Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162931/2/Fra/Ba

Linz, 19.02.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn M J A, geb. , wohnhaft in K W S,  L, vertreten durch die Kindesmutter G A, diese vertreten durch die Rechtsanwälte F & G, L, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 9.1.2008, Zl. S-38427/07 VP, betreffend Erteilung einer Ermahnung wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z 1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem angefochtenen Bescheid den Berufungswerber (Bw) nach § 21 VStG ermahnt, weil er am 18.10.2007 um 7.10 Uhr in L, K S – K W S – C, den südseitig gelegenen Schutzweg über die Stockhofstraße in Richtung C als Fußgänger unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug für dessen Lenker überraschend betreten hat.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz - als nunmehr belangte Behörde – sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

3.1. Nach der Verkehrsunfallsanzeige des Stadtpolizeikommandos Linz vom 18. Oktober 2007, GZ. C1/51339/2007, fuhr H P mit dem Pkw Kennzeichen  auf der S, aus Richtung W kommend zum Kreuzungsbereich S – K W – C und wollte diesen in gerader Richtung überqueren. Zur gleichen Zeit überquerte A M J (der Bw) laufend den südseitig gelegenen Schutzweg über die S in Richtung C. Trotz Bremsung konnte P einen Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Bei dem Verkehrsunfall wurde der Bw verletzt und mit der Rettung in das UKH eingeliefert. Laut Verletzungsanzeige der Allgemeinen Unfallsversicherungsanstalt Unfallkrankenhaus Linz vom 8.10.2007 wurde beim Bw folgende Diagnose gestellt: Commotio cerebri Excor.fronto parietalis dext.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs.4 lit.a StVO 1960 dürfen Fußgänger an Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, einen Schutzweg nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker überraschend betreten.

 

Ein Fußgänger tritt überraschend auf die Fahrbahn, wenn andere Straßenbenützer den Umständen nach nicht damit rechnen konnten und nicht mehr in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten danach einzurichten.

 

Gemäß § 9 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollstuhlfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

 

3.3. Der Bw bemängelt, dass der angefochtene Bescheid nicht begründet ist. Er habe in seinem Einspruch ausgeführt, weshalb er die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung nicht begangen habe.

 

Er sei nicht "unmittelbar vor dem Fahrzeug auf den Schutzweg getreten". Er habe zunächst die halbe Fahrbahn überquert, sodass ihn der Fahrzeuglenker, wäre er aufmerksam gewesen, schon lange sehen hätte können. Der Verkehrsunfall sei über der Straßenmitte zustande gekommen (der Pkw sei für ihn von rechts gekommen), sodass der Lenker des Pkws genügend Zeit zum Abbremsen gehabt hätte. Da er im Gegensatz zu ihm erwachsen sei und der Vertrauensgrundsatz für ihn daher zweifelsfrei gelte, habe er sich darauf verlassen können, dass dieser die Verkehrsvorschriften einhält und seinen Vorrang beachtet. Wieviel Zeit der Lenker dieses Pkw hatte, von dem Zeitpunkt an, wo er ihn erstmals sehen konnte bis zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes könne ein Sachverständiger ausrechnen. Es komme dabei wesentlich auf die Geh- bzw. Laufgeschwindigkeit an. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, wie lange ein Pkw-Lenker zwischen dem Zeitpunkt des ersten möglichen Blickkontaktes und dem Zusammenstoß Zeit zum Bremsen hatte. § 76 Abs.4 lit.a StVO 1960 könne keinesfalls so interpretiert werden, dass sich das "unmittelbar vor dem Fahrzeug auf den Schutzweg treten" darauf bezieht, ob der Lenker des Pkws gerade achtsam gefahren sei oder nicht. Richtigerweise komme es darauf an, ob der Lenker bei entsprechender Aufmerksamkeit die Möglichkeit hatte, rechtzeitig zu bremsen. Diese Voraussetzung sei zweifelsfrei gegeben gewesen, weil der Schutzweg von weitem einsehbar sei, sodass ihn der Lenker seit dem Betreten des Schutzweges beobachten und in der Folge abbremsen hätte müssen.

 

Er ersuche, den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Der Bw beruft sich zur Untermauerung seines Vorbringens unter anderem auf die Aussage der Zeugin S G. Laut Niederschrift des Stadtpolizeikommandos Linz vom 25.10.2007, Zahl: 38427/07, sagte Frau S G unter anderem Folgendes aus:

"Ich blickte durch die Windschutzscheibe des Busses in Richtung der Kreuzung. Hiebei konnte ich beobachten, wie ein Junge über den Schutzweg der S in Richtung meines Busses ging. Der Junge befand sich bereits in der Straßenmitte, als plötzlich ein dunkler Pkw rasch stadteinwärts fuhr. Der Pkw wurde noch abgebremst, stieß jedoch dann den Fußgänger am Schutzweg nieder. Dieser fiel auf die Fahrbahn und blieb dort liegen."

 

Herr F A – der Bruder des Bw's – sagte laut Niederschrift des Stadtpolizeikommandos Linz am 25. Oktober 2007, GZ: C1/51339/2007, unter anderem aus, gesehen zu haben, wie der Bw vom Wohnhause kommend laufend zunächst den Schutzweg über die K W S überquerte, dann einige Sekunden vor dem Schutzweg  über die Stockhofstraße stehen geblieben und nach links und rechts geblickt habe. Anschließend sei er über den Schutzweg in Richtung des Busses gelaufen. Wie er bereits über der Straßenmitte gewesen sei, habe er gesehen, wie ein Pkw auf der S einwärts gefahren sei. Dieses Fahrzeug sei nur mehr in kurzem Abstand zu seinem Bruder gewesen, sodass es zum Zusammenstoß kam.

 

Herr H P, der Lenker des Pkws sagte unter anderem laut Niederschrift des Stadtpolizeikommandos Linz vom 21. Oktober 2007, GZ. C1/51339/2007, aus, dass er bei der Annäherung an den Schutzwegbereich über die S keinerlei Fußgänger sehen konnte. Als er mit der Front seines Pkws etwa eine Autolänge vor dem Schutzweg fuhr, habe er plötzlich einen Fußgänger, der laufend die Fahrbahn von links nach rechts überquerte, gesehen. Ob der Junge dabei direkt am Schutzweg gelaufen sei, oder etwas dahinter, könne er nicht angeben.

 

Es ist sohin festzustellen, dass es für den Bw entlastende Aussagen gibt und selbst Herr P angab, nicht sicher angeben zu können, ob der Bw überhaupt am Schutzweg lief. Es verbleiben sohin erhebliche Zweifel an der Verwirklichung des Tatbildes durch den Bw. Auch ein Sachverständigengutachten, wie vom Bw beantragt, könnte hier nicht weiterhelfen, da es an entscheidenden objektivierten Prämissen (wie die Geh- bzw. Laufgeschwindigkeit des Bw oder beispielsweise die genaue Zusammenstoßstelle) für die Erstattung eines solchen Gutachtens fehlt.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden. Aus dieser Entscheidung sind keine Rückschlüsse für ein allfälliges Fehlverhalten des Herrn P zu ziehen.

 

4.  Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. F r a g n e r

 

 

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