Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280866/17/Wim/Ps

Linz, 28.01.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung der Frau E G, vertreten durch A S, D, S & P, H, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 28. September 2005, Zl. Ge96-57-11-2005-BroFr, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), nach Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 27. November 2007 und 21. Jänner 2008 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.   Mit Straferkenntnis vom 28. September 2005, Zl. Ge96-57-11-2005-BroFr, wurde über die Berufungswerberin gemäß § 130 Abs.1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) eine Geldstrafe von 500 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Stunden sowie ein 10%iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihr vorgeworfen:

 

"Sie haben als Arbeitgeber in der Arbeitsstätte Bäckerei O, A, den Arbeitnehmer/innen keinen Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt. Dadurch sind die in der Arbeitsstätte beschäftigten Arbeitnehmer/innen veranlasst, ihre Mahlzeiten und ihre Arbeitspausen in der Backstube an einem dafür vorgesehen Tisch zu verbringen.

In der Backstube wird Getreidemehl verarbeitet, wobei Getreidemahlstaub in die Raumluft der Arbeitsstätte gelangt. Für Getreidemehlstaub ist in der Grenzwerteverordnung ein Grenzwert festgelegt und als sensibilisierend eingestuft.

 

Sie haben entgegen § 36 Abs.2 Z.2 AStV den Arbeitnehmer/innen keinen Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt, obwohl der Arbeitsraum 'Backstube' aus Sicherheits- oder Gesundheitsgründen zur Erholung oder zur Einnahme der Mahlzeiten während der Arbeitspausen nicht geeignet ist, da in diesem eine Beeinträchtigung durch den gesundheitsgefährlichen Stoff 'Getreidemehlstaub' gegeben ist.

 

Dies wurde am 7. März 2005 im Zuge einer Überprüfung in der Arbeitsstätte von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz festgestellt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 130 Abs.1 Z.15 des Bundesgesetzes über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 i.d.g.F., in Verbindung mit § 36 Abs.2 Z.2 Arbeitsstättenverordnung (AStV), BGBl.II Nr. 368/1998 i.d.g.F."

 

1.2.   Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 Berufung erhoben und darin zusammengefasst vorgebracht, dass seit dem Bestehen ihres Unternehmens (Jahr 1996) ein Aufenthaltsraum bestehe und dieser auch genutzt werde. Die in Rede stehende Sitzgelegenheit in der Backstube werde nur gelegentlich und nur für kurz andauernde Pausen verwendet, in denen es der betriebliche Ablauf einer Backstube nicht zulasse, den bestehenden Aufenthaltsraum aufzusuchen.

 

Darüber hinaus sei eine Grenzwerteüberschreitung für Getreidemehlstaub nicht festgestellt worden und würde sie im Betrieb auch über moderne Absauganlagen verfügen.

 

2.1.   Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 27. November 2007 an Ort und Stelle, bei der neben der Einvernahme der Berufungswerberin auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde und ein Lichtbild angefertigt wurde, sowie am 21. Jänner 2008, bei der der anzeigende Arbeitsinspektor W H als Zeuge einvernommen wurde.

 

2.2.   Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie nach den öffentlichen mündlichen Verhandlungen kann vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob zum Tatzeitpunkt ein entsprechender Aufenthaltsraum bestanden hat.

 

So hat die Berufungswerberin sowohl im Erstverfahren als auch im Berufungsverfahren sich ständig damit verantwortet, dass ein solcher Aufenthaltsraum bereits bei Errichtung der Betriebsanlage 1996 miterrichtet wurde. Dies wurde auch durch eine entsprechende Vorlage des Einreichplanes für die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung belegt.

 

In der ersten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dieser Aufenthaltsraum besichtigt und konnte dabei festgestellt werden, dass dieser durchaus als Aufenthaltsraum für die Belegschaft verwendet werden kann, zumal sich zwei große Tische samt entsprechenden Sesseln in diesem Raum befinden und sogar ein Küchenblock dort vorhanden ist. Für das erkennende Mitglied hat der Raum nicht einen Eindruck gemacht, als ob dieser erst seit kurzem so eingerichtet wäre. Insbesondere spricht auch das Vorhandensein einer Küchenzeile, die ja nicht so kurzfristig herangeschafft werden kann, dafür, dass es doch immer einen Aufenthaltsraum gegeben haben könnte.

Auch bei einer nachfolgenden Kontrolle, in etwa eineinhalb Monate nach der Anzeige, wurde durch einen anderen Arbeitsinspektor festgestellt, dass hier der Aufenthaltsraum vorhanden ist. Der anzeigende Arbeitsinspektor hat umgekehrt dem Unabhängigen Verwaltungssenat versichert, dass nach seinen Informationen zum Anzeigezeitpunkt ein solcher Aufenthaltsraum nicht nutzbar vorhanden war. Er konnte jedoch keine Aussagen machen, wie der Raum zur damaligen Zeit genutzt wurde und was sich in diesem Raum befunden hat. Überdies konnte er auch kein Foto oder eine andere Dokumentation vorlegen, obwohl er – wie er ausgeführt hat – bei den Überprüfungen mit einer Kamera ausgestattet war.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat wäre es durchaus erklärbar, dass bei den entsprechenden Betriebsüberprüfungen es durch emotionelle Äußerungen der Beteiligten zu Missverständnissen gekommen sein könnte und daher dies zu einer Anzeige geführt haben könnte. Es wurde zwar vom Arbeitsinspektor in seiner Vernehmung ein Schriftstück vom 31. August 2000 vorgelegt, indem sich der lapidare Satz befindet, dass auf Grund der am 29. August 2000 stattgefundenen Besichtigung der Arbeitsstätte ein Aufenthaltsraum einzurichten ist. Für eine Betriebsüberprüfung im Jahr 2004 findet sich kein Schriftverkehr mit der Begründung, dass hier vom Arbeitsinspektorat bei der zweiten Mangelfeststellung schon Anzeige erstattet hätte werden müssen. Auch dies ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat ein Anhaltspunkt dafür, dass offensichtlich im Jahr 2004 nach der ersten Urgenz der Zustand als nicht so gravierend empfunden wurde und überdies wurde auch im Jahr 2005 keine genaue Erhebung des vorhandenen Zustandes gemacht.

 

Unter Würdigung all dieser Umstände kann, wie gesagt, nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Gewissheit das Nichtvorhandensein eines Aufenthaltsraumes angenommen werden.

 

 

3.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.   Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortfahrung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Gemäß § 45 Abs.2 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsverfahren Anwendung findet, hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

 

Gemäß § 25 Abs.2 VStG sind die der Entlastung dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belasteten.

 

3.2.   Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, kann das Nichtbestehen eines Aufenthaltsraumes nicht festgestellt werden und somit die zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden. Wie der zeugenschaftlich einvernommene Arbeitsinspektor auch ausgesagt hat, wäre bei Annahme eines vorhandenen Aufenthaltsraumes das Verfahren anders zu führen gewesen und hier eventuell bei Nichtzulassung der Benützung durch den Arbeitgeber, zu prüfen gewesen, ob dies eine Frage der zulässigen Arbeitszeit sei, wenn sich die Arbeitnehmer ständig in der Backstube aufhalten.

 

Es war somit im Zweifel für die Berufungswerberin spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

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