Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110741/14/Kl/Rd/Pe

Linz, 17.12.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt in der Verwaltungsstrafsache des Herrn C G, vertreten durch Rechtsanwälte L H G, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 10. Mai 2007, VwSen-110741/4/Kl/Pe, wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt wird. Die verfügte Spruchänderung hat sohin zu entfallen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 52a VStG

Entscheidungsgründe:

 

1. Von der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis wurde über den Bw mit 6.11.2006, VerkGe96-47/1-2006, ein Straferkenntnis wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8  und Abs.3 und 4 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art. 6 Abs.1, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002, erlassen. Dagegen wurde vom Bw rechtzeitig Berufung eingebracht.

 

1.1. Mit Bescheid vom 22.11.2006, VerkGe96-47/1-2006, (Berufungsvorent­scheidung) wurde der Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 6.11.2006 dahingehend abgeändert, dass eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z3 und Abs.3 und 4 sowie § 7 Abs.1 Z1 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4 erster Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vorgeworfen wurde. Dagegen wurde rechtzeitig ein Vorlageantrag eingebracht.

 

1.2. In der Folge wurde vom Oö. Verwaltungssenat das Erkenntnis vom 10.5.2007, VwSen-110741/4/Kl/Pe, erlassen, dessen Spruch wie folgt lautete:

"I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch zu lauten hat:

'Sie sind als handelsrechtlicher Geschäftsführer die für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortliche Person der G I E T GmbH und sind Verwaltungsstrafen gemäß § 9 Abs.1 VStG somit gegen Sie zu verhängen.

Die G I E T GmbH hat mit dem Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (D) eine gewerbsmäßige Güterbeförderung (Transport von Gemüse und Paprika) von Antalya/Türkei durch Österreich nach Hamburg/Deutschland mit einer ihr als Verkehrsunternehmen erteilten Gemeinschaftslizenz durchgeführt. Der Transport wurde dabei durch den türkischen Fahrer O S ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt. Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist gemäß § 7 GütbefG außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt und Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 sind. Sie haben somit eine Beförderung gemäß §§ 7 bis 9 GütbefG ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchgeführt, da der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt. Dies wurde bei der Kontrolle des Fahrzeuges am 27.5.2006 um 16.45 Uhr an folgendem Ort: A8, Innkreisautobahn, Parkplatz Osternach, Strkm 62.000, Fahrtrichtung Suben, Gemeinde Ort.i.I., festgestellt.

Sie haben daher § 23 Abs.1 Z3 und Abs.3 sowie § 7 Abs.1 Z1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 – GütbefG, BGBl.Nr. 593/1995 idF. BGBl. I Nr. 23/2006 sowie iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von 1.453 Euro, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen gemäß § 23 Abs.1 Einleitung iVm Abs.4 2. Satz GütbefG.' Hinsichtlich des Kostenbeitrages wird das Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 290,60 Euro, zu leisten."

 

1.3. Gegen das oa Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates wurde vom Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben und es ist das Beschwerdeverfahren noch anhängig.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer gleichgelagerten Verwaltungsstrafsache mit Erkenntnis vom 15.11.2007, Zl. 2007/03/0127-7, zu einem gleichlautenden Sachverhalt ausgesprochen, dass eine Fahrerbescheinigung keine Gemeinschaftslizenz darstellt und sich daher die Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates, wonach die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden Güterbeförderung, ohne dass – obgleich der Fahrer Drittstaatsangehöriger ist – eine Fahrerbescheinigung vorliegt, unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 GütbefG zu subsumieren sei, als nicht zutreffend erweist. Auch der Umstand, dass in § 25 Abs.2 GütbefG nunmehr die geänderte Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 881/2002 ausdrücklich zitiert ist, vermag daran nichts zu ändern, da bereits vor dieser Novelle des GütbefG mit der Bezugnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 (ohne einzelne Änderungen ausdrücklich anzuführen) eine im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zulässige dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung dieser Verordnung gegeben war, wie sich auch aus dem zitierten Erkenntnis vom 19.10.2004, Zl. 2004/03/0087, ergibt.

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG ergibt, dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann. Auch in diesem Fall hat er nicht dafür gesorgt, dass eine erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wird.

Zwar trifft es zu, dass für die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden grenzüberschreitenden Güterbeförderung, ohne dass der Unternehmer über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, eine gesonderte Strafnorm in § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorgesehen ist; da jedoch im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung keine dieser Bestimmung entsprechende Spezialnorm vorliegt, ist eine Bestrafung nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG nicht ausgeschlossen.

 

3. Gemäß § 52a VStG können von Amts wegen der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegende Bescheide, durch die das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist, sowohl von der Behörde als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Dieses Recht kommt im Hinblick auf seine eigenen Entscheidungen dem unabhängigen Verwaltungssenat zu.

 

In Anbetracht des oa jüngst ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts­hofes konnte die im eingangs angeführten Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vertretene Rechtsansicht nicht mehr aufrecht erhalten werden. Sohin war unter Anwendung des § 52a VStG diese Entscheidung entsprechend abzuändern.

 

3.1. In formalrechtlicher Hinsicht ist eingangs zu bemerken, dass die belangte Behörde gemäß § 64a AVG iVm § 24 VStG vorerst eine Berufungsvorentscheidung insofern erlassen hat, als der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses in der schon oben zitierten Form (sh Pkt. 1.1.) abgeändert wurde. Dagegen wurde vom Bw rechtzeitig ein Vorlageantrag eingebracht, sodass die Berufungsvorentscheidung ex lege außer Kraft getreten ist und vom Oö. Verwaltungssenat sohin das Straferkenntnis (vom 6.11.2006)  wie ursprünglich ergangen zu überprüfen war.

 

3.2. In der Sache selbst ist zu bemerken:

 

3.2.1. Gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

 Strafbar ist nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, diese Verordnung geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 (kurz: EU-VO genannt), unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 EU-VO wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.   

 

3.2.2. Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes wurde der gewerbliche Gütertransport unter Verwendung einer gültigen Gemeinschaftslizenz - eine gültige beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz wurde mitgeführt und vorgewiesen - durchgeführt, allerdings wurde die Fahrt durch einen türkischen Staatsangehörigen als Lenker vorgenommen und bestand eine Fahrerbescheinigung für diesen Lenker nicht. Es wurde daher der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt, weil nach den obzitierten Bestimmungen bei Verwendung eines Fahrers, welcher Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt und sohin der Bw als Unternehmer dafür zu sorgen gehabt hätte, dass vom eingesetzten Lenker eine Fahrerbescheinigung mitgeführt wird.

 

Diese Übertretung hat der Berufungswerber aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung gehört zu den Ungehorsams­delikten und reicht daher fahrlässige Tatbegehung, die vermutet wird, aus für eine Strafbarkeit. Eine Entlastung ist dem Berufungswerber hingegen nicht gelungen. Wie der Berufungswerber in seiner Ergänzung selbst ausführt, liegen zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn vor und muss er aus Anhaltungen seiner Lenker Kenntnis haben, dass eine Fahrerbescheinigung erforderlich ist und mitzuführen ist. Im Übrigen ist ihm die Erforderlichkeit auch bekannt und hat er ein entsprechendes Ansuchen an die Freie und Hansestadt Hamburg gerichtet. Aus seinen zahlreichen grenzüberschreitenden Fahrten muss er Kenntnis über die Vorgangsweise der EU-Länder haben und hätte er entsprechende rechtliche Schritte, nötigenfalls auch Rechtsmittel in Deutschland zur Ausstellung einer Fahrerbescheinigung ergreifen müssen. Dass er solches angestrebt hat, wird von ihm nicht behauptet. Es hat der Berufungswerber daher zu verantworten, dass ein gewerblicher Gütertransport über die Grenze durch einen türkischen Lenker ohne Fahrerbescheinigung vorgenommen wurde.

 

3.2.3. Zur Verantwortlichkeit des Berufungswerbers ist hingegen auf § 9 Abs.1 VStG hinzuweisen, wonach für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personengesellschaften zu welchen auch eine GmbH zählt, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Für eine GmbH ist der handelsrechtliche Geschäftsführer nach außen vertretungsbefugtes Organ und daher gemäß der zitierten Vorschrift verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Sind mehrere Organe neben einander bestellt, so ist jedes für sich verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Es können daher mehrere bestellte handelsrechtliche Geschäftsführer gleichzeitig zur Verantwortung gezogen werden. Allerdings muss hinsichtlich jedes Beschuldigten auch ein Verschulden vorliegen. Allein eine interne Aufgabenverteilung ohne weiteres Vorbringen, dass sich der Beschuldigte auch über die Einhaltung der Vorschriften hinsichtlich des von ihm übertragenen Bereiches informiert und versichert hat, reicht jedoch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für eine Entlastung nicht aus. Vielmehr hätte eine entsprechende Kontrolle stattfinden müssen, die mit gutem Grund erwarten lässt, dass die Verwaltungsvorschriften eingehalten werden. Ein entsprechendes Vorbringen fehlt aber seitens des Berufungswerbers.

 

3.2.4. Wenn hingegen der Berufungswerber vorbringt, dass ihm die Beschaffung einer Fahrerbescheinigung gar nicht möglich sei, weil die deutsche Behörde, nämlich die Freie und Hansestadt Hamburg, die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung verweigert, so sind ihm folgende Erwägungen entgegenzuhalten:

Das Schreiben der Freien und Hansestadt Hamburg vom 20.10.2004 geht einerseits davon aus, dass es sich um eine Beförderung zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland handelt und nach Art.1 Abs.2 der VO (EWG) 881/92 diese Verordnung bei Beförderungen aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland und umgekehrt dann Anwendung findet, sobald das hiefür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittland geschlossen ist, zwischen der EG und der Türkei als Drittland aber bisher kein Abkommen existiert. Es gelten daher die Vorschriften über die Gemeinschaftslizenz und die Fahrerbescheinigung nicht. Andererseits geht die deutsche Behörde davon aus, dass für den Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei nach wie vor eine CEMT-Genehmigung erforderlich ist. Weder die Gesamtresolution des Ministerrates der europäischen Verkehrsministerkonferenz zum Straßengüterverkehr noch das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße sehen eine Fahrerbescheinigung vor. Es bedarf daher der Einsatz türkischer Fahrer im gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen der Türkei und Deutschland und umgekehrt keiner Fahrerbescheinigung. Schließlich wurde auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hamburg vom 15.8.2003 hingewiesen. Auch diese Entscheidung stützt sich darauf, dass ein Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem Drittstaat noch nicht geschlossen wurde und daher die EU-VO nicht zur Anwendung kommt.

 

Soweit von den deutschen Stellen von der Verwendung einer CEMT-Genehmigung ausgegangen wird, so ist diesen Ausführungen entgegenzuhalten, dass bei dem vorgeworfenen gewerblichen Gütertransport am 27.5.2006 eine CEMT-Genehmigung nicht verwendet und nicht vorgelegt wurde, sondern der Transport sich ausschließlich auf eine gültige Gemeinschaftslizenz stützt. Es geht daher das Argument ins Leere, dass bei Verwendung einer CEMT-Genehmigung eine Fahrerbescheinigung nicht erforderlich sei.

Es unterliegt daher gemäß Art.3 Abs.1 der EU-VO der grenzüberschreitende Verkehr auf dem Gebiet der europäischen Gemeinschaft einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung. Eine gültige Gemeinschaftslizenz lag beim gegenständlichen Transport unzweifelhaft auch vor, allerdings ist zusätzlich zur Gemeinschaftslizenz bei Verwendung von Fahrern, die Staatsangehörige von Drittstaaten sind, eine Fahrerbescheinigung von Unternehmen zu erwirken und dem Fahrer zur Verfügung zu stellen, welcher diese Fahrerbescheinigung dann auch mitzuführen und vorzuweisen hat (vgl. Erwägung 3 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Zweck der Fahrerbescheinigung ist, dass nachgeprüft werden kann, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind bzw. rechtmäßig dem für die Beförderung verantwortlichen Verkehrsunternehmer zur Verfügung gestellt werden (Erwägung 2 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Dem Erwägungsgrund 4 der zitierten Verordnung ist aber auch eindeutig zu entnehmen, dass die Verordnung nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft über die Freizügigkeit, den Wohnsitz und den Zugang einer Tätigkeit als Beschäftigter berührt. Im Sinn des letztgenannten Erwägungsgrundes ist daher die Bestimmung des Art.3 Abs.3 der EU-VO weder in dem Sinne zu lesen, dass Staatsangehörige eines Drittlandes nur rechtmäßig beschäftigt in Deutschland sein müssen, noch dass überhaupt eine Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis oder dgl. Voraussetzung für eine Fahrerbescheinigung ist. Es ist nämlich der zitierten Bestimmung einerseits auch eine zweite Alternative zu entnehmen, nämlich dass Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, "rechtmäßig eingesetzt und als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden". Diesfalls werden die ausländischen Fahrer nicht "rechtmäßig beschäftigt" sondern "rechtmäßig eingesetzt", nämlich unter dem Aspekt, dass alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates erfüllt sind. Wird demnach von einem Güterbeförderungsunternehmen mit dem Sitz in Deutschland ein Vertrag mit einem türkischen Unternehmen geschlossen, wonach dieses türkische Unternehmen die Leistung der Fahrer anbietet und das deutsche Unternehmen diese Leistung in Anspruch nimmt, so ist die zweite Alternative von Art.3 Abs.3 der EU-VO heranzuziehen, nämlich dass "Fahrer rechtmäßig eingesetzt werden, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind". Diese dürfen aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie den Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie gegebenenfalls Tarifverträgen des Mitgliedstaates, also konkret Deutschlands genügen.

Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers stellt daher die Fahrerbescheinigung keine unzulässige Einführung einer neuen innerstaatlichen Beschränkung dar, sondern ist die Fahrerbescheinigung lediglich ein Nachweispapier zur Kontrolle, wie z.B. Begleitpapiere, Zulassungsschein usw. Dies bedeutet, dass die die Fahrerbescheinigung ausstellenden Behörden das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Arbeitsverhältnisses oder aber auch das Vorhandensein der Voraussetzungen nach dem Assoziationsabkommen (und damit Bewilligungsfreiheit und die Erfüllung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates) zu überprüfen haben und bei Vorliegen die Fahrerbescheinigung auszustellen zu haben. Die Fahrerbescheinigung selbst hat aber nur deklarative Wirkung, niemals eine konstitutive Wirkung. Dies bedeutet, dass über das Recht zur Erwerbstätigkeit nicht mittels der Fahrerbescheinigung abgesprochen wird, das heißt, dass eine ausgestellte Fahrerbescheinigung nicht eine Arbeitserlaubnis ersetzt und umgekehrt auch die Nichtausstellung einer Fahrerbescheinigung nicht eine bestehende Arbeitserlaubnis entzieht.

 

Diesbezüglich wird auf das jüngst ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.9.2007, BVerwG 3 C 49.06, VGH 2 UE 2037/05 hingewiesen. Auch diesem Urteil liegt ein dem Beschwerdefall gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde. Unter Hinweis auf die Bestimmung des Art.3 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 ist Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung, dass der Fahrer rechtmäßig beschäftigt ist oder rechtmäßig eingesetzt wird, wobei letzteres heißt, dass er gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt wird, die in Deutschland für die Beschäftigung solcher Fahrer durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt wurden. In Randnummer 13ff legt das Bundesverwaltungsgericht ausführlich und nachvollziehbar dar, dass die Erlaubnispflicht für die Überlassung des türkischen Fahrers durch die türkische Tochterfirma nicht wegen der besonderen Stellung entfällt, die türkische Arbeitnehmer im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen EWG – Türkei genießen. Ebenso wenig scheidet eine Erlaubnispflicht deswegen aus, weil das dem Einsatz des Fahrers zugrundeliegende Rechtsverhältnis nicht als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren wäre. Es wird dargelegt, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor der Stillhalteklausel des Zusatzprotokolls in Kraft getreten ist. Auch sieht das Bundesverwaltungsgericht in der Erstattung der Personalkosten und dem durch die Verleihtätigkeit mittelbar zu erzielenden wirtschaftlichen Vorteil Gewerbsmäßigkeit gegeben. Das Konzernprivileg hingegen kommt nicht zum Tragen, weil wesentlicher Inhalt der Arbeitsverhältnisse ist, dauerhaft für die deutsche Firma zu arbeiten, weshalb eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu verneinen ist. Leistet ein Lenker eine Arbeit dauerhaft in einem in Deutschland ansässigen Unternehmen, liegt es nahe, dass mit dieser Gestaltung die inländischen arbeits- und sozialrechtlichen Standards unterlaufen werden sollen, die im Falle einer Anstellung im Inland gelten würden. Gerade dies soll durch die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verhindert werden. „Die gewählte Gestaltung läuft auch dem Zweck der EG-Bestimmungen zur Fahrerbescheinigung zuwider, die erklärtermaßen ungesicherten Beschäftigungs­verhältnissen und zu niedrigen Löhnen und daraus resultierenden Gefährdungen der Verkehrssicherheit und Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken sollen (vgl. Erhebungsgründe 6 und 7 zu der Verordnung [EG] Nr. 484/2002).“

 

Nicht hingegen wird die Rechtsauffassung im Beschluss des Verwaltungsgerichtes Hamburg vom 15.8.2003 und im Schreiben der Freien und Hansestadt Hamburg vom 20.10.2004 geteilt, dass die genannte EU-Verordnung überhaupt nicht für einen Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei zur Anwendung kommt. Dies widerspricht ausdrücklich der Bestimmung des Art.2 zweiter Gedankenstrich zweiter Untergedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 881/92. Die Regelung des Art.1 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 betrifft hingegen nur die im Mitgliedstaat, in dem die Be- oder Entladung stattfindet, zurückgelegten Wegstrecken, also für Wegstrecken die auf dem Bundesgebiet Deutschlands zurückgelegt wurden. Für die Durchfahrt durch Österreich ist diese Regelung nicht anwendbar, weil in Österreich weder eine Be- noch eine Entladung erfolgt.

Im Grunde dieser Ausführungen ist daher auch die durch die Freie und Hansestadt Hamburg im Schreiben vom 30.11.2006 geäußerte Rechtsansicht unrichtig, dass der Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei eine nicht lizenzpflichtige Güterbeförderung im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr zwischen Deutschland und einem Drittstaat ist und für diesen Verkehr keine Gemeinschaftslizenz benötigt wird. Dies widerspricht offensichtlich dem Art.3 Abs.1 iVm Art.2 der EU-VO.

 

Darüber hinaus wird aber auf die Bestimmung des Art.9 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 484/2002 hingewiesen, wonach Mitgliedstaaten garantieren, dass jeder Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde, durch die ihm eine Fahrerbescheinigung verweigert wird, Rechtsmittel einlegen kann. Es ist daher zumutbar, dass der Berufungswerber einen Rechtszug in Anspruch nimmt und ausschöpft.

 

3.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro bei einem durchschnittlichen Vermögen in Form eines Einfamilienhauses zur Hälfte und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Diesen Ausführungen wurde auch in der Berufung nichts entgegengesetzt und wurden keine bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden Umstände vorgebracht. Die belangte Behörde hat auf den besonderen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung und auf das Verschulden hingewiesen, insbesondere ist darauf Bedacht zu nehmen, dass mangels einer Fahrerbescheinigung eine Kontrollmöglichkeit grenzüberschreitender Transporte eingeschränkt wird. Es wurde gegen den Berufungswerber die Mindeststrafe verhängt. Angesichts des Unrechts- und Schuldgehaltes der Tat ist diese gerechtfertigt und war zu bestätigen. Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungswerbers nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

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