Linz, 10.01.2008
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn E B, geb. , K, D, vertreten durch Dr. S Rechtsanwälte, M, M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 22.11.2007, VerkR96-4227-2005 betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, als der Spruch zu lauten hat:
"Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen."
Rechtsgrundlage:
§ 71 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG.
Entscheidungsgründe:
Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) mit Straferkenntnis vom 22.2.2007, VerkR96-4227-2005 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.1 iVm § 101 Abs.1 lit.e KFG eine Geldstrafe von 363 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt und einen Verfahrenskostenbeitrag von 36,30 Euro vorgeschrieben.
Dieses Straferkenntnis wurde – siehe Rückschein – dem Rechtsvertreter des Bw am Dienstag, dem 6. März 2007 nachweisbar zugestellt.
Die gegen den o.a. Bescheid am Donnerstag, dem 22. März 2007 per FAX eingebrachte Berufung wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (UVS) vom 7.11.2007, VwSen-162240/2 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Mit Eingabe vom 24.4.2007 hat der Rechtsvertreter des Bw betreffend die Versäumung der Berufungsfrist einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit dem in der Präambel zitierten Bescheid gem. § 71 Abs.1 AVG zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 6.12.2007 erhoben und Nachstehendes vorgebracht:
Die Kanzlei des Rechtsvertreters des Bw verfügt über 3 Kanzleisitze; jeweils näher bezeichnete Adressen in
- D- I,
- D- U und
- D- M.
Das eingangs erwähnte erstinstanzliche Straferkenntnis vom 22.2.2007 wurde an den Kanzleisitz M gesendet und dort am Dienstag, 6. März 2007 übernommen (siehe Rückschein).
Die Mitarbeiterin in der Kanzlei in M, Frau C. S. hat dieses Straferkenntnis an die Kanzleiadresse I weitergeleitet.
Die dortige Mitarbeiterin, Frau N. N. habe jedoch nicht erkannt, dass das Schriftstück vom Kanzleisitz aus M kam, sondern hätte angenommen, dass es eine Direktzustellung sei und habe eine Fristeintragung vorgenommen, welche von einer Zustellung des Straferkenntnisses zum Zeitpunkt des Eingangs im Kanzleisitz I – am Donnerstag, 8. März 2007 – ausgegangen ist.
Hierüber hat der UVS durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:
Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG – welcher auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist (§ 24 VStG) – ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist die Sendung in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden (§ 13 Abs.4 Zustellgesetz).
Verfügt eine Rechtsanwaltskanzlei über mehrere Kanzleisitze und/oder beschäftigt diese mehrere Angestellte so kann ein behördliches Schriftstück an jeden dieser Kanzleisitze zugestellt und von jedem dort anwesenden Angestellten entgegen genommen werden;
siehe dazu die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I, 2. Auflage, E 37 zu § 13 Zustellgesetz (Seite 1958) zitierten Entscheidungen des VwGH.
Eine Rechtsanwaltskanzlei, welche über mehrere Kanzleisitze verfügt und/oder mehrere Angestellte beschäftigt, hat jedenfalls derart organisiert und überwacht zu sein, dass Rechtsmittelfristen eingehalten werden, gleichgültig an welche Kanzleiadresse ein behördliches Schriftstück zugestellt wird und/oder von welchem Angestellten dieses übernommen wird.
Bei beruflich rechtskundigen Parteienvertretern ist ein strenger Maßstab anzulegen; siehe dazu die in Walter-Thienel, aaO, E 182 zu § 71 AVG, (Seite 1577) zitierten Erkenntnisse des VwGH.
Der Rechtsvertreter des Bw hat in keinem Stadium des Verfahrens – insbesondere auch nicht in jenen Schriftsätzen, welche vor Erlassung des o.a. erstinstanzlichen Straferkenntnisses ergangen sind – ausgeführt, dass eine Zustellung behördlicher Schriftstücke nur an einen bestimmten seiner drei Kanzleisitze erfolgen sollte!
Die belangte Behörde hat daher völlig zu Recht das erstinstanzliche Straferkenntnis an den Kanzleisitz in M zugestellt – in gleicher Weise wäre auch eine Zustellung an den Kanzleisitz in I oder an den Kanzleisitz in U rechtmäßig gewesen!
Die Rechtsmittelfristen beginnen mit der zeitlich ersten Zustellung an einen dieser Kanzleisitze.
Werden behördliche Schriftstücke von einem Kanzleisitz zu einem anderen Kanzleisitz ein- und derselben Rechtsanwaltskanzlei gesendet, so erfolgt dies innerhalb der Berufungsfrist und vom Rechtsanwaltsbüro ist dafür Sorge zu tragen, dass die Rechtsmittelfristen eingehalten werden.
Die an der Kanzleiadresse I beschäftigte Mitarbeiterin, Frau N. N. habe nicht erkannt, dass das Schriftstück von der Kanzleiadresse in M gesendet wurde, sondern habe angenommen, dass es sich um eine "Direktzustellung" handle.
Dies ist – worauf der Rechtsvertreter des Bw in der Berufung (Seite 2, letzter Absatz) selbst zutreffend hinweist – als "Unzulänglichkeit des Verhaltens der Mitarbeiter der Kanzlei" und somit als (Organisations-)Verschulden des Rechtsvertreters des Bw anzusehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist – entgegen dem Berufungsvorbringen – "ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen!"
VwGH vom 8.9.1999, 99/01/0350 und vom 22.3.2002, 99/01/0268.
Anders ausgedrückt: Dem Bw ist daher das (Organisations-)Verschulden seines Rechtsvertreters vollinhaltlich zuzurechnen!
Die belangte Behörde hat sich im erstinstanzlichen Bescheid des Ausdruckes "zurückgewiesen" anstelle richtigerweise des Ausdruckes "abgewiesen" bedient.
Aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergibt sich jedoch, dass die belangte Behörde eine inhaltliche Entscheidung getroffen hat.
Durch die unrichtige Formulierung im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides – "zurückgewiesen" anstelle richtig: "abgewiesen" (= sog. "Vergreifen im Ausdruck") – wurde der Bw nicht in seinen Rechten verletzt.
Walter-Thienel, aaO, E 340 zu § 66 AVG (Seite 1305) mit Judikaturhinweisen.
Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid – mit der im Spruch angeführten Maßgabe – zu bestätigten und spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
Mag. Kofler
Beschlagwortung:
§ 71 Abs.1 Z1 AVG – Rechtsanwalt – Organisationsverschulden;