Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110805/2/Wim/Rd/Hu

Linz, 14.12.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des A S, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei H O B, A, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 7.9.2007, VerkGe96-147-1-2007, wegen einer Verwaltungs­übertretung nach dem Güterbeförderungs­gesetz,  zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 7.9.2007, VerkGe96-147-1-2007, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 GütbefG verhängt, weil er als Unternehmer mit dem Sitz in M, S, am 14.8.2007 gegen 14.20 Uhr auf der Innkreisautobahn A8, bei Strkm 75,200,  Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen … und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen …, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: A S, M, S, Lenker: M Ö, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Textilien) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt hat, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.  

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass die zuständigen deutschen Behörden Anträge von Güterkraftverkehrsunternehmen auf Erteilung von Fahrerbescheinigungen für Fahrer türkischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in der Türkei, die im gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei eingesetzt werden, prinzipiell ablehnen.  Der Bw habe insoweit keinen Anspruch auf die Erteilung von Fahrerbescheinigungen iSd Art.3, 6 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92.  Da zwischen der EG und der Türkei als Drittland bisher kein Abkommen existiere, das die Anwendung der VO 881/92 zum Gegenstand hätte, finde die Verordnung auf den Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei keine Anwendung. Insbesondere gelten deshalb auch die Vorschriften über die Gemeinschaftslizenz und die Fahrerbescheinigung nicht. Vielmehr sei für den gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei eine CEMT-Genehmigung erforderlich und auch ausreichend. Da für Verkehre, die aufgrund der Grundlage einer CEMT-Genehmigung durchgeführt werden, nicht parallel noch eine EU-Lizenz notwendig ist, sei schon aus diesem Grunde keine Fahrerbescheinigung notwendig. Des weiteren wurde noch ausführlich auf die Stillhalteklausel in Art. 41 des Zusatzprotokolls des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei hingewiesen. Darüber hinaus dürfe aber auch die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Bw nicht außer Acht gelassen werden, für den Fall, dass der Bw nur Fahrer mit den entsprechenden Fahrerbescheinigungen einsetzen dürfe. Der Bw wäre in diesem Fall zur Einstellung seiner unternehmerischen Tätigkeiten gezwungen. Es werde daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.    

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde  hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 


4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

1)        Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,

2)        Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen             Konferenz      der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

3)        Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für          den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4)        aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des       Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl L95 vom 9.4.1992, S.1, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1.3.2002, ABl. L76 vom 19.3.2002, S.1, ... anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 der obzit. Verordnung wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

Strafbar nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 der GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 15.11.2007, Zl. 2007/03/0127-7, ausgesprochen, dass eine Fahrerbescheinigung keine Gemeinschaftslizenz darstellt und sich daher die Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates, wonach die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden Güterbeförderung, ohne dass – obgleich der Fahrer Drittstaats­angehöriger ist – eine Fahrerbescheinigung vorliegt, unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 GütbefG zu subsumieren sei, als nicht zutreffend erweist. Auch der Umstand, dass in § 25 Abs.2 GütbefG nunmehr die geänderte Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 881/2002 ausdrücklich zitiert ist, vermag daran nichts zu ändern, da bereits vor dieser Novelle des GütbefG mit der Bezugnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 (ohne einzelne Änderungen ausdrücklich anzuführen) eine im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zulässige dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung dieser Verordnung gegeben war, wie sich auch aus dem zitierten Erkenntnis vom 19.10.2004, Zl. 2004/03/0087, ergibt.

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG ergibt, dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann. Auch in diesem Fall hat er nicht dafür gesorgt, dass eine erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wird.

Zwar trifft es zu, dass für die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden grenzüberschreitenden Güterbeförderung, ohne dass der Unternehmer über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, eine gesonderte Strafnorm in § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorgesehen ist; da jedoch im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung keine dieser Bestimmung entsprechende Spezialnorm vorliegt, ist eine Bestrafung nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG nicht ausgeschlossen.

 

4.3. Dem Bw wurde von der belangten Behörde zur Last gelegt, dass er als Unternehmer mit dem Sitz in M, S, am 14.8.2007 gegen 14.20 Uhr mit dem Sattelzugfahrzeug, Kz: …  (D), Anhänger, Kz: … (D) eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Güterbe­förderung von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland durch den türkischen Lenker M Ö, ohne im Besitz einer Fahrerbescheinigung zu sein, durchführen hat lassen.

 

Das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hatte bei der Prüfung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses durch den Oö. Verwaltungssenat Berücksichti­gung zu finden, in dem der Tatvorwurf unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG zu subsumieren ist und nicht unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG. Damit verbunden ist naturgemäß eine andere Formulierung des Tatvorwurfes in einem Straferkenntnis.

 

Eine diesbezügliche allfällige Spruchänderung könnte zwar vom Oö. Verwaltungssenat alleine aus dem Blickwinkel der noch nicht abgelaufenen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG in Auge gefasst werden, wäre aber einer Auswechslung des Tatvorwurfes gleichzusetzen. Es kann dahingestellt werden, ob dies dem Oö. Verwaltungssenat bei rein formaler Auslegung des § 66 Abs.4 AVG zu stehen würde. Nach hiesiger Rechtsansicht soll ein solcher Vorgang aber den Strafbehörden, insbesondere aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes im Sinne einer neuerlichen Berufungsmöglichkeit, überlassen bleiben.

 

Ob und inwieweit das obige Verfahren in diesem Sinne weitergeführt wird, ist von der belangten Behörde zu entscheiden.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Von einer gleichzeitigen Einstellverfügung wurde zur Hintanhaltung einer allfälligen Bindungs­wirkung für ein im obigen Sinne weitergeführtes Verfahren Abstand genommen. Wird das Verfahren von der belangten Behörde nicht weitergeführt, wird die Einstellungsverfügung von ihr zu treffen sein.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Wimmer

 

 

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