Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222129/3/WEI/Eg/Ga

Linz, 17.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der B K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 14. März 2007, Zl. Ge 96-105-3-2006-BroFr, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 116 Z 1 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz – WTBG (BGBl. I Nr. 58/1999, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 161/2006) zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und 3 VStG eingestellt.

 

II.         Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG ; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 16.6.2006 und am 3.11.2006 in der Zeitschrift "O W" Inserate geschaltet, in welchen Sie Dienstleistungen anbieten, zu denen Sie als G B nicht berechtigt sind. Sie haben die Erledigung des Jahresabschlusses für 200,00 Euro plus Aufbuchung angeboten.

 

Außerdem haben Sie auf der Internetseite Tätig­keiten angeboten, die auf die Tätigkeiten eines Steuerberaters bzw. Wirtschaftsprüfers schließen lassen.

Sie weisen auf dieser Homepage darauf hin, dass Jahresabschlüsse auch selbstverständlich beim Steuerberater "Ihrer Wahl" vorgenommen werden können. Die Internethomepage besteht seit dem 26.1.2002.

 

Sie gehören der Kammer der Wirtschaftstreuhänder nicht als Mitglied an und bieten daher unbefugt Vorbehaltsaufgaben, welchen Mitgliedern der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vorbehalten sind, an.

 

Sie bieten in der Zeit vom 26.1.2002 bis zum 14.12.2006 Tätigkeiten der §§ 3 und 5 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes an, ohne die dafür erforderliche Berechtigung zu besitzen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 116 Z. 1 in Verbindung mit § 3 und § 5 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl. I Nr. 58/1999, i.d.g.F."

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Bwin gemäß § 116 WTBG Einleitungssatz eine Geldstrafe in Höhe von 1.453 Euro und für den Fall der Unein­bringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden der Bwin ferner 145 Euro, d.s. 10 % der Geld­strafe vorgeschrieben. Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher 1.598 Euro.

 

1.2. Gegen dieses am 20. März 2007 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis, richtet sich die am 2. April 2007 persönlich überreichte rechtzeitige Berufung vom 30. März 2007.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich im Wesentlichen der nachstehende Gang des Verfahrens und S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit Anzeige vom 28. November 2006, Zl. 4907/06/Fa, übermittelte die Kammer der Wirtschaftstreuhänder der belangten Behörde Kopien von lnseraten der Bwin, die am 16. Juni 2006 und am 3. November 2006 in der Zeitschrift "O W" geschaltet waren. Wegen des Inserates vom 16. Juni 2006 in der "O W" sei die Bwin bereits am 3. Juli 2006 von der Wirtschaftskammer Österreich abgemahnt worden. Es sei jedoch neuerlich eine Einschaltung in der Zeitschrift vom 3. November 2006 erfolgt. Auf die Website der Bwin unter … wird weiters verwiesen.

 

Gemäß § 116 Z 1 WTBG begehe eine Verwaltungsübertretung, wer eine Tätigkeit anbietet, die Mitgliedern der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vorbehalten ist. Dadurch, dass sich die Bwin nicht als "G B" bezeichne, verstoße sie auch gegen die Bezeichnungspflicht als "G B" gemäß § 102 Abs 2 Gewerbeordnung. Die Bwin gehöre der Kammer der Wirt­schaftstreuhänder nicht als Mitglied an und biete daher unbefugt Vorbehaltsaufgaben der Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder an und sei unbeschadet einer sonstigen Ahndung gemäß dem § 116 WTBG zu bestrafen. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder erstatte daher Veraltungs­straf­anzeige gemäß dem § 116 Z 1 WTBG und rege eine strenge Bestrafung nicht unter 1.453 Euro an.

 

Der Anzeige wurden Kopien der beiden Inserate, des Schreibens der Wirtschaftskammer Österreich vom 3. Juli 2006 sowie von Ausdrucken der angegebenen Website der Bwin beigelegt.

 

2.2. Den Beilagen zur Anzeige der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 28. November 2006 sind folgende Inserate der Bwin im Kleinanzeiger der "O W" unter der Rubrik "Geschäftliches" zu entnehmen:

 

Anzeigetext vom 3. November 2006 :

 

"Klein- und Mittelbetriebe aufgepasst:

Jahresabschluss € 200,- + Aufbuchung

Buchhaltungsbüro B K

Tel. "

 

Anzeigetext vom 16.Juni 2006 :

 

"KUM`s aufgepasst. Jahresabschluss

€ 200,- + Aufbuchung.

Buchhaltungsbüro B K,

Tel. "

 

Im Schreiben der Wirtschaftskammer Österreich (Fachverband Unternehmens­beratung und IT) vom 3. Juli 2007 wird der Bwin unter Bezugnahme auf ein nicht näher bezeichnetes Inserat Folgendes mitgeteilt:

 

"Sehr geehrte Frau K!

 

Wir wurden von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder schriftlich darauf hingewiesen, dass Sie Dienstleistungen anbieten, die auf jene eines Steuerberaters bzw. Selbständigen Buchhalter schließen lassen (siehe beiliegendes Inserat).

 

Wir bitten Sie daher, derartige Dienstleistungsangebote zu unterlassen, um eine Klage seitens der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu verhindern.

 

Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

...."

 

2.3. Mit Telefaxschreiben vom 14. Dezember 2006 übermittelte die Kammer der Wirtschaftstreuhänder der belangten Behörde einen Ausdruck gleichen Datums aus der Website der Bwin unter. Mit der Anzeige wurden dazu bereits sog. Screenshots (kleine Bildschirmausdrucke) in Kopie übermittelt. Dem Auszug aus der Website kann zum Thema "Buchhaltung & Finanzdienstleistung" u.a. entnommen werden:

 

"Ueber uns

 

B K hat in A  BEI  L ein

kundenfreundliches Buchhaltungsbüro eröffnet. Ohne starre Bürozeiten.

Über Handy oder der E-Mail-Adresse ist das Team jederzeit erreichbar.

 

Wir möchten uns auf Klein- und Mittelbetriebe in L-Stadt, L-Land,

U-U und M konzentrieren.

Firmen aller Branchen, die persönliche und fachliche Betreuung

schätzen, werden diese junge Firma mögen.

Vor allem NEUEINSTEIGER, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen,

liegen dem Team am Herzen.

Sie werden von der fröhlichen, unbürokratischen Art der Betreuung

begeistert sein."

 

"Unser Service:

 

·        Abholung der fälligen Buchhaltung und Aufbuchung.

·        Vor dem 15. jeden Monats bringt das Team den ausgefüllten

      Erlagschein für die Einzahlung beim Finanzamt   p e r s ö n l i c h

      vorbei und hat für allfällige Fragen ein offenes Ohr.

·        Die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen werden beim

      zuständigen Finanzamt pünktlichst abgegeben.

·        Für diese Arbeiten wird ein Pauschalbetrag vereinbart.

·        Für Anfragen, Auskünfte oder persönliche Beratungen wird kein

      Extrahonorar verrechnet.

·        Jahresabschlüsse können selbstverständlich auch beim Steuerberater

      Ihrer Wahl vorgenommen werden."

 

2.4. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Jänner 2007, hinterlegt am 24. Jänner 2007, hat die belangte Behörde der Bwin die Verwaltungsübertretung wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet und ihre persönlichen Verhältnisse wie folgt: "Monatliches Nettoeinkommen ca. 1.800,00 Euro. kein Vermögen, keine Sorgepflichten" eingeschätzt. Die Bwin hat darauf nicht reagiert, weshalb in der Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 14. März 2007, Zl. Ge 96-105-3-2006-BroFr, ohne ihre weitere Anhörung erlassen wurde.

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der Sachverhalt und das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten aufgrund der Aktenlage, insbesondere durch die Anzeige der Kammer der Wirtschaftstreuhänder als erwiesen anzusehen sei. Die Bwin sei als Gewerbeinhaberin dafür verantwortlich, dass von Ihr als Buchhaltungsbüro B K Arbeiten wie Jahresabschluss um 200 Euro plus Aufbuchung öffentlich angeboten worden seien, obwohl dieser angebotene Jahresabschluss von ihrer Gewerbeberechtigung nicht umfasst sei.

 

Gemäß § 116 Z 1 WTBG sei zu bestrafen, wer eine in den §§ 2 bis 5 angeführten Tätigkeiten anbiete, ohne die erforderliche Berechtigung zu besitzen. Bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2006 sei die Bwin von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder schriftlich darauf hingewiesen worden, dass sie Dienstleistungen anbiete, die auf jene eines Steuerberaters bzw. S B schließen ließen. In diesem Schreiben sei sie darauf hingewiesen worden derartige Dienst­leistungsangebote zu unterlassen. Trotz dieses Schreibens habe sie im Klein­anzeiger vom 3. November 2006 abermals Jahresabschlussarbeiten um 200 Euro plus Aufbuchung angeboten und somit eine Tätigkeit angeboten, die Mitgliedern der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vorbehalten sei, obwohl sie kein Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sei. Gemäß § 1 WTBG seien Wirtschafts­treuhandberufe Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, wobei § 3 WTBG den Berechtigungsumfang des Steuerberaters und § 5 WTBG den des Wirtschaftsprüfers regle. Durch ihr Vorgehen habe die Bwin Vorbehaltsaufgaben der Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder angeboten. Die angeführte Strafnorm schütze die zur selbständigen Ausübung des Berufs Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer Berechtigten sowie die Interessen deren Klienten. Diese sollen vor Personen geschützt werden, die Beratungsleistungen in dieser Berufsgruppe vorbehaltenen Bereiche anbieten, welche die dazu notwendigen Qualifikationen nicht nachweisen können. Durch das Verhalten der Bwin seien Interessen in einer nicht unerheblichen Art und Weise beeinträchtigt worden.

 

Für die Strafbarkeit genüge fahrlässiges Verhalten. Entlastungsgründe seien nicht vorgebracht worden. Da die Bwin keine Angaben zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen gemacht habe, seien bei der Strafbemessung die geschätzten Angaben zu berücksichtigen gewesen.

 

2.5. Dagegen brachte die Bwin mit Schriftsatz vom 30. März 2007 das Rechtsmittel der Berufung ein. Einem beiliegenden Schreiben der Wirtschaftskammer Oberösterreich (Service-Recht) vom 30. März 2007 ist zu entnehmen, dass die Berufung vom Service-Center der Wirtschaftskammer Oberösterreich für die Bwin entworfen wurde, weil auch dort die Ansicht vertreten wird, dass G B "Jahresabschlüsse" erstellen dürfen. Der Inhalt der Berufung lautet:

 

"Mir wird vorgeworfen, in den Vorbehaltsbereich des Steuerberatungsgewerbes eingegriffen zu haben, in dem ich "Jahresabschlüsse" als G B angeboten habe.

 

Dieser Vorwurf ist schon deswegen unberechtigt, weil G B auf Grund der Bestimmung des § 102 Abs 1 GewO seit jeher (schon in der Fassung des Gesetzes zum Zeitpunkt der Einführung dieses Berufes (§ 134 a GewO)) berechtigt waren und sind, Jahresabschlüsse für Einnahmen-Ausgabenrechner zu erstellen! Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 102 Abs 1 letzter Satz GewO, wonach G B zum Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen) ausgenommen im Rahmen der Einnahmen-Ausgabenrechnung nicht berechtigt sind. Wir sind also ausdrücklich dazu berechtigt, Jahresabschlüsse für Einnahmen-Ausgabenrechner zu erstellen.

 

Da die Berechtigung der G B auch durch die GewO-Novelle 2006 bzw. durch § 98 Abs 1 Bilanzbuchhaltergesetz unberührt bleibt, hat sich am Inhalt des Berechtigungsumfanges der G B insofern nichts geändert. Ich stelle daher den

Antrag,

die Berufungsbehörde (UVS OÖ) möge den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ersatzlos beheben.

eh. Unterschrift

B K"

 

2.6. Mit Schreiben vom 17. April 2007 legte die belangte Behörde die Berufung mit ihrem Verfahrensakt zur Entscheidung vor, ohne eine Gegenschrift zu verfassen.

 

2.7. Mit Schreiben vom 31. Juli 2007 übermittelte die Kammer der Wirtschafts­treuhänder dem Oö. Verwaltungssenat die Ablichtung eines weiteren Inserats der Bwin im Kleinanzeiger der "O W" vom 22. Juni 2007 mit gleichem Inhalt wie unter Punkt 2.2. dargestellt.

 

3. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis aus rechtlichen Gründen schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Das WTBG ist in der zur Zeit der Tat im Jahr 2006 gültigen Fassung nach dem BGBl I Nr. 85/2005 heranzuziehen (vgl § 1 Abs 2 VStG).

 

Die Strafbestimmung des § 116 WTBG in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung (Änderung nur in Z 1 statt "§§ 2 bis 5" nunmehr "§§ 3 und 5") lautet:

 

§ 116. Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine mit Geldstrafe von 436 Euro bis zu 14.536 Euro zu bestrafende Verwaltungsübertretung, wer

 

1.   ohne Berufsberechtigter zu sein einen Wirtschaftstreuhandberuf selbständig ausübt oder eine der in §§ 2 bis 5 angeführten Tätigkeiten anbietet, ohne die erforderliche Berechtigung zu besitzen, oder

2.   eine Berufsbezeichnung gemäß den §§ 67 oder 84 unberechtigt verwendet oder

3.   der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 91, ohne davon entbunden zu sein, zuwiderhandelt.

 

Nach dem mit Inkrafttreten des BGBl I Nr. 161/2006 am 1. Jänner 2007 (vgl § 97 leg.cit.) aufgehobenen § 2 WTBG war den zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes "S B" Berechtigten die Ausübung von näher aufgelisteten Tätigkeiten vorbehalten. Im § 2 Abs 1 WTBG wurde u.A. genannt:

 

"2.   den Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen) nach Handelsrecht oder anderen gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der durch § 125 Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 9/1998 festgesetzten Wertgrenzen,"

 

Durch das mit 1. Jänner 2007 in Kraft getretene neue Bilanzbuchhaltungsgesetz – BiBuG (vgl Art III BGBl I Nr. 161/2006) werden die Buchhaltungsberufe neu geregelt, wobei künftig zwischen Bilanzbuchhalter, Buchhalter und Personalverrechner differenziert wird. Die Berufe "G B" und "S B" werden mit BGBl I Nr. 161/2006 abgeschafft. Gemäß der Übergangs­vorschrift des § 98 Abs 1 des BGBl I Nr. 161/2006 bleiben erlangte Berechtigungen, Bezeichnungsvorschriften, Anwartschaften und erworbene Rechte "G B" und "S B" auch nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes unberührt.

 

§ 3 WTBG regelt den Berechtigungsumfang des Wirtschaftstreuhandberufes "Steuerberater" und listet die entsprechenden Tätigkeiten auf. Nach § 3 Abs 2 Z 1 WTBG besteht eine Berechtigung für alle Tätigkeiten des "S B" nach § 2 WTBG. Außerdem wird im § 3 Abs 1 leg.cit. im gegebenen Zusammenhang angeführt:

 

"2.   die Beratung auf dem Gebiet des Bilanzwesens und der Abschluss kaufmännischer Bücher,"

 

§ 5 regelt den Berechtigungsumfang des Wirtschaftstreuhandberufes "Wirtschaftsprüfer". Dieser darf neben weiteren aufgelisteten Arbeiten auch alle Tätigkeiten des Steuerberaters ausüben.

 

4.2. Gemäß § 4 Abs 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) darf der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben dann als Gewinn angesetzt werden, wenn keine gesetzliche Pflicht zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden.

 

Nach § 189 Abs 1 Unternehmensgesetzbuch (UGB) besteht grundsätzlich (Ausnahmen im § 189 Abs 4 UGB) eine handelsrechtliche Verpflichtung zur Buchführung für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, und für Unternehmer, die hinsichtlich der einzelnen einheitlichen Betriebe jeweils mehr als 400.000 Euro Umsatzerlöse im Geschäftsjahr erzielen.

 

Soweit sich die Verpflichtung nicht schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt (vgl § 124 BAO), sind gemäß § 125 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) Unternehmer für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 31),

 

a)      dessen Umsatz in zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren jeweils 400.000 Euro überstiegen hat, oder

b)      dessen Wert zum 1. Jänner eines Jahres 150.000 Euro überstiegen hat,

 

verpflichtet, für Zwecke der Erhebung der Abgaben vom Einkommen Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen.

 

4.3. Da gemäß der Übergangsvorschrift des § 98 Abs 1 im BGBl I Nr. 161/2006 erlangte Berechtigungen und Bezeichnungsvorschriften unberührt geblieben sind, ist auf die bisherigen "G B" weiterhin der § 102 Gewerbeordnung 1994 anzuwenden. Dieser lautete in der zuletzt bis 31. Dezember 2006 gültigen Fassung:

 

Buchhaltung

 

§ 102. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Buchhaltung (§ 94 Z 9) bedarf es für die pagatorische Buchhaltung (Geschäftsbuchhaltung) einschließlich der Lohnverrechnung und der Erstellung der Saldenlisten für Betriebe, und der Einnahmen- und Ausgabenrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988. G B sind weiters zur Vertretung und zur Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der unterjährigen Umsatzsteuervoranmeldungen einschließlich der zusammenfassenden Meldungen, zur Akteneinsicht auf elektronischem Wege bei den Finanzbehörden und zur kalkulatorischen Buchhaltung berechtigt. Die nähere Regelung der automationsunterstützten Datenverarbeitung zwischen G Bn und den Abgabenbehörden des Bundes erfolgt durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen. Ab dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung kann das Recht auf Vertretung gegenüber den Abgabenbehörden des Bundes ausgeübt werden.

G B sind zum Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen), ausgenommen im Rahmen der Einnahmen- und Ausgabenrechnung, und zur Vertretung ihrer Auftraggeber vor Behörden nicht berechtigt.

             (2) Buchhalter haben sich im geschäftlichen Verkehr, auf Geschäftspapieren, auf Druckschriften und Verlautbarungen sowie in der äußeren Geschäftsbezeichnung und in sonstigen Ankündigungen als "G B" zu bezeichnen.

 

In den Berechtigungsumfang des G Bs fällt die einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnung iSd § 4 Abs 3 EStG und damit der Abschluss von Büchern auf Grund und im Rahmen dieser Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Der Abschluss von Büchern beim Erstellen von Bilanzen auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung zur Buchführung steht ausschließlich den Wirtschaftstreuhandberufen zu (vgl Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2 Rz 4 zu § 102)

 

4.4. Mit dem Erkenntnis vom 12. März 2004, Zl. G 289/02 (= VfSlg 17171/2004), hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "im Rahmen der doppelten Wertgrenzen des § 125 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung des BG BGBl. I Nr. 9/1998" in § 102 Abs 1 erster Satz Gewerbeordnung 1994 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten (Kundmachung BGBl I Nr. 49/2004).

 

Der Verfassungsgerichthof erachtete die gesetzliche Beschränkung der G B bei der Geschäftsbuchhaltung (einschließlich Lohnverrechnung und Erstellung der Saldenlisten) auf Betriebe, deren Umsatz sich im Rahmen der doppelten Wertgrenzen des § 125 BAO hält, für unsachlich und daher dem Gleichheitssatz widersprechend, weil die verliehene Befugnis zur pagatorischen Buchhaltung – gleichgültig ob diesseits oder jenseits der verdoppelten Umsatzgrenzen des § 125 BAO – die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten erfordere.

 

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sah der Verfassungsgerichthof darin, dass der Gesetzgeber im § 102 Abs 1 GewO 1994 G B vom "Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen), ausgenommen im Rahmen der Einnahmen- und Ausgabenrechnung" ausschloss. Er begründete dies damit, dass der gemäß § 4 Abs 1 EStG erforderliche Betriebsvermögensvergleich die Anwendung von Bilanzierungsgrundsätzen erfordere, die für den Einnahmen- Ausgaben-Rechner gemäß § 4 Abs 3 EStG keine Relevanz haben. Mit dem Abschluss von Büchern (Erstellung von Bilanzen) seien besondere Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten verbundnen, die im Normalfall den Ausbildungsstandard und die berufliche Qualifikation des G Bs übersteigen. Der Gesetzgeber habe einen Stufenbau vom G B zu den Wirtschaftstreuhandberufen schaffen wollen (Hinweis auf AB 1636 BlgNR 20. GP), in dem bewusst als erste Stufe der im Berechtigungsumfang entsprechend seiner Ausbildung eingeschränkte "G B" gesetzlich eingerichtet worden sei.

 

4.5. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk. verst. Senate VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.6. Die belangte Behörde hat der Bwin im Wesentlichen angelastet, die Erledigung von Jahresabschlüssen für 200 Euro plus Aufbuchung in Inseraten und auf ihrer Internetseite Tätigkeiten eines Steuerberaters bzw Wirtschaftsprüfers angeboten zu haben, weil sie darauf hingewiesen hat, dass Jahresabschlüsse selbstverständlich auch beim Steuerberater "Ihrer Wahl" vorgenommen werden können.

 

Mit dieser undifferenzierten Anlastung verfehlt die belangte Behörde den im vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Punkt. Denn wie die Berufung insofern mit Recht ausführt, sind "G B" im Sinne des § 102 GewO 1994 berechtigt, Jahresabschlüsse für Einnahmen-Ausgabenrechner iSd § 4 Abs 3 EStG zu erstellen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus dem letzten Satz des § 102 Abs 1 GewO 1994. Sie sind allerdings nicht zum Abschluss kaufmännischer Bücher und der Erstellung von Bilanzen berechtigt.

 

Da die Bwin aber die Einschränkung auf Einnahmen-Ausgabenrechner iSd § 4 Abs 3 EStG nicht anführte und in ihren Inseraten (indirekt auch im Internet) die Jahresabschlüsse ausdrücklich für Klein- und Mittelbetriebe angeboten hat, vertritt auch der Oö. Verwaltungssenat die Ansicht, dass sie damit den Berechtigungs­umfang nach § 102 GewO 1994 eindeutig überschritten hat. Denn bei dieser irreführenden Werbung müssen die beteiligten Verkehrskreise annehmen, dass die Bwin auch zum Abschluss von kaufmännischen Büchern und zur Erstellung von Bilanzen berechtigt ist, hat sie doch sinngemäß auch Jahresabschlüsse für Mittelbetriebe angeboten, welche der Buchführungspflicht nach Handelsrecht oder nach § 125 BAO unterliegen, zumal Mittelbetriebe jedenfalls die einschlägigen Grenzen (Jahresumsatz von 400.000 Euro oder Unternehmenswert von 150.000 Euro) übertreffen.

 

Die belangte Behörde ist in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass die Bwin bereits mit dem bloßen Anbot der Erledigung von Jahresabschlüssen für 200 Euro plus Aufbuchung in den Bereich der den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehaltenen Tätigkeiten eingreife. Wie schon oben näher dargelegt, trifft dies in dieser Allgemeinheit keineswegs zu. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte der Bwin angelastet werden müssen, dass sie mangels eines Hinweises auf die Einnahmen- und Ausgabenrechnung iSd § 4 Abs 3 EStG sinngemäß auch Jahresabschlüsse für buchführungspflichtige Mittelbetriebe angeboten hat, welche den Abschluss kaufmännischer Bücher und Erstellung von Bilanzen beinhalten. Diese Tätigkeiten wären tatsächlich den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehalten, weshalb ein solches Werbeanbot durch einen G B gemäß § 116 Z 1 WTBG strafbar ist.

 

Dem unabhängigen Verwaltungssenat ist eine Änderung des Schuldspruchs im dargelegten Sinne verwehrt, weil er wesentliche Tatmerkmale austauschen müsste, was im Ergebnis zur unzulässigen Anlastung einer anderen Tat führte. Da auch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Jänner 2007 keinen geeigneten Tatvorwurf enthält, ist wegen Ablaufs der Sechsmonatefrist des § 31 Abs 2 VStG längst Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Dass sich die Bwin entgegen der Verpflichtung nach § 102 Abs 2 GewO 1994 im geschäftlichen Verkehr auf Inseraten und Ankündigungen im Internet nicht als "G B" bezeichnet hat, wie die Kammer der Wirtschaftstreu­händer mehrfach mit Recht rügte, war nicht Gegenstand des angefochtenen Straferkenntnisses und damit auch nicht des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 (die zur Last gelegte Tat bildet noch keine Verwaltungsübertretung) und Z 3 (Verfolgungsverjährung) VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

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