Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400923/7/BMa/Se

Linz, 10.03.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des X C, geb , Sta. der Volksrepublik China, L, vertreten durch den M der L L, L, wegen Schubhaftverhängung und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Recht erkannt:

 

 

 

 

Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 29. – 30. Oktober 2007 für rechtswidrig erklärt wird. Das Mehrbegehren wird zurückgewiesen.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs.1 und 83 Abs.2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006) iVm § 67c AVG 1991

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Folgendes Verwaltungsgeschehen ist entscheidungsrelevant:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, wurde im Rahmen einer Fremdenkontrolle am 23. Mai 2007 um 19.00 Uhr im Restaurant "W o A S" in P, von Beamten der PI P und der KIAB kontrolliert. Bei der Kontrolle hat sich der Bf mit dem österreichischen Personalausweis Nr.  , ausgestellt am 10.1.2006 vom Magistrat Linz, ausgewiesen. Bei der Kontrolle des Personalausweises wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt und die erkennungsdienstliche Behandlung ergab, dass keine Daten aufliegen und die Identität des Bf nicht feststellbar ist. Am 24. Mai 2007 wurde über den Bf die Schubhaft verhängt zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung/eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz.

Ebenfalls am 24. Mai 2007 wurde gegen den Bf ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Während seines Aufenthalts in Schubhaft wurde vom Bf am 8. Juni 2007 ein Asylantrag bei der EAST West gestellt. Vom Unabhängigen Bundesasylsenat wurde in zweiter Instanz mit Bescheid vom 17. September 2007 die Berufung gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid abgewiesen. Auch die Berufung gegen die Ausweisung erwuchs mit diesem Tag in Rechtskraft. Aufgrund der örtlichen Zuständigkeit und der bestehenden Minderjährigkeit des Bf hat der Magistrat Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, beim zuständigen Bezirksgericht Linz einen Antrag auf Regelung der Obsorge für den Minderjährigen eingebracht. Mit Beschluss des Bezirksgerichts vom 19. Oktober 2007 wurde die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger Land Oberösterreich übertragen und sofortige Vollstreckbarkeit und Verbindlichkeit gemäß § 44 AußStrG zuerkannt.

Dieser Beschluss wurde an den Bf und das Magistrat Linz jeweils am 25. Oktober 2007 zugestellt.

Nachdem das Magistrat Linz mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2007 der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die Übertragung der Obsorge angezeigt hatte, wurde der Bf am 30. Oktober 2007 aus der Schubhaft entlassen und vom Land Oberösterreich in Grundversorgung übernommen.

 

1.2. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 (eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat per Fax am gleichen Tag) wurde Beschwerde wegen Verhängung der Schubhaft mit Bescheid der BH Linz-Land vom 24. Mai 2007 und Anhaltung des minderjährigen Bf vom 24. Mai 2007 bis 30. Oktober 2007 in Schubhaft erhoben.

 

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, die Minderjährigkeit des Bf sei außer Zweifel gestanden und die belangte Behörde hätte gegen den Minderjährigen das gelindere Mittel anzuwenden gehabt. Der Zweck der Schubhaft sei bereits am 24. Mai 2007 erreicht gewesen, weil laut Spruchpunkt 1 des Bescheides vom 24. Mai 2007 die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung/eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdengesetz verhängt worden war und ebenfalls am 24. Mai 2007 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Die Behörde habe den Bf trotz Erreichens des Zwecks der Schubhaft und trotz seiner Minderjährigkeit über den 24. Mai 2007 hinaus in Schubhaft angehalten, ohne nachvollziehbar zu begründen, weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz der Minderjährigkeit notwendig gewesen sei. Weil sich der Bf niemals einem Verfahren entzogen habe und auch aus der Niederschrift keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, wonach er dies beabsichtige, hätte das gelindere Mittel in Erwägung gezogen bzw. angewendet werden müssen. Allein aus der Tatsache, dass die Identität des Bf nicht feststehe, könne ebenso wenig darauf geschlossen werden, dass er sich dem Verfahren entziehe, wie aus dem Umstand, dass er über keine ordentliche Meldeadresse verfüge.

 

Abschließend wurde vom Amt für Soziales, Jugend und Familie als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen der Antrag gestellt, die Anhaltung vom 24. Mai 2007 bis 30. Oktober 2007 für rechtswidrig zu erklären. Ein Kostenbegehren wurde nicht gestellt.

 

2.1. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 (eingelangt beim Verwaltungssenat am 12. Dezember 2007) legte die belangte Behörde den bezughabenden Akt vor und teilte mit, dass die Schubhaft vom 24. Mai 2007 bis 30. Oktober 2007 vollzogen worden war. Abschließend wurden die Abweisung der Beschwerde und der Zuspruch des Kostenersatzes begehrt.

 

2.2. Ergänzend wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben, dass der Beschluss des BG Linz vom 19. Oktober 2007 dem Beschwerdeführer und dem Magistrat Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, am 25. Oktober 2007 zugestellt wurde.  

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt, der Haftbeschwerde und den ergänzenden Ermittlungen des unabhängigen Verwaltungssenats.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Nach § 82 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 157/2005 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1) nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2) unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3) gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs.1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs.4 FPG).

 

Nach § 83 Abs.2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd

§ 67a Abs.1 Z2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c – 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren. Gemäß dem § 67c Abs.1 AVG sind Beschwerden innerhalb von 6 Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Bf von der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

 

Da der Bf im Regelfall durch die Anhaltung in Schubhaft nicht gehindert ist, eine Beschwerde dagegen zu erheben, gilt die 6 Wochen Frist ab Kenntnis von der Anhaltung in Schubhaft (vgl. VwSen-400916/5/WEI/Ps vom 14. November 2007). Der Bf wurde ab 24. Mai in Schubhaft genommen und bis 30. Oktober 2007 in Schubhaft angehalten. Ihm wurde in der Niederschrift vom 24.5.2007 in der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Kenntnis gebracht, dass über ihn die Schubhaft zu verhängen sei und er hat den Schubhaftbescheid ebenfalls am 24. Mai 2007 persönlich entgegen genommen.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates ist die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft für einen zurückliegenden Zeitraum von 6 Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig. Hinsichtlich der länger zurückliegenden Zeit ab Inschubhaftnahme am 24. Mai 2007 ist die Beschwerde verfristet und war diese insofern zurückzuweisen.

Gegenständlich ist daher weder die Verhängung der Schubhaft, noch deren Aufrechterhaltung außerhalb des sechs wöchigen Rahmens zu prüfen, sodass sich der entscheidungswesentliche Zeitrahmen der Anhaltung in Schubhaft auf 29. und 30. Oktober 2007 beschränkt.

 

Gemäß § 77 Abs.1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass das Bezirkgericht Linz mit Beschluss vom 19. Oktober 2007, Zl., die Obsorge für den minderjährigen Bf dem Jugendwohlfahrtsträger Land Oberösterreich, vertreten durch das Amt für Soziales, Jugend und Familie Linz zur Gänze übertragen hat

Der Beschluss des Bezirksgerichts Linz ist mit seiner Erlassung rechtlich existent. Ihm wurde sofortige Vollstreckbarkeit und Verbindlichkeit gemäß § 44 AußStrG zuerkannt.

Gemäß § 44 Abs.1 2. Satz AußStrG treten die vorläufigen Beschlusswirkungen ein, sobald der Beschluss über ihre Zuerkennung zugestellt wurde, und wirken bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Sache, auch wenn der Beschluss inzwischen aufgehoben oder durch einen anderen Beschluss ersetzt wurde.

 

Konkret bedeutet dies, dass die Obsorge für den Bf mit Zustellung des Beschlusses am 25. Oktober 2007 auf den Jugendwohlfahrtsträger übergegangen war und der Bf am 29. und 30. Oktober 2007 bereits der Obsorge des Landes Oberösterreich unterstellt war. Damit hatte das Land Oberösterreich, vertreten durch das ASJF Linz, zu diesem Zeitpunkt bereits für die Unterbringung des minderjährigen Bf zu sorgen. Folglich wäre an den beiden letztgenannten Tagen ein gelinderes Mittel anzuwenden gewesen. Denn bei Minderjährigen ist die Anwendung gelinderer Mittel zwingend vorgesehen, es sei denn, es liegen Gründe vor, die eine Vereitelung der Verfahrens- oder Maßnahmensicherung erwarten lassen. Von solchen Gründen ist insbesondere dann auszugehen, wenn der minderjährige Fremde straffällig ist oder bereits einmal während einem ihm gegenüber angewendeten gelinderen Mittel "untergetaucht" ist (Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner, FPG § 77 Anmerkung 4).Derlei ist hier jedoch nicht gegeben.

Damit war die Anhaltung des Beschwerdeführers am 29. und 30. Oktober 2007 unzulässig. 

 

Dass die belangte Behörde erst am 30. Oktober 2007 von der Betrauung des Landes Oberösterreich mit der Obsorge für den minderjährigen Bf erfahren hat, vermag daran nichts zu ändern. Verzögerungen innerhalb der Behördenwege können nicht zu Lasten des Bf gehen und die Schubhaft auch nicht rechtfertigen

(vgl. VwSen-400714/13/BMa/Be vom 2. August 2005).

 

 

4. Unter den gegebenen Umständen war daher der vorliegenden Beschwerde für die innerhalb der 6 Wochen Frist liegenden Tage der Anhaltung in Schubhaft, dass sind der 29. und 30. Oktober 2007, statt zu geben und die Rechtwidrigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft für diesen Zeitraum festzustellen.

 

5. Weil vom Bf kein Kostenbegehren gestellt wurde, war darüber auch nicht abzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 24 Euro angefallen.

Mag. Bergmayr-Mann

Beachte:

Der bekämpfte Bescheid wurde im Umfang seiner Anfechtung, sohin insoweit, als er die erhobene Administrativbeschwerde zurückwies, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 30.04.2009, Zl.: 2008/21/0385-5

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum