Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400909/6/Ste/AB/Wb

Linz, 22.10.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des Q A B, dzt. Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz, vertreten durch Dr. M L, Rechtsanwalt in 40 L, L, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz, zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid vom 16. Oktober 2007 sowie die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers werden für rechtswidrig erklärt.

 

 

II.                  Der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz)  hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von insgesamt 674 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwand­ersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz, AZ: 1044366/FRB wurde am 16. Oktober 2007 über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F., zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung, sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw. Zurückschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz am 16. Oktober 2007 vollzogen.

 

Begründend wird im genannten Bescheid dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf am 14. April 2003 unter dem N N N, geb. , Staatsangehöriger von Ghana, beim Bundesasylamt Außenstelle L einen Asylantrag eingebracht hatte welcher mit 16. Dezember 2003 rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Der Bf sei am 30. Jänner 2004 nach Deutschland abgeschoben worden.

 

Im Jahr 2004 hätte der Bf in Ghana von seinem Vater eine portugiesische Identitätskarte und einen portugiesischen Reisepass, N Q A B, geb. , erhalten mit denen er nach Portugal, England, Belgien, Deutschland, Frankreich und nach Österreich gereist sei. Die genannten Dokumente haben sich jedoch aufgrund einer kriminaltechnischen Untersuchung der Polizei als Totalfälschungen herausgestellt.

 

Die Behörde führt weiters an, dass die Identität des Bf völlig ungeklärt sei und dieser sich unter der Vorlage eines gefälschten Reisepasses per 31. März 2005 in Linz, P behördlich gemeldet habe. An dieser Anschrift sei er bis 19. September 2006 gemeldet gewesen. Ab diesem Zeitpunkt meldete er sich – wiederum mit dem gefälschten portugiesischen Reisepass – in L, U polizeilich an.

 

Im Zuge einer Einvernahme am 16. Oktober 2007 habe der Bf angegeben, dass er StA der Republik Ghana und nicht StA von Portugal sei und mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine gemeinsame Tochter, geb. , habe. Des Weiteren arbeite er bei der Firma I als Waggonreiniger. Für die Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft habe dieser ebenfalls den gefälschten portugiesischen Reisepass vorgelegt.

 

Des Weiteren sei beabsichtigt gegen den Bf ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, da er sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte und hier einer illegalen Beschäftigung nachgegangen sei, da er vorgab EWR-Bürger zu sein.

 

Zur familiären Situation des Bf führt die Behörde an, dass dieser angegeben habe eine Lebensgefährtin und ein gemeinsames Kind in Österreich – selbige Meldeadresse - zu haben, jedoch mangle es dem Bf aufgrund seines gesetzten rechtswidrigen Verhaltens an einer entsprechenden sozialen Integration. Ebenso sei er beruflich nicht verankert, da er nur unter der Vorgabe EWR-Bürger zu sein, einer Beschäftigung illegal nachging.

 

Aufgrund des nicht rechtmäßigen Aufenthalts und eines massiv rechtswidrigen Verhaltens sei gegen den Bf ein Verfahren zu Aufenthaltsbeendigung zu führen, weshalb zur Sicherung desselben und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen gewesen sei. Das Sicherungserfordernis begründet die Behörde, dass der Bf zwar polizeilich gemeldet sei, dies jedoch unter falscher Nationalität und unter Vorlage gefälschter Dokumente. Eine soziale Verankerung des Bf im Inland sei aufgrund seines kriminellen Verhaltens in Österreich und des doch kurzen Aufenthaltszeitraumes in Österreich beim Bf nicht gegeben.

 

Aufgrund der vorgenannten Umstände, könne die Behörde mit Recht davon ausgehen, dass der Bf sich dem gegen ihn zu führenden aufenthaltsbeendenden Verfahren bzw. seiner Abschiebung nicht freiwillig zu Verfügung halten werde. Die vom Bf bisher gezeigte Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften veranlasste die Behörde zu der Annahme, dass dieser den Anordnungen im gelinderen Mittel nicht Folge leisten werde.

 

1.2. Der Bf befindet sich seit 16. Oktober 2007 und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats in Schubhaft.

 

2.1. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 17. Oktober 2007 (vollständig) um 16.13 Uhr und damit nach Ende der Amtsstunden beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Beschwerde (vgl. § 13 Abs. 5 AVG).

 

Darin bringt der Bf im Wesentlichen vor, dass er eine österreichische Lebensgefährtin habe und mit dieser eine gemeinsame Tochter habe. Des Weiteren habe er bis zuletzt gearbeitet, sei polizeilich gemeldet und sei gerichtlich unbescholten.

 

Der Bf bringt weiters vor, dass er von der Rechtmäßigkeit des beanstandeten Reisepasses ausgegangen sei und auch wenn es sich um eine Fälschung handeln sollte, die Anordnung einer Schubhaft nicht gerechtfertigt sei. Der Bf verlangt hierzu eine Überprüfung des gegenständlichen Reisepasses durch die portugiesischen Behörden.

 

Aufgrund seiner sozialen Bindung und der Abnahme des Reisepasses hätte die Behörde jedenfalls das gelindere Mittel anwenden müssen und daher von - der massiv in seine, seiner österreichischen Lebensgefährtin und seiner Tochter Persönlichkeitsrechte eingreifenden - Schubhaft Abstand nehmen müssen.

Der Bf stellt daher den Antrag, der UVS möge in Stattgebung seiner Beschwerde den angefochtenen Bescheid der BPD Linz vom 16.10.2007, AZ 1044366/FRB wegen Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufheben; dies allenfalls unter Auflage gelinderer Mittel.

 

2.2. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 legte die belangte Behörde den bezughabenden Akt vor, beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und erstattete eine Gegenschrift.

 

2.3. Darin führt sie ua. aus, dass nach wie vor für die Behörde die Identität des Bf nicht feststeht. Des weiteren führt die Behörde an, dass im konkreten Fall der Zweck der Schubhaft nicht durch gelindere Mittel erreicht werden kann, da der Bf weder beruflich noch sozial verankert sei und aufgrund des bisher dokumentierten Verhaltens nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bf freiwillig für die Abschiebung bereit halten werde und allfälligen Anordnungen im gelinderen Mittel Folge leisten werde.

 

2.4. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2007, AZ.: 1044366/FRB, wurde gegen den Bf ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

2.5. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 legte die belangte Behörde eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Linz gegen den Bf wegen Verdachts der Fälschung besonders geschützter Urkunden vor.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bf ist – unter Verwendung eines gefälschten portugiesischen Reisepasses – seit 31. März 2005 durchgehend in Österreich polizeilich gemeldet. Seit 19. September 2006 ist der Bf mit seiner Lebensgefährtin und seiner am 26. Jänner 2006 geborenen Tochter polizeilich unter einer gemeinsamen Adresse gemeldet.

 

Der Bf ist bis zur Inschubhaftnahme durch die BPD Linz einer geregelten Arbeit nachgegangen und ist bis zum Entscheidungsdatum gerichtlich unbescholten.

 

Bei der durchgeführten Einvernahme am 17. Oktober 2007 im PAZ Linz hat der Bf angegeben, dass er, wenn er nicht in Österreich bleiben kann, so schnell wie möglich nach Ghana möchte. Seine Lebensgefährtin würde nach Ghana nachkommen. Auf den Hinweis der Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr gab der Bf an, dass er diese Möglichkeit in Anspruch nehmen möchte.

 

Von der am 30. Jänner 2004 durchgeführten Abschiebung des Bf nach Deutschland sind keine negativen Vorkommnisse (Fluchtversuche, Vereitelung der Abschiebung etc.) bekannt, obwohl der Bf – da kein "Deportee" gemeldet wurde - selbstständig einchecken musste.

 

3.3. Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorliegenden Dokumenten.

 

4. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2006, hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.      wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.      wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.      wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Oktober 2007 zur Zeit in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

4.2. Nach § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schub­haft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthalts­verbots oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Wie sich unwidersprochen aus der Aktenlage ergibt, war der Bf zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Fremder iSd. FPG. Die Behörde konnte sich somit rechtmäßig bei der Anordnung der Schubhaft auf § 76 Abs. 1 leg.cit. stützen.

 

4.3. Gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Die belangte Behörde hätte sich im Einzelfall mit einer Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft intensiver auseinandersetzen müssen (vgl. z.B. VfSlg. 17.288/2004, mwN.). Dies kommt im Zusammenhang mit § 77 FPG klar zum Ausdruck.

 

Die Verhängung einer an sich erforderlichen Schubhaft erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können. Insoweit ist das in dieser Bestimmung von ihrem Wortlaut her vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte genügen dabei nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (vgl. bereits VfSlg. 14.981/1997).

 

Die belangte Behörde konnte im vorliegenden Verfahren im Ergebnis nicht ausreichend darlegen, weshalb zu erwarten sei, dass sich der Bf den österreichischen Behörden entziehen werde. Die Tatsache, dass sich der Bf mit einem gefälschten portugiesischen Reisepass einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich sichern wollte, rechtfertigt wohl keinesfalls generell den Ausschluss von gelinderen Mitteln gemäß § 77 Abs. 1 FPG.

 

Die nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates bestehende soziale und familiäre Situation - welche dem Bf zwar von der BPD Linz aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens ("Verwendung eines gefälschten Reisepasses") abgesprochen wird – spricht dafür, dass sich der Bf – aufgrund seiner österreichischen Lebensgefährtin, des gemeinsamen Kindes und einem festen Wohnsitz – der österreichischen Rechtsordnung nicht entziehen wird. Aus der aufgenommenen (wenn auch vom Bf nicht unterschriebenen) Niederschrift vom 17. Oktober 2007 geht ebenso eindeutig hervor, dass der Bf freiwillig nach Ghana überstellt werden will.

 

Im konkreten Fall war die Verhängung der Schubhaft unverhältnismäßig und es wären für die Erreichung des von der Behörde angestrebten Ziels auch die im Gesetz vorgesehenen gelinderen Mittel denkbar.

 

Insbesondere indiziert auch die problemlose Abschiebung nach Deutschland im Jahr 2004 grundsätzlich ein rechtstreues Verhalten.

 

Weiters ist in diesem Falle die Bedeutung des Schutzes auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK anzuerkennen. Das dadurch gewährleistete Grundrecht wäre daher der Schubhaft unterzuordnen gewesen und die Behörde hätte jedenfalls ein gelinderes Mittel verhängen müssen.

 

4.4. Im Ergebnis war daher der Beschwerde stattzugeben und der Schubhaftbescheid sowie die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

 

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1 bis Abs. 3 AVG iVm. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 674 Euro (Gebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei. Auf § 79a Abs. 1 iVm. Abs. 4 Z. 1 AVG wird hingewiesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

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