Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-162488/13/Ki/Da

Linz, 18.02.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Dr. A J S,  K, G, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K R, Mag. R R, K, F, vom 31. August 2007 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 16. August 2007, VerkR96-5606-2006, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung von mündlichen Berufungsverhandlungen am 7. November 2007 und 13. Februar 2008 zu Recht erkannt:

 

 

I.   Bezüglich der Fakten 1 und 2 wird die Berufung als unbegründet abgewiesen, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

      Bezüglich Fakten 3 und 4 wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.        Bezüglich Fakten 1 und 2 hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten I. Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von insgesamt 96 Euro, das sind jeweils 20 % der verhängten Geldstrafen, zu entrichten.

 

  Bezüglich Fakten 3 und 4 entfällt die Verpflichtung zur Leistung   jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2 bzw. 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat gegen den Berufungswerber unter VerkR96-5606-2006 vom 16. August 2007 nachstehendes Straferkenntnis erlassen:

 

"1) Sie haben zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Es wurde mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,24 Sekunden festgestellt.

Tatort: Gemeinde Vorchdorf, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 208.000 in Fahrtrichtung Salzburg.

Tatzeit: 06.05.2006, 08:43 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 18 Abs. 1 StVO

2) Sie haben die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 32 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Vorchdorf, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 204.310 in Fahrtrichtung Salzburg.

Tatzeit: 06.05.2006, 08:43 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 20 Abs. 2 StVO

3) Sie haben die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 41 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Vorchdorf, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 204.900 in Fahrtrichtung Salzburg.

Tatzeit: 06.05.2006, 08:43 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. a Zif. 10 a StVO

4) Sie haben die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 47 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Vorchdorf, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 205.100 in Fahrtrichtung Salzburg.

Tatzeit: 06.05.2006, 08:44 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit.a Zif. 10a StVO

Fahrzeuge: Personenkraftwagen Ml, Renault Megane Kennzeichen:

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von      Falls diese uneinbringlich       Gemäß

                          ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

1.) 360,00          168 Stunden                            § 99 Abs. 2c Ziffer 4 StVO

2.) 120,00             68 Stunden                                        § 99 Abs. 3 lit. a StVO

3.) 165,00             85 Standen                                        § 99 Abs. 3 lit. a StVO

4.) 200,00           101 Stunden                                        § 99 Abs. 3 lit. a StVO

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung der Vorhaft):

Hinsichtlich des Punktes 5) der angelasteten Tatvorwürfe wird das Verfahren gem. § 45 Abs. 1 Ziff. 2 VStG eingestellt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

84,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher

929,50 Euro."

 

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 31. August 2008 Berufung erhoben und beantragt das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

 

Bezüglich Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes wird ausgeführt, dass sich das vor dem Berufungswerber befindliche Fahrzeug und das vom Berufungswerber gelenkte Fahrzeug bereits in der Verzögerung befunden hätten und dadurch eine kurzfristige Unterschreitung des Mindestabstandes gegeben gewesen sei. Auf Grund der Verzögerung des Fahrzeuges des Berufungswerbers sei aber keine Übertretung des Schutzzweckes des § 18 Abs.1 StVO vorwerfbar, da diese gesetzliche Bestimmung darauf ausgerichtet sei, Auffahrunfälle auf Grund plötzlich notwendiger Bremsmanöver zu verhindern.

 

Bemängelt wurde weiters u.a. auch, dass hinsichtlich des verwendeten Messgerätes keine Unterlagen, aus denen zweifelsfrei hervorgeht, dass eine gültige Eichung des Gerätes im entsprechenden Messzeitraum vorgelegen hat, vorliegen. Ebenso keine Unterlagen, auf Grund derer der Beweis erbracht werden könne, dass die gegenständliche Messung ordnungsgemäß und technisch einwandfrei durchgeführt worden sei. Es fehle auch ein Geräteprotokoll, welches mögliche Beschädigungen des Gerätes dokumentiere und die Gültigkeit der Eichung im Messzeitraum protokolliere.

 

Bezüglich Überschreitung der Geschwindigkeit wird argumentiert, dass eine Geschwindigkeitsübertretung bei km 205,23 bereits mit einer Anonymverfügung geahndet und das Verfahren nach Zahlung beendet worden sei. Auf Grund dieser Anonymverfügung, welche bezahlt wurde, sei eine weitere Bestrafung für die Punkte 2, 3 und 4 auf Grund des Rechtsgrundsatzes "ne bis in idem" unzulässig.

 

Auch diesbezüglich wurde bemängelt, dass hinsichtlich der Geschwindigkeits­messung keine Unterlagen vorliegen würden, welche die gültige Eichung des verwendeten Messgerätes im Messzeitraum beweisen, es fehle weiters ein Messprotokoll und auch ein Geräteprotokoll.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 6. September 2007 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung von mündlichen Berufungsverhandlungen am 7. November 2007 und 13. Februar 2008.

 

Bei der Verhandlung am 7. November 2007 waren ein Vertreter des Berufungswerbers sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Gmunden anwesend, als Zeuge wurde bei dieser Verhandlung der Meldungsleger, RI R B von der Landesverkehrsabteilung Oö., einvernommen. Bei der Verhandlung am 13. Februar 2008 nahm ein Rechtsvertreter des Berufungswerbers teil und hat sich die belangte Behörde für die Teilnahme entschuldigt. Der Berufungswerber selbst war bei beiden Verhandlungen nicht persönlich anwesend, als verkehrstechnischer Amtssachverständiger fungierte Ing. J L vom Amt der Oö. Landesregierung, dieser nahm ebenfalls an beiden Verhandlungen teil.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt sowie als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlungen ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oö. vom 22. Mai 2006 zu Grunde. Die Messung der festgestellten Geschwindigkeiten, welche auch der Berechnung des Sicherheitsabstandes zu Grunde liegen, erfolgte in der Messart Provida mit Videoaufzeichnung mit einem Messgerät der Typ Multavision, Nr. 204120/04.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat zunächst gegen den Rechtsmittelwerber eine Strafverfügung (VerkR96-5606-2006 vom 24. Mai 2006) erlassen, in dieser Strafverfügung wurde neben den im nunmehrigen Straferkenntnis vorgeworfenen Übertretungen unter Punkt 5 eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h im Bereich des km 205.300 der A1 Fahrtrichtung Salzburg zur Last gelegt.

 

Der Rechtsmittelwerber hat diese Strafverfügung beeinsprucht und es ist im erstbehördlichen Ermittlungsverfahren hervorgekommen, dass hinsichtlich der unter Punkt 5 der Strafverfügung zur Last gelegen Verwaltungsübertretung bereits eine Anonymverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden ergangen ist, mit welcher eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro verhängt wurde. Der in der Anonymverfügung festgelegte Strafbetrag wurde vom Berufungswerber bereits beglichen. Aus diesem Grunde wurde hinsichtlich des unter Punkt 5 der Strafverfügung angelasteten Tatvorwurfes von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden das Verfahren gem. § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt. Hinsichtlich der weiteren Tatvorwürfe wurde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung am 7. November 2007 bestätigte der Meldungsleger als Zeuge, dass die Messung mittels Provida im Zuge einer Nachfahrt durchgeführt worden sei. Er legte einen Eichschein über das verwendete Messgerät vor, danach war dieses Gerät zum Vorfallszeitpunkt ordnungsgemäß geeicht. Die Messung erfolgte durch ein im Dienstfahrzeug installiertes Provida-Videomessgerät Multavision. Der Zeuge bestätigte, dass er hinsichtlich des Gerätes eingeschult ist und er die Verwendungsbestimmungen eingehalten hat.

 

Im Zuge der Verhandlung stellte sich dann heraus, dass hinsichtlich der Nachfahrt eine im Verfahrensakt sich befindliche Videoaufnahme nicht der tatsächlichen Tatörtlichkeit entspricht, weshalb die Berufungsverhandlung zunächst vertagt werden musste.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige, welcher bereits bei der ersten Verhandlung teilgenommen hat, beschaffte sich das Videomaterial bezüglich der tatsächlichen Tatörtlichkeiten und wertete dieses aus.

 

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung am 13. Februar 2008 führte er zunächst das Videomaterial vor, daraus war eindeutig ersichtlich, dass entgegen dem Berufungsvorbringen nicht eine bloß kurzfristige Unterschreitung des Mindestabstandes gegeben war. Der Sachverständige erklärte, er habe das Videomaterial mit einem Auswertegerät des Landes Oö. ausgewertet und er könne die Richtigkeit sowohl der Abstandsbestimmung als auch der jeweiligen festgestellten Geschwindigkeiten bestätigen, wobei sowohl hinsichtlich Abstand als auch Geschwindigkeit die Auswertung für den Berufungswerber noch ungünstigere Werte ergeben hätte.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen sowie als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlungen vom 7. November 2007 bzw. vom 13. Februar 2008. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass sowohl die Angaben des Meldungslegers als auch die Äußerungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Es ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge zur Wahrheit verpflichtet war, es handelt sich um einen geschulten Polizeibeamten und es ist kein Grund hervorgekommen, welcher an der Richtigkeit seiner Angaben Zweifel aufkommen lassen würde. Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat eine nochmalige Auswertung vorgenommen, welche die Anzeigenangaben im Wesentlichen bestätigen und es sind auch diese Feststellungen des Sachverständigen schlüssig und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen stehend.

 

Der Berufungswerber selbst konnte sich in jede Richtung verteidigen, dieser Umstand darf nicht schlechthin gegen ihn gewertet werden, im vorliegenden Falle ist es ihm jedoch nicht gelungen, den festgestellten Sachverhalt zu widerlegen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gem. § 18 Abs.1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 sec. oder mehr, aber weniger als 0,4 sec. beträgt.

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Rechtsmittelwerber im Bereich des vorgeworfenen Tatortes zur vorgeworfenen Tatzeit zum vor ihm fahrenden Fahrzeug einen zeitlichen Abstand von lediglich 0,24 sec. eingehalten hat. Wenn man noch dazu berücksichtigt, dass bei der Auswertung sämtliche Unsicherheitsfaktoren zu Gunsten des Beschuldigten gerechnet wurden, so entspricht dieser Wert keinesfalls dem gebotenen Sicherheitsabstand, wobei darauf hingewiesen wird, dass ex lege ein zeitlicher Sicherheitsabstand von weniger als 0,4 sec. jedenfalls als Verwaltungsübertretung i.S.d. § 99 Abs. 2c Z. 4 StVO 1960 zu werten ist. Der dem Berufungswerber diesbezüglich zur Last gelegte Sachverhalt ist in objektiver Hinsicht verwirklicht und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche ihn diesbezüglich entlasten würden. Insbesondere konnte durch die vorliegende Videosequenz widerlegt werden, dass es sich um keine im Zusammenhang mit der Verzögerung der Fahrzeuge kurzfristige Unterschreitung des Mindestabstandes gehandelt hat. Der Schuldspruch ist diesbezüglich zu Recht erfolgt.

 

3.2. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer u.a. als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

 

Gemäß § 52 lit.a Abs.10a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges eine als Stundenkilometeranzahl im Verkehrszeichen angegebene verordnete Fahrgeschwindigkeit nicht überschreiten.

 

Auch diesbezüglich hat die Auswertung durch den verkehrstechnischen Amtssachverständigen ergeben, dass die Messung bezüglich der zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung korrekt vorgenommen wurde, allfällige geringfügige Abweichungen zu Ungunsten des Beschuldigten werden im Berufungsverfahren nicht berücksichtigt.

 

Der Berufungswerber vermeint jedoch, dass auf Grund der Tatsache der erfolgten Bezahlung der zunächst ergangenen Anonymverfügung eine weitere Bestrafung auf Grund des Rechtsgrundsatzes "ne bis in idem" unzulässig sei.

 

Gemäß Art. 4 des Protokolls Nr. 7 der Europäischen Menschenrechtskommission darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staats rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren des selben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt dazu fest, dass der Berufungswerber mit seinem Vorbringen teilweise im Recht ist.

 

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die im Punkt 2 des Straferkenntnisses bzw. in den Punkten 3 und 4 des Straferkenntnisses vorgeworfenen Übertretungen verschiedener Natur sind. Hinsichtlich Punkt 2 handelt es sich um eine Übertretung einer gesetzlich festgelegten Höchstgeschwindigkeit, während in den Punkten 3 und 4 (bzw. 5 der ursprünglichen Strafverfügung) eine Übertretung der durch Verordnung festgelegten Geschwindigkeit geahndet werden sollte. Sohin wurden verschiedene Verwaltungsvorschriften verletzt. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt jedoch, wenn verschiedene Verwaltungsvorschriften verletzt werden, kein fortgesetztes Delikt iSd § 22 VStG vor. Ausdrücklich weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die Überschreitung der auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h sowie die Überschreitung der daran anschließenden durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit (im konkreten Falle von 100 km/h – 80 km/h – 60 km/h) verschiedene Delikte beinhaltet, die auch gesondert zu bestrafen sind (VwGH 20.5.1992, 91/03/0315 u.a.).

 

Anders verhält es sich hingegen hinsichtlich der Übertretungen des § 52 lit.a Z10a StVO 1960. Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Lenker eines KFZ, der § 52 lit.a Z10a StVO dadurch übertritt, dass er eine Strecke, auf der in unmittelbarer Aufeinanderfolge Geschwindigkeiten mit erlaubten Höchstgeschwindigkeiten verschiedener Höhe zu beachten sind, mit einer gegenüber diesen verschiedenen erlaubten Höchstgeschwindigkeiten überhöhten Geschwindigkeit in einem Zug befährt, nicht verschiedene selbständige Taten iSd § 22 VStG begeht. Vielmehr ist im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang, die gleiche Begehungsform und die Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände Deliktseinheit anzunehmen (VwGH 27.5.1992, 92/02/0049 u.a.).

 

3.3. Entsprechend der obigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich fest, dass hinsichtlich Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses der zur Last gelegte Tatbestand sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht wurde und dass auch in rechtlicher Hinsicht diesbezüglich der Tatvorwurf nicht widerlegt werden kann. In diesem Punkt ist daher der Schuldspruch zu Recht erfolgt.

 

3.4. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Punkte 3 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses. Laut der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Übertretung von verordneten Geschwindigkeiten in Anbetracht der gleichen Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände, dies ist im vorliegenden Fall gegeben, um eine Deliktseinheit, weshalb für diese Übertretungen lediglich eine Verwaltungsstrafe zu verhängen ist.

 

Wie bereits im erstbehördlichen Verfahren hervorgekommen ist, wurde diesbezüglich gegen den Berufungswerber bereits eine Anonymverfügung erlassen und es wurde der Strafbetrag von Beschuldigten bezahlt. Eine Anonymverfügung ist hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Dauerdelikts (und wohl auch fortgesetzten Delikts) einem Straferkenntnis insofern gleichzuhalten, als – unter der Voraussetzung der rechtzeitigen Einzahlung des Strafbetrages – die selben Rechtswirkungen eintreten. Wird eine mit der Anonymverfügung ausgesprochene Strafe rechtzeitig bezahlt, so kommt es zu keiner weiteren Strafverfolgung, das deliktische Verhalten ist gesühnt (siehe VwGH vom 25.4.1997, 95/02/0537).

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Bezüglich der Punkte 3 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses wird dazu seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich festgestellt, dass es sich im Zusammenhang mit der zunächst unter Punkt 5 der oben zitierten Strafverfügung verhängten Strafe um ein fortgesetztes Delikt iSd § 22 VStG handelt, diesbezüglich wurde bereits eine Anonymverfügung verhängt und vom Berufungswerber auch bezahlt.

 

Es liegt hier demnach bereits eine rechtskräftige Verurteilung vor, und eine nochmalige Bestrafung würde eine Verletzung des zitierten Art. 4 des Protokolls Nr. 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellen. Es liegen daher Umstände vor, welche eine weitere Strafbarkeit ausschließen, weshalb in diesen Punkten der Berufung Folge gegeben werden konnte.

 

3.5. Zur Straffestsetzung (§ 19 VStG) wird festgestellt, dass die Erstbehörde als mildernd die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet hat. Das monatliche Nettoeinkommen wurde auf 2.000 Euro geschätzt, es wurde davon ausgegangen, dass der Berufungswerber über kein Vermögen verfügt und auch keine Sorgepflichten zu tragen hat. Diesbezüglich wurde den Angaben der Erstbehörde nicht widersprochen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt dazu fest, dass gerade die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und insbesondere auch die Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug  auf Autobahnen häufig zu Verkehrsunfällen mit schwerwiegenden Folgen führt. Derartige Verkehrsunfälle sind meist verbunden mit zumindest schweren Verletzungen von Personen und es stellt ein derartiges Verhalten daher einen massiven Verstoß gegen die Verkehrssicherheit dar. Um die Allgemeinheit entsprechend zu sensibilisieren ist aus generalpräventiven Gründen eine entsprechend strenge Bestrafung geboten und überdies ist auch dem Einzelnen durch eine empfindliche Bestrafung das Unrechtmäßige seines Verhaltens spürbar vor Augen zu führen bzw. soll er durch eine entsprechende Bestrafung von der Begehung weiterer derartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten werden.

 

In Anbetracht der gesetzlichen Strafrahmen erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Bezirkshauptmannschaft Gmunden bei der Verhängung der Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen in den Punkten 1 und 2 des Straferkenntnisses vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Aus den erwähnten spezial- bzw. generalpräventiven Gründen wird eine Herabsetzung nicht in Betracht gezogen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

Beschlagwortung:

mehrere Übertretungen des § 52 lit.a Abs. 10a StVO 1960 im zeitlichen Zusammenhang – nur ein Delikt;

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum