Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110813/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 04.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des H B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 11.9.2007, VerkGe96-36/2-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.     Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 290,60 Euro, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 11.9.2007, VerkGe96-36/2-2007, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z3 und Abs.3 und 4 sowie § 7 Abs.1 Z1 GütbefG sowie iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.1, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002, verhängt, weil er als Inhaber der K I T e.K. mit dem Sitz in von diesem Standort aus mit dem Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (D) eine gewerbsmäßige Güterbeförderung (Transport von Motorteilen) von Turzim in der Türkei durch Österreich nach Tilburg in den Niederlanden mit einer ihr als Verkehrsunternehmen erteilten Gemeinschaftslizenz durchgeführt hat. Der Transport wurde dabei durch den türkischen Fahrer M D ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt. Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist gemäß § 7 GütbefG außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt und Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 sind, wobei der grenzüberschreitende Verkehr im Sinne dieser Verordnung einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt. Er hat somit eine Beförderung gemäß §§ 7 bis 9 GütbefG ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchgeführt. Dies wurde bei der Kontrolle des Fahrzeuges am 8.3.2007 um 16.10 Uhr auf der Innkreisautobahn A8, Fahrtrichtung Suben, Abkm 52.500, Gemeinde Peterskirchen, Bezirk Ried/Innkreis, festgestellt. 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass durch die Verordnung 881/92 idFd Verordnung 484/2002 für den grenzüberschreitenden Verkehr eine sogenannte "Fahrerbescheinigung" für Lenker eingeführt worden sei, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind. Der Bw habe bei den zuständigen Behörden die Erteilung dieser "Fahrererlaubnis" beantragt. Über die Frage der Erteilung der "Fahrererlaubnis" sei derzeit beim Verwaltungsgericht Wiesbaden ein Rechtsstreit anhängig, welcher bislang noch nicht abschließend entschieden sei.

Die genannte Verordnung EWG 484/2002 sei unter Berücksichtigung der übrigen Rechtsvorschriften, insbesondere des Gemeinschaftsrechtes, auszulegen. Hiebei müsse das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und die hieraus sich ergebenden weiteren Rechtsakte wie das Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen und der Beschluss 1/80 heranzogen werden. Unter Berücksichtigung dieser Regelungen ergebe sich, dass die Türkei nicht als Drittstaat im Sinne der vorbezeichneten Verordnung EWG 484/2002 anzusehen sei und damit der betroffene Fahrer keiner Fahrerlizenz bedürfe.

Der EuGH habe in einem Urteil vom 21.10.2003 – Rechtssache C 317/01 und C 369/01 – festgestellt, "Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungs­abkommen EWG-Türkei kommt unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu". Damit bestätige der EuGH seine ständige Rechtsprechung, vgl. Rd Zf 58 des Urteils.

Art. 41 des Zusatzprotokolls lautet: "Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienst­leistungsverkehrs einführen".

Der EuGH spricht in Rd.Zf 80 seiner Entscheidung ausdrücklich aus, dass sich aus Art.13 des Beschlusses 1/80 ein Verbot ergebe, den Zugang türkischer Staatsangehöriger zu einer Beschäftigung innerhalb der Mitgliedstaaten durch neue Maßnahmen einzuschränken.

In Rd.Zf 117 der vorbezeichneten Entscheidung komme der EuGH zu dem Ergebnis, dass gerade Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls und Art.13 des Beschlusses 1/80 generell die Einführung neuer, weiterer Beschränkungen des Niederlassungsrechts sowie des freien Dienstleistungsverkehrs und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an verbieten, von dem der Rechtsakt, zu dem diese Artikel gehören, im Aufnahmemitgliedstaat, mithin hier in der BRD, in Kraft getreten seien.

Die streitgegenständliche Verordnung EWG 484/2002 vom 1.3.2002 zur Änderung der Verordnung EWG 881/92 und EWG 881/93 führe erstmals die Einführung einer Fahrerbescheinigung für Fahrer ein, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind. Die Anwendung dieser Verordnung auf türkische Staatsangehörige stelle einen Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei mit seinen Ausführungsregelungen dar, weil die Anwendung dieser Verordnung dazu führe, dass türkische Staatsangehörige diskriminiert werden und der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt werde.

Vor diesem Hintergrund sei die Strafbestimmung dahingehend auszulegen, dass der betroffene Fahrer nicht unter den Tatbestand falle.

Hilfsweise wäre das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Weiters werde darauf verwiesen, dass für die Einweisung/Einschulung der Kraftfahrer nicht der Bw, sondern Herr S B zuständig sei. Dieser habe auch für die gesamten Papiere zu sorgen.

Durch die von den österreichischen Behörden geübte Verwaltungspraxis werde es den Lastkraftwagenfahrern faktisch untersagt, jeglicher Tätigkeit nachzukommen. Von dieser Verwaltungspraxis ausgehend, sei sowohl eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit als auch der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der geübten Verwaltungspraxis zu sehen und müsse berücksichtigt werden, dass die nationalen Vorschriften unter Berücksichtigung der europäischen Regelungen auszulegen seien.

Des weiteren wurde Verfolgungsverjährung bezüglich des Tatortes (Sitz des Unternehmens)  eingewendet.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe sei die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen.

Es wird daher beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu gemäß § 21 VStG eine Ermahnung auszusprechen, in eventu gemäß § 20 VStG die verhängte Geldstrafe herabzu­setzen.         

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis als belangte Behörde  hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und zum Einwand der Verjährung ausgeführt, dass am 30.4.2007 mit der Bezeichnung "Aufforderung zur Rechtfertigung – Berichtigung hinsichtlich Tatort" eine Verfolgungshandlung ergangen ist, welche vom Rechtsvertreter des Bw am 2.5.2007 übernommen wurde. In der schriftlichen Stellungnahme hiezu wurde vom Bw der Tatvorwurf einschließlich des Tatortes in, wiederholt. Auch basiert das Straferkenntnis ebenfalls auf dieser berichtigten Aufforderung zur Rechtfertigung. Es liegt somit keine Verfolgungsverjährung vor.  

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da das Straferkenntnis aufzuheben war, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG unterbleiben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl L95 vom 9.4.1992, S.1, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1.3.2002, ABl. L76 vom 19.3.2002, S.1, ... anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 der obzit. Verordnung wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

Z3       Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält,

Z8       nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

Strafbar nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 der GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

5.2. Zur eingewendeten Verfolgungsverjährung:

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 und 3) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungs­übertretungen sechs Monate (Abs.2).

 

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Laut vorgelegtem Akt wurden durch den Bw am 8.3.2007 gesetzliche Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes verletzt und von der Autobahnpolizeiinspektion Ried zur Anzeige gebracht. Es beginnt daher mit 8.3.2007 die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist zu laufen und endet diese mit 8.9.2007. Wie vom Bw zu Recht aufgezeigt, enthält die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.3.2007 als erste Verfolgungshandlung keine Angaben hinsichtlich des Tatortes. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung – Berichtigung hinsichtlich Tatort vom 30.4.2007 als zweite Verfolgungshandlung wurde das gemäß § 44a VStG wesentliche Tatbestandselement des Tatortes ergänzt. Diese Berichtigung liegt ebenfalls innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, sodass von keiner Verfolgungsverjährung – wie vom Rechtsvertreter des Bw eingewendet – auszugehen war.   

 

5.3. Zur Bestellung des S B zum verantwortlichen Beauftragten:

 

Gemäß § 9 Abs.3 VStG kann eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

 

Gemäß § 9 Abs.4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungs­befugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungs­strafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

 

Wie aus dem vorgelegten Akt entnommen werden kann, wurde vom Bw in seiner Stellungnahme vom 27.4.2007 ua ein an S B adressiertes Schreiben, in welchem ihm der Aufgabenbereich "Fuhrpark" und "Einsatz der Fahrer" ausdrücklich zur Verantwortung übertragen wurde, vorgelegt. Dieses Schreiben wurde mit 1.4.2004 datiert und sowohl von H B als auch von S B unterfertigt.

 

5.3.1. Aus dem § 9 Abs.3 und Abs.4 VStG ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, klar abzugrenzen ist. Erfolgt eine klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist (vgl. VwGH vom 9.8.1994, 94/11/0207, 0208, 7.4.1995, 94/02/0470, 29.4.1997, 96/05/0282 ua). Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches im Sinne des § 9 Abs.4 VStG muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens - durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens - entscheidend ergänzt werden (vgl. VwGH vom 24.2.1995, 94/09/0171, 29.4.1997, 96/05/0282).  In der Übertragung von bestimmten Aufgaben innerhalb eines Unternehmens an einzelne Beschäftigte liegt noch nicht die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (vgl. VwGH vom 14.9.2001, 2000/02/0181).

 

Der genannte Aufgabenbereich umfasst die Disposition und Überwachung von Fahrzeugen und Fahrern, nicht jedoch die Beschaffung und Kontrolle der Fahrerbescheinigungen, sodass eine klare Zuständigkeit des benannten Beauftragten für Fahrerbescheinigungen nicht ersichtlich ist.

 

Eine weitere wesentliche Voraussetzung, um von einem "verantwortlichen Beauftragten" im Sinne des § 9 Abs.3 VStG, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anstelle des Inhabers des Unternehmens trägt, sprechen zu können, ist zufolge des § 9 Abs.4 VStG die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung.

 

Dass der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ausdrücklich durch den Bestellten zugestimmt wird, geht aus dem Schreiben vom 1.4.2004 nicht expressis verbis hervor. Dieser Nachweis der ausdrücklichen Zustimmung muss nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Zeitpunkt der Tat schon vorhanden sein und kann nicht nachträglich erbracht werden.

 

Weiters wird im oa Schreiben auch keine verwaltungsstrafrechtlich relevante Anordnungsbefugnis, so zB welche Sanktionsmöglichkeiten dem Bestellten bei Zuwiderhandlungen offenstehen,  angeführt, welche ebenfalls eine Voraussetzung für eine Übertragung der Verantwortungspflicht darstellt.

 

Da sohin aus der vorgelegten "Bestellungsurkunde" weder ein klar abgegrenzter Aufgabenbereich für Fahrerbescheinigungen samt dazugehöriger Anordnungs­befugnis erkennbar ist noch ein ausdrücklicher Zustimmungsnachweis, dass der Bestellte die verwaltungsstraf­rechtliche Verantwortung bei Verwaltungsübertretungen anstelle des Bw übernimmt, vorliegt, war vom Nichtvorliegen einer rechtswirksamen Bestellung des S B zum verantwortlichen Beauftragten auszugehen. Die Ansicht des Bw, wonach der vorgelegte Bestellungsakt zum verantwortlichen Beauftragten genüge, wird vom Oö. Verwaltungssenat nicht geteilt, zumal Verwaltungsstrafverfahren von den österreichischen Behörden stets nach den österreichischen Verfahrensgesetzen, hier nach dem Verwaltungsstrafgesetz, abzuführen sind. Dies bedeutet, dass allenfalls abweichende Bestimmungen in anderen Ländern, etwa der BRD, nicht berücksichtigt werden können.

 

5.4. Der Berufung war aber dennoch Folge zu geben:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 15.11.2007, Zl. 2007/03/0127-7, ausgesprochen, dass eine Fahrerbescheinigung keine Gemeinschaftslizenz darstellt und sich daher die Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates, wonach die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden Güterbeförderung, ohne dass – obgleich der Fahrer Drittstaatsangehöriger ist – eine Fahrerbescheinigung vorliegt, unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 GütbefG zu subsumieren sei, als nicht zutreffend erweist. Auch der Umstand, dass in § 25 Abs.2 GütbefG nunmehr die geänderte Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 881/2002 ausdrücklich zitiert ist, vermag daran nichts zu ändern, da bereits vor dieser Novelle des GütbefG mit der Bezugnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 (ohne einzelne Änderungen ausdrücklich anzuführen) eine im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zulässige dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung dieser Verordnung gegeben war, wie sich auch aus dem zitierten Erkenntnis vom 19.10.2004, Zl. 2004/03/0087, ergibt.

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG ergibt, dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann. Auch in diesem Fall hat er nicht dafür gesorgt, dass eine erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wird.

Zwar trifft es zu, dass für die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden grenzüberschreitenden Güterbeförderung, ohne dass der Unternehmer über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, eine gesonderte Strafnorm in § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorgesehen ist; da jedoch im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung keine dieser Bestimmung entsprechende Spezialnorm vorliegt, ist eine Bestrafung nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG nicht ausgeschlossen.

 

Dem Berufungswerber wurde von der belangten Behörde zur Last gelegt, dass er als Inhaber der K I T e.K. mit dem Sitz in, am 8.3.2007 um 16.10 Uhr mit dem Sattelzugfahrzeug, Kennzeichen: (D), eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Güterbeförderung von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in den Niederlanden durch den türkischen Lenker M D durchführen hat lassen, ohne im Besitz einer Fahrerbescheinigung zu sein.

Das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hatte bei der Prüfung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses durch den Oö. Verwaltungssenat Berücksichtigung zu finden, sodass das im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgehaltene Verhalten unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG zu subsumieren ist und nicht unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG. Daraus folgert auch eine andere Formulierung des Tatvorwurfes. Es hat daher der Berufungswerber eine Tat nach § 23 Abs.3 Z3 GütbefG nicht begangen. Es war daher spruchgemäß der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Tatkonkretisierung, Fahrerbescheinigung

 

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