Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280867/34/Wim/Ps

Linz, 19.03.2008

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine X. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn Ing. E I, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H M, V, vom 21. Oktober 2005, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 4. Oktober 2005, Zl. Ge96, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 29. Jänner und 5. März 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

 

II.        Der Berufungswerber hat zusätzlich als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 500 Euro zu leisten, das sind 20 % der verhängten Strafe.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 2.500 Euro, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 216 Stunden, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) iVm der Bauarbeitenschutz­verordnung (BauV) verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

"Sie haben es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 VStG strafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der I Gesellschaft m.b.H., welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der I Gesellschaft m.b.H. KG. mit Sitz in V ist, zu verantworten, dass bei einer am 23.03.2005 vom Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten – Wien durchgeführten Kontrolle der Baustelle in W, W (Neubau X) festgestellt wurde, dass der Arbeitnehmer O S am Rand des Lüftungsschachtes (nächst D) Spenglerarbeiten ohne jegliche Sicherungsmaßnahmen durchgeführt hat, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 25 m in den Schacht bestand.

 

Es waren weder Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden, noch war der Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr einschließlich der dazugehörigen Ausrüstung mit Sicherheitsseil, Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer oder Höhensicherungsgerät sicher angeseilt, obwohl bei Absturzgefahr, sofern die Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen – wie in diesem Fall – entfallen dürfen, Arbeitnehmer sicher angeseilt sein müssen."

 

 

2.      Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und den genannten Bescheid zur Gänze angefochten, wobei als Berufungsgründe Nichtigkeit, wesentliche Verfahrensmängel, unrichtige Sachverhaltsfeststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurden.

 

Zusammengefasst wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass seitens des Beschuldigten ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz an Kontrolleinrichtungen verwirklicht worden sei. Im Betrieb sei eine eigene Sicherheitsfachkraft damit beschäftigt, ein Kontrollsystem aufgebaut zu haben und dessen Funktionieren zu überwachen. Dieses Kontrollsystem sei deshalb eingeführt worden, da dem Beschuldigten das hohe Gefährdungspotential der von seinem Betrieb auszuführenden Dacharbeiten durchaus bekannt sei, da die Vergangenheit gezeigt habe, dass die Einhaltung der Arbeitnehmerschutz­vorschriften Probleme bereite. Schon bei den Einstellungsgesprächen werde darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmerschutzbestimmungen unbedingt einzuhalten seien. Auch in zahlreichen Rundschreiben und Dienstanweisungen würden die Arbeitnehmer auf die verpflichtende Einhaltung der Arbeitnehmer­schutz­bestimmungen hingewiesen werden. Weiters würden regelmäßig interne Schulungen für Mitarbeiter veranstaltet werden und Vorarbeiter und Bauleiter auf diesbezügliche externe Schulungen geschickt. Diese Personen hätten firmenintern die Aufgabe, auch alle anderen Mitarbeiter im Betrieb des Beschuldigten auf die Arbeitnehmerschutzbestimmungen hinzuweisen. Seitens des Beschuldigten selbst wurden bzw. werden persönlich regelmäßig Kontrollen durchgeführt, um die Wirksamkeit und Einhaltung der internen Dienst­anweisungen und Richtlinien zu überprüfen. In der Vergangenheit habe tatsächlich teilweise festgestellt werden müssen, dass sich diverse Arbeitnehmer nicht an Direktiven halten. Dies habe dazu geführt, dass seitens des Beschuldigten bereits mehrmals Warnungen ausgesprochen worden seien und bei wiederholten Verstößen gegen die Dienstanweisungen im Sinne der Einhaltung der Arbeitsschutz­vorschriften auch Sanktionen wie fristlose Kündigung und Verhängung von Geldstrafen angedroht worden seien. Auf Grund dieser Maßnahmen sei in letzter Zeit festzustellen, dass die Arbeitnehmerschutz­bestimmungen beinahe ausschließlich eingehalten würden.

Bei der gegenständlichen Baustelle sei der Beschuldigte etwa Mitte März 2005 persönlich anwesend gewesen und hätten an diesem Tag keine Verletzungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften festgestellt werden können. Beim gegen­ständlichen Bauprojekt seien auch geeignete Schutzausrüstungen in Form von Absturz­sicherungen auf der Baustelle vorhanden gewesen. Es sei dem Beschuldigten daher nicht recht verständlich, weshalb sich ausgerechnet am 23. März 2005 der Arbeitnehmer O S angeblich nicht den Arbeitnehmerschutz­vorschriften entsprechend verhalten habe. Der Arbeitnehmer sei vom Beschuldigten mittlerweile zur Rede gestellt und diesem für das nochmalige Zuwiderhandeln die fristlose Kündigung angedroht worden.

 

Der Beschuldigte beschäftige in etwa 120 Mitarbeiter und habe im Rahmen des Möglichen dafür gesorgt, dass die firmeninternen Weisungen auf Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen auch regelmäßig und durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz kontrolliert würden, sodass im Einzelfall die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleistet sei. So hätte der Beschuldigte in Form von Herrn P M sogar eine eigene Sicherheits­fachkraft im Betrieb beschäftigt.

 

Mangels Verschulden sei daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, in eventu wurde beantragt unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen bzw. gemäß § 20 VStG eine außerordentliche Milderung der Strafe vorzunehmen.

 

Vom Beschuldigten wurde die Einvernahme der Zeugen P M und O S sowie im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 29. Jänner 2008 zusätzlich von A F beantragt, sowie darüber hinaus ein arbeitstechnisches Gutachten zur Frage der firmeninternen Struktur der Organisation und Kontrolle der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuholen.

 

 

3.1.   Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Anberaumung und Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 29. Jänner und 5. März 2008, bei denen als Zeugen der Sicherheitsbeauftragte Herr P M und der tätige Arbeitnehmer O S einvernommen wurden.

 

3.2.   Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht der im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführte Sachverhalt, nämlich die Durchführung der beschriebenen Arbeiten ohne Schutzmaßnahmen, fest.

Der Arbeitnehmer erachtete die Verwendung von Sicherheitsvorrichtungen für nicht notwendig. Vor Beginn der Arbeiten wurde von ihm eine allgemein gehaltene Belehrung über die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften unterschrieben. Am Tag der Arbeiten bzw. unmittelbar davor ist keine Baustellenkontrolle erfolgt. Im Betrieb der Firma I war Herr P M als Sicherheitsfachkraft mittels Werkvertrag mit ca. 100 Stunden pro Jahr beschäftigt, der eine Implementierung bzw. Zertifizierung nach SCC (Safety Contract Certificate) sowie Schulungen durchführte und von dem ca. 10 bis 12 Baustellen pro Jahr kontrolliert wurden.

 

3.3.   Dies ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie aus einer Zusammenschau der Einvernahmen der befragten Zeugen.

Insbesondere hat der Zeuge S glaubwürdig angegeben, dass er zwar eine Unterweisung zu Beginn der Arbeiten an der Baustelle unterschrieben habe, jedoch später keine weiteren Belehrungen oder eine konkrete Anweisung zur Verwendung von Sicherheitseinrichtungen erfolgt ist und weder am Kontrolltag noch unmittelbar davor eine Baustellenkontrolle stattgefunden hat. Auch Herr M gab an, dass er mit den gegenständlichen Arbeiten auf der Baustelle niemals befasst war und nur fünf Monate vorher eine Baustellenevaluierung, allerdings für einen anderen Arbeitsbereich, nämlich das Anbringen der senkrechten Außenfassade, vorgenommen hat.

Auch der Berufungswerber führte entsprechend seinen schriftlichen Ausführungen eine eigene vorherige Baustellenkontrolle nur Mitte März 2005 und somit ca. eine Woche vor der Übertretung durch.

 

 

4.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Zu den rechtlichen Grundlagen und auch zur Begründung kann zunächst auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwiesen werden.

 

Der objektive Tatbestand des Verstoßes gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften wurde nicht bestritten und ist auf Grund der Beweisergebnisse als erfüllt anzusehen.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG hat der Berufungswerber zur Widerlegung seines Verschuldens initiativ alles darzulegen, was seiner Entlastung dient. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss ein wirksames und effizientes Überwachungs-, Kontroll- und Sanktionssystem eingerichtet sein. Dazu ist auszuführen, dass im Zusammenhang mit den vorgeworfenen Verstößen und den dabei durchgeführten Arbeiten keine zeitnahen Kontrollen vorgenommen wurden.

 

Die Einvernahme des beantragten Zeugen A F konnte entfallen, da selbst dann wenn dieser als unmittelbarer Vorgesetzter von Herrn S ihm konkrete Anweisungen zur Verwendung von Sicherheits­einrichtungen gegeben hätte, was vom Zeugen S glaubwürdig verneint wurde, dies den Berufungswerber jedenfalls nicht entlastet, da er insbesondere hier auch Nachweise zu erbringen gehabt hätte, ob eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgt ist und hier stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügen.

 

Der Berufungswerber hat die Übertretung daher auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Da sich bereits auf Grund der oben angeführten Umstände eindeutig ergibt, dass das Kontrollsystem nicht ausreichend war, erwies sich auch das geforderte arbeitstechnische Gutachten zur Frage der firmeninternen Struktur der Organisation und Kontrolle der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften als entbehrlich, wobei die Bewertung des Kontrollsystems überdies eine Rechtsfrage darstellt.

 

4.1.   Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass der Berufungswerber bereits eine Vielzahl einschlägiger Vorstrafen wegen gleichartiger Übertretungen des Arbeitnehmer­Innen­schutz­gesetzes aufweist. Bei einem Strafrahmen im Wiederholungsfall von 290 Euro bis 14.530 Euro liegt die verhängte Strafe von 2.500 Euro noch immer im unteren Bereich, wobei auch – wie von der Erstbehörde angegeben – bei Annahme von bescheidensten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen sie im konkreten Fall angesichts der ernormen Absturzhöhe und der davon ausgehenden Lebensgefahr für den Arbeitnehmer nicht als überhöht anzusehen ist. Angesichts der einschlägigen Verwaltungsvorstrafen war sie auch aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, um den Berufungswerber in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten.

 

Ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen gemäß § 20 VStG liegt nicht vor. So scheinen gar keine Milderungsgründe auf. Angesichts der Umstände der Übertretung und der davon ausgehenden Gefährdungssituation für den Arbeitnehmer bei einem Sturz in den Schacht bei einer Absturzhöhe von 25 m sowie dem Fehlen eines bloß geringfügigen Verschuldens, für das sich aus dem Verfahren keine Anhaltspunkte ergaben, gelangt auch die Bestimmung des § 21 VStG nicht zur Anwendung und es war spruchgemäß zu entscheiden. Auf Grund der bestehenden einschlägigen Verwaltungsvorstrafen kann dem Beschuldigten auch kein Rechtsirrtum bezüglich der Einhaltung der Arbeitnehmervorschriften zu Gute kommen. Weiters sind auch noch weitere Berufungsverfahren wegen Übertretungen von Arbeitnehmer­schutz­vorschriften anhängig, sodass auch ein anschließendes Wohlverhalten nicht ohne weiteres zugebilligt werden kann.

 

 

5.      Die Höhe des Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren ergibt sich aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

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