Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400929/5/SR/Ba

Linz, 23.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des K, geb. am, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Dr. P L und Dr. M S, Rechtsanwälte in S, H-S-Gasse, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 14. Jänner 2008, Sich40-3565-2007 und der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Beschwerde wird Folge gegeben und es werden der Bescheid vom 14. Jänner 2008, Sich40-3565-2007, und die darauf beruhende Anhaltung des Beschwerdeführers (14. bis 22. Jänner 2008, 12.00 Uhr) für rechtswidrig erklärt.    

II.                  Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 699,20 Euro (darin enthalten 38,40 Euro Eingabegebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 27. Dezember 2007 schlepperunterstützt und in einem Lkw versteckt illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Die illegale Einreise wurde vom Schlepper organisiert und die Kosten (5.500,-- Euro) vom Bf bezahlt. Diesen Betrag hatte der Bf von seinem Vater erhalten.   

 

Am 28. Dezember 2007 brachte der Bf beim BAA-EAST-West persönlich einen Asylantrag ein. Im Anschluss an die Antragsstellung (AZ 07 12.171) wurde dem Bf die Grundversorgung in der Bundesbetreuungsstelle Thalham gewährt (Entlassung aus der Betreuungsstelle mit Schubhaftverhängung am 14. Jänner 2008).  

 

Gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau wies sich der Bf lediglich mit seinem türkischen Personalausweis (D, ausgestellt am 27.09.2007 in der Türkei) aus, da er keinen türkischen Reisepass besitze.

 

Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau fand am 3. Jänner 2008 statt. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Bf an, dass er Kurde und Alvit sei, aus diesem Grund sein Studium nicht fortsetzen habe können, den Militärdienst nicht abgeleistet habe und deshalb sein Leben in Gefahr sei. Im Fall der Rückkehr habe er Angst bei der Ableistung des Militärdienstes umgebracht zu werden.   

 

1.2. Mit FAX vom 10. Jänner 2008 ersuchte das BAA-EAST-West die belangte Behörde die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG (Führung von Dublin Konsultationen mit Rumänien seit 10. Jänner 2008; beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrages) an den Bf zuzustellen. Gleichzeitig brachte das BAA-EAST-West damit der belangten Behörde zur Kenntnis, dass diese Mitteilung auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gelte. Die Mitteilung wurde am 14. Jänner 2008 an den Bf ausgefolgt; eine Bestätigung der Übernahme wurde vom Bf verweigert.

 

2.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 14. Jänner 2008,       Zl. Sich40-3565-2007, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 76 Abs. 2 Z. 4 iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Linz eingeliefert. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde vom Bf persönlich übernommen. Die Bestätigung der Übernahme hat der Bf verweigert.

 

In der Begründung hat die belangte Behörde eine ausführliche Sachverhaltsfeststellung vorgenommen. Auf Grund der Vorlage eines am 27. September 2007 ausgestellten Personalausweises wird die Identität des Bf als gesichert angesehen.

 

Entgegen dem nachfolgenden Ermittlungsergebnis habe der Bf bei der Erstbefragung angegeben, dass er Ende Oktober 2007 mit dem Bus von Elazig nach Istanbul gefahren wäre, Istanbul am 24. Dezember 2007 schlepperunterstützt verlassen habe und in Salzburg am 27. Dezember 2007 angekommen sei.

 

Infolge der am 4. Jänner 2008 vom BAA-EAST-West getätigten Anfrage teilte Rumänien mit Schreiben vom 8. Jänner 2008 mit, dass der Bf am 24. Oktober 2007 beim Rumänischen Konsulat in Istanbul ein Visum für Rumänien beantragt und ihm ein Visum mit einer Gültigkeitsdauer von 25. Oktober bis 24. November 2007 ausgestellt worden sei. Mittels Flugzeug sei der Bf am 31. Oktober 2007 am internationalen Flughafen in Bukarest eingereist. Wann die Ausreise erfolgte, sei jedoch unbekannt.

 

Bedingt durch dieses Ermittlungsergebnis ging die belangte Behörde davon aus, dass der Bf über Rumänien und nach weiteren illegalen Grenzübertritten nach Österreich gelangt sei. Mit der weiterführenden Flucht von Rumänien nach Österreich unterstreiche der Bf seine schon in der Heimat bestehende Absicht, sich in Österreich bei seinem Bruder niederzulassen. Die unterlassene Asylantragstellung in Rumänien sei mit den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in Einklang zu bringen. Das Verschweigen des legalen Aufenthaltes in Rumänien und der darauf abgestellte zeitliche Rahmen zeige auf, dass durch die Verschleierung der Abreise und der Reisebewegungen ein Aufenthaltsrecht in Österreich erschlichen werden sollte. Die bewussten Falschangaben würden eindeutig dokumentieren, dass der Bf nicht gewillt sei, mit den österreichischen Behörden zusammen zu arbeiten. Die Gesamtheit seiner Verhaltensweise (illegale Einreise nach Österreich ohne gültigem Reisepass und Sichtvermerk, keine Asylantragsstellung in Rumänien trotz Aufenthaltsrechts, Verschleierung der Reiseroute und Mittellosigkeit in Österreich) weise darauf hin, dass der Bf nicht gewillt sei, in den zur Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Staat zurückzukehren. Unter Zugrundelegung der Gesamtheit des Sachverhaltes sei der akute Sicherungsbedarf zu bejahen und von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand zu nehmen gewesen. Die praktizierte Verhaltensweise des Bf sei als klassischer "Asyltourismus" zu betrachten.   

 

2.2. Mit Fax vom 16. Jänner 2008 gaben die einschreitenden Rechtsanwälte bekannt, dass sie vom Bf mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt worden seien.

 

2.3. Mit Schriftsatz vom 17. Jänner 2008, eingelangt per Fax am 17. Jänner 2008, erhob der Bf durch seine rechtsfreundlichen Vertreter "Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte den Antrag auf "Fällung folgenden Bescheides: Die mit dem Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Vöcklabruck vom 14.01.2008 zu Aktenzeichen Sich40-3565-207 gegen I K, geb, Staatsangehörigkeit: Türkei, verhängte Schubhaft ist rechtswidrig (in eventu unter Anwendung gelinderer Mittel)".

 

Den Sachverhaltsfeststellungen und der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde hat der Rechtsvertreter entgegengehalten, dass der Bf noch vor Ablauf des Visums am "24.11. 2007" Rumänien verlassen habe und in die Türkei zurückgekehrt sei und sich dort bis zu "seiner Flucht am 24.11.2007" befunden habe. Die Türkei habe der Bf am "24.11.2007 mittels eines LKW" verlassen und am "28.12.2007" habe der Bf in der EAST-West einen Asylantrag gestellt. Die Überlegungen der belangten Behörde zur Motivation des Bf könnten nicht nachvollzogen werden. Ebenso entspreche die behördliche Annahme, dass sich der Bf nach dem 31. Oktober 2007 bis zur Einreise in Österreich in Rumänien aufgehalten habe, nicht den Tatsachen. Auch lasse sich aus der Tatsache, dass die Ausreise aus Rumänien nicht dokumentiert sei, die behördliche Schlussfolgerung nicht ziehen.

 

Tatsächlich sei der Bf vor Ablauf seines rumänischen Visums wieder in die Türkei ausgereist und habe sich dort zumindest vier Wochen aufgehalten. Infolge der Verschlechterung der Situation sei der Bf in Eile gewesen und habe kein Visum mehr beantragen können. Aufgrund eines Missverständnisses habe der Bf die Ausstellung des rumänischen Visums nicht angegeben. In diesem Zusammenhang bezog sich der Rechtsvertreter wiederholt auf eine Reisebewegung in der Zeit zwischen "24.11.2007 und 28.11.2007". Die Angaben des Bf würden gänzlich der Wahrheit entsprechen und er habe keinerlei Fakten verschwiegen. Es könne ihm daher nicht unterstellt werden, dass er die österreichischen Behörden täuschen und er sich ein Aufenthaltsrecht in Österreich erschleichen wollte. Die Schubhaft sei rechtswidrig, da diese alleine mit der illegalen Einreise und der Mittellosigkeit des Bf nicht gerechtfertigt werden könne. Neben der Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft sei auch festzustellen, dass der Zweck der Schubhaft auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden hätte können. Im Falle der Enthaftung könne der Bf bei seinem Onkel, einem österreichischen Staatbürger, Wohnsitz nehmen. Dieser würde über ein regelmäßiges Einkommen verfügen und dem Bf Unterkunft gewähren. Er habe bereits eine Haftungserklärung unterfertigt und sich verpflichtet, für jegliche Unkosten wie einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung sowie den Unterhalt des Bf aufzukommen.

 

Abschließend wurde der Aufwandersatz begehrt.

 

3.1. Mit Schreiben vom 18. Jänner 2008 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt per e-mail übermittelt, eine Gegenschrift erstattet, ergänzende Ausführungen getätigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Im Wesentlichen führte die belangte Behörde aus, dass die familiären Bande nicht sehr stark sein können, da der Bf keine entsprechenden Angaben bei Befragung durch die Exekutivbeamten machen konnte. Gerade der bestehende verwandtschaftliche Bezug des Bf zu den in Österreich lebenden Familienmitgliedern würde die Gefahr des Untertauchens deutlich erhöhen. Das Vorbringen der legalen Ausreise aus Rumänien in die Türkei würde im Hinblick auf bestens bewachte Außengrenzen für nicht glaubwürdig erachtet und auf die notorische und symptomatische Vergesslichkeit des Bf (Student!) würde besonders hingewiesen. Diese Vergesslichkeit belege eindeutig die Verschleierungstaktik gegenüber der belangten Behörde. Ziel des Bf sei sich dadurch einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet zu erschleichen. Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

 

Dem Vorlageakt war eine Meldung der Bundespolizeidirektion Linz angeschlossen, aus der ersichtlich ist, dass sich der Bf seit dem 18. Jänner 2008 in Hungerstreik befindet. 

 

3.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den Verwaltungsakt, der in Form eines E-Mails übermittelt worden ist,  festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Die telefonische Anfrage im PAZ Linz am 21. Jänner 2008 ergab, dass sich der Bf nach wie vor in Hungerstreik befindet, täglich einer ärztlichen Untersuchung zugeführt wird und derzeit die Haftfähigkeit noch gegeben ist. 

 

3.3. Mit Schreiben vom 22. Jänner 2008 teilte die belangte Behörde mit, dass der Bf am 22. Jänner 2008, um 12.00 Uhr aus der Schubhaft entlassen worden ist. Begründet wurde die Entlassung damit, dass infolge des Hungerstreiks die Haftunfähigkeit des Bf eingetreten war.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit dem 14. Jänner 2008 für die belangte Behörde im PAZ Linz in Schubhaft angehalten. Der Bf befand sich vom 18. bis 22. Jänner 2008 in Hungerstreik. Im Anschluss an die aä. Untersuchung, bei der die Haftunfähigkeit festgestellt worden war, ist der Bf am 22. Jänner 2008, um 12.00 Uhr, aus der Schubhaft entlassen worden.   

 

Die Beschwerde ist zulässig.    

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

 

4.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Asylwerber. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Die belangte Behörde hat sich bei der Schubhaftverhängung auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 FPG gestützt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass ein Ausweisungsverfahren nach dem AsylG eingeleitet worden ist, einem solchen auch keine Ausschlussgründe nach § 10 AsylG entgegenstehen, der Bw illegal und ohne Reisepass und Sichtvermerk in Österreich eingereist ist, in Rumänien trotz seines legalen Aufenthaltes keinen Asylantrag gestellt und die Reiseroute verschleiert hat und sich darüber hinaus mittellos in Österreich aufhält. Die Verhaltensweise des Bf zeige auf, dass er nicht gewillt sei, nach Rumänien zurückzukehren. Unter Zugrundelegung der Gesamtheit des Sachverhaltes sei ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf zu bejahen.

 

4.4. Mit den aufgezählten Gründen wollte die belangte Behörde einerseits aufzeigen, dass der Bf nicht gewillt ist, nach Rumänien zurückzukehren und sie versucht andererseits damit zu begründen, dass die Gefahr bestehe, dass sich der Bf einer allfälligen Ausweisung durch Flucht bzw. Untertauchen in Illegalität entziehen werde.

 

Nach der neueren und nunmehr ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen (vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107).

 

Daran anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239, wie folgt ausgeführt:

"Sämtliche Schubhafttatbestände final sind determiniert. Sie rechtfertigen die Verhängung von Schubhaft nur zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG oder zur Sicherung der Abschiebung. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden  in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflicht sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (siehe auch E des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, mwN)."  

 

Dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 24. Oktober 2007 lag ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegenden vergleichbar ist. Die darin angesprochenen Aspekte (legaler Aufenthalt in Ungarn, illegale Einreise des Bf in Österreich ohne über die erforderlichen Dokumente zu verfügen, das Fehlen einer beruflichen Integration und einer Krankenversicherung, Mangel ausreichender finanzieller Mittel oder hinreichender Unterhaltsgewährung durch zahlungskräftige Angehörige) sind dem Verwaltungsgerichtshof "allein" nicht geeignet erschienen, im konkreten Einzelfall die Verhängung der Schubhaft, die nach dem Gesagten nicht zu einer "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber werden darf, tauglich zu begründen.

 

Im zu beurteilenden Fall hat der Bf lediglich den legalen Aufenthalt in Rumänien verschwiegen und in zeitlicher Hinsicht vage Angaben im Vorfeld seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat gemacht.

 

Unstrittig ist, dass der Bf unmittelbar nach seiner illegalen Einreise nach Österreich einen Asylantrag gestellt und dabei von sich aus mit den österreichischen Behörden in Kontakt getreten ist.  

 

Aus dem Verschweigen des legalen Aufenthaltes in Rumänien und der damit verbunden vagen zeitlichen Angaben kann nicht ohne weiteres auf einen konkreten und akuten Sicherungsbedarf geschlossen werden. Ebenso wenig kann dieser mit der unterlassenen Asylantragsstellung in Rumänien begründet werden.

 

Die "Versuche" des Rechtsvertreters, die Angaben des Bf zum zeitlichen Ablauf und zum Reiseweg als der Wahrheit entsprechend darzustellen, sind schlichtweg als untauglich zu beurteilten. Entgegen den Aussagen des Bf, die nur teilweise als lückenhaft und vage zu beurteilen sind, weisen die Beschwerdeausführungen zahlreiche Widersprüchlichkeiten auf und passen zeitlich nicht zu den ursprünglichen Ausführungen des Bf. Beispielsweise wurde mehrmals von einer Flucht am "24.11.2007" gesprochen, in diesem Zusammenhang von einem "zumindest vier Wochen" dauernden Aufenthalt in der Türkei, einem "bis zum 31.10.2007 gültigen Visum für Rumänien" und einer "Einreise nach Österreich in der Zeit zwischen 24.11.2007 und 28.11.2007".  

 

Auch wenn das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht einmal ansatzweise geeignet ist, das ursprüngliche Vorbringen schlüssiger und nachvollziehbarer darzustellen, würde eine allenfalls tatsächlich stattgefundene Rückkehr des Bf in seinen Herkunftsstaat und ein einmonatiger Aufenthalt in der Türkei an der Zuständigkeit Rumäniens zur Führung des Asylverfahrens nichts ändern.      

 

Abgesehen davon, dass mittlerweile ein Verwandter des Bf, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, dem Bf Unterkunft, Unterhalt und Verpflegung in Aussicht gestellt und eine notariell beglaubigte Verpflichtungserklärung vorgelegt hat,  besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf die Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (vgl. auch Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, Wien 2005, 19 ff). Das Fehlen der notwendigen Mittel für den Lebensunterhalt kann aus diesem Grund nicht zur Schubhaftbegründung in Sinne der Ausführungen der belangten Behörde herangezogen werden. 

 

Schon im Hinblick auf die jüngsten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes kann aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht auf einen konkreten Sicherungsbedarf geschlossen werden.

 

4.5. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Wie sich aus der Aktenlage ergibt war der Bf im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Asylwerber. Nach den Ausführungen in der Bescheidbegründung wurde dem Bf mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 14. Jänner 2008 mitgeteilt, dass gemäß § 29 Abs. 3 AsylG beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen und ihn nach Rumänien auszuweisen.  

 

Am 10. Jänner 2008 wurden Dublin Konsultationen mit Rumänien schriftlich eingeleitet. Da ein Ergebnis derzeit noch aussteht, ist der weitere Gang des Asylverfahrens derzeit noch völlig offen.  

 

Aus der Begründung des Schubhaftbescheides und der Aktenlage erscheint es für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, wieso die belangte Behörde nicht zumindest mit der Anwendung eines gelinderen Mittels iSd § 77 Abs 3 FPG das Auslangen gefunden hat.

 

Soweit der Bf zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides als hilfsbedürftiger Fremder angesehen werden müsste, weil er etwa über keine ausreichenden Mittel verfügte, hätte er auch Anspruch auf Grundversorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes und nach Zulassung in einer solchen des Landes. Gemäß § 2 iVm § 9 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 besteht ein durchsetzbarer Anspruch auf Grundversorgung im asylrechtlichen Zulassungsverfahren. Danach hätte das Land Oberösterreich die Grundversorgung zu leisten, solange nicht rechtskräftig über den Asylantrag des Bf abgesprochen oder dieser aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann (vgl näher §§ 1 und 2 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 iVm Art 2 und 4 Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG, BGBl I Nr. 80/2004 = LGBl Nr. 93/2004).

 

Unter den gegebenen Umständen hätte sich die belangte Behörde mit der Anordnung gelinderer Mittel begnügen müssen. Da die Verhängung der Schubhaft jedenfalls als nicht zwingend erforderlich angesehen werden konnte, war auch die Ermessensentscheidung der belangten Behörde, von gelinderen Mitteln abzusehen, unvertretbar.

 

4.6. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben, der Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft (in der Zeit vom 14. bis 22. Jänner 2008) für rechtswidrig zu erklären.  

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 699,20 Euro (Gebühren: 38,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 38,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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