Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400937/4/SR/Ri

Linz, 10.03.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des A E, geb. am, nigerianischer Staatsangehöriger, vertreten durch S E W. D, H G, W, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 29. Februar 2008, Sich40-340-2007 und der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Wels-Land zu Recht erkannt:

 

 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und es werden der Bescheid vom 29. Februar 2008, Sich40-340-2007, und die darauf beruhende Anhaltung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklärt. Weiters wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine maßgeblichen Gründe für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen.    

Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Wels-Land) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 674 Euro (darin enthalten 13,20 Euro Stempelgebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein nigerianischer Staatsangehöriger, ist am 4. September 2006 illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Der Einreiseort ist unbekannt.

 

Am 5. September 2006 brachte der Bf beim BAA-EAST-Ost persönlich einen Asylantrag ein. Im Anschluss an die Antragstellung (AZ 06 09.314) wurde dem Bf die Grundversorgung in der Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen gewährt und er in der Folge von der Oö. Volkshilfe und der Oö. Caritas untergebracht (Entlassung aus der "Oö. Landesversorgung" am 3. März 2008). 

 

1.2. Am 26. April 2007, wurde der Bf vom Landesgericht Steyr (GZ 10 Hv 23/07s) wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall sowie Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG und dem Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB, nach § 28 StGB und § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43 a Abs. 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 7 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe betrug daher 3 Monate. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB wurde die erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 23. Jänner 2007 bis 26. April 2007 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Von der wider ihn erhobenen Anklage des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (Tatzeitpunkt: 9. Jänner 2007) und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall sowie Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG (Tatzeitpunkt Herbst 2006) wurde der Bf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

 

1.3. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2007, Zl. 312.087-1/5E-XVII/55/07, hat der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung des Bf gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Mai 2007, Zl. 06 09.314-BAL gemäß der §§ 3, 8 Abs. 1     Z. 1, 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 abgewiesen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 11. Dezember 2007 durch Hinterlegung an der Abgabestelle (Büro Caritas).

 

1.4. Nach der im Akt befindlichen ZMR-Auskunft ist der Bf seit seiner illegalen Einreise in Österreich durchgehend aufrecht gemeldet.

 

1.5. Mit Schreiben der belangen Behörde vom 19. Februar 2008, Sich40-340-2007, wurde die PI L ersucht, den Bf zwecks Verhängung der Schubhaft vorzuführen.

 

1.6. Am 29. Februar 2008 hat der Bf bei der belangten Behörde vorgesprochen.

 

2.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 29. Februar 2008,       Zl. Sich40-340-2007, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit und zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, 3 4, 5 und 7 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Wels eingeliefert. Da der Bf  die Übernahme des Schubhaftbescheides verweigert hat, wurde dieser bei der belangten Behörde hinterlegt.

 

In der Begründung hat die belangte Behörde eine kurze Sachverhaltsfeststellung vorgenommen und ausgeführt, dass der Bf von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Grund eines Festnahmeauftrages aufgegriffen worden sei. Der Bf sei vollkommen mittellos und verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Die Anwendung eines gelinderen Mittels komme nicht in Betracht, da begründeter Verdacht bestehe, dass sich der Bf dem angestrebten Sicherungszweck entziehen werde. Der Bf sei in Österreich nicht integriert und es bestehe die große Gefahr, dass er durch die faktische Mittellosigkeit den Unterhalt durch illegale oder strafbare Handlungen decken werde. Auf Grund der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung bestehe die große Gefahr, dass sich der Bf den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde und daher sei zur Sicherung eines Aufenthaltsverbotes die spruchbezeichnete Maßnahme zu treffen gewesen. 

 

2.2. Mit E-Mail vom 3. März 2008 wurde "07242-408-549" ersucht, den Bf von der Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens nachweislich in Kenntnis zu setzen, eine Niederschrift zur erweiterten Identitätsprüfung aufzunehmen und 2 Lichtbilder anfertigen zu lassen, damit ein Heimreisezertifikat beantragt werden könne. 

 

Mit Schriftsatz vom 5. März 2008, eingelangt per Fax am 5. März 2008, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Beschwerde gemäß § 82 FPG (Schubhaftbeschwerde)" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte die Anträge, der „UVS möge die Rechtswidrigkeit seiner Festnahme, seiner Anhaltung in Schubhaft sowie des Schubhaftbescheides feststellen. Gleichzeitig möge der UVS auch feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen“ würden. Abschließend wurde der pauschalierte Schriftsatzaufwand begehrt.  

 

In der Begründung hat der Bf ergänzend vorgebracht, dass er gegen den Bescheid des UBAS am „22. Jänner 2008“ Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ersucht habe. Eine Entscheidung darüber sei noch nicht ergangen. Bis zu seiner Inschubhaftnahme sei der Bf im Rahmen der Grundversorgung des Landes Oö untergebracht und entsprechend wohnhaft gewesen. Am 29. Februar 2008 habe der Bf von Mitbewohnern erfahren, dass die Polizei nach ihm gesucht habe. Er habe sich daher aus Eigenem zur PI L begeben, dort sei er in Vollzug des Festnahmeauftrages der belangten Behörde verhaftet worden. Anschließend habe die belangte Behörde über ihn die Schubhaft verhängt.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Bf ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Schubhaft nicht alleine mit einem rechtswidrigen Aufenthalt und/oder der fehlenden Ausreisewilligkeit begründet werden könne. Zusätzlich müsse ein Sicherungsbedarf vorhanden sein. Ein solcher sei aber nicht zu erkennen. Er sei im Rahmen der Grundversorgung untergebracht und an dieser Unterkunft auch für die Behörde erreichbar. Überdies habe er nach Kenntnis, dass ihn die Polizei gesucht habe, selbst den Posten L aufgesucht. Dies deute auch darauf hin, dass er sich dem Fremdenverfahren nicht entziehen werde. Mangels eines Sicherungsbedarfes hätte er nicht festgenommen und auch nicht die Schubhaft über ihn verhängt werden dürfen. Weiters sei die Nichtanwendung des     § 77 Abs. 1 FPG unzureichend begründet worden. Falls überhaupt die Schubhaft zulässig gewesen sein sollte, hätte diese Maßnahme ohne weiteres durch ein gelinderes Mittel ersetzt werden können. Er habe sich im Rahmen der Grundversorgung in einer behördlich zugewiesenen Unterkunft aufgehalten und aus seinem Verhalten sei erkennbar, dass er auch einer allfälligen regelmäßigen Meldepflicht nachgekommen wäre.        

 

3.1. Mit Schreiben vom 5. März 2008 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt übermittelt, eine Gegenschrift erstattet und ergänzende Ausführungen getätigt.   

 

In der Gegenschrift brachte die belangte Behörde vor, dass der Bf weiterhin in Schubhaft angehalten werde. „Aufgrund der Verurteilung durch das Landesgericht Steyr vom 1.5.2007 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, davon 3 Monate unbedingt, sowie aufgrund der Tatsache das weitere Anzeigen gegen den Genannten vom Stadtpolizeikommando Steyr vom 22.2.2007, wegen des Verdachtes des schweren Raubes und vom 2.3.2007, wegen des Verdachtes der Veruntreuung von Mobiltelefonen, vorliegen“ würden, habe die belangte Behörde „von einem gelinderen Mittel abgesehen“. Ergänzend führte die belangte Behörde an, dass eine Bescheidzustellung gemäß § 23 AsylG nicht vorgenommen werden konnte, da der Bf nach 2 Zustellversuchen nicht angetroffen wurde und auch auf die angekündigte Hinterlegung nicht reagiert habe. Weiters sei der Bf aufgrund der durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung mit 3. März 2008 aus der Grundversorgung des Landes Oberösterreich ausgeschieden.   

 

3.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den Verwaltungsakt, festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit dem 29. Februar 2008 für die belangte Behörde im PAZ Wels in Schubhaft angehalten.  

 

Die Beschwerde ist zulässig.    

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einer bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizeiinspektion zu melden.

 

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

 

4.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Fremder und infolge des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens nicht mehr als Asylwerber anzusehen. 

 

4.3.1. Grundsätzlich hätte die belangte Behörde bei Vorliegen sämtlicher formeller Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme die Schubhaft auf § 76 Abs. 1 FPG stützen können.  Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239, ausgeführt, dass sämtliche Schubhafttatbestände final determiniert sind und diese nur aus den in § 76 Abs. 1 und 2 FPG genannten Gründen verhängt werden darf (vgl. auch VwGH vom 20. Dezember 2007, 2006/21/359 und vom 24.Oktober 2007, 2006/21/0067).

 

Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden  in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. In der Folge kommt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (siehe auch Erkenntnisse des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, mwN und vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0261). Daraus folgt, dass eine alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, 2007/21/0370). 

 

Im Erkenntnis vom 29. Februar 2008, VwSen-400936/4/GF/Mu/Se, hat der Oö. Verwaltungssenat auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes Bezug genommen und wie folgt ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007,        Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Rechtsprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verurteilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vg. VfSlg 13715/1994 und VwGH vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreisewilligkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattgegeben." 

 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden führt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung aus, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen (vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107).

 

Im Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239, hat der Verwaltungs-gerichtshof dargelegt, dass ein "legaler Aufenthalt in Ungarn, illegale Einreise des Bf in Österreich ohne über die erforderlichen Dokumente zu verfügen, das Fehlen einer beruflichen Integration und einer Krankenversicherung, Mangel ausreichender finanzieller Mittel oder hinreichender Unterhaltsgewährung durch zahlungskräftige Angehörige"  für sich "allein" nicht geeignet erscheint, im konkreten Einzelfall die Verhängung der Schubhaft, die nach dem Gesagten nicht zu einer "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber werden darf, tauglich zu begründen. Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden.  

 

Darüber hinaus ist eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig. Beispielsweise darf aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon "unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze" (siehe VwGH vom 24. 10.2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Fremde grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Grundversorgung hat und somit die Mittellosigkeit und auch das Nichtvorhandensein eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes nicht ohne weiteres zur Begründung der Schubhaft herangezogen werden kann.

 

4.3.2.  Generell und somit auch im vorliegenden Fall wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, einzelfallbezogen das Vorliegen der Voraussetzungen für die aufenthaltsbeendende Maßnahme und den aktuellen Sicherungsbedarf zu prüfen und konkret zu begründen, weshalb keine gelinderen Mittel in gleicher Weise zur Zielerreichung zum Tragen kommen können.

 

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde in der Schubhaftbegründung nur auf die Mittellosigkeit und eine fehlende Aufenthaltsberechtigung abgestellt. Ebenso allgemein gehalten wurde die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel damit verneint, als "begründeter Verdacht" bestehe, dass sich der Bf dem angestrebten Sicherungszweck entziehen werde. Weiters legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Ansicht zugrunde, dass sich der Bf den Unterhalt durch illegale oder strafbare Handlungen sichern werde.

 

Schon im Hinblick auf den bestehenden Rechtsanspruch auf Grundversorgung kann hier der Argumentation der belangten Behörde nicht gefolgt werden. Noch zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung wurde dem Bf trotz der rechtskräftigen Ausweisung die Grundversorgung gewährt. Den einschlägigen Bestimmungen kann nicht entnommen werden, dass dem Bf für den Fall des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens keine Grundversorgung mehr zusteht. Anzumerken ist, dass der Bf erst Monate nach dem Abschluss des Asylverfahrens und erst Tage nach der Inschubhaftnahme aus der Grundversorgung entlassen worden ist.

  

Aktenwidrig ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Bf "auf Grund eines Festnahmeauftrages aufgegriffen" worden sei.

 

Wie sich unwidersprochen aus der Beschwerdeschrift ergibt, hat der Bf nach Kenntnisnahme, dass sich die Polizei an seiner Wohnadresse nach ihm erkundigt habe, freiwillig bei der belangten Behörde vorgesprochen. Im Anschluss daran erfolgte die Festnahme und gleichzeitige Schubhaftverhängung.

 

Erst in der Gegenschrift hat die belangte Behörde dargelegt, dass der Bf vom Landesgericht Steyr rechtskräftig zu 10 Monaten Freiheitsstrafe, davon 3 Monate unbedingt, verurteilt worden ist und infolge seiner weiteren Verstöße gegen die Rechtsordnung (Verdacht des schweren Raubes und der Veruntreuung von Mobiltelefonen) von einem gelinderen Mittel abgesehen worden sei.

 

Nach Einsichtnahme in das angesprochene Urteil des Landesgerichtes Steyr steht entgegen der behördlichen Annahme fest, dass über die angeführten weiteren Verstöße des Bf gegen das Strafgesetzbuch bereits rechtskräftig im genannten Urteil abgesprochen worden ist. So wurde der Bf vom Vorwurf, einen schweren Raub begangen zu haben, freigesprochen und die Veruntreuung von Mobiltelefonen hat in der Verurteilung ihren Niederschlag gefunden.

 

An dieser Stelle ist anzumerken, dass die diesbezüglichen Eintragungen in der KA äußerst widersprüchlich und fehlerhaft sind. Beispielsweise sind unzutreffende Tatzeiten angeführt ("01.09.2006", "09.01.2006" und "01.09.2006") die in klarem Widerspruch zu den Angaben im Urteil des LG Steyr und dem als glaubwürdig erachteten Einreisezeitpunkt (04.09.2006) stehen.

 

Wie bereits oben dargelegt hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Inschubhaftnahme weder der Verhinderung noch der Sanktionierung von Straftaten dienen darf. Somit kann das strafrechtlich relevante Verhalten auch nicht zur Begründung des Ausschlusses gelinderer Mittel herangezogen werden.   

 

Weiters hat die belangte Behörde in der Gegenschrift ausgeführt, dass "eine Bescheidzustellung gem. § 23 Asylgesetz nicht vorgenommen werden konnte, da der Genannte nach 2 Zustellversuchen nicht angetroffen werden konnte und auch auf eine angekündigte Hinterlegung nicht reagiert" habe.

 

Damit scheint die belangte Behörde darlegen zu wollen, dass sich der Bf fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehe. Aber gerade dieser Schluss kann daraus nicht gezogen werden. Wie dem Vorlageakt zu entnehmen ist, war der Bf seit seiner Ankunft in Österreich durchgehend an den ihm zur Verfügung gestellten Wohnungen polizeilich gemeldet. Zu keinem Zeitpunkt war eine Abmeldung angedacht und es hat sich auch kein Hinweis ergeben, dass der Bf an seiner Meldeadresse zukünftig nicht mehr erreichbar ist oder er längerfristig ortsabwesend sein werde. Hätte sich dieser Verdacht ergeben, wären von den amtshandelnden Polizeibeamten sicher entsprechende Schritte (z.B. amtswegige Abmeldung) eingeleitet und eine Bescheidhinterlegung nicht vorgenommen worden. Jedenfalls können aus der unterlassenen Bescheidabholung nicht die behördlichen Rückschlüsse gezogen werden.  

 

4.3.3. Die belangte Behörde hat u.a. die Inschubhaftnahme damit begründet, dass das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gesichert werden sollte.

 

Die vorgenommene Maßnahme setzt jedenfalls einen konkreten Sicherungsbedarf voraus und darf nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden.

 

Weder aus dem Vorlageakt noch aus der Gegenschrift kann ein konkreter Sicherungsbedarf abgeleitet werden. Ein solcher wurde von der belangten Behörde auch nicht ansatzweise dargelegt. Aus dem Vorlageakt lässt sich gerade Gegenteiliges erkennen. In Kenntnis des negativen Ausganges des Asylverfahrens und der damit verbundenen Ausweisung ist der Bf weiterhin an der ihm zugewiesenen Wohnung aufhältig gewesen und hat sich freiwillig zur belangten Behörde begeben, um der polizeilichen Vorsprache an der Abgabestelle nachzukommen. 

 

4.3.4. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 1 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Aus der Begründung des Schubhaftbescheides und der Aktenlage erscheint es für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, wieso die belangte Behörde nicht zumindest mit der Anwendung eines gelinderen Mittels iSd § 77 Abs 3 FPG das Auslangen gefunden hat.

 

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides wurde der Bf als hilfsbedürftiger Fremder angesehen, weil er über keine ausreichenden Mittel verfügte, und Anspruch auf Grundversorgung hatte. Die Grundversorgung wurde laut Aktenlage bis zum 3. März 2008 vom Land Oberösterreich geleistet und steht dem Bf grundsätzlich auch weiterhin zu (vgl näher §§ 1 und 2 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 iVm Art 2 und 4 Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG, BGBl I Nr. 80/2004 = LGBl Nr. 93/2004).

 

Unter den gegebenen Umständen hätte sich die belangte Behörde mit der Anordnung gelinderer Mittel begnügen müssen. Da die Verhängung der Schubhaft jedenfalls als nicht zwingend erforderlich angesehen werden konnte, war auch die Ermessensentscheidung der belangten Behörde, von gelinderen Mitteln abzusehen, unvertretbar.

 

4.4. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben, der Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Gleichzeitig war festzustellen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine maßgeblichen Gründe für die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft vorliegen.   

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 674,-- Euro (Gebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum