/2/Zo/Jo

Linz, 18.12.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn J F, vom 05.11.2007, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 19.10.2007, VerkR96-2613-1-2007, wegen Übertretungen des GGBG zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                   Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der J F GmbH, L, B, als Beförderer des gefährlichen Gutes UN 1202 Dieselkraftstoff, Klasse 2, VG III, 5 Blechkanister á 20 Liter sowie 5 Blechkanister á 20 Liter ungereinigt leer, zu verantworten habe, dass das gefährliche Gut am 31.05.2007 um 06.15 Uhr in Leopoldschlag auf der B 310 bei Strkm. 55,270 in Fahrtrichtung Freistadt mit dem LKW FR-, gelenkt von Herrn K P, befördert wurde und er es als Beförderer unterlassen habe, im Rahmen des § 7 Abs.1 GGBG (Sicherheitsvorsorgepflicht) sich

1)     durch Sichtprüfung zu vergewissern, dass die Ladung keine dem ADR widersprechenden offensichtlichen Mängel aufweist, weil an den Versandstücken die UN-Nummer und die dieser Nummer vorangestellten Buchstaben "UN" nicht angebracht waren (Unterabschnitt 5.2.1.1 und Abs. 1.4.2.2.1 lit.c ADR)

2)     durch Sichtprüfung zu vergewissern, dass die Ladung keine dem ADR widersprechenden offensichtlichen Mängel aufweist, weil an den Versandstücken nicht die in Kapitel 3.2 Tabelle A Spalte 5 angegebenen Gefahrenzettel nach Muster 3 angebracht waren (Abs. 5.2.2.1.1 und Abs. 1.4.2.2.1 lit.c ADR),

3)     nicht vergewissert habe, dass die vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt wurden, weil kein Beförderungspapier mitgeführt wurde (Abschnitt 5.4.1 und Abs. 1.4.2.2.1 lit.b ADR).

 

Der Berufungswerber habe dadurch zu 1) und 2) jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 13 Abs.1a Z3 GGBG sowie zu 3) eine solche nach § 7 Abs.1 und 2 iVm § 13 Abs.1a Z2 GGBG begangen. Es wurden deshalb zu 1) eine Geldstrafe von 110 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Stunden) gemäß § 27 Abs. 2 Z8 lit.b GGBG sowie zu 2) und 3) jeweils eine Strafe von 750 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 15 Stunden) gemäß § 27 Abs.2 Z8 lit.a GGBG verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 161 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber geltend, dass der gegenständliche Transport unter die sogenannte "Handwerkerbefreiung" nach Unterabschnitt 1.1.3.1 lit.c ADR falle. Die Behörde gehe davon aus, dass die Handwerkerbefreiung nur beim Transport vom Unternehmen zur Baustelle oder von der Baustelle zurück zum Unternehmen anwendbar sei. Weiters müsse der Handwerker das Handwerkszeug mitführen und im gegenständlichen Fall sei die Handwerkerbefreiung deshalb nicht anzuwenden, weil der Lenker nicht vom Sitz des Unternehmens direkt zur Baustelle gefahren sei. Diese Ansicht der Behörde sei aber falsch.

 

Bei der Handwerkerbefreiung nach Unterabschnitt 1.1.3.1 lit.c ADR sei es keinesfalls erforderlich, dass das "Handwerkszeug" für dessen Betrieb das Gefahrgut bestimmt ist mitgeführt werde. Eine derartige Einschränkung ergebe sich weder aus dem Gesetzestext noch aus dem Gefahrgutvollzugserlass des Verkehrsministeriums. Es sei keineswegs erforderlich, dass der Handwerker nach Beendigung seiner Tagesarbeitszeit jeweils das Arbeitsgerät mit zurück zum Unternehmen oder nach Hause nehme, um bei der nächsten Fahrt zur Baustelle das "Handwerkerprivileg" in Anspruch nehmen zu können.

 

Im gegenständlichen Fall habe der Baggerfahrer selbst das Betriebsmittel für sein Arbeitsgerät, nämlich Dieselkraftstoff zum Arbeitplatz mitgebracht. Die Überstellung des Baggers von einer Baustelle zur anderen erfolge von einem Arbeitnehmer, welcher den Bagger tatsächlich nicht selber bediene. Der damalige Lenker benötige jedoch als Baggerfahrer den Dieselkraftstoff zum Betrieb des von ihm benutzten "Handwerkszeuges".

 

Die Bestimmung des ADR sehe auch keine örtliche Einschränkung dahingehend vor, dass die Handwerkerbefreiung nur auf einen Transport vom Unternehmen zur Baustelle bzw. zurück anzuwenden sei. Der Baggerfahrer habe die Erlaubnis gehabt, mit seinem Firmenfahrzeug von seinem Wohnsitz direkt zur Baustelle bzw. von der Baustelle wieder direkt zu seinem Wohnsitz zu fahren. Dies sei einfach kostengünstiger und auch aus umweltpolitischen Überlegungen sinnvoll, habe aber keinen Einfluss darauf, dass er bei der gegenständlichen Fahrt das "Handwerkerprivileg" für sich in Anspruch nehmen konnte.

 

In der Entscheidung des VwGH vom 20.07.2004, Zl. 2002/03/0214 habe der Verwaltungsgerichtshof die "Handwerkerbefreiung" deshalb ausgeschlossen, weil im dortigen Fall der Lenker mit einem Aufsetztank zu den einzelnen Baustellen gefahren war und dort die Arbeitsgeräte, wie z.B. Bagger, betankt hatte. Dieser Lenker habe also die Arbeitsgeräte nicht selber bedient, weshalb es sich in diesem Fall um eine reine Versorgungsfahrt gehandelt habe, für welche eben das "Handwerkerprivileg" nicht anzuwenden sei. Sein Fall sei aber anders, weil der Dieselkraftstoff tatsächlich vom Baggerfahrer selber befördert wurde.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Zur Vorfallszeit lenkte Herr K Pr den LKW mit dem Kennzeichen FR- auf der B 310. Bei einer Kontrolle bei der Grenzpolizeiinspektion Wullowitz wurde festgestellt, dass er im LKW 5 20-Liter-Kanister mit Dieselkraftstoff sowie 5 weitere ungereinigte leere Kanister mit sich führte. Auf diesen Kanistern waren keine UN-Nummern sowie keine Gefahrenzettel angebracht und der Lenker führte kein Beförderungspapier mit sich. Bereits bei der Amtshandlung rechtfertigte sich der Lenker dahingehend, dass der Diesel für den Bagger, mit welchem er auf der Baustelle fahre, bestimmt sei. Der Berufungswerber rechtfertigte sich dahingehend, dass er sich bei der Wirtschaftskammer erkundigt habe und ihm dort gesagt worden sei, dass er die Transporte so durchführen dürfe.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Entscheidend ist im gegenständlichen Fall, ob der Transport von Dieselkraftstoff durch den Baggerfahrer direkt zu seiner Baustelle vom ADR ausgenommen ist oder nicht. Die entsprechende Regelung im ADR, (Unterabschnitt 1.1.3.1 lit.c) lautet wie folgt:

 

Die Vorschriften des ADR gelten nicht für Beförderungen, die von Unternehmen in Verbindung mit ihrer Haupttätigkeit durchgeführt werden, wie Lieferungen für oder Rücklieferungen von Baustellen im Hoch- und Tiefbau, oder im Zusammenhang mit Messungen Reparatur- und Wartungsarbeiten in Mengen, die 450 Liter je Verpackung und die Höchstmengen gemäß Unterabschnitt 1.1.3.6 nicht überschreiten. Beförderungen die von solchen Unternehmen zu ihrer internen oder externen Versorgung durchgeführt werden, fallen jedoch nicht unter diese Ausnahmeregelung. Es sind Maßnahmen zu treffen, die unter normalen Beförderungsbedingungen ein Freiwerden des Inhaltes verhindern. Diese Freistellungen gelten nicht für die Klasse 7.

 

5.2. Der Transport von Diesel diente im konkreten Fall zum Betanken des Baggers auf der Baustelle, sodass es sich offenkundig um eine Beförderung eines Bauunternehmens im Zusammenhang mit seiner Haupttätigkeit handelte. Auch die Mengengrenzen der "Handwerkerbefreiung" wurden nicht überschritten. Die gesetzliche Regelung verlangt nicht, dass die Fahrt direkt vom Standort des Unternehmens zur Baustelle durchgeführt werden muss. Es ist auch zulässig, z.B. Dieselkraftstoff auf einer Tankstelle zu kaufen und ihn von dort weg zur Baustelle zu transportieren. Dementsprechend schadete es im konkreten Fall auch nicht, dass der Lenker von der Baustelle mit dem Firmenfahrzeug direkt nach Hause gefahren ist und von zu Hause wieder direkt zur Baustelle. Zu prüfen ist allerdings, ob es sich bei dieser Fahrt um eine "interne Versorgungsfahrt" des Unternehmens handelte, weil für solche Fahrten das Handwerkerprivileg nicht anzuwenden ist. Würde man jeden Transport eines Unternehmens zur Baustelle als interne Versorgungsfahrt ansehen, so würde für das "Handwerkerprivileg" im Ergebnis keinerlei Raum bleiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 20.07.2004, Zl. 2002/03/0214 in einem Fall, in welchem von einem Angestellten des Unternehmens Dieselkraftstoff zur Baustelle gebracht wurde, um die dort vorhandenen Arbeitsgerät zu betanken, ausgesprochen, dass es sich um eine interne Versorgungsfahrt handelte, weil der Lenker des Transportes lediglich den Diesel zur Baustelle brachte, ohne dort selbst die Arbeitsgeräte (konkret den Bagger) zu bedienen.

 

Der Sinn des "Handwerkerprivileges" liegt darin, dass der Gesetzgeber des ADR davon ausgeht, dass jene Personen, welche ein Gefahrgut auf der Baustelle bearbeiten, mit diesem Gefahrgut auch sachgemäß umgehen können. Dies ist der Grund, warum für diese Transporte das ADR nicht anzuwenden ist. Entscheidend ist also, ob das Gefahrgut tatsächlich von jener Person transportiert wird, welche es auf der Baustelle auch verarbeitet. Herr K war als Baggerfahrer auf der Baustelle eingesetzt, weshalb diese Voraussetzung im gegenständlichen Fall erfüllt ist. Der konkrete Transport von Diesel fällt daher unter das "Handwerkerprivileg" des Unterabschnittes 1.1.3.1 lit.c ADR, und ist deshalb von den Bestimmungen des ADR ausgenommen. Der Berufungswerber hat damit die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist.

 

Es ist einzuräumen, dass sowohl die gesetzliche Regelung des "Handwerkerprivileges" als auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Frage teilweise widersprüchlich erscheinen, derartige Unklarheiten dürfen aber im Strafverfahren nicht zu Ungunsten des Betroffenen ausgelegt werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

Beschlagwortung:

Handwerkerbefreiung

 

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