Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-162919/8/Br/Ps

Linz, 07.03.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J T, A, B, vertreten durch Dr. C A, Rechtsanwalt, S, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmann­schaft Braunau am Inn vom 2.1.2008, Zl. VerkR96-1072-2007, nach der am 7.3.2008 im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.   Der Berufung wird im Schuldspruch keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der letzte Halbsatz zu lauten hat: "…, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug links überholt." zu lauten hat.

      Die Geldstrafe wird jedoch auf 60 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Euro ermäßigt. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 6 Euro.

 

II. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5 /2008 - VStG.

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem o.a. Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen einer Übertretung nach § 16 Abs.2 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 90 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 19.1.2007 um 10.40 Uhr im Gemeindegebiet von Braunau am Inn, auf der B156, bei Strkm 58,200, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen trotz eines dort kundgemachten Überholverbotes ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt habe.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte den Tatvorwurf auf die Anzeige der PI Braunau am Inn v. 29.1.2007, sowie die vom Meldungsleger per 72.7.2007 eingeholte Stellungnahme, sowie die von der Behörde erster Instanz selbst ergänzend vor Ort getroffenen Feststellungen. Diesen zur Folge besteht auf der B156 in Fahrtrichtung Neukirchen a.d.E. von Strkm 58,680 bis 57,200 ein beschildertes Überholverbot. Dies sei dem Berufungswerber in einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn v. 4.7.2007 zur Kenntnis gebracht worden. Der Berufungswerber habe sich diesbezüglich mit dem Hinweis gerechtfertigt, dass es sich um einen Einzelfall gehandelt habe, welcher nicht wiederholt werde.

Zur Strafzumessung verwies die Behörde erster Instanz auf § 19 VStG und vermeinte, dass dieser Übertretung nicht bloß geringes Verschulden zu Grunde liegen würde. Auf die mit einem derartigen Verstoß verbundenen Gefahren wurde hingewiesen, wobei mangels Angaben zu den Einkommensverhältnissen dieses beim Berufungswerber mit nur 1.000 Euro geschätzt wurde.

Die Anwendungsvoraussetzungen des § 20 bzw. § 21 VStG sah die Behörde erster Instanz nicht gegeben.

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung. Eingangs vermeint er darin, die Behörde erster Instanz hätte den Schuldspruch in keiner Weise begründet und die zu Gunsten des Berufungswerbers sprechenden Fakten schlichtweg ignoriert. Wegen dieser bloßen Formalbegründung sei der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Im zweiten Absatz der Berufung wird der Überholvorgang eingeräumt, jedoch darauf hingewiesen, dass bei Einleitung des Überholvorganges noch keine Sperrlinie vorhanden gewesen sei. Der Berufungswerber vermeint weiter, der Meldungsleger hätte nicht erkennen können, ob für ihn bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Überholverbotes der Linksabbiegestreifen erkennbar gewesen sei.

Der Berufungswerber verweist auf die Änderung des Tatvorwurfes mit Schreiben vom 11.6.2007 von § 9 Abs.1 StVO auf eine Übertretung des § 9 Abs.6 StVO.

Schließlich vermeinte der Berufungswerber, dass die Einleitung des Überholvorganges noch außerhalb dieses Überholverbotsbereiches erfolgt sei. In diesem abermals geänderten Vorwurf erblickt der Berufungswerber eine unzulässige Modifizierung des Tatvorwurfes.

Abschließend vermeint der Berufungswerber ob der Einmaligkeit des Vorfalls mit einer milderen Strafe das Auslangen finden zu müssen.

Er beantragt die Durchführung einer Berufungsverhandlung in Verbindung mit einem Ortsaugenschein u. beantragt abschließend die Verfahrenseinstellung bzw. die Anwendung des § 21 VStG.

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt dem Oö. Verwaltungssenat zur Berufungsentscheidung vorgelegt; dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durch­führung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war insbesondere wegen des gesonderten Antrages zwingend durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

Bei der vor Ort durchgeführten Berufungsverhandlung wurde der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen, sowie die Örtlichkeit hinsichtlich des Überholverbotsbereiches in Augenschein genommen.

Der anwaltlich vertretene Berufungswerber nahm an der Berufungsverhandlung wegen eines Aufenthaltes in S nicht teil. Eine Vertreterin der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ebenfalls teil.

 

 

4. Unbestritten lässt der Berufungswerber die Benützung der Linksabbiegespur für die Zufahrt zum Werksgelände der Firma AMAG, um ein offenkundig deutlich langsamer fahrendes Fahrzeug in diesem Bereich zu überholen.

Der Berufungswerber erblickt in diesem Vorgang im Ergebnis kein Überholen.

Anlässlich der Berufungsverhandlung konnte festgestellt werden, dass vom Standort des Meldungslegers (Bild:[® DORIS, Land Oö.] - Markierung 1) die auf zumindest 300 m in Blickrichtung Braunau völlig gerade verlaufende B156 gut einsehbar ist. Der Standort befand sich in einer Bucht etwa 50 m südlich (in Fahrtrichtung Salzburg) am rechten Fahrbahnrand. Ab Straßenkilometer 59,0 befindet sich in Fahrtrichtung des Berufungswerbers ein Überholverbot und eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h. Diese Beschränkung erstreckt sich in südlicher Richtung über das Werksgelände hinaus. Auf Grund der Länge des Verbotsbereiches ist das Verkehrszeichen "Überholverbot und Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h" nochmals etwa 100 m nach dem Kreuzungs­trichter der Zufahrt zur AMAG aufgestellt.

111

 
Der Zeuge Insp. F führte anlässlich der Berufungsverhandlung seine Wahrnehmung abermals aus. Er legte darin schlüssig u. glaubwürdig dar, dass der Berufungswerber ohne die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h zu überschreiten einen deutlich unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit fahren­den Pkw überholte. Der Überholvorgang wurde vielleicht 150 bis 200 m vor seinem Standort eingeleitet und etwa auf Höhe des Straßenkilometer 58,2, wo er bereits das Umspuren nach rechts wahrnehmen habe können, auch schon wieder beendet. Dabei musste zwingend die Sperrlinie der Linksabbiegespur zum rechten Fahrstreifen überfahren werden.

An der unmittelbar dahinter befindlichen rechtsseitigen Bucht erfolgte die Anhaltung und die Konfrontation mit der Verwaltungsübertretung. Letztlich verweigerte der Berufungswerber die Bezahlung eines Organmandates, sodass es zur Anzeige wegen Überfahrens der Sperrlinie gekommen ist. Eine nachteilige Auswirkung für andere Verkehrsteilnehmer hat der Meldungsleger offenbar nicht festgestellt.

Diesem Überholmanöver kann daher angesichts der dort herrschenden Gefahrensichtweite und der offenkundig grundlos langsamen Fahrweise des Überholten keine über die in der Begehung dieser Ordnungswidrigkeit (und demnach auf den bloßen Ungehorsam reduziert bleibend) hinausgehende schädliche Auswirkung zugedacht werden.

Wenn sich letztlich das Überholgeschehen ohne Überschreitung der dort erlaubten Höchstgeschwindigkeit nur im Bereich von 100 m erstreckte, bedarf dies einer spezifischen Beurteilung im Hinblick auf Schuld- u. Tatunwert.

Unter Zugrundelegung der Ausführung des Überholvorganges aus 70 km/h und einem Sicherheitsabstand von etwa einer Sekunde und einem Einscheren 15 m vor dem Überholten, würde sich der Überholweg mit 100 m bei einer Fahrgeschwindigkeit des überholten Fahrzeuges von nur 45 km/h ergeben. Würde das überholte Fahrzeug jedoch 50 km/h fahren, käme der Überholweg bereits bei 122,6 m zu liegen (Berechnung mit Analyzer Pro 32 Version 6).

Mit dieser Darstellung mag das Motiv zum Überholen unter Berücksichtigung der Lebensnähe und Verkehrsrealität nachvollzogen werden. 

Als unerfindlich darf an dieser Stelle noch die vom Berufungswerber gegenüber dem Meldungsleger vertretene Auffassung bemerkt werden, vom Verbot eine Sperrlinie nicht überfahren zu dürfen nichts gewusst haben zu wollen.

 

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hierzu erwogen:

§ 16 Abs.2 lit.a StVO lautet: "Außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen:

  a) mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sind; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist, …"

 

 

5.1. Betreffend den u.a. vom Berufungswerber eingewendeten unzulässigen Tataustausch ist auf die an den Berufungswerber zHd. seines Rechtsvertreters per 4.7.2007 gerichtete Verfolgungshandlung zu verweisen. Auch schon aus der zeugenschaftlichen Vernehmung des Meldungslegers vor der Behörde erster Instanz am 17.4.2007 ist vom Überholen die Rede. Dieser Inhalt gelangte dem Berufungswerber mit Schreiben vom 23.4.2007 zur Kenntnis. In der Stellungnahme vom 16.5.2007 replizierte der Berufungswerber darauf mit dem Einwand, der Meldungsleger hätte von seinem Standort nicht feststellen können, ob der Berufungswerber bei Überholbeginn den Linksabbiegestreifen hätte erkennen können. Dies konnte im Rahmen der Berufungsverhandlung klar widerlegt werden.

Bereits in den genannten Verfahrensschritten wurde somit auch der Verstoß gg. das Überholverbot zur Last gelegt. Eine Tatbeschreibung in Form eines benannten Straßenzuges, sowie die Angabe der diesbezüglichen Tatzeit steht mit dem Gebot des § 44a Z1 VStG und damit auch mit den an eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs.2 VStG zu stellenden Anforderungen im Einklang. Auch dem Verjährungseinwand kann daher nicht gefolgt werden. Er war hierdurch weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt (vgl. VwGH 12.8.1994, 94/02/0237 mit Hinweis auf VwGH 8.7.1988, 88/18/0074; VwGH 3.9.2003, 2001/03/0150 u. VwGH 26.1.2000, 98/03/0089).

Der Bestimmung des § 44a Z1 VStG ist kein übertriebener Formalismus zuzudenken, sondern es gilt diese Bestimmung am Maßstab der obigen Schutzziele zu messen. Einen Nachteil kann wohl auch der Berufungswerber dadurch nicht wirklich erlitten haben. Dies behauptet schließlich nicht einmal der Berufungswerber selbst. Zu vervollständigen war der Spruch jedoch mit dem im Sachverhalt unstrittigen Tatbestandselement, dass der Überholvorgang "links" ausgeführt wurde.

Die Behörde erster Instanz hätte von der Judikatur gedeckt durchaus auch noch das Überfahren der Sperrlinie gesondert ahnden können (VwGH 25.3.1992, 91/02/0151), was jedoch in sachgerechter u. insbesondere EMRK-konformer Interpretation des Gesetzes (in Vermeidung einer in Idealkonkurrenz  Tateinheit begangener Handlung) unterblieben ist. Dennoch ist hier angesichts der Falllagerung bei diesem Überholvorgang von einem atypisch geringem Unwertgehalt, sich bloß auf den Ungehorsam reduzierenden Tatunwert auszugehen.

 

 

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

6.1. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt etwa dann vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Davon ist beim zweitgenannten Straferkenntnis nicht auszugehen.

Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25.3.1980, 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Die mit 90 Euro bemessene Geldstrafe erscheint daher mit Blick auf die Tatumstände zu hoch gegriffen. Anzumerken gilt es, dass der Meldungsleger in gut nachvollziehbarer Weise ein Organmandat anbot, was der Berufungswerber letztlich aus unerfindlichen Gründen nicht annehmen wollte. Seine Rechtsauffassung über das Überholen im Überholverbot ist wohl verfehlt, mag aber vor dem Hintergrund der "Einladung zum Überholen" durch den Langsamfahrer ebenfalls begreiflich sein. Dass er schließlich sein formales Fehlverhalten bislang offenbar nicht einzusehen vermag, rechtfertigt letztlich die immer noch deutlich über der Organmandatsstrafe liegende Geldstrafe mit Blick auf spezialpräventive Überlegungen in Verbindung mit den bis zu 726 Euro reichenden Strafrahmen. Die Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG muss für diese Übertretung unter Hinweis auf die Judikatur außer Betracht bleiben.

Der Berufungswerber ist Student und dürfte demnach über kein eigenes Einkommen verfügen. Die Schätzung liegt bei 1.000 Euro, welcher weder durch Vorbringen noch durch Belege entgegengetreten wurde.

Als Milderungsgrund wurde bereits von der Behörde erster Instanz die Unbescholtenheit gewertet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum